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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.02.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110214018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911021401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911021401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-14
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
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NezuftS-PreiS Ar L«t»,to u»» >d«ron» durch Lchg« »n» Svrdtieur, S»«l »taltch m« pnu« gebracht: AO H "»»all., L.7V^U diene«jLtzrl Bet uni«» Filiale» ». An» aah«tze0en «b,rb»>n 7d m»a«U„ vienelltbrl. virch dt» «»»! waarbald Loutchcan», und der beglichen Kdloaie» »tenrllthrt. US» ^», «anatl. I^k» auslkbl. Poftdeslellgelb. »ferner »» Belgien, DLnemarl, den Donansiaalen, Italien, curemdurg, Niederlande, dt»r» w««a. Oesterreichs Ungarn, Rußland, Schweden, Schwer u. Spanien. Ja allen kbeigea Staat«, »ar diretr durch di« «ejchtstlUeüe de« «larre« «HSllich. La» Leivjige, lagedian erlch«u 2 «al Illglich, Sonn. » geirrlag« nur morgen«. bide»a«>»«ad«»n»h»« > Lugullnsplotz 8. bet unieren Lrtgern, Mialea, Lpediteurea »ab Lanahmeltellen, sowie Pott»intern aad VriestrSger». illagelderraaXprei» »er vtnrgmv- «chg^e 1v d« «de»dnu«gad» » Redaktion »nd Grschäftdkella» JodannidgaHe v. S«chNwchrr, 14SVL 14«L Z4«4. Morgen-Ans^abe. UtipNM TagMM Handelszeitung. Amtsvlatt des Aales «nd des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis Mr Jalerar, «u» r«iv,i, und Unigedunq bw «spalten« bl) »w drei« Lerit,«l. w dt» 74 mw d«U« «ellamqesl» l »o, aaswärt« Üv Rraamen l.L Inserat» »o» «rb-rdea i» «wkls<t>»n Lcil di» 74 mw breit» Vetit,»«, «) Oeschatttanvigen oit, «!a»»»rschnire» an» m der RbeadautAad» >in Preiie erhöht, diabari nach Laris. Beilagegebüdr L ^tk ^Lausen» er». Postgebühr. ^«sterteilw Ruttraa« kdnnrn mchi »nrait- ge»ogea werden. Für da« Erscheinen an bestlmmten Lagen und PILtzen wir» kein» Garant«» übernommen. Intrigen, «lnnahwei Rugnstulpla» 8, bei ItmUich«n Killal«, u. allen «nuonceii- «trpedsti-aen de« Ja. und »ullande«. Oanpt-Utlial» Reell« Tarl Durra«» O»r»ogt. Bayr. Hosduch. daadlun, Lünowstrab» KL S«l>rdo» VO «r. «M8i. Oaupt-SUtal» Lresdem Seestr,»« 4, l lLeleptzoll 462ti. Nr. 45 virnstsg, üen >4. /evruar lSll 105. Ishrgsny. Vas Dlüstlglle. * Der Reichstag begann am Montag die zweite Lesung des Reichshaushalts mit der Beratung des Marineetats. (S- Reichstags bericht.) * Aus Deutsch'Südwestafrika wird der Einfall von Timon Topper-Leuten in deutsches Gebiet gemeldet. (E- Letzte Dep.) * Die Bitte des Generalgouverneurs der Man dschurei, sich durch Titel- und Aemterver- kauf Geld für die Bekämpfung der Pest verschaffen zu dürfen, ist von der chinesischen Zentral regierung genehmigt worden. * Die bereits gemeldete Zurückziehung der russischen Truppen aus Kaswin wird nun mehr amtlich bekanntgegeben. * Das Leipziger Stadttheater erwarb ein neues Stück von Franz Adam Beyerlein zur Ur aufführung. (S. K. u. Miss.) * Der verstorbene Geh. Kommerzienrat Bethcke vermachte der Stadt Halle 1s4 Millionen Mark zu Zwecken der Jugendfürsorge. S. Letzte Dep.) * Die Gebäude der Universität Saska toon (Kanada) sind sämtlich ein Raub der Flam men geworden. (S. Tageschr.) Der Ml Jatho. Die evangelischen Orthodoxen in Preußen