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Donnerslag, den 2«. August 1031 «v«rlaa»ort> Dresden Bn»»tgrnpr»ls«; DI» IgkteaUen» pklttjett« NU z,FamtIl»iU o»i»tg«n u.St»lI»ng»Iuch« >t» z. DI» p»IUr»ttam»j»tte. 89 MIN breit. I X. gllr Nnz»I«en oub»khalb de« NkrbretIung«g«dI»I»1 s« z. dte pettH<Nam»j»tt» I.Itv^e. Bttelgeb. SV z. Im Fall« HSH»r»r E»wott erlttchl jede vripstlchtimg auf Lt»t»rung sowl« Sisülluug d. «njklgeu. UuIIrügen u. lietltunz v. Schadenersatz, Eeschaiiucher Heil: Ara», Bmrgir», Dresden. Nummer 192 — 30. Jahrgang erlchelnt »mal wdchN. mit tllnttr.ErattSbeilaaen »Heimat und ISelt' und der INnderbettape»gltr unsre Nclneu Uente'. towi» den rexldellagen »St. Benno-Blatt'. »Unlerhalluna nnd Wls'e»'. Die vrattttche Hau«traii'. ,Ber,Itt<d»r Rataedrr', »Da« nut« Buch' Monatlicher t8ezn«»pr«t» etnlcht. Bettenfeld, Einzelnummer 1« z, Eonnadend- u. Eonnlngnnnmier ittt z. Hauptschrittleiler Dr, w. Detczyk, Dresden. ÄüüMüie VEsseMms Für christliche Politik und Kultur -'S"?-.. N0L «austanlo «eadtdant DreSd«-, »Ir NI7I9 ' , nun -IM- Der Baseler Bericht Das neue Gachverständigen-Gutachten über Deutschlands Schwierigketten Sehfehler „Selbst der entschiedenste Gegner Brünings muss ihm zweierlei zubilligen: seine ausdauernde politische Rührigkeit und den Willen, die politischen und wirtschaftlichen Wirrnisse der Zeit zu meistern." Zu dieser Anerkennung der Arbeit Brünings sieht sich sogar „Der F r e i h e t t s k cr m p s" sNr. IM), die „amtliche" Tageszeitung der NSDAP, im Freistaat Sachsen ge zwungen. Selbstverständlich kommt hinter dieser Anerkennung sofort ein grosses „Aber". Alle Rührigkeit Brünings sei ver geblich, denn sie bewege sich in salsä>er Richtung. Brüning sei „ungeachtet seiner klerikal-ultramontanen Parteistellung" An hänger der „l i be r a l - m a n che sie r l i che n Lebensauf fass u n g": „Der politische Staat ist Ihm Oberbau, nicht Grund lage, das, was heute die liberalen Materialisten und Mammoni- sten mit ehrfürchtigem Staunen die „Wirtschaft" nennen, ist ihm das erste, Staat und Volk find ihm das zweite. Der Staat hat sich den Wirtschaftsformen anzupassen, davon, das; der politische Staat die Wirtschaftsformen nach politischen und völkiscl>en Not wendigkeiten zu bestimmen oder zu beeinflussen habe, kann bet diesem Kanzler keine Rede sein." Das nennt man doch eine Entdeckung: der Zentrumskanz ler macht „liberal-manchesterliche" Politik! Der „Freil)eils- kampf" hat»offenbar vergessen, das; er wenige Tage vorher Brü ning vorgeworfen halt«, er hätte sich Gedanken des natio nalsozialistischen Wirtschaftsprogramms angecignet, aber falsch angewandt. Es kann doch nur eins von beiden richtig sein: entweder handelt Brüning nach liberalen Grundsäszen oder nach nattonalsozialistiscl;en. Wir wollen es dem „Freiheits kamps" verraten: Ke ins von beiden ist richtig. Ein Mann, der so völlig in den Formen der katholiscl;en Weltanschauung lebt und denkt wie Brüning, hat auch hinsichtlich der Begriffe Staat und Wirtschaft katholische Anschauungen. Die Lektüre der wesentlichen Abschnitte der Enzyklika „Quadragcsimo anno" kann die nationalsozialistischen Kritiker des Kanzlers über diese Grundsätze unterrichten. Sie werden dort erfahren, datz das liberale Wirtschastsdenken vom Katholizismus ebenso scharf ab gelehnt wird wie das sozialistische. Das; keineswegs die Wirt schaft als das Grundlegende und der Staat als „Oberbau" siibri- gens ein „marxistischer" Fachausdruck!) betrachtet wird, sondern beide als gleichgeordnete Faktoren, denen nur das religiös fun dierte Sittengesetz übergeordnet ist. Die Umbildung der lxeutigen, den christlichen Grund sätzen wie der menschliche» Vernunft in gleicher Weise widerspre chenden Wirtschaftsformen zu einem besseren Zustand kann aber nur auf organischem Wege erfolgen. Nicht eine wirtschaftliche Revolution swie sie der „Kommunismus" Sta