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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.10.1891
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18911003020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891100302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891100302
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-10
- Tag 1891-10-03
-
Monat
1891-10
-
Jahr
1891
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Jnsertion-prei- Morgen-Au-gab«: dt« 6 gespalten« BM« »eile L0 Reclamen unter dem Redaktion-- slrich (-gespalten) bO^j, vor den Fausilien- nachrichten (6 gespalten) 40 Abend-Ausgabe: die Sgespaltene Petitseilo ä>>Reklamen unter dein Redartionsstrich i-geivalten) t Familiennachrichten und Anzeigen verlorener Gegenständ« jOgespalten) Ai Gröbere Schriften laut unserem Preis- vcrzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Artru-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesördervng 60.—, mit Postbesörderung Gi 70.—. Ännahmeschluß für Inserate: Abend-Au-gabe: BormtttogS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh 9 Uhr. Lei den Filialen und Aiinahmestellea je «ine halbe Stunde früher. Inserate sind stets an die Er-eVtt1<a zu richten. 85. Jahrgang. iE- Wegen -er Messe-M« ist unsere Expedition morgen Sonntag Vormittags bis 1Ä Uhr geöffnet. LxpeMlon des Leipzig, 3. Oktober. * Man wird sich, wie die „Nat.-Lib. dorr." schreibt, darauf gefaßt machen müssen, im nächsten NeichStagsctat wieder einige Mcbrfordcruiigcu für inililairische sowohl als colonialpolitische Ztvecke erhoben zu sehe». Auf erstereni Gebiet stehen zwar keine neuen grundlegenden organisatorischen Borschläge bevor, imnierhin werden aller Boraussicht nach im Ordinarium und namentlich im Extra- ordinarium einige neue Anforderungen erscheinen, über deren Inhalt und Umfang zur Zeit noch nichts mitgethcilt wird. Auf colonialpolitischem Gebiete werden nach den jüngsten Erfahrungen erhöhte Anforderungen für die Be festigung und Sicherung unserer Herrschaft in Ostafrika nicht zu umgehe» sein, wenn gleich von sehr bedeutende» Summen hierbei nicht die Rede zu sein scheint. Bei der unglücklichen Zusammensetzung des Reichstags ist mau bei allen diesen Ent scheidungen auf die Unterstützung des Centrums angewiesen, und diese ist immer ein sehr zweifelhafter Factor. Die letzte Militair- vorlaze hat freilich eine Mehrheit von 2l l gegen 128 Stimmen gefunden; allein schon damals trennten sich von der Centrnms- partci zwanzig Mitglieder, und cS ist sehr fraglich, in welcker Slimmutig diese Partei neuen Anforderungen an die Stärkung unserer Wehrkraft gegenübertrilt. Ans colonialpolitischem Gebiet hat daS Eentrum in den letzten Jahren a» dem Grundsatz festgehalten, daß wir daS einmal Errungene nicht wieder ausgeben dürfen, und hat die unerläßlichsten Forde rungen für diese Zwecke bewilligen helfen. Es liegt auch kein Grund zu der Befürchtung vor, daß eine Partei, die sich, allerdings vorzugsweise durch kirchliche und hunianiläre Interessen veranlaßt, bereits so tief in die Eolonialpolitik eingelassen hat, jetzt versagen sollte, waS unumgänglich nötbig erscheint; und daß mehr nicht gefordert wird, ist bei der eolonialpolitischcn Zurückhaltung der RcicbSregicrung sicher. Immerhin wird der Reichstag in der bevorstehenden Tagnngs- periode einer ernsten