haben es endlich erreicht, daß das Jrrlehregesetz zum ersten Male zur Anwendung gelangt. Sie haben zu einem Schlage gegen einen liberalen Theologen ausgeholt, dessen Tätigkeit ihnen schon lange schwere Kümmernisse bereitet hat. Der 60jährige Pfarrer Karl Jatho in Köln erfreut sich des stärksten Vertrauens seiner Ge meinde, weil aus seinen Predigten und Vor trägen ein durchaus moderner Geist spricht, der sich nicht an Buchstaben und Bekenntnisformeln gebunden fühlt, sondern in die Tiefen des Wesens der christlichen Religion zu dringen sucht, weil dieser Seelsorger sich müht, „das einmal Geschaute und Gefundene seinen Hörern und Lesern so anschaulich zu machen, wie es ihm selbst vor Augen steht". Gegen Jatho sind die orthodoxen Eiferer schon wieder holt Sturm gelaufen, haben aber damit bisher wenig Glück gehabt, da der kürzlich verstorbene rheinische General-Superintendent Um deck seine schützende Hand über den schwer angefein deten Prediger hielt. Aber die Zähigkeit von Jathos Gegnern hat doch zuletzt den Sieg davongetragen und jo wurde, ohne daß erst die Gemeinde Jathos ge hört worden war, auf Grund des preußischen Zrrlehrengesetzes ein Verfahren gegen Jatho eingeleitet. Anfangs Januar forderte der Oderkirchenrat in einer Verfügung Rechen schaft über fünf Punkte, die ihm in der Lehre und Anschauung Jathos anstößig erscheinen. Da nach ist der Eottesbegriff des rheinischen Theo logen ketzerisch, seine Auffassung von der Religion und den Menschen, die „nicht als arme Sünder, sondern als Eotteskinder voll göttlicher Schön heit der Lebensfülle geboren werden", hat eben falls Widerspruch hervorgerufen; beanstandet wird ferner die Auffassung von der Persön lichkeit Jesu Christi, „der fließenden Größe, die tausendmal im Laufe der Zeiten sich gewandelt hat", und endlich die Leugnung der persönlichen Fortexistenz nach dem Tode. Der Oberkirchen rat erwartete von Jatho binnen vierzehn Tagen einen Widerruf seiner ketzerischen Anschauungen und fügte seiner Kundgebung, scheinbar als Begründung, eine anonyme Predigtskizze Jathos bei, die ein geheimnisvoller Einsender und Eiferer der obersten Kirchenbehörde zur Ver fügung gestellt hat, und die trotz ihres ano nymen Charakters seltsamerweise als Material verwendet worden ist. Jatho ist der Aufforderung des Oberkirchen rats nachgekommen und hat eine ausführliche Antwort auf die Anklagepunkte gegeben. Er weicht in keinem Punkte zurück, sondern beruft sich in seiner Verteidigung sehr wirkungsvoll und geschickt auf Harnack, der ja selbst im Spruchkollegium fitzt. Er hat für sich diesen feinsinnigen Theologen zitiert, für den „jede Aussage über Jesu, die sich nicht in dem Rahmen hält, daß er ein Mensch war", unannehmbar ist, und er hat zum Schluß bekannt, daß er den angesonnenen Widerruf nicht leisten werde. „Wäre Ihnen" — so schreibt Jatho an I den Oberkirchenrat — „für die protestantische s Kirche, die Sie zu hüten berufen sind, mit Männern gedient, welche widerrufen? Nimmermehr! Und so kann und will auch ich nicht widerrufen, solange ich nicht aus der Bibel oder sonst mit Hellen und klaren Gründen der Vernunft eines Besseren belehrt werde; denn es ist weder sicher noch geraten, etwas wider das Gewissen zu tun. Ich will meine Ueberzeugung, die ich mir in Mjähriger ernster Lebensarbeit erworben habe, weiter