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Auerthal -Zeitung. Billigste Tageszeitung im Erzgebu^ 12. Jahrgang Nr. 54 Mittwoch, den 7. März 1900 Verantwortlicher Redakteur: Ernst Funke, Aue j Erzgebirge. I Redaktion u. Expedition: Aue, Marktstrabe. Tageblatt für die Stabt Aue and Umgebung Erschein« — Huferate » ' tilgtlch Nachmittags, außer an Sonn- u. Feiertagen. — Prei- pro Monat jrei ins Hau» "0 Pfg., abgcholt 15 Pjg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" Bei der Post abgeholt pro Vierteljahr 1 Ml. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. ne einspaltige Petitzeile Ist Pf«., au.tltcht Inserate die EorpuS-Zeile 25 Pfg., Reklamen pro Zeile 20 Pfg. Bei 4 maliger Aufnahm. Nv'/o Rabatt. — Bei größeren Inseraten ». mehrmaliger Aufnahme wird entspreä end höher« Rabatt gewährt. Alle Pvstanstatte» und Landbriefträger nehmen Bestellungen an. Reietzsters. 1S8. Sitzung vvm 2. März Das Haus ist sehr schwach besetzt. Auf der Tages ordnung stehl der Etat der Zölle und Verbrauchs steuern. Abg. Speck «Ztr.) bespricht das neue Regula tiv für AuSsuhrvergütungen bei Mühlensabrikaten. Auf Mehl nus hochwertigem Getreide mit mehr als 65 Prozent Ausbeut, bis zu 70 Prozent werde die Bonifikation nur gewährt, wenn Garantie dafür ge geben werde, datz nicht mehr als 65 Prozent der Aus beute zur Ausfuhr gelange. Da nun aber die Müh len diese Garantie nicht geben könnten, so könnten sie solches Mehl überhaupt nicht aussühren. Hier müsse doch Abhilfe erfolgen. Abg. Graf Schwerin- Löwitz (kons.) verlangt Aushebung, jedenfalls aber Einschränkung der Mühlenkonten und der gemischte,i Transitläger. Abg. Brömel (srf. Vg.) verteidigt die Transitläger und die Einrichtung der Zollkredite. — Der Titel „Zölle" wird bewilligt. - Bei oem Etat der Stempelcblagen begründet Abg. Gras Stollberg (kons.s eine Resolution, betr. Erhöhung des Lotterie stempels von 10 aus «0 Prozent. Seine Freunde seien gern bereit, an der Lösung der Deckungssrage bei der Flottenvorlage mitzuarbeiten, und sie betrach teten diesen Antrag als nnen Versuch zu dieser Lösung — Auch dieser Etat wird genehmigt. - Dienstag. Zweite Lesung der Konsulacgerichtsbarkeit im Ausland«, sodann Petitionen. Ar»» -er pslLtisetzeir Welt. Deutschland. * Die Nachricht englischer Blätter, der Kaiser habe anläßlich der englischen Wafsenersolge in Südafrika ein Glückwunschtelegramm an die Königin Viktoria gerichtet, ist ein plumper Schwindel. Ausland. * Paris, 5. März. Die Mißstimmung und das Mißtrauen gegen England nehmen schärfere Diwen- - si men an. Auch Preßorgane, die sich sonst großer Zurückhaltung befleißigen, bringen abfällige Artikel über englische Pläne und fordern engerisch eine Beschien- nigung der Maßregel zur Vertheidigung der Küsten und Colonnn. Bemerkenswerth ist, daß die Ankunft des beschlagnahmt gewesenen deutschen Dampfers „Bundesrath" in Marseille Veranlassung zu englisch feindlichen Kundgebungen gab Die deutschen See leute äußerlen gegenüber französischen Journalisten ihre Entrüstung über das Vorgehen Englands. * New-Jork, 4. März. Der Washingtoner Korre spondent dS „New-Jork Herold" berichtet: Beiden kriegführenden Parteien