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ZlhSMm.tr TllgMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und aldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 1V Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Donnerstag, den 16. December 1880. "Waldenburg, 15. December 1880. Anch ein Wort über unser Judenthum. So betitelt sich eine Broschüre, welche Professor Mommsen zu seiner Rechtfertigung herausgegeben hat. Er fühlte das Bedürfniß, zwischen den anti semitischen Kraftstellen seiner römischen Geschichte und der von ihm verfaßten Erklärung vom „Ver- mächtniß Lessings" eine Brücke zu schlagen. Hr. v. Treitschke verlangte in seinen Artikeln über die Juden, dieselben sollten Deutsche werden; gegen die Artikel Treitschke's nun richtet Professor Mommsen hauptsächlich seine B-oschüre und sagt, die Juden seien längst Deutsche, schlägt aber doch merkwürdigerweise zum Schlüsse seiner Broschüre den Juden vor, sie sollten, um die bedauerliche Agitation gegen sie ganz gegenstandslos zu machen, — Christen werden. Doch lassen wir den Schluß, zu welchem Mommsen gelangt, selbst folgen: „Selbstverständlich ist unsere Nation durch Recht und Ehre verpflichtet, sie in ihrer Rechtsgleichheit zu schützen, sowohl vor offenem Rechlsbruch wie vor administrativer Prellerei; und diese unsere Pflicht, die wir vor Allem uns selbst schulden, hängt keines wegs ab von dem Wohlverhalten der Juden. Aber wovor nicht wir sie schützen können, das ist das Gefühl der Fremdheit und Ungleichheit, mit welchem auch heule noch der christliche Deutsche dem jüdischen vielfach gegenübersteht und das, wie der gegenwärtige Augenblick wieder einmal zeigt, allerdings eine Gefahr in sich trügt für sie wie für uns — der Bürgerkrieg einer Majorität gegen eine Minorität, auch nur als Möglichkeit, ist eins nationale Calamität. Die Schuld daran liegt allerdings zum Theil bei den Juden. Was das Wort „Christenheit" einstmals bedeutete, bedeutet es heute nicht mehr voll; aber es ist immer noch das einzige Wort, welches den Charakter der heutigen internationalen Civilisation zusammenfaßt und in dem Millionen lind Millionen sich empfinden als Zusammenstehende auf dem völkerreichen Erdball. Außerhalb dieser Schranken zu bleiben und inner halb der Nation zu stehen, ist möglich, aber schwer und gefahrvoll. Wem sein Gewissen, sei es positiv oder negativ, es verbietet, dem Judenlhum abzusagen und sich zum Christenlbum zu bekennen, der wird dem entsprechend handeln und die Folgen auf sich nehmen; Betrachtungen dieser Art gehören in das Kämmerlein, nicht in die öffentliche Discussion. Aber es ist eine notorische Thatsache, daß eine Anzahl von Juden nicht durch Gewissensbedenken vom Uebertritt abgehalten wird, sondern lediglich durch ganz andere Gefühle, die ich begreifen, aber nicht billigen kann. — Auch die zahlreichen, specifisch jüdischen Vereine, wie sie z. B. hier in Berlin be stehen, erscheinen mir, soweit nicht eben die jeder Discussion sich entziehende Glaubensfrage auch hier eingreift, entschieden vom Uebel. Ich würde keinem WohlthätigkeitSverein beitreten, dessen Statuten ihn verpflichteten, nur Holsteinern Hilfe zu gewähren; und bei aller Achtung vor dem Streben und dem Leisten dieser Vereine kann ich in ihrer Sonder existenz nur eine Nachwirkung der Schutzjudenzeil erkennen. Wenn diese Nachwirkungen auf der