vertreten und weiter verkündigen, und zwar wie bisher ohne alle Furcht." Und zum Schluß weist er es mit Würde zurück, auf die der Anklageschrift beigegcbene anonyme Preduftskizze einzugehen. „Anonyme Denunzia tionen aber sind mir so widerwärtig, daß ich mich mit denselben in keiner Weise befassen möchte. Ich bin gewöhnt, frei und offen zu reden vor der Welt, freue mich auch, wenn Gegner meine Predigten oder Vorträge besuchen und sich mit mir darüber auseinandersetzen, wie es unter Ehrenmännern Sitte ist: in öffentlicher Diskussion oder unter vier Augen durch privaten Besuch. Die Spionage aber hasse ich und die Spione dazu." Diese peinliche Belehrung iib-r die Ver wertung eines anonymen Schriftstückes hätte sich der Oberkirchcnrat wahrhaftig ersparen können; denn seine Sache ist dadurch keines wegs gebessert worden. Jathos Haltung ist durchaus männlich und kraftvoll; sie muß auch seinen Gegnern Achtung vor der lleberzeugungs- treue dieses Mannes abnötigen. Der Ober kirchenrat steht jedenfalls vor einer schweren Entscheidung. Will er das Odium auf sich laden, alle Geistlichen auf eine einzige Lehr meinung zu verpflichten, dann handelt er un protestantisch, und dafür hat gerade die Gegen wart eine besonders starke Empfindung. Der heMlhe pkahl im nationalliberalen Milch. Die nationalliberale Partei hat, seitdem unter den Finanzreformwirrcn Herr v. Heyl und Graf Oriola ihr Verhältnis z-r Reichstagsfraktion lösten, in Rheinhessen keine Ruhe gefunden. In den ersten Wochen nach der Verabschiedung der Steuer gesetze und dem Sturz des Fürsten Bülow nahm man allgemein an — auch in den leitenden Kreisen der nationalliberalen Partei glaubte man's—, daß die beiden Herren nun wohl auch die Kon sequenzen ziehen und dem ersten Schritt weitere folgen würden. Aber dabei batte man sich in Herrn v. Heyl und auch in der Natur des hessischen Nationalliberalismus ge täuscht. Die Herren v. Heyl und Graf Oriola fuhren fort — woran sie freilich niemand hindern konnte —, sich als nationalliberal zu bezeichnen. Abe: was schlimmer war: ihre Wähler glaubten es ihnen auch. Versammlungen in den Kreisen der beiden Abgeordneten versicherten sie des uneingeschränkten Vertrauens der Wählerschaft, und als dann der Fall vor den hohen Rat der hessischen Landespartei ge zogen wurde, begnügte man sich mit einer Konkor- dienformel, die im Grunde einer Desavouierung der Reichstagsfraktion und ihres Führers glich. Vielleicht ist das die wesentlichste, wenn schon sicher nicht die einzige Fehlerquelle. Herrn Dr. Osanns diplomatisches Talent hatte einen Eklat, ein förm liches Auseinanderbersten zu verhüten versucht, und hat am letzten Ende doch nur erreicht, daß fortan Bllndler und Kryptokonservatrve mit zu Tische saßen. So haben sich die Dinge dann ganz logisch weiter entwickelt, bis wir dieser Tage erleben mußten, daß von einer nationalliberalen Organisation Herrn Diedrich Hahn, der sonst — im Parlament wie auf seinen Agitationstouren durch die deutschen Gaue — die Nationalliberalen auf das gehässigste bekämpft, ein ungemein freundschaftlicher Dank votiert wurde, und in der vom offiziellen Parteiorgan neuerdings veröffentlichten Liste nationalliberaler Kandidaturen uns der wohlbekannte Name des Herrn Dr. Becker-Sprendlingen grüßte. Desselben Herrn Becker, der, vor die Wahl zwischen der Partei