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mkMFiyeiqE UN- TagMM. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg nud Braud. Verantwortlicher Redakteur Iuliu» Brauu in Freiberg. - —> > 33. Jahrgang. - ... — - .. -- 5» Erscheint jeden Wochentag Abends S Uyr sür den , , Inserate werden bis Bormittags 11 Uhr angenom- I W, 9s. Sonntag, dm 24. AM. f 18^1. Wetter-Proguose sür Lountag, -eu 24. April: Keine wesentliche Aeudernng in den bestehende« WitterungSverhSltnifsen zu erwarten. Die Woche. In der Politik sieht es in dieser Frühlingszeit ziemlich still aus. Es sprossen allerdings im deutschen Reiche allerhand Gcsctzgcbungs- und. Stcuerprojekte auf, denen aber Maifröste nicht erspart bleiben dürften. Nur in der Reichshauptstadt herrscht große Aufregung, weil der Reichs kanzler die Verwaltung arg angegriffen. Wir wollen uns kein bestimmtes Urtheil über diese Angriffe erlauben, aber doch einige Punkte hervorhcbcn. Das ganze Berliner öffentliche Leben wird von einzelnen Führern beherrscht, welche die große Masse nur als Marionetten gebrauchen, nach dem schönen Grundsätze „Eine Hand wäscht die andere" alle durch Wahlen zu vergebenden Ehrenämter unter sich zu vcrtheilcn suchen und gegen Andersdenkende oder nicht unbedingt auf sic Schwörende einen unerträg lichen Terrorismus ausüben. Die Cliquen-Wirthschast ist nirgends größer als in Berlin. Die Presse der Haupt stadt stellt — mit wenigen chrenwerthen Ausnahmen — die Thatfachcn fast immer nur ganz einseitig, nur im Partei-Interesse dar, verschweigt und vertuscht und begiebt sich ihres hohen Berufs, Hüterin der öffentlichen Meinung zu sein, vollständig, wo cs das Interesse der Partei oder der Kameradschaft zu fordern scheint Der Durch schnitts-Bewohner der „Stadt der Intelligenz" endlich ist von einer Gleichgiltigkeit gegen ernste politische oder all gemein öffentliche Angelegenheiten, wie man cs in Pro vinzialstädten, auf die der Berliner mit Herablassung blickt, nirgends findet. Hunderterlei zieht seine Aufmerksamkeit ab, nirgends hält es so schwer, ernsten Antheil an öffent lichen Dingen zu erwecken, als gerade in Berlin. Die Tausende, welche die politischen Versammlungen besuchen, dürfen in dieser Ansicht nicht irre machen; Tausende in einer Millionenstadt zusammenzubringcn, hält nicht schwer. Wer den Berliner Fortschrittler studirt hat — den Ber liner Hauswirth, der Morgens sein Tagblatt liest, Nach- mitta s schläft und des Abends auf der Bicrbank raison- nirt, der Alles am besten weiß und von der Gleichberechti gung aller Menschen, soweit cs sein Dienstpersonal oder seine Miclher betrifft, sehr sonderbare Begriffe hat —, wer diesen Berliner Muster-Wähler kennt, der weiß, was er von der Reife der hauptstädtischen Bevölkerung zu halten hat. In der geringen Betheiligung bei allen Wahlen der Hauptstadt drückt sich die Gleichgiltigkeit der Bevölkerung ebenfalls aus. In Berlin werden die Wahlen eben in viel höherem Grade „gemacht" als anderwärts, und dies rufen uns die jetzigen Kämpfe wieder recht lebhaft in's Gedachtniß. Das Ministerium Taaffc feiert in Oesterreich Triumphe über Triumphe, so daß die Wiener Offiziösen kaum Zeit haben, mit ihren Hymnen schnell genug nachzu kommen. Ob alle diese Erfolge sich nicht allmählich als eben so viel Pyrrhussiege erweisen werden, bleibe dahin gestellt. Vor der Hand haben sic die Stellung des Kabinets jedenfalls für eine Weile gefestigt. Der Erfolg, den der Finanzministcr mit der Emission der 50 Millionen Papicrrcntc zur Deckung des Defizits davongetragcn, wird durch die bitterbösen Bemerkungen über die geheim nißvolle Art, wie er diese Operation vollzogen hat, nicht gestört. Bis auf wenige Eingeweihte sind Alle, auch Fach männer darauf angewiesen, durch Rückschlüsse aus den offenkundigen Thatfachcn dcn ungefähren Kours, zu dem diese Papierrcnte einigen großen Finanzinstitutcn über lassen wurde, sowie die homöopathische Dosis, die von diesen letzteren der Subskription anheimgcgcbcn ist, und die stattgcfundencn