in Südafrika ist zu verstehen gegeben worden, daß Mac Kinley, waun immer cS gewünscht werde, bereit ist, zu vermitteln. De* Hßpies ii» Sttdevferrke» * Nach Londoner Meldungen standen an der Spitze der Artillerie und Jngenieurkvmmandos der Trans vaalburen zwei Elsässer namens Crünberg und Sa muel Lion, die als Agenten der Creuzot-Geschützfai rik nach Südafrika gekommen warben. S. Lion ist in den Kümpfen von limlerley gefallen. * Die Buren verfügen neuerer Schätzung zufolge noch über 50 000 Streiter. Der Aufmarsch der Buren im Oranjefreistaat, wo die nächsten Zusammenstöße erw irtet werden, kann als vollzogen betrachtet werden 8000 Buren unter de Wett und Delorey bezogen eine feste Stellung bei Osfontein, um dem Feldmar schall Roberts den Weg nach Bloemfontein zu ver legen. * Die Kapitulation Cronjes soll das Werk von Verrätern >ein. Infolge Verrates sei es — so melden Afrikanderblätter — dem Kommandanten Ferreira nicht gelungen, Cronje zu Hilfe zu kommen, und der beliebte Führer? diese Unmöglichkeit einsehend, habe sich thatsächlich in Verzweiflung selbst erschossen, l er Tod sei also nicht, wie zuerst gemeldet, durch einen unglücklichen Fall herbeigesührt worden. * Bei dem Versuche, Mafeking zr entsetzen, soll die Kolonne Plumer zurückgeschlagen worden sein Die Garnison und die Bevölkerung sollen sehr unter dem Fieber leiden. * London 5. März. General Clements meldet, seine Vorhut halte Achtertang besetzt. * Nach einer Meldung des Generals Gatacre nimmt die Zahl der Buren bei Stromberg täg lich ab. * London, 5. März. Aus Bloemfontein wird unterm 2. März berichtet: Die Verbündeten haben beschlossen, dar Gebiet der Umgebung von Rensburg zu verlassen. * London, 5. März. Der „Times" wird aus Osfontein vom 2. März gemeldet: Du Stellungen des Feindes sind nicht genau bekannt, aber bewegliche Kommandos tauchen rings um die britische Streit macht aus. Wir erwarten bei AbrahaMSkraal, 30 Meilen östli h von Paardeberg, aus Widerstand zu stoßen, wo Joubert angeblich eine Streitmacht uuS den gesamten Truppen von Ladysmith und dem nord- östlichen-Freistaat zusammenzieht. Präsident Lteijn ist am 27. Februar im Burenlager von Abrahams- kraal eingelroffen. Er hielt eine Ansprache an die Burghers und ermahnte sie, an Majuba zu denken und Cronje zu befreien. V P P nr L - etz t « » Deutschland. 8 Berlin, 5. März. Gestern Nachmittag sand hier eine öffentliche Versammlung gegen die „Lex Heinze' in ihren Bestimmungen über Litteiatur,. Kunst und Theater statt. Etwa 1500 Personen waren anwesend, darunter Professor Mommsen, Reinhold Begas, meh rere Abgeordnete, zahlreiche Schriftsteller und auch Künstler. 8 Das neue Linienschiff „Kaiser Wilhelm II." un ternahm am Freitag von Wilhelmshaven aus seine erste Probefahrt, die sehr zufriedenstellend verlies, und kehrte Sonnabend in den Hasen zurück. 