und dem Reichsverband gegen die Sozialdemokratie ge stellt, der Partei kaltlächelnd und förmlich den Rücken gekehrt hatte. Diese Dinge beginnen nachgerade doch ein allgemeineres Interesse zu beanspruchen, denn sie drohen an das Herz der nationalliberalen Partei zu greifen. Das neue Statut der Partei gewährt zwar den Lokaloraanisationen nahezu völlige Frei heit in der Auslese der Kandidaten. Wenn Herr Becker den Hessen gefällt, und er wird ihnen ge fallen — wer in Kassel das Vergnügen gehabt hat, dem Landtagsabgeordneten Dr. Winkler zu lauschen, kann das kaum noch bezweifeln — bliebe der Zentrale schwerlich eine andere Wahl, als den SprendlingerArtt zu akzeptieren. Aber wenn, was im Interesse der nationalliberalen Partei der Himmel in Gnaden verhüten möge, Herr Dr. Becker doch gewählt wird, was dann? Dann kann sich heute oder morgen wieder holen, was im Sommer 1809 sich schon begab. Wir haben eine neue Krisis, neue Erschütterungen, frische Feinseligkeiten und ein Wiederaufflammen kaum verharschten Haffes. Dann waren die Aus einandersetzungen von 1909 überhaupt nicht nötig. Denn schließlich hatte der Freiherr v. Heyl, mit dem zum mindesten in sozialpolitischen Dingen zu reden war, doch noch ganz andere Meriten als Herr Dr. Becker, der die agrarischen Allüren mit diesem teilt und im übrigen über das engherzigste Scharfmacher- tum nie hinausgekommen ist. Es liegt zweifellos im Wesen der nationalliberalen Partei begründet, daß für die Zugehöigkeit zu ihr eine weitherzigere Auffassung Geltung erlangt hat, als bei anderen Parteien. Das ist eben die Stärke, aber manchmal auch die Schwäche der Mittel Partei. Als die Partei inz Zenith ihres Ruhmes stand, reichte sie von Treitjchke und Gneist bis Laster und Bam berger. Die Sezession von 1880 hat die Partei dann bis zu einem gewißen Grade vereinheitlicht; ob durch weg zum Segen, möchten wir einstweilen dahingestellt sein taffen. Immerhin blieb bestehen — und besteht noch bis auf den heutigen Tag —, daß die national liberale Partei Mitglieder besitzt, die ohne viel innere und äußere Beschwernis bei den Konservativen Platz nehmen könnten, und wieder andere, die mit einem guten Teil ihres Gedankengcrüstes in den Fortschritt hineinreichen. Die Geschichte der nationalliberalen Partei in dem ersten und fruchtbarsten Dezennium ihres Be stehens erweist, daß derlei Verschiedenheiten im ein zelnen verhältnismäßig leicht verwunden werden konnten. Aber doch nur, solange eine allgemeine Stimmung stark genug war, die Nebengeräusche zu übertönen. Ist man wie jetzt in Hessen erst so wert, daß man publizistische O^ane begründet und alimen tiert, um die offizielle Parteipolitik zu bekämpfen, dann ist von Gemeinsamkeiten wohl kaum noch die Rede. Dann täten aber die, so es angeht, gut, mit dem Gedanken der Scheidung sich allmählich ver traut zu machen. Sie lähmen sonst die Aktionsmacht der Partei. Zur Reform ües Rechts. Die Bestrebungen, Rechtswissenschaft und Rechtsprechung in unseren Tagen nach großen Gesichtspunkten einer Reform entgegen zufuhren, gewinnen allmählich greifbarere Ge stalt. Für nächsten Sonntag, den 19. Februar, ist nach Berlin eine Zusammenkunft einbe- rufcn, die einer freien Aussprache über die Ziele und die zunächst zu beschreitenden Wege dienen soll und Klarheit bringen dürfte, ob mit Hilfe der Gründung