Ucberzeichnungen zu ermitteln. Jede ernsthafte Kontrole des Vorganges ist absolut abgcschnitten. — Den Streit um die Grundsteuer-Reform hat man ins Ländliche hinübergespielt, um die guten biederen Landlcute an die Sache der Reaktion zu fesseln. Am zweiten Osterfeicrtage kamen in Wien 8000 Bauern zusammen, die in bester Form dcn unverhohlenen Sozialismus und Klassenhaß predigten. Wohl kann Niemand das Be drohliche leugnen, das darin liegt, wenn der Versöhnungs- Minister den Boden betreten muß, dem die Verhetzung Aller gegen Alle entspringt und dessen scheußlichste Aus wüchse als Kommune und Nihilismus das Entsetzen der Menschheit erregt haben. Diese Errungenschaft also trägt ihre Fäulniß auch rein äußerlich für das blödeste Auge zur Schau. Nicht viel besser geht cs mit dem Sicge des Ministeriums, der demselben durch die Czechisirung der Prager Universität gesichert ist. Daß Graf Taaffc sein Ziel sür diesmal erreicht hat, unterliegt ja wohl keinem Zweifel. Das Frohlocken darüber ahcr sollten ihm die Jubclhymnen der czechischen Blätter wohl vertreiben, die seine „geringe Abschlagzahlung" lediglich als den Beweis dafür begrüßen, daß man nur ernstlich zu wollen braucht. Dann kommen bei dem nächsten Budget, nach Erfüllung der nationalen, die staatsrechtlichen Desidcrien der Födera listen an die Reihe. Graf Taaffe hat hier einen neuen schlagenden Beweis, daß er mit seinem schrittweisen Zurück weichen nur tiefcrgchenoc Begehrlichkeiten weckt, sich also immer weiter von seinem Bersöhnungsziele entfernt und sich immer mehr seiner eigenen Ersetzung durch ein Kabinct Clam-Hohcnwart nähert. Die italienische Ministerkrisis hat damit geendet, daß Herr Cairoli seine Demission zurückzog und somit auch fernerhin an der Spitze des Kabinets verbleiben wird. Personalvcrändcrungen innerhalb des Kabinets sind natürlich nicht ausgeschlossen, zumal sämmtlichc Minister dem Konscilpräsidenten ihre Portefeuilles zur Verfügung gestellt haben. Die französische Regierung verharrt dabei, die poli tische und diplomatische Tragweite der 'tunesischen Expe dition auf einen Akt militärischer Grenzpolizei zu be schränken. Aber die Unternehmung gewinnt eine größere militärische Wichtigkeit, als man ihr noch vor einigen Tagen geben wollte. Ein Korps von 20000 Mann gegen die Krumirs erschien noch vor einigen Tagen als voll kommen ausreichend. Seine Stärke wird nun auf 40000 Mann erhöht. Die Krumirs erhalten Verstär kungen aus Tunis und sogar aus Algerien Man schätzt auf mindestens 50000 die Zahl der thcilwcise vortrcff- ichcn Schießwaffen in ihrem Besitz In der Regentschaft icsteht das arabische Feudalsystem nicht. ES besteht ei» Bauernstand, nämlich eine Bevölkerung landwirthschaft- ichcr Grundbesitzer, welche vielleicht die Wohlthaten einer ranzöstschen Verwaltung ersehnen und nicht geneigt cheincn, für die Regierung des Bey sich zu schlagen; doch lesitzt man hier schon die Gewißheit einer Erweiterung des Kriegsschauplatzes über dcn größten Theil des tunc- ischen Gebiets In Algerien ist man der Kabylcn nicht vollkommen sicher; man hat Gründe ihnen zu mißtrauen. Die Garnisonen in Algerien müssen in einer Stärke von mindestens 30 000 Mann unterhalten werden, welche mit )cm Expeditionskorps gegen Tunis ein Heer von 70000 Mann bilden. Rechnet man die Reserven hinzu, welche in Frankreich zur Einschiffung bereit stehen müssen, o ergeben sich wohl 100000 Mann, welche durch die unesischc Frage in Anspruch genommen werden. In England ist am Dienstag früh ein gewaltiger Mensch und großer Staatsmann gestorben: Benjamin Disracli, Earl von Beaconsfield. Ein Greis von 75'/, Jahren stieg er in's Grab, ohne daß man sagen kann, ob er trotz des Grcisenalters dcn Höhepunkt seines Lebens und seines Ruhmes bereits erstiegen hatte — ein Loos, das dcn Begnadetsten und Größten der Sterblichen nur in seltenstem Ausmaße beschiedcn gewesen — denn nie hatte sein Name dröhncndcren Klang durch die Welt gehabt, nie hatte er mächtigeren Griff in die Geschicke des