Volltext Seite (XML)
Schönburger Tageblatt scheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. <M«hme von Inseraten für die nächster- Leinende Nummer bis vormittags 11 Uhr. L« Abonnementspreis beträgt vierteljähr- 4 1 Mk. 25 Pf. Einzelne Nrn. 5 Pf. Mate pro Zeile 10 Pf., Linges. 20 Pf. Äellarischer Latz wird doppelt berechnet. nud PMeÄnrqer ÄMWr. Filialen: in Altstadtwaldsnburg bei Herr : Kaufmann Otto Förster: in Kaufungen bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchursdon bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Herrn Wi- elm Dahler, Tigarrengeichäft an der Brücke; in RochSburg bei Herrn Paul Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Ernst Rösche; d? Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. —Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, L««zeua«, Wchte«Kein-GM«berg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Astadt-Waldenburg, Braunsdorf, LaLenbsrg, St. Egidien, Zhrenham, KrohnZdsrf, Kalken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf- Langen« «bs-Mederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oslsnitz i. E., Neichenbach, Remse, RochSburg, Rußvorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. ,-N 200. Dienstag, den 29 August 1899. Witterungsbericht, ausgenommen am 28. August, nachm. 4 Ähr. D«r«meterstaud 760 WM. reducirt auf den Meeresspiegel. ThermometerstauÄ -j- 19" 0. (Morgens 8 Uhr -j- 14" 0.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 69°/o. Thaupunkt -s- 3,5 Grad. Windrichtung: West. Daher Witternngsansstchteu für den 29. August: Meist bewöllt mit Neigung zu Niederschlägen. _ "Waldenburg, 28. August 1899. Die allgemein anerkannte Thatsache, daß dis Berathung der großen Canalvorlage im preußischen Abgeordnetenhause einen anderen Ausgang hätte nehmen müssen, wenn von vornherein eine unbedingte Klarheit geherrscht hätte, lenkt das Augenmerk auf die Dinge im Reich. Dort sind wir gerade so dran, die Vertagung des deutschen Reich tags bis zum Herbst war nicht blos eine Nothwendig- keits-, sondern eine Verlegenheitssache dazu. Auch da weiß Niemand, wie in wichtigen politischen und wirthschaft- lichen Fragen die festen Grundsätze sind, und Gesetzent würfen von der schwerwiegendsten Bedeutung stehen viele im Parlament, wie außerhalb desselben mit einem Achselzucken gegenüber. Die ruhige und vorsichtige Amts führung von Seiten des Fürsten Hohenlohe hat alles Lob verdient, aber wir dürfen aus der Vorsicht nicht zur Unschlüssigkeit gelangen. Der Deutsche war nie Wer dran, als dann, wenn er nicht recht wußte, was er Zollte oder sollte! In der letzten Reichtagssession ist die neue Militär- Vorlage bekanntlich nach nicht ganz kurzen Verhandlungen »»genommen worden; die Reichsregicrung hat nicht Alles erhalten, was sie beanspruchte und für nöthig erachtete, aber sie hat das Versprechen bekommen, man werde nach- träglich genehmigen, was die verbündeten Regierungen in absehbarer Zeit in Interesse der Landesvertheidigung noch als erforderlich bezeichnen würde. Aus finan ziellen, aber auch aus anderen Rücksichten hatte sich der Reichstag so ausgesprochen. Damals war nicht mehr zu erhalten, das ist richtig, aber ein Act der Verlegenheit war die ganze Sache doch. Das Interesse für den Reichs tag ist mit diesem Hin und Her nicht gehoben, und zudem haben wir im Winter wieder eine Militärvorlage. Wozu denn das ewige um den „heißen Brei Herum gehen?" ES kommt für einen Staat, wie das deutsche Reich, doch ganz wahrhaftig nicht darauf an, ob es tausend oder zweitausend Soldaten im Jahre mehr unter hält, es kommt sür die ganze deutsche Bevölkerung dar auf an, aus welchen Quellen künftig prinzipiell die Militärlasten gedeckt werden sollen. Allenthalben mobili- sirt man Luxussteuern und streicht das Geld daraus ein, und wir sind glücklich so weit, daß wir noch über den Charakter solcher Steuern debattiren. Probiren geht über studiren. In die