Probe auSgesetzt sein, ob die RcichS- rcgierung mit il»n auszukomincn und an ihm die nöthige Unterstützung zu finden vermag. * Auf dem zur Zeit in Berlin tagenden Internatio nalen Stenograpbentag kam auch die nicht unwichtige Frage der stenographischen Berichterstattung über die parlamentarischen Verhandlungen zur Sprache. Herr Polin (Paris) sprach über den stenographischen Dienst in der französischen Abgeordnetenkammer. Nach einem kurzen Ucberblick über die Grundsätze, welche in den verschiedenen Ländern hinsichtlich der amtlichen und jour nalistischen parlamentarischen Berichterstattung zur Geltung kommen, ging der Redner auf die französischen Verhält nisse näher ein. In Frankreich sind die Stenographen staatliche Beamte mit Pensionsberechtigung. Der amtliche Bericht erscheint am Morgen nach der Sitzung. Die Besetzung des stenographischen Bureaus erfolgt nach einer sehr eingehenden Prüfung. Tic Vorsteher beziehen ein Gehalt von 5000 bis 8800 .v?, die Stenographen von 3000 bis 4000 .Hl In der Erörterung wurde cs mehrfach für erstrcbcnSwerth erklärt, daß amtliche Parlamentsberichtc bereits am nächste» Morgen veröffentlicht sind, wie dies i» Paris und Wien ge schieht, während sie bei uns nach drei Tagen erscheinen. In der Tbat erfüllen die stenographischen ParlaiuentSberichle in Deutschland wegen ihres verspäteten Erscheinens wenig ihren Zweck. * Wir haben berichtet, daß Major von Wissmann sich von Tcutsch-Ostafrika nach Aegypten begeben hat, um de» erforderlichen Ersatz für die deutsche Schutztruppe anzuwerben. Dies ist hier und da so verstanden worden, als ob eS sich um eine, speciell durch den Verlust in dem Kampfe mit de» Wahebe veranlaßte Maßregel bandelte. Dem ist jedoch nickt so. Die schwarzen Mannschaften der Schutztruppe lassen fick, größtcnthcilö nur auf wenige Jahre «»werben, um nach deren Ablauf mit ihren Ersparnissen in die Heimath zurück- zukchrcn; cö muß also regelmäßig Ersatz beschafft werden. Auf Grund von Vereinbarungen mit der englischen und der portugiesischen Regierung sinvcn zu diesem Zwecke Anwer bungen von Sudanesen in Egypten und von ZulnS in Mozambique statt. * Ter Vorstand des nationalliberale» Wahl verein S in Lassel macht bekannt, daß er, seitdem die „Hessische Morgenzeitung" wieder vollständig im Sinne der nationalliberalen Partei geleitet wird, dieselbe i» den die Parteiverbältnifse im Regierungsbezirk Easscl betreffenden Angelegenheiten fortan wieder a>S Organ be nutzen werde. * Ans Weimar wird uns vom 2. October geschrieben: Bei der heutigen Wahl eines Landtagsabgeordneten für die Statt Weimar siegte der biskerige Vertreter, Eommerzienrath Döllstädt hier inational-libcral), mit 3!» von 00 abgegebenen Wablinänner-Stimnicn. 20 Stimmen erhielt der deutsch freisinnige Eanditat. Iw. Fränkel, während l Stimme auf l>r. Harmciiing in Jena siel. Die Niederlage des Freisinns ist eine i» der Thal wohlverdiente und dürste den Leitern dieser Partei die Gewißheit geben, daß die hiesige Bürgerschaft nicht geneigt ist, die deniagrglscben Hetzereien auch in unseren Landtag tragen zu lassen Uebrigens würden eö die Herren bei Weitem nicht aus ein Drillet der Stimmen gebracht haben, wenn nicht daS national liberale Eomitv selbst in der richtigen Ncbcrzeugung, daß die Parteipolilik nickt in diese Körperschaft gehört, einige freisinnige Bürger zu