lins mit dem „Fünf-Iahresplan" erstrebt) noch die Abtrennung eines wirtschaftlich so schwache» und politisch so bedrängten Lan des wie Deutschland von der Weltwirtschaft (nach Rezepten der Nationalsozialisten) können helfen. Notwendig ist derVersuch, die Inhaber der Produktionsmittel, die allerdings in ihrer Mehrzahl noch im liberalen Denken befangen sind, auf Bahnen zu lenken, die allmählich aus den jetzigen Schwierigkeiten heraussühren. Datz man dabei an die diesen Leuten geläufigen liberalen Denk formen anknüpfen mutz, 'wie der Kanzler in seinem „Daily Mail"-Interview getan hat, ist selbstverständlich. Das; der Staat noch andere Möglichkeiten hat, auf die Wirtschaft cinzuwirken, ist erst in den letzten Wochen praktisch dargetan worden. Datz die Ziele des Kanzlers nicht in der liberalen Vorstellungs welt liegen, sollte in diesen Tagen jeder gemerkt haben. Es ist geradezu grotesk, das; der „Freiheilskampf" gerade dem Kanzler den Vorwurf macht, er stelle die Wirtschaft über den Staat, unter dem der Staat einen so starken Einslns; aus die Wirtschaft erlangt hat wie nie zuvor. Gerade die liberale Presse Deutschlands hat die Vorgänge der letzten Wochen smit einem gewissen Entsetzen) als „Uebergang zu neuen Wirt schaftsformen" gekennzeichnet. Nene Wirtschaftsformen freilich schafft man nicht swie die Nationalsozialisten) durch die Theorie, sondern swie Mussolini in Italien nnd Brüning in Deutschland) durch die Tat. Wie liberal orientierte Kreise, mit denen nach der irrtüm lichen Auffassung des „Freiheilskampse^b das Zentrum Hinsicht lich der Beurteilung des Verhältnisses von Wirtschaft und Staat übercinslimmt, in Wahrheit über die einschlägigen Aussassungen des Zentrums urteilen, kann der „Freiheilskampf" aus der Allgemeinen Zeitung Chemnitz lNr. töt) ersehen, in der einem führenden Zentrumsmann der Vorwurf gemach! wird, er verliere sich in marxistische Gedankengänge. Ans unserem Leitartikel in Nr. 18« von L. K. sder unseren Lesern besser be kannt sein dürste als der Allgemeinen Zeitung) zitiert das Bialt folgende Sätze: „Wir wollen aus unserer Ueberzeugung kein Hehl machen, M W» Di, heutig. N imm«, enthäti dl. Beilag« ..U » e' h tung und Wissen". Politische Folgerungen Basel, 19. August. Der vom Ausschus; zum Studium der deutschen Kredit, sage heule unlerjerligte Bericht, dessen Verfertiger das eng lische Mitglied Sir Waller Laylon ist. verweist in seinem ersten Teil auf die autzergewöhuliche Teprcssiou in Deutschland und in der ganzen Welt, die durch den starken Sturz der Groh- Handelspreise aus den Weltmärkten, durch den scharfen Rück gang des Welthandels usw. gekennzeichnet wird. — Für Deutschland als eine der grünten Wcllhandelsuationcn sei es unvermeidlich gewesen, das; cs die Auswirkungen der Depres sion in ganz autzergeivöhnlichem Grade zu spüren bekam. Eine dauernde Besserung der Lage Deutschlands sei nicht eher zu erwaricu, bis die Ursachen dieser allgemeinen Depression beseitigt seien. Andererseits spiele Deutschland lm Wirtschaftsleben der Welt und besonders Europas eine so bedeutsame Rolle, datz solange sich die Lage in Deutschland nicht bessere, es auch keine allgemeine Erholung von der gegenwärtigen Depres sion gebe,, könne. Der Bericht gibt genaue Angaben über die finanzielle V c r j ch u l d u n g De u t s ch l a n d s. Die gewöhnlichen Schul den seien in den Jahren 1ti21 bis 1930 eiujchlietztich aus 2 5.5 Milliarden R M. gestiegen. Ter Nettokapilalzustrom in Höhe von 18,2 Milliarden sowie 8 Milliarden RM, die für Dienstleistungen der deutschen Schisfahrtsuuternehmungen und sonstige Dienstleistungen des Auslandes ciugegaugen seien, hätten Deutschland in den Stand gesetzt, die Zinsen in Hohe von 2,ö Milliarden aus seine kommerziellen Auslandsschulden während dieser 7 Jahre zu enlrichicn, seinen Bestand an Gold und Devisen um 2,1 Milliarden RM. zu erhöhen, die Repara tionen in Höhr von insgesamt 10,:! Milliarden zu zahle» und einen Ucbcrschutz der Einfuhr über die Ausfuhr scinschlietziich Sachlieserungen) in Höhe von 0,8 'Milliarden zu begleichen. Die deulscheu Anlagen im Auslande bczisscrt der Bericht bis Ende 1930 aus insgesamt 0,7 'Milliarden RM., so datz die NeUoverschuldung an das 'Ausland 1b,8 Milli arden RA!, beiragen habe. Ein Vergleich der Auslandsguthaben und Auslandsverbind.ich- keilen der deulscheu Banken zeigt nach dem Bericht, das; die deutsche» Banken im Auslände zu Ende des Jahres 1!