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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Sas „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint täglich nachm. 5 Uhr für den Tag. Bezugspreis: Bev Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Md. im Monat, bei Zustellung dUch die Boten 2,30 Mk., bei Postdestellung 2 Mk. zuzüglich Abtrag- .. gebühr. Einzelnummern LPfg. Ale Postanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umaeaend Postboten undunsercAus- träger und Geschäftsstellen ... l,...... nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter SchriMücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaitene Raumzelle 20 Goldpfennig, die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold- pscnnig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Rcchweisungsgedühr 20 Goldpfennig. 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Seit jenen Tagen französischer „Rechtsprechung", als beim Ruhreinbruch Urteilsspruch auf Urteilsspruch erfolgte von einer Art, daß die Göttin der Justiz ihr Haupt ver hüllte, seit jenem Tage, da die Direktoren der Firma Krupp verurteilt wurden, weil französische Truppen drei zehn Arbeiter niedergeschossen hatten, seit dem Tage, da man Schlageter zum Richtplatz führte, wird kein „Urteil" derart wirken wie dieser Spruch des französischen Kriegs gerichts in Landau. „Im Namen des französischen Volkes" stand am Ein gang des Gerichtssaales, steht über dem Urteil. Im Namen des französischen Volkes soll also der Offizier unschuldig sein, der mit Revolverschüssen zwei Deutsche auf das Straßenpflaster von Germersheim warf, von dem sich der eine nie wieder erheben sollte, der andere zum Krüppel geschossen ward, dafür aber jetzt zwei Jahre ins Gefängnis wandern soll. Er erhielt die höchste Strafe, weil er einen schwer betrunkenen französischen Soldaten, der mit dem Bajonett herumfuchtelte und eine Frau be drängte, auf die Straße hinausgeworfen hat. Dos aber ist „beleidigende Haltung gegenüber den Besatzungs truppen!" Und der andere, der wie ein Amokläufer durch die Straßen Germersheims raste, revolverknallend, ohne Rück sicht niederschießend, was nicht rechtzeitig flüchtete, wird freigesprochen. Sogar der französische Staats anwalt, auch Offizier, beantragt ein Jahr Gefängnis. Nicht gerade viel; denn hätte ein Deutscher an einem Fran zosen eine solche Tat verübt, so würde er wohl zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit verurteilt werden, wie es ja scholl ein paarmal geschah. Aber dieser französische Offizier, für den kein Zeuge sprach, kein Sachverständiger eintrat, Segenden aber alle Zeugen, alle Sachverständigen unter Eid aussagten, wird freigesprochen. Soll das wirklich „im Namen des französischen Volkes" geschehen sein, was in dem Gerichtssaal in Landau „als Recht" befunden worden ist? Einer der französischen Verteidiger des Leutnants Rouzier ermahnte die Richter, einen „Spruch der Ver söhnung" zu fällen. Und dann kam dieser Spruch, der das Blut aller Deutschen zum Sieden bringen muß! Was in mühsamer Arbeit an Verständigungsbereitschaft geschaffen wurde, wird mit einem Schlage zertrümmert, wenn hier nicht das französische Volk und seine Regierung gulmacht, was man in Landqu „im Namen des franzö sischen Volkes" sündigte. Ein neues Glied in der langen Kette französischer Kriegsgerichtsurteile im besetzten Gebiet, die über so viele Deutsche schwerstes Leid brachten, immer nur von neuem zertrampelten, was schüchtern an Versöhnungswillen aufkeimte. Kurz zuvor hatten fran zösische Soldate« in Germersheim die deutsche