Wahlmännern empfohlen hätte und wenn schon vor den Urwahlen bekannt geworden wäre, daß der „Freisinnige Bereu»" — einen H, Frankel auf den Schild heben wolle. * AuS Mein in gen wird unS geschrieben: Bei der hier stattgcsundcncn Wahl von zwei Abgeordneten der Großgrund besitzer wurden gewählt: Oberbürgermeister Schüler mit 6t und Gutsbesitzer Schnnke mit 03 Stimmen. Für die freisinnigen Gegenkandidaten Rittergutsbesitzer von Bibra und AmtSgericktSratb A in bron n wurden 2 l resp. 20 Stimmen abgegeben. Der Eanbidat der Höcksibcstcuertcii, LandgerichtS- rath kluger, wurde einstimmig gewählt. * Die dem bayerischen Landtage zuaegaugeue Vorlage Uber den Umbau der Bahnhöfe Ncuenmarkt und Marklschorgast berührt eine daS ganze Reich angehende Frage. Im Interesse der Landcsvertheidigung batte man vor zwei Jahren die Verlegung der schiefen Ebene zwischen den genannten beiden Stationen der Bahnlinie Bamberg-Hof für nöthig gehalten und im Etat für 1890/91 wurde denn auch eine Summe zux Bearbeitung des Projekts dieser Verlegung bewilligt. Hierauf aiigestellte eingehende Untersuchungen und Erhebungen, verbunden mit praktischen Versuchen, ergaben jedoch, daß die vorhandene Bahnstrecke ungeachtet ihrer migUnstigen NcigungSverhältiiisse für mili- tairische Zwecke unter der Voraussetzung als ausreichend leistungsfähig angesehen werden konnte, daß die beiden Stationen Ncuenmarkt und Marktschorgast entsprechend umgcbaut wurden. Es wurde deshalb behufs Regelung der Bctbeiligung an dem Umbau zwischen dem Deut schen Reich und dem Königreich Bayern ein Vertrag ge schloffen, nach welchem von den inSgesammt auf 2 370 400 ,4k veranschlagte» Baukosten l 364 750 ^ auf daS Reick, der Rest auf Bayern entfallen sollten. Im Nachlraasctat für das laufende Etatsjahr ist von der durch das Reich auf- zubringeiiden Summe bereits eine halbe Million bewilligt. Die Forderung auf Bewilligung dcS Restes dürfte wohl der Neichsetat für 1892/93 enthalte». * Gestern haben in Bade» die Abgeordnctenwahlen für die Zweite Kammer stattgcsnnden. Das Ergcbniß ent spricht den Boraussagcii, die auf Grund der Wahlmänner- wahlcn gemacht werden konnten. In der badischen Zweiten Kammer wird auch in den nächsten Jahren eine knappe nationalliberale Mehrheit vorhanden sein. Wir wollen bei dieser Gelegenheit constatircn, daß daS Organ der sächsischen Conscrvativcii, das „Vaterland", der „Kreuzzeilung" ver- ständnißinnig die Hand drückt und seiner Genugthuung über die Erfolge, welche die nltramontan-demokratisch-conservativ« Verbrüderung gegen die Nationalliberalen in Baden errungen hat, unverhohlen Ausdruck giebt. Wenn daS „Vaterland" den badischen Nationalliberalen „Hockmutb" vorwirft, dann sollte es dock erst vor der eigenen Dbür kcbrcn. Oder ist es nicht Hochmutb oder Ucbcrhcbnng, wenn, wie cS leider zum Schaden der gciiicinsamcn Sache der Ordniingsparteien in Sachsen geschehe», in sämiiltlichen erledigten Wahlkreisen von Dresden und Umgegend die Eonscrvatwcn von vornherein kategorisch verlangen, daß nur Eandidatcn von ihrer Partei- särl'ung ausgestellt werden sollen? -» * Ter Kaiser von Oesterreich hat an den Statt halter Grafen Tkmn nachstehendes Handschreiben gerichtet: „Ich bin an die Ausführung Meines seit Langem gehegten Vorhabens, Mein geliebtes Königreich Böhmen nach einer Reihe von Jahren wieder zu besuchen, in