einen Seite hin verschwinden sollen, so müssen sie es nach der andern auch; und auf beiden Seiten ist noch viel zu thun. Der Eintritt in eine große Nation kostet seinen Preis, die Hanoveraner und die Hessen und wir Schleswig-Holsteiner sind daran, ihn zu bezahlen, und wir fühlen es wohl, daß wir damit von unserem Eigensten ein Stück hingeben. Aber wir geben es dem gemeinsamen Vaterland. Auch die Juden führt kein Moses wieder in das gelobte Land; mögen sie Hosen verkaufen oder Bü cher schreiben, es ist ihre Pflicht, soweit sie es kön nen, ohne gegen ihr Gewissen zu handeln, auch ihrerseits die Sonderart nach bestem Vermögen von sich zu thun und alle Schranken zwischen sich und den übrigen deutschen Mitbürgern mit entschlossener Hand niederzuwerfen." Treitschke verlangt bekanntlich so ziemlich dasselbe. "Waldenburg, 15. December 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Sachsen sollte also doch 1866 von Preußen annectirt werben. Auf der Soiree des Vize präsidenten des Ministeriums Grafen Stolberg wurde der in den „Grenzboten" gegen den sächsischen Minister Friesen veröffentlichte Artikel vielfach be sprochen und bemerkt, daß Bismarck im Jahre 1866 anfänglich die Einverleibung Sachsens in Preußen beschlossen, jedoch in Hinblick auf die Persönlichkeit und Gesinnung des sächsischen Königs Johann wieder fallen gelassen habe. Der Reichstagsabgeordnete Bebel weilt seit Kurzem in London. Am 13. d. hielt er daselbst eine Vorlesung im communistischen Arbeiter-Bildungs- vercin. Gerüchtweise verlautet, die von Most re- digirte „Freiheit" habe zu erscheinen ausgehört. Das Blanqui'sche Reoolutionsblatt „M Diou ui maitre" enthält einen Artikel von Most, in welchem er die Verwirklichung seiner Pläne von der Nieder lage Deutschlands in einem äußeren Kriege erwartet, durch welche das „System Bismarck" zusammen stürzen würde. Im preußischen Abgeordnetenhause theilte der Präsident v. Köller am 14. d. mit, daß der Abg. v. Ludwig das Wort zu einer persönlichen Bemerkung gegen den Abg. Kieschke verlangt habe; nach einer Unterredung mit dem Abg. v. Ludwig gewann er al er die Ueberzeugung, daß es nicht an gebracht sei, ihm das Wort zu ertheilen, infolge dessen habe er ihm die Ertheilung des Wortes ver weigert. Abg. v. Ludwig erklärte darauf seinen Entschluß, die Urkunden ^uf den Tisch des Hauses niederzulegen, welche nach seiner Meinung darthun, daß er in der Gründerangelegenheit die Wahr heit gesagt habe. Darauf wurde die Berathung des Cultusetats fortgesetzt. Der Vertrag zwischen dem Bevollmächtigten Preu ßens und den Landgrafen und Prinzen der Hes sen-Philippsthal - Barchfeldec Linie, nach welchem Letztere auf den Kurhessischen Fideicommiß, und die Jahresrente verzichten, aber einige Schlösser erhalten, ist am 13. d. in Berlin unterzeichnet worden. Dem preußischen Abgeordnetenhause ist ein Ge setzentwurf, betreffend die Herstellung von 10 neuen Secundärbahnen, zugegangen. Der Herzog von Braunschweig soll sein ganzes Vermögen dem Herzog von Cumberland vermacht haben; Preußen wird aber den Herzog von Cumber land als eventuellen Regenten im Herzogthum Braunschweig niemals zulassen. Oesterreich, In Dreher's B'.erhalle fano ein conservativ- katho lisch es Meeting statt, bei welchem mehrere Redner eine antisemitische Bewegung einzuleiten versuchten. Schließlich wurde eine Resolution gegen die unchristliche