einer Organisation oder wie sonst dem jetzt mit so großer Lebendigkeit aufgetauchten Gedanken Förde rung bereitet werden könne. Es handelt sich um keinen neuen Wunsch, wohl aber um die neue For mulierung eines alten und ewig neu bleibenden Wunsches: Rechtsprechung und Bolksanjchauung, Richter und Volk, Gesetz und Laienverstand einander näher zu bringen, und zwar nicht allein auf dem Gebiet des Strafrechts, dem durch die bevorstehende Reform genützt werden soll, sondern ebensosehr auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts. Die neuen Be strebungen liegen nicht in der Richtung, die die freie Rechtsfindung des Richters an die Stelle des Gesetzes setzen will, sie gehören auch nicht.in die Kategorie der Kritiker, die von Klassenjustiz und Weltsremdheit der Richter reden; wohl aber erkennen diese Bestrebungen an, daß allerlei verbesse rungsbedürftig ist, daß der Richter unter größerer Berücksichtigung des sozialen Lebens und der wirtschaftlichen Bedürfnisse das Gesetz tiefer und reiner erkennen und anwenden lerne, und daß er noch mehr als bisher die Welt und deren einzelne Verhältnisse, über die er urteilen soll, erkennen lerne. So ist vor kurzem ein Aufruf in dieser Sache er lassen worden, der den früheren Oberlandesgerichts rat Bozi in Hamm, jetzt Amtsgerichtsrat in Biele feld, zum Verfasser hat und eme Reform unserer Rechtspflege an Haupt und Gliedern bezweckt. Der Aufruf, de: den Lieblingsgedanken Bozis, die Ueber- tragunq der realwissenichaftlichen, naturwisienscbaft- lichen Methode auf die Rechtswissenschaft in den Vor dergrund rückt, ist nur zum Teil beifällig ausgenom men, zum Teil aber auch sehr ablehnend beurteilt worden. Ein anderer Aufruf, der von Jena ausgeht und seine Wiege namentlich in den Kreisen des Thüringer Oberlandesgerichtes hat, hält sich von der Betonung einer einseitigen Methode fern, sondern ist, wie u. a. die „Deutsche Juristen zeitung" urteilt, „in seiner Kritik des bestehenden Zustandes durchaus maßvoll und gerecht" und zeigt „in seinen Forderungen für die Gegenwart und die Zukunft Umsicht und Besonnenheit". Der Präsident des thüringischen Oberlandesgerichts in Jena, Dr. Börngen, der Professor an der Universität Jena Geheimrat Dr. Danz, Oberlandesgerichtsrat R. Deinhardt in Jena, Reichsgerichtsrat Dr. Dü ringer, Professor an der Universität Berlin Ge heimrat Dr. Hellwig und Regierungsrat Dr. F. Rathenau in Berlin dürften — neben anderen — den wesentlichsten Anteil an dem Inhalt dieses Aufrufes haben. Er trägt den Forderungen, die im Reichstag und Landtag an die Reform der Rechtsprechung gestellt find, implizite Rechnung, ohne einzelnen unberechtigt weit geheimen Kritikern recht zu geben. Er fordert, daß dste Juristen, „da es sich um Verbindung mit den lebendigen Kräften unserer Zeit handelt, sich die Hande reichen mit führenden Personen im öffentlichen, namentlich wirtschaftlichen Leben." Er erkennt an, daß es sich hier um tiefe kulturelle Bewegungen handelt, daß die Grenzen engherzigen Herkommens überschritten wer den, das Wirkliche und Tatsächliche, da« soziale Leben und die Erfahrung in höherem Grad« verwertet wer den müsse. Von den Gesetzen fordert der Aufruf größere Klarheit im Au^ruck und die Beschränkung auf die Aufftellunng großzügiger Regeln, und von der Auslegung der Gesetze, daß man in ihnen