der Uebcrzeugung geschritten, hier allerorts einer von angestammter Treue und hingebungsvollen Anhänglichkeit an Mick und Mein Hauö beseelte» Bevölkerung zu begegnen. Meine Erwartung fand in dem Mir in patriotischem Wetteifer bereiteten festlichen Empfange und in den Mein väterliches Herz wahrhaft beglückenden loyalen Kundgebungen, deren Zeuge Ich während der ganzen Zeit Meines Aufenthaltes in Böhmen alltäglich war, die vollste Bestätigung. Aus tiefstem Herzen spreche Ich für alle diese Beweise der Liebe und Treue Meinen Dank mit dem Wunsche aus, cs möge die Zukunft beide Stämme des Landes stets, wie bei dem jetzigen Anlasse, in Eintracht geeinigt finden zum Wohle des Vaterlandes." — Der Kaiser spendete den Prager Armen 5000 und den Reichenbcrger Armen 1000 Gulden. * Auf der Rückreise des Kaisers Franz Josef hielt der kaiserliche Zug auf den Stationen Beneschan, Tabor und Wittingau. Zur Begrüßung hatten sich daselbst der Klerus, die Spitzen der Behörden, die Obmänner der Bezirke, die Mitglieder der Bezirks und Gemeindevertretung, sowie die Schuljugend der Umgegend eingcfunden. Die Bczirksobmänner hielten Ansprachen au de» Kaiser, welche dieser auf daS Huldvollste erwiderte. Ungeheuere Volksmengen bereiteten dem Kaiser während der ganzen Fahrt enthusiastische Ovationen. — In Wien ist der Kaiser nach 10 Uhr cingetroffcii und mit begeistertem Jubel empfangen worden. Tic Straßen auf dem Wege vom Frauz-Ioses-Balmbofe nach Schönbrunn waren festlich beleuchtet und dicht von Menschen besetzt. Der Babnbof und seine ganze Umgehung erstrahlten im clcktrischenLichte. Zahl reiche Häuser waren mit Fahnen geschmückt und trugen Trans parente mit Aufschriften, vielfach mit den Worten: „Doch dem Friedcnsfiirstcn!" Die Börse, das Parlamentsgebaudc und das deutsche Bolkstheater zeichneten sich durch eine besonders reiche Beleuchtung aus. Aus den einzelnen Plätzen, welche der Kaiser passiren sollte, hatten sich Vereine mit Musik ausgestellt, vor dem Burgtheater erwartete den Monarchen der Wiener Mannergesangverein, um denselben zu begrüßen. Tie Ordnung in den Straßen war eine musterhafte und wurde nirgends gestört. * Die „Nene Freie Presse" begleitet die Mittheilung von dem Sprengungsversuch bei Rcickenbcrg mit fol genden Bemerkungen: Die allgemeine frohe Genugthuung über den Verlauf der Kaiser- relje wäre volltoinme», wen» nicht in letzter Stunde noch eine frevelhasle Hand dcn Versuch gemacht hätte, einen Gisttropsen in den Freudenbecher zu mischen. Tie bekannten Mittheilnngen über den von einem unbekannten Tbäter unternommenen und glücklicherweise mißlungenen Versuch, die Eisenbalmbrncke bei Rosenthat, welche der kaijerliche Hoszug zu passiren batte, mittels» zweier mit Explosivstoffen gestillter Sprenggeschosse zu zerstören, lassen, nngeachiet der Genauigkeit der vorlicwenden That- bcslaiids-Erhebungen, über die Absicht, welche dem Verbrechen zu Grund» lag, und über die Motive, welche den unbekaiiiiten Urheber geleite« haben mögen, keinen sicheren Schluß zu, und es ist zweisel- hait, ob selbst die gerichtliche Untersuchung im Stande sein wird, hierüber uitumstößiich« Gewißheit zu verschaffen. - . . Der zunächst sich aufdrängende Verdacht, daß eS sich hier um ein verabscheuungewürdige- Attentat auf das Leben des Kaisers ge- handelt habe, muß bei einigermaßen aufmerksamer Prüsung