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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg uud Brand. 4» i Erscheint jeden Wochentag Nachmittags« Uhrsür den ! MV andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2d Psg., " zweimonatlich 1M. 50 Pf. und einmonatlich 75 Pf. 43. Jahrgang. Freitag, den N. Januar. >! Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angcnom- H ! men und bettägt der Preis sür die gespaltene Zeile 8 oder deren Raum 15 Psg ü . 1. WntW SitzW der StahtveMlick« Freitag, den 9. Januar 1891, Abends 6 Uhr. Tagesordnung: 1. Einweisung des neuen Collegiums. 2. Wahl deS Vorstandes. Die Sparkasse z« Lichtenberg hat den Zinsfuß für Spareinlage« ab 1. Januar 1891 von A-j, auf 31-1<> erhöht und expedirt Dienstags und Donnerstags von AachmittagS 2 biß 6 Uh* im Hause des unterzeichneten Gemeindevorstandes. Der Gemeinderath zu Lichtenberg. OrL»««!, Gemeindevorstand. Tagesschau. Freiberg, den 8. Januar. Wie uunmehr bestimmt ist, wird der deutsche Kaiser als Oberhaupt des hohen Ordens vom Schwarzen Adler am Sonn abend, 17. Januar, mit den kapitelfähigen Rittern im König lichen'Schlosse zu Berlin die feierliche Einkleidung des Reichs kanzlers von Caprivi, des Staatsministers und Botschafters Grafen Hatzseldt, des Generals der Kavallerie, Generaladju tanten und kommandirenden Generals des 8. Armeekorps, Freiherr» von Loö und des Generals der Kavallerie a la anite der Armee von AlvenSleben vornehmen und ein Kapitel ab halten. Am Mittwoch, als am Sterbetage der Kaiserin Augusta sand Mittags um 12 Uhr im Mausoleum zu Charlottenburg in Gegenwart des Kaisers, der Kaiserin Friedrich, der Frau Großherzogin von Baden, der Prinzessin Margarethe, des Erb prinzen von Meiningen, des Prinzen und der Frau Prinzessin Friedrich Leopold, des Herzogs von Schleswig-Holstein, des Prinzen Albert von Sachsen-Altenburg, der Frau Prinzessin Friedrich Karl, der Erbprinzessinnen von Hohenzollern und Reuß j. L-, der Prinzen Friedrich Karl von Hessen, Max von Baden, Friedrich Heinrich von Preußen (ältester Sohn des Prinzen Albrecht), Albert von Schleswig-Holstein-Sonderburg- Glücksburg, des Erbprinzen von Hohenzollern und der Erb prinzessin Reuß j. L., sowie einer Anzahl geladener hoher Würdenträger eine Gedächtnißfeier statt. Vom heutigen Tage an wird das parlamentarische Leben all mählich wieder in Fluß kommen. Heute Donnerstag tritt das preußische Abgeordnetenhaus wieder zu einer Plenarsitzung zusammen und die Kommissionen werden hier wie im Reichs tag ihre Arbeiten beginnen. Der Letztere wird am 13. Januar seine Plenarsitzungen mit der Verhandlung über die Anträge beiressend die Lebensmittelzölle wieher ausnehmen. Beide Par lamente haben große und schwierige Arbeiten vor sich. Die in Folge des Streiks über die Landgemeindeordnung entstandene gespannte Lage im preußischen Abgcordnetenhause wurde be reits wiederholt beleuchtet; die Versuche zu einer Verstän digung zu gelangen, werden in der nächsten Zukunft im Mittel punkt der parlamentarischen Vorgänge stehen. Leichter wird das Zustandekommen der Steuerreformgesetze in den wesent lichsten Bcstandlheilen zu erreichen sein, und auch die Hoffnung aus einen positiven Erfolg der weiteren Verhandlungen über das Volksschulgesetz wird man noch keineswegs aufzugeben brauchen. Ein neues Moment in die parlamentarische Si tuation wird voraussichtlich durch das Einbringen der Sperr- geldervvrlage kommen. Im klebrigen wird sich das Abgeordneten haus bald mit dem Etat zu beschäftigen haben, sobald er eiu- gegangen sein wird; bis dahin wird wohl ans Stoffmangel noch manche Unterbrechung der Plenarsitzungen stattfinden. Auch dem Reichstag wird zunächst die Etatsberathung ob liegen. Dabei wird man insbesondere den kolonialpolitischcn Verhandlungen, die an eine so vielfach veränderte Situation anknüpfen werden, mit Spannung entgegensehen