>:!0 kurz fristige Aktive» in Höhe von 2,l> Milliarden besessen haben, wählend die Verbindlichkeiten zum gleichen Zeitpunkt mit 7,2 'Milliarden angegeben werden. Hinsichtlich scr Lage im Jahre 1931 sagt der Bericht: Ob wohl wäkrcnd der sechs Monate dieses Jahres Deulschlands Ausfuhr zuriiekging, sank die Einfuhr in noch stärkerem Matze, so datz der Mirenhandelsüberschus; eine Milliarde RM. betrug, wozu noch 0.1 Milliarden RM. für unsicMbaren Export hinzu- zurechnen ist. Aus den Anlagen ergibt sich für die kurz fristige Verschuldung — ohne die von t>er Reichckank kürzlich aufgeno'nmenen Kredite — süx Ende Juli 1931 im Vergleich zu Ende Mit), das; die kurstrisUgen Schulde» von 10 3 Milliar den RM. Ende Dezember 1930 auf 7,1 'M lliarden RM Ende Juli 1931 zuriichgiugen, das; in dieser Zeit schwerster wirtschaftlicher Not breitester Volkskreise in Deutschland gegen die Sozialdemokratie in feind seliger Weise einfach nicht regiert werden kann. Ter sogenannte „Kampf gegen den Marxismus", der freilich für viele seiner Kämpen nur ein Kampf für den eigenen Geldbeutel, aber aus ganz derselben materialistischen Gesinnung heraus, ist, würde letzten Endes nur zu neuem Umsturz sichren nnd den im Gange befindlichen EnUvicklungsprozes; der sozialdemokratischen Füh rung zur Staatsbcjahung, vielleicht für immer, unterbrechen. Wir wollen ein Deutschland, in dem auch die weiieslen Arbeiter- mnssen wirklich ihre Heimat, ihr Vaterland sehen. Ein von der nationalen Opposition beberrschles Preutzen aber hätte daraus zunächst eine stischistische Diktatur und dann eine willkommene Mute des Bolschewismus gemacht. Das; der 9. August das ver hütet hat, das mag uns lierechtigte Hossnung geben, von Deutsch lands Erwachen, im gulen Sinne des Wortes, zu reden!" Dazu bemerkt die Allgemeine Zeilung: „Da-» sind xe'n sozialistische, marxistische Gedankengänge. die ebensogut in einem sozialdemokratiscl'en Blatt stehen könnten. Das also ist nach 12jährlger enger Zusammenarbeit des Zen trums und der Sozialdemokrane der olieu geschilderte Effekt." - Das Blatt will damit sagen, nicht das Zentrum Haire die SPD. zur Slaalsbejahung erzogen, sondern das Zentrum sei vom 'Marxismus anaesleckt worden Der Versuch diese törichte Vebanpinng zu beweisen, ist der '''«gemeinen Zeilung" freilich schwer m tziaten Wa an den von ihr zitierten Gedankengängen „marxistisch" sein soll, verrät sie nicht. „Was man nicht dekli nieren kann, das sieht man als ein Neutrum an!" dichteten di« Laieinlehrer der alten Schul«. „Was man nicht gnt verdauen so datz In diesen 7 Monaten etwa 2,0 Milliarden kurz, sristiger Gelder zurückgezogen worden seien. Ausserdem habe das Ausland kurzfristige Anlagen in Deutsch land erworben, ebenso umgekehrt Deutschland lang- und kurz fristige Anlagen. Diese Bewegung dürste insgesamt 3,ö Mil liarden ausmachen. Der Bericht nimmt weiter Bezug auf die seit Freitag voriger Woche mit den Vertretern der Bankgrnppen geführten Verhandlungen, die zur Einigung über «inen Plan zur Verlängerung der kurz, srislige» Kredite gesührt haben. Dieser Plan sieht die Dnrchhaltung der dem deutschen Schuldner gcgebcncn Kredite in der augenblicklichen Höl>e sür die Dauer von t! 