der Sachlage zurückgcwiesen werde». Wenn es wirklich eine so abgrundtiefe inciychlichc Verworfenheit geben sollte, daß an ein Attentat aus die Person deSwo» Millionen verehrte» Fürsten gerade in dem Augenblicke gedacht werben könnte, i» welchem die Gloriole einer fricdrnsiiflendcn und völkerversöhnenden Ausgabe sein Haupt »mgiebt, io spricht der Um stand dagegen, daß das Verbrechen fast zehn Stunden vor dem allgemein bekannten Zeitpunkte verübt wurde, i» weichem der Kaiser an der Unglücksstellc vorbeikam. Eine halbe Stunde vor Mitter nacht erfolgte die Explosion, und erst nach 9 Uhr Morgens fuhr der Hofzug über die Eisenbahnbrücke bet Rosenthal. Auch wenn die Zerstörung der Brücke gelungen wäre, ist eS undenkbar, daß in einer so langen Frist nicht alle Vorkehrungen getroffen worden wiir«n, um den kaiserlichen Zug entweder anzuhalten oder nach Ausbesserung des Schadens ungefährdet nach Reichenberg zu bringen. Die Annahme, daß vielleicht gegen den Willen des Thäters die Explosion so früh erfolgte, ist durch den Umstand ausgeschlossen, daß der noch brennende Zünder vorgesunden wurde, welcher beweist, daß. die Entladung von demjenigen beabsichtigt und hcrbeigesührt war» der die Gc;chosse in dem Wasscrdurchla» des Bahndammes niederqciegt hatte. Es kann sich also, wie auch die amtlichen Mel- dünge» sofort scststelltcn, nur um eine gewaltsame Störung des Ben»hrs gehandelt haben, die, wenn sie gelungen wäre, höchst wahr scheinlich eine Verspätung des kaiserlichen Zuges und damit eine Beeinträchtigung der Festsreude, von welcher Reichenbcrg erfüllt war, zur Folge gehabt hatte. Was für eine Art von Angehörigen der menschiichcu Gattung aber hieran sollte Gefallen gesunde» habe», ist unersiudlich. Ein vernünftiges Motiv hierfür ist nicht zu entdecken. Selbst die Absicht, Beunruhigung hcrvorzurusen, kann kaum aimeiwmmen werden, weil der unbekannte Thäter sich sage» mußte, daß lange vor Eintreffen des kaiserlichen Zuges nicht btos das Ver- brechen entdeckt, sondern jede üble Folge desselben verhütet sein mußte. Nur die nackte Freude am Bösen, wie sie an gänzlich ver- lommenen Mensche» manchmal wahrgcnommen wird, oder die ebenso niederträchtige, als über alle Beschreibung alberne Eitelkeit eines Individuums, mit seiner einzelnen Thal die von vielen Tausenden getroffene Veranstaltung zu durch kreuzen, bleibt als psychologischer Erklärungsgrund übrig. Das ge nügt freilich, um den Rückblick auf die böhmische» Kaiiertagc durch die Erinnerung zu verdunkeln, daß auch das beste Volk seine Aus würflinge hat, die nicht wert!, sind, ein Menschenantlitz zu tragen, gr»ährt aber auch den Trost, daß Derjenige, der das Bubeimück verübte, gänzlich vereinsamt steht, und daß die Schmach seiner That «Mchließlich auf ihn fällt »nd aus der Ehre der beiden Volksstäimue, die Böhmen bewohnen, keinen Flecke» zu hinterlasscn vermag. ^ Nie.dem auch sei, die Misscthat ist mißlungen, und welches Ziel aun-dem Elenden vorgeschwebt haben inag, der sie verübte, es ist nicht erreicht worden. Auch dies gewährt eine hohe Genugthuung, und wenn die Festfreude, welche bas deutsche Volk in Bödmen am heutigen Tage erfüllt, eine» Augenblick lang durch den Gedanken getrübt wurde, daß Rcichenbergs patriotische Feier leicht hätte durch ein unglückseliges Ereigniß gestört werden können, so mag jetzt, da die Wolke, ohne