Vertagung hinein sind verschiedene hochwichtige andere Gesetze noch mitgekommen. Wir nennen das Gesetz über den Schutz von Arbeitswilligen. Das Gesetz knüpft halb und halb an die bekannte Rede unseres Kaisers in Oeynhausen an, und als die erste Berathung im Reichstage stattfand, erschienen die Aussichten gleich Null. Alle Parteien, mit Ausnahme der Conservativen, waren gegen jede strengere Bestrafung der Streikaus schreitungen, die ihnen überflüssig erschienen. Seitdem soll sich, wie vielfach behauptet wird, in den Kreisen der CentrumS- und nationalliberalen Partei der Wind sehr beträchtlich gedreht haben. Wenn auch nicht .gerade in der vorliegenden Form, so doch in anderweitigen ent sprechenden Bestimmungen soll alle Aussicht vorhanden fein, zu einem Gesetzentwurf zu kommen, welcher in Streikfällen arbeitswillige Leute gegen ihre streiklustigen und zu Excefsen geneigten Kameraden mehr sichert. Die Stellung der verbündeten Regierungen hierzu wird ent scheidend sein. Mancher denkt gerade bei diesem Anlaß daran, wie dem Reichstage zur Zeit des Amtsantritts des Fürsten Hohenlohe das sogenannte Umsturzgesetz zuging. Anfänglich rechnete man ganz bestimmt mit einer ReichstaaS-Auflösung im Falle der Ablehnung. Und was ward? Die ganze Angelegenheit verlief im Sande. Im Reichstage liegt ferner das viel umstrittene Gesetz über die Fleischschau. Die bisherigen Debatten haben schon so viel ergeben, daß hier nicht allein sanitäre, sondern vielmehr noch wirtschaftliche Gesichtspunkte in Betracht kommen. Wir müssen voraussehen, daß die Gestaltung der Wirthschaftspolitik in den nächsten Jahren unser gesummtes politisches Leben beherrschen wird, die Wege für dieselben wüsten so fest und sicher gelegt wer den, wie ein Eisenbahngeleise. Bei den leisesten Schwan kungen gegenüber fremdländischen Forderungen sinv nur wir es, welche die Zeche bezahlen. Durch seinen einstimmigen Beschluß, den provisorischen Handelsvertrag mit England nur für die Dauer eines einzigen Jahres zu verlängern, hat der Reichstag der Reichsregierung bereits einen Rückhalt gegeben. Allerdings können gerade aus diesen Gebieten die verbündeten Regierungen nicht Alles allein thun. Dazu gehört auch ein freundwilliges Verständigen zwischen Industrie uad Landwirthschast. Und je eher diese Verständigung erfolgt, um so stärker steht Deutschland da. So gebrauchen wir denn auf allen drei wichtigsten Gebieten unseres inneren politischen Lebens Klarheit unv ein festes Programni: In der Finanz- und Steuer- Politik, in der Socialpolitik und in der Wirthschaftspolitik. PsMische RunSfchKu. Derrtfehes Reich. Zum Besuche des Kaiferpaares ist der Prinz Leo pold von Bayern cingetroffen, der auch der großen Herbst parade der Garden am 1. September in Berlin beiwohnt. Der Kaiserin ifl von ärztlicher Seite nahegelegt, zur Schonung den Kaiser-Manöoern fern zu bleiben. Es ist aber doch nicht ausgeschloffen, daß die hohe Frau ihren Gemahl wenigstens zum Anfang begleitet. Die kaiserliche Familie erfreute sich gestern Sonntag eines wundervollen Spätsommertages. Das Befinden der Kaiserin giebt erfreulicherweise zu keinerlei irgendwie ge arteten Bedenken Anlaß. „Na, Herbert?" Mit diesen Worten begrüßte am Sonnabend Spät-Nachmittag der Kaiser den Fürsten Herbert Bismarck in der Berliner Sieges-Allee, wohin der Letztere mit zahlreichen anderen hohen Personen zur Enthüllung der neuen Fürstenstandbilder geladen war. Zuerst ward das Monument des deutschen Kaisers Karl IV. enthüllt, der die Mark Brandenburg von Otto dem Tauben kaufte und von 1373—1378 regierte. Als Begleitbüsten sind aufgestellt die des Erzbischofs Dietrich Porlitz von Magdeburg und des markgräflichen Hofmei sters Klaus von Bismarck, ein hervorragender Ahn des Bismarckschen Geschlechts. Kaiser Karl IV- hält — als Zeichen sür den Kauf — die Hand auf einer Geldtasche. Der Kaiser meinte dabei lachend: „Ganz wie Miquel, die Hand auf dem Geldbeutel." Der