Herrschaft des Kapitals und gegen den Liberalismus angenommen. Die in Galacz tagende Do naucom Mission hat am 10 dss. nach längerer Debatte die in der vorigen Session ausgearbeitete Zusatzacte zu der die Schiff fahrt von Galacz bis zum schwarzen Meere regelnde Acte mit geringfügigen Abänderungen angenommen. Schweiz. lieber 300 Arbeitslose zogen am 10. d. in Bern vor das Casino, um vom Stadtrathe Arbeit zu erlangen. Man ließ sie vier Stunden stehen. Der Antrag des Hrn. Alt-Bundesrath Borel, einen Credit von 40,000 Francs aufzunehmen, wurde vom Stadtrathe zurückgewiesen, ebenso ein Antrag Brunners, mit einer Deputation über ihre Wünsche zu verhandeln. Am 11. fand eine neue große Ver sammlung der Arbeitslosen statt. Frankreich. Der französische Kriegsminister bereitet die Her absetzung der gesetzlich auf fünf Jahre bestimmten activen Dienstzeit auf 40 Monate vor. Gegen wärtig beträgt die Dauer der activen Dienstzeit für die Mannschaften des ersten Theils des Ersatzes 46 Monate und für die Mannschaft des zweiten Theils des Ersatzes 11 Monate. England. Am 13. d. hat ein 3'/2 Stunden währender Kabinetsrath stattg fanden. Derselbe hat sich dahin ausgesprochen, daß keine Nothwendigkeit vor liege, die irische Exekutive zu einem Hinausgehen über die bestehenden Gesetze zu ermächtigen, oder das Parlament zur Genehmigung neuer Repressio- gesetze sofort einzuberufen. Einstimmig sei man aber der Ansicht gewesen, daß falls die Zustände in Irland bis zum Zusammentritt des Parlaments, am 6. k. M., sich nicht wesentlich gebessert haben sollten. RepressivmaßregeG unter Aufhebung der Habaas-aorxus-Acte, jedoch in Gemeinschaft mit Vorschlägen zur Reform der Bodenverhältnisse, beim Parlamente beantragt werden müßten. (Die LaP6Ä8-eorpN8-Acte schreibt vor, daß jeder Ver haftete binnen 24 Stunden verhört werden muß und, wenn er keines Hauptverbrechens beschuldigt werden kann, nach jener Zeit seine Loslasiang gegen Stellung eines Bürgen fordern darf.) Griechenland. Der König von Griechenland und seine Regie rung haben sich in der Hoffnung getäuscht, in Frankreich ein Anlehen von 120 Millionen con- trahiren zu können. Letzteres wurde nämlich, wie die „Agence Havas" meldet, von allen in Betracht kommenden Bankhäusern verweigert, weil man es noch nicht an der Zeit erachtet, die griechischen Kriegsgelüste zu nähren. Serbien. In Serbien haben die Wahlen zur Skupt- schina stattgefunden, bei welchen die Regierungs partei einen vollständigen Sieg errungen hat. Türkei. Aus Konstantinopel wird englischen Blättern un- term 9. d. relegraphirt: „Die Verminderung der Gehalte sämmtlicher Staatsbeamten ist in der Höhe von 10 Procent für die Dauer eines Monats an geordnet, um mit dem daraus erzielten Ertrage die Kosten der Uebersiedelung der Auswanderer aus Dulcigno nach einem anderen Territorium zu decken. Aus Dulcigno eingegangenen Nachrichten zufolge ist die zur Feststellung der montenegrinischen Grenze er nannte Commission im Begriff, sich nach der östlichen Grenze zu begeben." Amerika. Auf dem amerikanischen Kaffeemarkte ist eine Panik ausgebrochen. Mehrere Monate ist eine starke Speculation in Kaffee betrieben worden und es wurden große Quantitäten nach den Vereinigten Staaten importirt, die einen Rückgang des Preises von 16 Cts. im September auf 12^2 Cts. jetzt zur Folge gehabt haben und es den Besitzern schwer