dürfen. Dann aber tritt bald an den Reichstag wieder das in der Kom mission bereits durchberathene Arbeiterschutzgesetz heran, dessen kommen im Wesentlichen auf Grund dcrKommissionS- beschlusie wohl zu erwarten ist. Eine schwierige und noch heftige Kämpfe in sich bergende Aufgabe ist sodann die Er ledigung des Zuckersteuergesetzes. Auch über die Novelle zum Branntweinsteuergesetz wird es voraussichtlich noch zu lebhaften Auseinandersetzungen kommen. Wahrscheinlich wird auch der Handelsvertrag mit Oesterreich-Ungarn noch vorgelegt werden (?) und den zollpolitischen Streit mächtig anregen. Dazu kommen die drei weitläufigen technischen Gesetzentwürfe, die bereits in Kommissionen verwiesen worden sind (Krankenkassen-, Patent- und Musterschutzgesetz). Unter den Anträgen aus dem Hause werden namentlich die über die Lebensmittelzölle und das Jesuitengesetz die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das Alles vereinigt sich im Reichstag und Landtag zu einem überreichen Stoss, und es wird unverdrossener hingebungs voller Arbeit bedürfen, um mit diesem gewaltigen Material fertig zu werden. Dem Staatssekretär des Reichspostamts, vr. v. Stephan, wurde am Mittwoch aus Anlaß seines 60. Geburtstages eine Fülle von Glückwünschen dargebracht, welche in ihrer Gesammt- heit davon zeugen, wie das unermüdliche gemeinnützige Wirken und Schassen des Staatssekretärs sowohl an Allerhöchster Stelle, als auch in den weitesten Kreisen der Bevölkerung ehrende Anerkennung und dankbare Würdigung findet. Die schönste Zier des von herrlichen, duftenden Blumenspenden bedeckten und umsäumten Geburtstagstisches bildete das Bild Sr. Maj. Kaisers, ein Geschenk des Monarchen selbst. Der gekrönte Namenszug des Monarchen, in blauem Email ausgeführt, krönt den kunstvoll aus Metall gefertigten Rahmen. Die eigen ¬ händige Unterschrift des Kaisers unter der Photographie würdigt die kulturgeschichtliche Bedeutung des Verkehrswesens, das in dem Staatssekretär einen so mächtigen Förderer gefunden hat; sie lautet: „Die Welt am Eude des 19. Jahrhunderts steht unter dem Zeichen des Verkehrs; er durchbricht die Schranken, welche die Völker trennen, und knüpft zwischen den Nationen neue Beziehungen an." Aus den nach Hunderten eingegangenen schriftlichen und telegraphischen Glückwünschen hebt die „Nordd. Allg. Ztg." ein Schreiben hervor, das mit seinen schlichten innigen Worten besonders das Herz des Geburtstagskindes rührte. Es ist das Schreiben einer Berliner Dame; es heißt darin: „Wenn ich es wage, Ew. Exzellenz an diesem Tage meine innigsten Glückwünsche auszusprechen, so geschieht es, weil ich einmal in meinem Leben dem tiefen Dankgefühle Aus druck geben möchte, das mich für Ew. Exzellenz erfüllt. Den von Ew. Exzellenz ausgehenden Einrichtungen der Post, be sonders des Weltpostvereins, verdanke ich es, daß ich mit meinen sernen Kindern in steter Verbindung bleiben konnte. Von meinem Sohn, der fünf Jahre Militärarzt in Niederländisch- Jndien war, habe ich jeden zweiten Dienstag Nachricht erhalten; nicht ein Brief, nicht eine Karte ist verloren gegangen. Was das sür das Herz einer Mutter bedeutet, werden Sie verstehen." Ernst v. Wildenbruch begleitete eine Blumenspende mit folgenden launigen Versen: „Durch Post und Telegraph und Telephon Hast Du die Zeit zur Eile so befeuert, Daß sie Dich beut' verfrüht in die Saison Des sechzigsten der Jahre hat gesteuert. Nun hast Du vierundzwauzig Stunden Rast, Sei heut' geliebt, gepriesen und bewundert, Alsbald steig' ein uud fahre ohne Hast Zur Station Siebzig, Achtzig, Neunzig, Hundert." Eine offizielle Feier des Tages hatte sich Herr v. Stephan ver beten, in Folge dessen mußte ein geplantes Ständchen der Postillone und eine Gratulation der einzelnen Abtheilungcn des Reichsamls unterbleiben. Die Münchner „Allgemeine Zeitung" meldet aus Straß burg, daß sicherem