Schaden zu snftc», vorübergegangen ist, der Hcrzcns- jubet über das innige Verhältnis; zwischen Fürst und Volk in ui» so helleren Flammen cmporschlagen. * Sämnitlichc Blätter in Pest sprechen entrüstet über daS Reichenberger Attentat. Einige erblicken darin eine Ausartung der nach außen gravitirenden slawischen Propa ganda; die meisten bezeichnet«,, jedoch den Vorfall als einen frevelhaften, zum Glück gut verlaufenen Exccß. * Der „Politischen Eorrespondenz" zufolge hat daS Wiener Eal'inct im Princip zugcstimmt, daß die Verhandlungen mit Serbien über dcn Handelsvertrag getrennt von den Verhandlungen Serbiens »nt Deutschland geführt werden. * Wie in Paris verlautet, beschloß der Ministerrath, anläßlich deö Tobcö BoulangerS eine Amnestie zu Gunsten RockesortS, DillonS, sowie aller in Folge des Boulan- giSmus abgcsetzten Beamten den Kammern vorzulegen. Der Beschluß findet allgemeinen Beifall. * A»S London schreibt man: Die Vorgänge im par- ncllitischen und anti-parnellitischen irischen Lager sollten geeignet sein, Allen, die nicht vom Parteigeistc ver blendet sind, die Augen zu öffnen. Parnell, noch vor wenigen Monaten mit großer Achtung seitens der Gladstoneschen Führer behandelt und von den Anti Parnellitcn in den Himmel ge hoben, wird jetzt von beide» Fraktionen nach jeder Richtung bin in dcn Staub gedrückt. Damals wurde seine ungeheure Macht, Bc- sähigung und politische Vertrauenswürdigkeit bewunderter ward als Retter der irischen Nation bezeichnet. Frei war er von jeder Selbstsucht. Es lassen sich noch sehr viele Eigenschaften verzeichnen, die seine Gönner in, Gladstoneschen und seine ver meintlichen Freunde im irischen Lager bei ihm entdeckte». Und jetzt sind mit einem Schlage alle diese guten Eigen schaften verschwunden: Parnell wird als der Inbegriff alles Böse» von seinen Anhänger» bezeichnet. Aber Parnell bleibt diesen die Hiebe nicht schuldig, er giebt Schlag für Scblag zurück. Dcn Dillon beschuldigt er, stets daS Hasenpanier ergriffen zu haben, wenn das Treffen sich gegen ikn zu entscheiden schien, und der Vorwurf ist beim Lickte der Ereignisse, die vorbergegangen, durchaus kein unberechtigter. Gegen O'Brien erbebt Parnell die Anklage unmittelbarer Falschheit »nd fordert ihn heraus, die Protokolle der Boulogner Eonserenz zu zeigen, damit die Welt scbe, wie weit der unbefleckte Patriot (O'Brien) zu geben bereit war, um die Gladstoncsche Partei und die Anti-Parnellitc» zu verrathen WaS wird O'Brien darauf antworten? Es muß dcn Glarstvncanern besonders darum zu thun sein, Ausschluß darüber zu erhalten. Man darf also gespannt sein, aus das, was Gladstone in Newcastle darüber sagen wird. Wird er endlich daS Land hinsichtlich seiner Home R»le- Bill ins Vertrauen ziehen? — Nach einer Meldung von heute aus New-Eastle bczeickmete in einer im Theater daselbst abgchaltcnen, zahlreich besuchten Versammlung Glad stone die Besetzung EgvpteiiS als die Ursache der Schwäche »nd als die OueÜe der Schwierigkeiten des Landes Er würde sich freuen, wenn Salisbur» die egyptiscke Frage regelte, aber das sei jedenfalls eine Ausgabe, die er voraus sichtlich seinem Nachfolger überlassen würde. In Betreff des AcktstundenarbeitstageS erklärte Gladstone, die Arbeiterklasse muffe erst durch eine größere Anzahl von Deputaten im Parlamente vertreten sein, ehe sie den Achtstundenarbeilstag