Neichsflagge in den Straßenschmutz getreten: jede Sühne blieb aus. Dann kamen die Revolverschüsse eines knaben haften Offiziers, kam noch anderes: jede Sühne bleibt aus, dafür aber wandern Deutsche auf Monate, auf Jahre in französische Gefängnisse. Ungestraft können Deutsche niedergeschossen werden, die ohne jede Waffe einem Fran zosen über den Weg laufen. Nur, weil sich dieser „bedroht" — glaubt. Das soll „im Namen des französischen Volkes" ge urteilt sein? Nicht an das Gericht in Landau, sondern an das französische Volk richten wir Deutsche diese Frage und es mag uns so schnell wie möglich antworten, sonst er scheint als Lug und Trug, was seit zwei Jahren an Worten der Versöhnung gesprochen wurde. Sr. Luther wieder in Deutschland. Treue und Anhänglichkeit der Südamerikadeutschen. Der frühere Reichskanzler Dr. Luther ist von seiner Reise durch Südamerika in Bremerhaven eingetroffen. Er lehnte es auf das entschiedenste ab, sich zu der derzeitigen Regierungskrise in Deutschland zu äußern. Um so lebhafter und eingehender erzählte er aber von den Eindrücken, die er in Südamerika empfangen habe. Die Reise, die in Venezuela begonnen habe und über Kolumbien, Panama, Peru, Bolivien, Chile, Argentinien bis in di« Südstaaten von Brasilien führte, sei ursprüng lich als private Erholungsreise gedacht und geführt worden. Aber nicht nur die drüben wohnenden Deutschen, sondern auch dieRegierungenderRepubliken, die Dr. Luther besuchte, betrachteten ihn je länger desto mehr als offiziellen Besucher. In vielen Staaten sei er als Ehrengast begrüßt und behandelt worden. Von irgendwelcher Animosität bekam der frühere deutsche Reichskanzler nirgends auch nur das geringste zu spüren. Am begeistertsten waren natürlich die Deutschen, die an allen Plätze«, die Dr. Luther besuchte, in Hellen Scharen zusammenfirömten, um ihn zu sehen rind möglichst auch spreche« z« hören. Bon derTreue und Anhänglich- krit, die die teilweise schon feit Jahrzehnten in Süd- MW« Prateft in Paris md Koblenz. Tiefste EWömg in Wz Deutschland Die Reichsrcgierung hat den deutschen Bot schafter in Paris beauftragt, bei der franzö sischen Regierung wegen des im Germersheimer Prozeß vom französischen Gericht erlassenen Urteils vorstellig zu werden und darauf hinzuwcisen, daß das Urteil in den weitesten Kreisen des deutschen Volkes tiefste Em pörung hervorgerusen hat, die der angebahnten Politik der Annäherung schwere Hindernisse in den Weg legt. Auch der deutsche Reichskommissar, Freiherr Langwerth v. Simmern, ist angewiesen worden, in gleicher Weise der Rheinlandlommission dis Ansicht der deutschen Regierung über das Urteil und die Wirkung des Urteils in der Bevölkerung, namentlich im besetzten Gebiete, zum Ausdruck zu bringen. Es wird darauf gedrungen werden, daß die bisher für die deutschen Angeklagten eingelegte Revision auch auf die Freisprechung Rouziers ausgedehnt wird. Nach dem französischen Milrtärstrafrecht gibt es nicht das Rechts mittel der Berufung. Die Revision muß innerhalb 24 Stunden, nachdem den Verurteilten das Urteil bekannt gegeben worden ist, eingelegt werden. Sie bezieht sich nicht auf die im Prozeß gefundenen tatsächlichen Fest stellungen und berührt auch nicht die Veweiswürdigung, sondern kann nach Artikel 74 des Gesetzbuches nur wegen formeller Verstöße eingelegt werden. Die Neichsregierung weiß sich bei ihren Bemühun gen um Aufhebung des Landauer Kriegsgerichtsurteils -ins mit dem deutschen Volke. Ein Blick in die Zeitungen aller Parteirichtungen lehrt, daß das Landauer Urteil tat sächlich eine Einheitsfront im deutschen Volke in dieser