Vernehmen nach eine neue Regelung der Fremdenpolizei in den Reichslanden durch Einführung von Ansenthaltskarten für die dauernd im Lunde sich aushaltenden Fremden nahe bevorstehe. Die bis jetzt versuchsweise ge statteten Erleichterungen des Grenzverkehrs würden beibehalten und nach Thunlichkeit ausgedehnt werden. Diese Umgestaltung der Fremdenkontrole im Lande werde die Möglichkeit bieten, die völlige Abschaffung des Paßzwanges an der deutsch-fran zösischen Grenze in Aussicht zu nehmen. Aus Schlesien wird geschrieben: Die russische Regierung hat abermals eine wesentliche Erleichterung des Grenzverkehrs angeordnet. Für Kaufleute, welche regelmäßig behufs Ausfuhr russischer Produkte und Fabrikate die russische Grenze über- chreiten, ist nämlich der Paßzwang aufgehoben, der gerade in >er jüngsten Zeit mit der größten Strenge gehandhabt war, und die Benutzung von Halbpässen gestattet, deren Beschaffung weniger kostspielig und umständlich ist. Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als wolle man russischerseits womöglich jeden Verkehr zwischen hüben und drüben aufheben, und nun liegt bereits eine ganze Reihe von Anordnungen vor, welche deutlich beweisen, daß man in Rußland den Werth der Ausfuhr zu schützen weiß. Dem früheren Staatsminister v. Puttkamer ist vor Kurzem auf der Jagd ein Unfall begegnet, der leicht verhängnißvolle Folgen hätte haben können. Er wurde von Schrotkörnern an der Stirn zwischen den Augen getroffen, ohne indessen erheblich verletzt zu werden. Im Reichstagswahlkreise Bochum ist zwischen den sozial demokratischen Führern der Bergleute und dem Zentrumskan didaten eine Verständigung erzielt worden. Letzterer hat sich bereit erklärt, die von den Bergleuten gestellten Forderungen im Reichstage mit aller Kraft zu vertreten, wogegen sich die Führer der Arbeiter verpflichtet haben, bei ihren Kameraden für den ultramontanen Kandidaten Stimmung zu machen, ohne Rücksicht darauf, daß das sozialdemokratische Zentralvrgau für die bevorstehende Stichwahl „strikteste Stimmenthaltung" pro- klamirt hat. Dieses klerikal-sozialdemokratische Abkommen ist eine drastische Beleuchtung für den mit so viel Reklame ein geleiteten Feldzug des Zentrums gegen die Umsturzpartei. Die ultramontanen Führer preisen ihre Partei so gern als denHort gegen die Sozialdemokratie; aber das hindert sie nicht, mit der selben gemeinsame Sache zu machen, sobald es sich um ein Zentrumsmandat handelt. Im preußischen Regierungsbezirk Düsseldorf sind weitere sechs Niederlassungen weiblicher Ordensgenossenschaften ge nehmigt worden, davon drei zur Waisenpflege, eine zur Klein kinderwartung, eine zur Krankenpflege und eine, welche neben der Pflege von Waisen und altersschwachen Personen die Leitung einer Haushaltungs- und Handarbeitsschule für Kinder nicht mehr schulpflichtigen Alters übernimmt. Die für den 8. d. anberaumte Wiederaufnahme der deutsch, österreichischen Handelsvertrags-Verhandlungen ist im Ein, vernehmen zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn bis zum 12. d.M. verschoben worden. — Die bevorstehende Volks zählung in Böhmen flößt den Czechen Furcht über das zu erwartende Ergebniß ein, denn die breiten Landesstriche Böhmens mit ausschließlich deutscher Bevölkerung würden, wenn deren gesammte Bevölkerung die deutsche Sprache als Umgangssprache bezeichnete, dadurch einen Protest gegen die Anmaßungen der Czechen erheben. Da auch die Deutschen den Wühlereien der Czechen nicht ruhig zusehen, nahmen am Sonnabend alt- und jungczechische Abgeordnete im Landtage die Gelegenheit wahr, die Deutschen zu beschimpfen. Die Jungczechen vr. Engel und Spindler thaten sich dabei be sonders hervor und lieferten einen neuen Beweis, daß Rene gaten die gefährlichsten Gegner ihrer Stammesgenossen werden. Die wiederaufgenommenen Berathungen des Gesetzentwurfes über den Landeskulturrath nehmen