fordern könne. Die Arbeiter würben gut thun, die Frage nach allen Richtungen bin weiter zu prüfen. * Aus London wird vom 2. Oktober gemeldet: DaS Gerücht von der Ernennung des Herzogs vonConnaught um Oberbefehlshaber in Indien wird von amtlicher Seite üh unbegründet erklärt. ^ ^ * Ter zum Untcrstaatssecretair im englischen Ministerium bes Aeußere» ernannte Abgeordnete James William Lowtber hat sich bisher in teincr Weise besonders bervorgethan. Sein Vater, William Lowthcr, war viele Jahre im diplomatischen Dienste in Neapel, Berlin und Petersburg und schließlich englischer Gesunder in Argentinien, bis er 1868 al« Abgeordneter für Wcstmoreland die parla mentarische Laufbahn betrat. Der junge Lowther, welcher jetzt 30 Iabrc all ist, war früher Advokat. Er gehört seit 1883 dem Parlament an und ist »nt einer Nichte Lord Salisbury s, einer Tochter des verstorbenen BcreSford-Hope, verbeiratbet. Tie Annahme eines UiitcrstaalSsccretair-Postens bedingt keine Neuwahl fürs Unterhaus. * AuS Nom wird von heute gemeldet: Die für gestern angckündigte liberale Demo »st ration nahm dcn Aus gang von dem Eorso »ach der Piazza Eoloima bis vor die Hotels „Wieland" und „NiSbcrba", in denen die Pilger O-uartier genouimci, batten und weiter bis zum Hause des BürgermeiiterS. Es wurden Hochrufe auSgebracht. Unter der Akklamation crtöiilcn auch Pfiffe gegen die Pilger. Als der Zug nach dem rechten Tiber-Ufer gehe» wollte, wurde derselbe von der Polizei daran verhindert. Auf dem Rück wege schlossen sich die Mauifcstauteu einem anderen, »üt Musik nach de», Eapitol ziehende» demonsttircndcn Zuge au. Tic Teiiionstranlcu zogen nach der Piazza di Pianla unk gingen dort mit Vivat - Rusen aus einander. Die Kundgebung verlief ohne Zwischenfall. — Das Verlangen der Maiiisestanteii, auf den Hotels, in denen die Pilger Absteigequartier genommen haben, die italienische Flagge zu hissen, erklärt sich aus de», Umstande, daß heute der Jahrestag des PlcbiseitS im Kirchenstaate ist. Im Laufe des Nachmittags ereignete» sich einige kleinere Zwischenfälle ohne Bedeutung. Als die Pilger und die Manifestanten sich vor dein französische» Scniinar trafen, versuchten einige Manifestanten das päpstliche Wappen von dem Gebäude zu entfernen, wurden jedoch von den hcrbeicilenden Polizisten, welche mehrere Verhaftungen Vornahmen, daran gehindert. Abends blieben die Pilger in ihren Wohnungen, die Abreise der Pilger ans Nantes »nd Umgegend ist ver schoben worden. — Anläßlich des Jahrestages des PlcbiseitS herrschte in den Straßen der Stadt, weiche glänzend erleuchtet waren, ein überaus lebhaftes Treiben. Schon in früher Abendstunde begannen die Liberale» unter den Rufen: „Es lebe Italic», cs lebe der König!" den Eorso zn durchziehen. * Die EntrüKling!in den Pariser republikanischen Kreisen über den gestrigen Zwischenfall im römischen Pantheon findet in »icbrercii Blättern kerben Ausdruck. Tie „Estafette" schreibt: „Es ist unsere Pflicht, laut diese Fanatiker zn deSavouircn, welche sowohl »ach innen, wie »ach außen bi» eine Gcsabr bilden würden, wenn sie nicht mehr lächerlich als insolent wären." * Schon lange war von dem Rücktritte deö dänischen Minister des Acußcreii, des Barons Rosenörn-Lebn, die Rede, jetzt scheint derselbe beschlösse» zn sei». Es ist allgemein bekannt, baß zwischen ihm und seinen Eollegcn