Frage hsrgestellt hat. Aus allen Prefsekommentaren lodert sie Empörung über das Urteil des französischen Kriegs gerichts, das die Macht über das Recht gestellt Habs. Selbst vie französische Zeitung „Oeuvre" spricht davon, daß dieser Prozeß der Peitschenhieb eines französischen Offiziers gegen das friedliche Frankreich sei, und eine Wisner Leitung weist darauf hin, daß die französischen Militaristen Deutschland noch immer als Sklaven behandeln wollen. Hshn auf die Gerechtigkeit. Jin Appell des Reichsministers Dr. Bell. Der Reichsminister für die besetzten Gebiete, Dr. Bell, gab folgende Erklärung über das französische Kriegs- zerichtsurteil in Landau ab: Mit Empörung und Entrüstung hat das gesamte veutsche Volk dasunerhörteFehlurteildes fran- wstschen Kriegsgerichts in Landau vernommen. Rouzier ist freigesprochen, deutsche Bürger sind zu schweren Ge fängnisstrafen verurteilt. Unter diesen auch ein Mann, ver in einer Heidelberger Klinik an den Schüssen von Rouzier schwer krank daniederliegt und nun in einem unserem Rechtsempfinden ins Gesicht schlagenden Ab wesenheitsverfahren zwei Jahre Gefängnis erhielt. Rouzier hat einen deutschen Bürger getötet und zwei andere Deutsche durch Schüsse verletzt, einen in lebens- zefährlicher Weise. Jeder, der der Beweisaufnahme vor dem französischen Gerichte folgte, sah die Schuld Rouziers klar hervortreten. Trotzdem dieser Freispruch, der der Gerechtigkeit Hohn spricht. Diese VerhSUmsse stnd einfach untragbar. Wenn das Leben der Einwohner dem Kriegsgericht so leicht wiegt, so fühlt sich die Be- sölkerung in einem Zustand der Rechtlosigkeit, der im chreicndsten Gegensatz steht zu den Bemühungen der letzten »wei Jahre, eine Rechtsordnung des Friedens zwischen Deutschland und Frankreich zu schaffen. Im ganzen Kolke können solche unbegreiflichen Vorkommnisse nur als in Schlag gegen die Verständigungspolitik wirken. Unser tiefes Mitgefühl wendet sich den chwergeprüften Volksgenossen am Rhein zu. Wir wollen hnen mit allen Kräften helfen. Wir wollen alles tun, nn in diesem Einzelsalle dem Recht zum Siege zu ver- wlfen. Wir wollen aber darüber hinaus gegen ein synem rampsen, dem ein solches Fehlurteil ent-' pringen konnte. Alle Deutschen müssen aus dem Lan- >auer Urteil die Lehre ziehen, daß wir keine dringendere . llufgabe haben als die, unseren Volksgenossen am Rhein sie Freiheit und dem deutschen Staat die volle Souveränität in jenem Gebiete wieder zu erringen. Dief sen Appell richte ich an das ganze deutsche Volk. Solang« die Besatzung auf deutschem Boden weiter andauert, ist immer die Gefahr solch tiefbedauerlicher Ereignisse ges geben, die die schärfste Bedrohung der Verständigungs« Politik bedeuten. Unerläßliche Voraussetzung für die er sprießliche Fortführung dieser Verständigungspolitik ist das Bewußtsein eines gesicherten Rechtsschutzes. Wit erwarten, daß die berufenen französischen Instanzen gef rade im Landauer Falle alles tun, um das begangene Unrecht wieder gutzumachen. Die einzige Sicherheit gegen die Wiederkehr solcher die Gesamtpolitik beider Länder schwer gefährdender Vorkommnisse bietet aber die als- baldiae Beseitiauna der Besatzung. Krefelder Einheitsfront gegen dar Urteil von Landa«. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Krefeld, 23. Dezember. Die Krefelder Parteien Haden gestern cm das Außenministerium und an das Ministerium für die besetzten Gebiete in Berlin folgendes Telegranun gesandt: „Uirter- zeichnete Parteien finden sich zusammen in größter Entrüstung über das Landauer Schandurteil, das sie trotz eigener sechsjähriger Er fahrungen für unmöglich hielten. Dieses Brandmal französischer Besatzungsjustiz, das m der ganzen Welt Abscheu erwecken wird, ist sicher kein schritt zur Annäherung der Nachbarvölker. Landau und Germersheim, beweisen aufs Neue, daß infolge fremder Be satzung das Leden von Deutschen durch brutale Willkür gefährdet ist. Erst der restlose Abzug der Besatzung wird idiefer scham losen Rechtlosigkeit ein Ende machen." Deutsche Volkspartei, Deutschdemotratrsche Partei, Deutschnationcsie Volkspartei, Reichs partei des deutschen Mittelstandes kWirtschastspartei), Sozial- demokratsiche Partei und Zentrumspartei. * LmmriS v. Ammer» rroteftiert i« Koblenz. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Koblenz, 22. Dezember. Aus Anlatz des Urteils des Kriegsgerichtes in Landau hat der Reichskommissar für die be setzten Gebiete, Frhr. Langwerth v. Simmern, heute gegenüber dem Stellvertreter des französischen Rheinlandkommiflars die tiefgehende Erregung der Bevölkerung des besetzten Gebietes zum Ausdruck gebracht und die Besorgnis ausgesprochen, datz das l ergangene Urteil die von den Locarnomächten verfolgte Politik der Verständigung und Befriedigung in beLagenswerterweife beeinträchtigen könnte. In gleichem Sinne hat der Reichskom- miffvr sich telegraphisch an den in Paris weilenden Präsidenten der Rheinlandlommifson, Tirard, gewandt. Große franzSsische Trupyenzusammen- ziehung an der italienischen Grenze. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 22. Dezember. Rach einer Meldung der rechts stehenden Liberte Huben die Franzosen cm der italienischen Grenze zwischen Nizza und Grenoble bisher über 200 000 Mann zu- jommengezogen, die kriegsmätzig nüt schwerer Artillerie, Tanks, Bombenflugzeugen usw. ausgerüstet find. Das Matt macht für die hierdurch entstandenen Unkosten die Linksparteien verant wortlich, die durch ihre hatzerfüllten Polemiken gegen den Faschis mus und Mussolini diese Borsichtsmatznahme herausgefordert haben. «nnerrka lebenden Deutschen ihrer alten Heimat gegen über auch heute noch bewahren, sprach Dr. Luther mit wärmster Anerkennung. Insbesondere schien er darüber erfreut zu sein, datz man sich von ihm drüben so gern er zählen lictz, wie sich die Dinge im Nachkriegs- deutschlaudin den letzten Jahren tatsächlich entwickelt haben. Den Ausfuhrmöglichkeiten der deutschen Industrie nach Südamerika glaubt Dr. Luther ein durch aus günstiges Horoskop stellen zu können. Das gilt ins besondere von den Erwartungen, die der deutsche Flugzeugbau an den Aufenthalt Dr. Luthers in Südamerika knüpft. Die Reise von der Küste nach der kolumbianischen Houpistaoi sowie das Schlußstück der ganzen Reife, der Weg von Buenos Aires nach Rio de Ja neiro, wurden mit k - « t s ch - p Flugzeugen zu rückgelegt, die sich in jeder Beziehung tadellos be währt haben. ! Ein deutsch-polnisches Abkommen. Staatsangehörigkeits- und Optionsfragen. Der deutsche Gesandte in Warschau hat, wie offiziös mitgeteilt wird, mit der polnischen Regierung ein Ab kommen unterzeichnet, auf Grund dessen eine aus deutschen und polnischen Delegierten bestehende Kommission zur Schlichtung der aus dem Wiener Abkommen vom 30. August 1924 entstandenen Meinungsverschiedenheiten über Staatsangehörigkeits- und Optiousfragen eingesetzt wer den soll. Bei dieser Gelegenheit hat die polnische Re gierung auch eine Erklärung darüber abgegeben, daß sie die Rechte, Güter und Interessen solcher Personen nicht > liquidieren wird, die auf Grund ihrer Geburt die > polnische Staatsangehörigkeit am 10. Januar 1920 be sessen haben. Die Schlichtunaskommisfion wird voraussichtlich