8 In Goldkronach (Bayern) trank der 10jährige Metzger Johann Kolb aus Pradler« einen halben Liter Rum auf einen Zug aus. Cr starb binnen ei ner Viertelstunde. Z Hannover. Die Frau des Gasarbeiters Braun schweig erschlug in einem Anfall von plötzlicher Gei stesumnachtung ihren Mann, ihren dreijährigen Kna- ben, sowie ein sechs Wochen altes Mädchen und schnitt sich die Kehle und die ^Pulsadern durch. Alle vier sind tot. 8 Forst t. d. Lausitz, 3. März. Oberhalb Forst bei Kleinbademeusel ist der Straßendamm an drei Stellen durchbrochen; die Aecker sind von der Hoch- fluth überschwemmt. In den Ortschaften unterhalb Forst war die Gefahr ebenfalls groß, doch wurde eine Ueberschwemmung verhüllt. 8 Schmölln (S.-A.), 4. März. Der geflüchtete frühere Sparkassenkassirer Baumann hat noch mehr Strasthaten auf dem Gewissen, durch die unsere Spar- lasse noch weiter geschädigt worden ist. Die insge samt veruntreute Summe wird aus ca. 40 000 Mark sich beziffern; sie wird aus dem Reservefonds der Spar kasse, der zur Zeit über zweihundert Tausend Mark -Er-«?' Anstand «kett über- als die Flücht igen fiel in Strömen, Es giebt viele, die wie Peter Guytoii die Unerschrocken heit besitzen, eine grausame That kalten Blutes auSzufüh- ren, und doch in dem Augenblicke allen Mut verlieren, in welchem sie vollbracht ist. In Gegenwart der Leiche seines Opfers verließ den Mörder alle Geistesgegenwart Er fühlte, daß ihm die Kraft mangelte, die Verfolgung der Flüchtlinge fortzu setzen, überdies mochte Carlo ein -weites Messer bei sich führen. „Ich kann meinem Herrn vorreden, was mir beliebt," murmelte er, „niemand ist da, mir zu widersprechen, auch darf er nicht wagen, allzu neugierig zu sein. DaS hier wird ihm einen genügenden Beweis liefern," fuhr er fort, das Messer aus dem Gesicht des Toten ziehend, „er kennt es nur zu gut." " Die blutbefleckte Waffe an dem Grase abwischend, ver barg er sie in seinem Busen, ohne zu bemerken, daß ein Bruchstück der scharf geschliffenen Klinge in der Wunde zurückgeblieben war. Wie von Furien gejagt, eilte er zu derStelle zurück, wo Isis Pferde angebunden waren, machte beide los, gab den« seines toten Kameraden die Freiheit, und bestieg das seinige, den Weg nach London «inschla gend, wo er Sicherheit zu finde» hoffte. Carlo, dessen Erregung ihren Höhepunkt erreicht hatte, irrte mehrere Stunden nach seiner Schwester suchend in dem Waldesdickicht umher, ohne sie zu entdecken. Zwei- mal ging er an der Stelle vorüber, an welcher er sie und da» Kino gelassen hatte, keine Spur von der einen noch von der anderen. Al» er in hoffnungslosem Verzagen schon alle» ver loren gab, fand er die Unglückliche unter einem Baum sitzend, «in heimatliche» Lied singend und die Arme bewe gend, al» ob sie ein Kind in Schlaf schaukelt«. „Wo ist die Kleine?" fragte er besorgt. „Wo sollte sie sein?" antwortete Paula mit wildem Lachen, „hier, unter meinem Mantel, und warm in ihren Shawl gehüllt. Wir blind Du bist, Carlo." Zuf falschem M ge. Roman von Oswald Reicher. 