im Eabinctte eine bedeutende Meinungsverschiedenheit besteht hinsichtlich der Haltung der Regierung gegenüber Deutschland und in Betreff auch derBesestigungcn.dieRosciiörn Lelm nickt billigt. Letzteres dürfte der Hauptgrund seines Rückiritts sei». Dazu tommt noch» daß Rosenörn Leb» alt und schwach ist und schon lange ge wünscht hat, fick ins Privatleben znrückzuziebcn. Uebrigens ist der Baron ein Sonderling, der zurückgezogen lebt und nicht besonders geeignet ist, a>S Minister der auswärtigen Angelegenheiten das Land zu vertreten. Obgleich er sehr reich ist und große Güter besitzt, wolmt er, wenn er sich in der Hauptstadt auskält, in zwei bescheidenen Zimmern in einem Hotel zweiten Ranges. Rosenörn Lehn ist seit 1870 Minister des Acußcrii. Als sein Nachfolger wird der jetzige Gesandte in Paris, Graf Mollle-Huidtkeld, genannt. * Die englische Orientpvlitik — das Wort Orient im weitesten Sinne genommen — ist neuerdings von einer Reihe Feblschlägc hemigcsncbt worden, angesichts deren cs nicht ganz leicht hält, die Verantwortlichkeit einzig und allein dem Zusammentreffen zufälliger Ereignisse auf zubürden. Auf der ganzen Linie Konstantinopel-Kairo- Tcbcran-Mittelasien (Pamirlänter) bis hin nach dem scriisten Osten: Ebina, Korea, Japan, scheint die Action Englands zum Stillstände, wo nicht Rückgänge vcrurtheilt zu sei», indes; Rußland überall, sei cS materielle, sei eS moralische Erfolge zu verzeichne» bat. Es ist von »nö seinerzeit darauf bingewieseii worden, welcher Art die Ursachen der rückläufigen Bewegung des englischen Prestiges im ottvmanischen Reiche sind, unter denen an erster Stelle die Eonnivenz der britischen Diplomatie gegenüber de» Machenschaften zahl reicher, von geschäftlichen Skrupeln freier Spekulanten aus die materiellen Hilfsquelle» der Türkei sigurirt. Ganz analog scheinen die Tinge in Persien zu liege», wo der Erlaß und die Handhabung des dem Volke verhaßten TabakmonrpolS den Engländern auf Rechnung gestellt wird und im Gegensatz dazu die Russe» als Freunde in der Notb und Retter aus dcn Händen eines englischen AuSbcuterriiiges erscheinen. Daß in China die englische Politik noch an den Rcmiiiiscenzcn deS „OpiumSkriegcS" krankt, ist Thatsache, wenngleich in der jetzt zwischen den Mächte» und der Pekinger Regierung schwebenden Mißhelligkeitei, die völkerrechtliche Position der ersteren über allen Verdacht erhaben kastebt. In Ecntralasien genieße» die Russen allgemein des Rufes von Leuten, die wissen, was sie wolle» und geradcswcgcS auf ihr Ziel loSgebcn. während die durch keinerlei positive Maßregeln »»icrslnvtc Prolcstvvlilik des Britciitlmms diesem letzteren nickt nur keine neuen Freunde zu gewinnen geeignet erscheint» sondern obendrein ibm die alten Freunde entfremdet. Es sind das Anzeichen, welche dartlmn dürsten, daß es Wohl an der Zeit für England sei, das biskerige System seiner Oricntpolitik einer durchgreifenden Revision zu unterziehen, ehe cS zu spät dafür wird. * lieber ein Vorgehen beS Pariser Bankhauses Rothschild herrscht m Petersburg nicht geringe Auf regung. Nach der vor bald 2 Jahren erfolgten Aushebung des Dorpater Raths waren u. A. die Verwaltung der vom verstorbenen russischen Kaufmann Schamrjcw zu wohlthätigen Zwecken hinterlafscucn Gelder^ welche der Dahingcschiedeue brr
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