nicht lücken lose Offenbarungen sehe, sondern daß im Rahmen der Gesetze die Gerechtigkeit verwirklicht werd«. Von dem Richtertum selbst verlangt der Aufruf, daß die Aus wahl der Personen nach der Bedeutung ihrer Per sönlichkeit als Ganzem gescheh«, und daß besondere Fachkenntnis eines bestimmten Gebiete« als Richter spezialisten ausgebildet und verwendet werden. Dem Buchstabengeist und der fiktiven Auslegung der Rechtsgeschäfte erklärt man hier den Krieg. Lin sehr gesunder Anfang scheint hier gemacht zu werden, dessen Fortführung zunächst in der bevorstehenden Berliner Konferenz, und was darauf folgt, berechtig, tem Interesse begegnen dürft«. Die Konferenz findet im Hotel Esplanade unter dem Vorsitz von Präsident Börngen statt. Gin lozislüemokrstllüler „Agrarier". Der sozialdemokratische Schriftsteller Arthur Schulz hat sich schon wiederholt mit seinen wirt schaftspolitischen Ansichten in schroffen Gegensatz zu seinen Parteifreunden gesetzt. Er hat in den „Sozialist. Monatsheften" vom 26. Januar den Nach weis zu führen versucht, daß die inländische Landwirt schaft den Fleischbedarf ter deutschen Bevölke rung bisher fast völlig, und zwar in normalen Futter jahren zu mäßigen und relativ langsam steigenden Preisen gedeckt hat, und daß die Eigenfleischvcr- sorgung sowohl im allgemeinen Nationalwirtschaft- lichen Interesse wie im besonderen dauernden Arbeiterinteressc der Zufuhr von Prärievieh und Frostfleisch vorgezogen werden muß. Eine folgenrichtige Ergänzung zu diesen Aus führungen Duldet ein neuer Aussatz, dem Artur Schulz in den „Sozialistischen Monatsheften" vom 9. Fe bruar den Nachweis widmet, daß eine „Steige rung der deutschen landwirtschaft lichen Tierproduktion möglich ist." Er kommt darin zu dem Schluß, „daß die deutsche Tier produktion noch überaus ausdehnungs fähig und im allgemeinen noch nicht genötigt ist, Jntensitätssteigerungen mit Kosten zu verkaufen, die rascher wachsen als ter Produktionserfolg." Daher glaubt Artur Schulz als berechtigt die Erwartung aussprechen zu können, „daß Deutschlands Erzeugung an tierischen Produkten mit der Bevölkerung und dem Wachstum ihres Bedarfs auch im nä^'ten Jahrzehnt wird gleichen Schritt halten können, ohne daß die Preise unmäßig steigen." Nach Schulz kommt es „nur darauf an. die produktiven Kräfte in der inländischen Landwirtschaft zu möglichster Entfaltung zu bringen." „Soweit dazu" — mit dieser Mahnung an die Partei genossen schließt Artur Schulz seinen Aufsatz — „der Staat und andere öffentliche Verbände beitragen können, dürfen die in den verschiedenen Vertretungs körperschaften tätigen Parteigenossen ihre Mitwirkung nicht versagen." Begeistert rühmt Artur Schulz, sich selbst ver spottend. die Erfolge der fiskalischen Moorkultur. Er schreibt wörtlich: „Ein besonders gelungenes Unternehmen der preußischen Forstoer waltung, die 1900 begonnene Urbarmachung der Niederungsmoore in der ostpreußi schen Oberförsterei Sch ne cken. hatte ich Ge legenheit. mehrere Jahre hindurch aus nächster Nähe zu beobachten; anfangs mit der größten Skepsis: denn in Kautskys „Agrarfrage", meiner damaligen agrar politischen Bibel, wird es gerade mit Bezug auf die Moorkultur verurteilt, daß vom Staat große Kosten aufgewendet werden, „um mühsam einige Flecken unfruchtbaren Terrains in Kulturland zu ver