erste Bismarck ist als gepanzerter Ritter dargcstellt. Mit besonderer Feier lichkeit wurde dann das prächtige Monument Friedrichs des Großen enthüllt, eine Ehren-Compagnie des 1. Garde-Regiments zu Fuß aus Potsdam mit der Rcgi- mentS-Kapelle war aufgestellt. Die Seitenfiguren stellen hier den Feldmarschall Grafen Schwerin, der in der Schlacht bei Prag den Heldentod starb, und den großen Tondichter Johann Sebastian Bach dar. Am Sonntag waren die neu enthüllten Denkmäler außerordentlich zahl reich besucht. Wenn der Bundesrath sich Ende September oder An fang Oclober wieder zu seinen regelmäßigen Sitzungen versammelt haben wird, dürfte er sich u. a. mit gewissen AusführungSvorschriiten zu dem am 1. Januar 1900 in Kraft tretenden neuen Invalidenversicherungs- Gesetze zu befassen haben. Die Vorarbeiten zu der Vorlage sind jetzt schon in Angriff genommen worden, und man hofft, daß der entsprechende Entwurf dem Bundesrath recht bald nach dem Wiederzusammentritt wird vorgelegt werden können, damit sich die von den neuen Bestimmungen betroffenen Organe zeitig auf die Neuerungen einrichten können. Die „Nat.-Ztg." schreibt: Die Verfügungen, wodurch die politischen Beamten, welche gegen die Kanal vorlage gestimmt haben, zur Disposition gestellt werden, sind erfolgt. Vermuthlich wird durch die un erwartete Verzögerung des Schluffes des preußischen Landtages die Bekanntmachung der Maßregel um einige Tage hinausgeschoben. Der Schlußtermin für den preußischen Landtag ist noch zweifelhaft. Das Herrenhaus hält erst am Dienstag Nachmittag 1 Uhr die neue Berathung des aus dem Abgeordnetenhause zum zweiten Male in ver änderter Fassung zurückgelangten Entwurfes eines Aus führungsgesetzes zum bürgerlichen Gesetzbuch ab. Ob dann sosort eine Einigung erfolgt, ist fraglich, es ist sehr gut möglich, daß der Entwurf noch wiederholt zwischen beiden Häusern hin- und hergeschoben wird. Jeder Tag kostet allein an Diäten für die Abgeordneten 6495 Mark. Am Sonnabend waren im Abgeordnetenhause nur noch 239 Mitglieder anwesend; eS brauchen nur noch 23 Mitglieder abzureisen, und daS Haus ist nicht mehr be schlußfähig. Dienstag aber findet in Neisse der Katho likentag statt, an dem zahlreiche Mitglieder des CentrumS theilnehmcn. Fürst Hohenlohe war für die Auflösung deS preu ßischen Abgeordnetenhauses. Es wird jetzt durch das - Zeugniß eines Landtagsabgeordneten bestätigt, daß Fürst Hohenlohe angesichts der Ablehnung der Kanalvorlage die Auflösung des Abgeordnetenhauses in bestimmte Aus sicht genommen hatte. Im Kronrath ist cs dann be kanntlich Herrn von Miquel gelungen, die Vertagung dieser Maßnahme durchzusetzen. Der preußische Landtag hatte sich am Sonnabend über einen die Mündelsicherheit communaler Pfandbriefe betreffenden Abschnitt des Einsührungsgesetzes zum bür gerlichen Gesetzbuche nicht mehr einigen können, trotzdem die Mitglieder beider Häuser bereits schriftlich durch den Ministerpräsidenten Fürsten zu Hohenlohe auf Sonnabend Nachmittag 5 Uhr zu einer gemeinsamen Schlußsitzung eingeladcn worden waren. Die angekündigte Schlußsitzung mußte ausfallen. Am heutigen Montag werden Herren haus und Abgeordnetenhaus einen erneuten Versuch zur Erzielung einer Verständigung über die noch immer flüssige Frage unternehmen. Die „Deutsche Tagesztg.", das Organ des Bundes der Landwirthe, meint, es sei verfrüht, jetzt schon von einer versumpften Krise zu sprechen. Man warte doch nur ab! Vielleicht ist noch nicht aller Tage Abend, vielleicht sind doch im Kronrathe folgenschwere Entschlüsse gefaßt worden, über die nur vorläufig Stillschweigen beobachtet wird. Dasselbe Blatt nennt die Maßregelung deS Professors Irmer verfassungswidrig und recht kleinlich. Professor Irmer, der wegen seiner ablehnenden Hal tung zur Kanalvorlage seines Postens als Hilfsarbeiter im Kultusministerium enthoben worden ist, wird zu Michaelis wieder in den preußischen Schuldienst eintreten.