'Monaten vom Zeitpunkt der Unterzeichnung an vor. In voller Würdigung der Tatsache, datz es im eigenen Intercsse liegt, die Stabilität der Reichsmark aus jede Weise zu wahren, haben sich die ausländischen Gläubiger mit dem deutschen Schuldner dahin geeinigt, datz ein Teil ihrer Markguthaben sofort, d«r Rest dagegen erst nach und nach während der Laufzeit des Ver trages sreigegeben werden soll. Vorgesehen sind auch zwei Formeln von zusätzlicher Sicherheit sür die beteiligten Giänbigerrcgierungen. Einmal soll die Haf tung der Schulonerbankcn durch eine unmittelbare Verpflichtung der letzten Krcditinhaber ergänzt werden, andercrsciis wird vorgesehen, oatz die deutsche Golddiskontbank in gewissen Gren. zen die Schulden der ausländischen Gläubiger übernimm! oder garantiert. Was den Bedarf an langfristigen Krediten an langt. so kommt der Russchus; zu dem endgültigen Schlutz. Satz cs im allgemeinem Interesse wie auch im Interesse Deutsch lands notwendig ist. 1. das jetzige Volumen der deutschen Aus landskredite aulrechtzuerhalte» und 2 aus alle Fälle einen Teil der zurückgezl-genen Mittel aus ausländischen Quellen zu er- setzen. Hinsichtlich der Um.vandlung eines Teils der kurz fristigen Kredite in langsristige sag, der Bericht, das; :u An betracht der politischen Gesamtlage und der aus Deutschland ruhenden Last es zur Zeil und auch späterhin, wie schon aus der Londoner Konferenz zum Ausdruck kam, unmöglich sei. eine lang sristige Anleihe sür Deutschland anszunehmcn Es blebcn da noch zwei grundlegende Schwier.gkeileu, die affen ausgezeigt werden müssen Die erste ist das damit verbundene p o l i t i s ch e R t s i k o. So lange, die Beziehungen zwischen Denischtnnd und anderen europäischen Mächten nicht aus der Grundlage freundschaftlicher Zusammenarbeit und gegenseitigen Vertrauens beruhe», »»d dadurch nichl cm« wesentliche Ursache der inneren politischen Schwierigkeiten sür Deutschland beseitigt wird, ist keine Gewähr lür einen dauern den und sr-edlichen Wirtichaslsiorlschiitt vorhanden Die zwei!« grundlegende Schwierigkeit ist die Tatsache, das; die Welt in de» vergangenen Jahren versucht Hal. zwei nersch.e- d c i, e , siel' widersprechende polit: sche Prinzipie n zu versolgen, indem sie die ENtwicklunn eines internationalen finanziellen Sysiems znlietz, welches die jährliche Zahlung grötzercr Summen von kann, das sieht man als marxistisch an!" heisst es bei der All gemeinen Zeilung. Will die A. Z leugnen, das; manche Kreise den ..'Marrismus' aus rein materialistischen Erwägungen bekämpfen? Will sie leugnen, das; die SPD sich als starker Schützing» gegen den Bolschewismus erwiesen Hal? Tas; der Nationalsozialismus immer neue Verluste an die KPD. erleidet, die den revolutionä ren 'Massen die schmerzlich entbehrte Intelligenz und die mili tärischen Führer liefert? Das; die SPD in den letzten Jahren eine Politik getrieben hat, die mit der Lehre von Karl Marx auch nicht das mindeste mehr zu tun hat? — Die A Z mahnt das Zentrum zur Umkehr, „wenn nichl Religion nnd Christen tum, die sichersten Grundlagen des Staates, vollkommen ver nichtet werden sollen". Es scheint der A Z noch nicht ausgegan gen zu sein, das; ein Faustschlag ins Gesicht nicht das beste Mittel gegen Nasenbluten und die NSDAP, keineswegs ein verlatz- liches Mittel zum Schutze des Christentums ist. Das Zentrum hat sich in diesen Dingen, gleichgültig ob seine Helfer in der Koalition von rechts oder von links kamen, immer aus sich selbst verlassen. Und es stl gut damit gefahren Das Zentrum und sein Kanzler werden weder von libera- listischen noch von marxistischen (äedankengängcn geleitet. Die Verwirrnng der Begriss«, die mancl>e scharssinnigen Kritiker beim Zentrum beobachten wollen, ist nichts als ein Seh fehler dieser Kritiker Hassen wir. das; im „Helsen Sach sen" gutes Zureden dagegen Hilst. Wenn nicht, dann mögen der „Freiheilskamps' und die „Allgemeine Zeilung" cs unter sich ausmachen, ob das Zentrum „liberal mancheslerlich" oder „marxistisch" ist Dyl«.