wandeln." Glücklicherweise kümmerte sich der Pionier der Moorkultur in Ostpreußen Forstmeister Dr. Storp nicht um meine Bedenken. Rastlos wurden Vorflut gräben gezogen und Drainagen gelegt: Moorprlüge brachen die binsenbestandene minderwertige Gras narbe. Tellercgqen zerstückelten den von der Pflug schar aufgworfenen Seggentorf, schwere Walzen schufen aus der lockeren, leicht austrocknenden und ausfrierenden Oberflächeschicht ein sicheres Keimbett und einen festen Standort für die Gras- und Klee pflanzen, die nach reichlicher Dorratsdüngung mit Kainit und Thomasmehl unter der schützenden Ge- treideüberfrucht üppig heranwuchsen. Und dieselbe Fläche, die 1900 nur 15—20 Rindern eine kärgliche Nahrung bot. ernährte 1909 bereits 1600 Haupt Stall und Weideoieh. und ein Pächter konnte aus einer Fläch« von 19,5 Hektar 88 Ochsen für den Berliner Konsum so anmästen, daß sic durchschnittlich um 142 Kilogramm pro Stück zunahmen. Selten hat die preußische Forstverwaltung ein besseres Ge schäft gemacht als mit ihren Moorkultivic- runge n." Wehe dem armen Ketzer! Deutsches Reich. Leipzig, 14. Februar. * Mittelstandsvereinigung und Politik. Der „Fort schritt", das offiziöse Organ der Mittelstandsver einigung im Königreich Sachsen, bringt in seiner nächsten Nummer folgende Mitteilung: „Von Zeit zu Zeit tauchen in der Presse Nachrichten aus, nach denen die sächsische Mittelstandsvereinigung in dies m oder jenem Wahlkreise beabsichtig«, eigene Kandi daten aufzustellen. In letzter Zeit wird von Meißen aus die Meldung verbreitet, es sei eine neue Mittelstandsvereinigung lediglich zu dem Zwecke ge gründet worden, um aus eine stärkere Vertretung des Mittelstandes in den Parlamenten hinzuwirken. Da durch derartige Mitteilungen der Verdacht erweckt wird, als beabsichtige die Mittelstandsvereimgung die Bestimmungen ihrer Satzungen von der r e i n w c r t sch ast lichen Natur ihrer Bestrebungen nicht einzuhalten, jo sei hier ausdrücklich sestgestellt, daß die Mittelstandsvereiniguna mit diesen Vor gängen, falls sie einen tatsächlichen Hintergrund haben sollten, nichts zu tun hat. Sollte hierbei der Name Mittelstandsvereinigung gebkaucht werden, so geschieht das unrechtmäßig. Wir richten an unsere Freunde im Lande die dringende Bitte, uns in dem Bestreben zu unterstützen, von dem gewerblichen Mit telstande alles fernzuhalten, was seine Einigkeit stören könnte. In den wirtschaftlichen Kämpfen der Zu kunft, in denen über die Berechtigung der mittel ständischen Existenzform entschieden wir-, werden Handwerk, Detailhandel, Hausbesitz usw. nur dann siegreich bestehen, wenn alle diese Gruppen geschloffen auftreten. Deshalb muß Parteipolitik von der Mittelstandsvereinigullg streng ausgeschlossen werden- hat doch die Erfahrung gelehrt, daß der ae werbliche Mittelstand, der aus wirtschaftlichem Ge biete ein Herz und «ine Seele ist, sofort uneinig wird, wenn er mit parteipolitischen Streitfragen be faßt wird. Auch hat die Mittelstandsvereinigung im Königreich Sachsen al» rein wirtschaftliche Vertretung Erfolge errungen, die sie als politische Organisation nie und nimmer erzielt haben würde." * Au» dem LS. ländlichen Landtagswahlkreise > wird uns geschrieben: Der Kandidat der Fortschritt- I lichen Lolkspartei Gewerbeschullehrer Dr. Schubert
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