5 In einem Augenblick flog es zischend durch die Luft und traf den Lauernden voll ins Gesicht, ihm eine Wunde bcibringend, welche ihn beinahe blendete. Mit einem fürch terlichen Fluch sank der Getroffene zu Boden, und der Jüngling, zufrieden, daß er einen der Verfolger kampf unfähig gemacht hatte, zog sich wieder tiefer in den Wald zurück. Als Peter Guyton, das war der Gefährte des am Bo- ben Kauernden, dessen Zustand gewahrte, begann er seine eigene bedenllichs Lage zu erwägen. Daß Jeanne ihn wie- der erkannt hatte, beunruhigte ihn. Es war die erste Ge fahr, die ihn bedrohte, die nächste kam von seinem Kame raden. Peter war der Blick hoher Befriedigung in dem Gesichte des Genossen nicht entgangen, als dieser JeauneS Worte, insbesondere ihre Anspielung von der alten Ulme hörte. Er fühlte, daß er in der Gewalt de» schlauen Bur- schen war, und empfand eine natürliche Abneigung, sich auf Gnade und Ungnade von ihm abhängig zu wissen. „Bist Du arg verletzt?" fragte er. „Ach ja, beinahe zu Tode. Siehst Du nicht, wie ich blute? Um des Himmel» willen, schaffe mir Hilfe, hole mir einen Arzt." » „Wo soll ich in dieser Wildnis einen auftreiben?" ant wortete Peter. „UeberdieS kann Dir der Doktor auch nur wenig nützen." „Du bist mir ein sauberer Kamerad, einen Verwun deten so im Stich zu lassen," rief der andere zornig und sich langsam ausrichtend. „Warte, da» will ich Dir nicht vergeßen. Erinnere Dich wohl, daß ich ntemal» zu Dry- den» Bande gehörte." Diese unklugen Worte besiegelten sein Lo». Der Elende, ben er vergeben» um Beistand gebeten hatte, zog eine Pi- Pole au» der Tasche, und nachdem er sich vorsichtig um- geschaut, um sich zu vergewissern, daß kein menschliche» Auge ihn beobachtete, schoß er ben Verwundeten nieder. „Sie hatte weder Shawl noch Mantel. Die Hitze de» Fieber» war gestiegen, und die Vernunft der Kranken zog sich vor den Phantasiegebilden zurück, die ihr Hirn umla gerten. Carlo stieß einen Schrei der Verzweiflung au». Ob gleich der» Kinde innig ergeben, nahm doch seine Schwe ster die erste Stelle in seinen, Herzen ein. Sie waren Wai sen, zusmymen aufgewachsen und kaum jemals einen Tag von einander getrennt, und durch die teuersten Erinner ungen der Kindheit mit einander verbunden. Seine Pflicht war, sie zu retten, alle anderen Gefühle erstarken vor dieser Afifgabe Er hob Paula in seine Arme und trug sie weiter, bi» er, fast ohnmächtig von der Anstrengung, die Straße nach Pinnow erreichte, wo sie bald von einem ländlichen Fuhrwerk überholt wurden, dessen Kutscher ge gen eine gute Belohnung einwilligte, sie nach den, Bahn hof zu bringen, wo sie in verhältnismäßiger Sicherheit waren. Im Falle ihre Verfolger sie auch dort ereilt»«, wollte Carlo alle» offenbaren, und die nächste Behörde um Schutz bitten. Doch dazu kam es nicht, da einer de» Schurken tot in dem Walde nahe bet Cambden lag, der andere auf dem Wege nach London war. Endlich setzte sich der Zug in Bewegung, der der Kranken "war in Vollständige Stumpfsinnig!« gegangen. E» war fünf Uhr nachmittag», al» di« linge in London ankamen. Der Rc„... ... aber Carlo wagt« nicht, einen Wagen zu nehmen, dem man zu leicht, unbemerkt hätte folgen können. Wohl fehlte e» ihm nicht an Geld, aber zu Fuß und ohne Gepäck durfte er nicht darauf rechnen, Aufnahme in einem anständigen Gasthaus-» finden. Endlich besann er sich von einem Zu verlässigen Freund, von einem italienischen Musiker, Na men» Fränchetti gehört zu haben, welcher in der Näh« der Westminsterbrücke lebte. Er hatte den Mann nie ge sehen, und kannte die Lage stztner Wohnung nicht, trotz- dem wollt»« versuch«,, ihn ausfindig zu machen. -ü.Ü