dabei einen äußerst schleppen den Gang an. Von den 39 Paragraphen der Vorlage sind kaum 16 beratheu und die weiteren Verhandlungen werden durch viele Interpellationen czechischerseits gehemmt werden. Während aber die Abgeordneten die Deutschböhmen beschimpfen und ihnen „Bestialität" und „Barbarei" borwerfen, viitei das Komito der Landesausstellung um die Betheiligung der deut schen Industriellen. Dasselbe versendet eine Mittheilung, in welcher sogar die Regierung in's Treffen geführt wird. Die Regierung wünsche zweifellos, wie es in der Mittheilung heißt, die Theilnahme des ganzen Landes an dem Fricdenswerke; vielleicht gelinge es noch, dies zu erreichen. Dies wäre haupt sächlich ein Gluck für beide Nationen, weil die gemeinsame Friedeusarbeit zu einer ruhigen Auseinandersetzung über die bestehenden Differenzen und zur Eintracht der beiden Stämme des Landes führen würde. Die Deutschen werden sich aber schwerlich durch dergleichen Versprechungen von ihrem Stand punkte abbringen lassen. Mit den italienischen Finanzen steht es recht mißlich. Das abgelaufene Halbjahr ergab an Zöllen und direkten Steuern 11^, Millionen weniger als die gleiche vorjährige Periode. Bundeskomm'ssar Künzli konstatirte in einem Telegramm an die schweizer Bundesregierung, daß die politische Lage im Tessin gegenwärtig beunruhigender als vor Neujahr erscheine und verlangte weitere Instruktionen, die ihm auch sofort vom Bnndesrath ertheilt wurden. Die tessinischen Liberalen be klagen sich nämlich, daß die Regierung zahlreiche Stimmrechts rekurse zu einseitig streng entschieden habe und drohen, sich von den Verfassungsrathswahlen am nächsten Sonntag fern zu halten, während andererseits die Klerikalen das von beiden Parteien angenommene proportionelle Wahlsystem zu ihrem alleinigen Vortheil durch allerlei Manipulationen auszubeuten suchen. Der Bundesrath ist gewillt, unbekümmert um die Parteien im Tessin Ordnung zu schaffen. Wie vorherzusehen, beschäftigt sich die gesammte belgische Presse mit dem Toast des Provinzialraths Lambiotte auf dem in Gegenwart des französischen Handelsministers Roche in Paris veranstalteten Festbankett der Handlungsreisenden. Der Redner, der in seinem Toast für Belgien die Republik und die Einverleibung in Frankreich herbeiwünschte, wird allgemein, die radikale Presse ausgenommen, scharf getadelt. Der Ange griffene veröffentlicht in den Blättern ein Schreiben, worin er die Bedeutung seines Trinkspruches zu mildern versucht. Zu Neujahr hat sich diesmal in Frankreich ein Noth stand herausgestellt, welcher um so mehr Herzeleid verursacht, als er ganz unerwartet ist: es ist nämlich ein Ordens-Kreuz oder Bändel-Nothstand. Man denke sich, der Unterrichtsminister hat zu Neujahr nur 11 Kreuze zu vergeben, die anderen Mi nister meist noch weniger. Nur der Kriegs- und der Marine minister sind besser gestellt und haben daher auch die Liste der von ihnen vergebenen Ehrenkreuze ausgegeben. Die anderen Mi nister schämen sich mit ihren kleinen Listen und werden sie erst veröffentlichen, wenn die Kammern Abhilfe des Nothstandes getroffen haben werden. Sobald die Kammern zusaminengetre- ten sind, müssen sie das 1873er Gesetz dahin abändern, daß für je vier abgängige Ritter der Ehrenlegion drei neue ernannt werden können. Während des letzten Krieges waren die Ehrenkreuze zu Zehntausenden ausgetheilt worden, so daß 1873 durch Gesetz bestimmt werden mußte, daß auf zwei abgängige Ritter nur eine Ernennung statthaben dürfe. Daher" der jetzige Nothstand. Die jetzt massenhaft vertheilten grünen Bändchen des Ackerbauvereins, sowie das violette Bändchen der Unrtr- richtsoffizicre sind nur ein Nothbehelf, vielfach nur eine Ver tröstung, ein Wechsel auf das rothe Bändchen der Ehrenlegion. Voraussichtlich wird das neue dringliche Gesetz nur ein Vor läufer und Wegbahner t sür die völlig freie Verleihung aller