Weltthcils hinein gcthan, nie gewichtigere Ent scheidungen in die Weltgeschichte gebracht, als eben in dcn letzten Jahren seines Lebens und wer bis zuletzt noch seine Befürchtungen oder seine Hoffnungen auf eine nächste Wendung der Politik Englands richtete, der heftete das Alles an dcn Namen Disracli. Dem Ministerium Glad stone ist ein furchtbarer Gegner hinweggenommen, denn wie festgefügt die Partei der Tories auch sein mag, fester gefügt in jedem Falle, als die liberale Partei, so muß doch für eine Weile schwankende Unentschiedenheit unter sie gcrathcn, und der Mann ist nicht in Sicht, der das ungeheure Erbe der Parteisührcrschaft sofort an sich zu nehmen vermöchte. Es wird sich auch vielleicht alsbald zeigen, inwieweit der Tod des großen Führers der kon servativen Partei die Verschiebung und Umgestaltung aller Parteien, oie überhaupt im Zuge ist und m unver kennbaren Symptomen hcrvortritt, zu beschleunigen helfen wird. Trotz der Hinrichtung der russischen Kaisermürder haben sich die dortigen Verhältnisse noch in keiner Weise gebessert. Um die drohenden Gefahren zu vermeiden, hat die mit ihrer ersten Bitte abschlägig beschicdenc Kaiserin in jüngster Zeit raschen Konzessionen, wenn nicht gerade konstitutioneller Art, so doch mindestens in konstitutioneller Richtung, das Wort geredet. Unglücklicherweise macht das, was die Kaiserin eine Beschleunigung des Experi ments wünschen läßt, gerade dcn gcgentheiligcn Eindruck auf ihren Gemahl- Zwischen die Nihilisten und die kaiserlichen Malkontenten gestellt, fängt Alexander III. zu zweifeln an, ob cs ein königliches Vorgehen seinerseits sein würde, solch' lärmenden Forderungen gegenüber Das zuzugestchcn, was er aus eigenem Antriebe zu gewähren gesonnen war Sollten diese Zweifel zu Schwanken und Verzug führen, so würde dies eine Fortdauer der gegen wärtigen bcklagcnswertheu Zustände und mit denselben die Wahrscheinlichkeit weiterer Schrecknisse bedeuten. Ohne auf weitere Einzelnhcitcn der prekären Lage einzu- gchen, genügt es, zu sagen, daß die Eventualität einer ernsten dynastischen Fehde im Falle eines Ablebens des Kaisers jetzt das Unterhaltungsthema in Petersburg bildet. ... . In der orientalischen Frage ist ein Schritt vorwärts geschehen, indem die europäischen Mächte ihre auf der Berliner Konferenz zwischen der Türkei und Griechenland gezogene Grenzlinie modifizirt haben. Durch eine besondere Kollektivnotc hat man der Pforte davon Mitthcilung gemacht. Wir wissen nicht, was die türkischen Staatsmänner über die Modifikation der Mächte denken werden, daß die gegenwärtige Trace, welche die Konferenz- Trace ersetzt, als Beschluß Europas zu betrachten sei. Dasselbe war ja der Pforte auch anläßlich deS Konferenz- icschluffcs gesagt worden. Da die Note aber nichts über Maßnahmen zur Räumung der betreffenden Gcbietsthcile enthält, diese vielmehr späteren Verhandlungen Vorbehal ten sind, so kann sich die Frage noch sehr in die Länge ziehen. Mit verstärktem Drucke arbeitet die Diplomatie letzt in Griechenland. In einer neuen Note wurde die griechische Regierung von den Mächtcvertretern ausgefor- dcrt, sich jctzr ohne Vorbehalt und Bemerkungen über den Grenzvorschlag auszusprechcn. Was die Ausführung des Letzteren betrifft, so soll von Seiten der Mächte wenigstens im Prinzipe der Vorschlag angenommen worden sein, eine internationale Kommission zur Uebcrwachung der Ucbergabc des türkischen Gebietes zu ernennen Ucbrigcns soll der König von Griechenland jüngst folgende Aeuße- rung gcthan haben: „Achtzehn Jahre hindurch habe ich mich bestrebt, den Rathschlägen der Großmächte Folge zu leisten und ich glaubrc, daß sic Griechenland wohl geneigt seien. Allein jetzt gedenken sie mich und das Land, dessen König ich die Ehre habe zu sein, zu opfern, um sich aus einer Verlegenheit zu reißen, die sie selber geschaffen haben. Warum verkündigten sie im vorigen Jahre, daß Griechen land Thessalien und Epirus erhalten müsse, wenn ein Krieg vermieden werden solle; während sie jetzt sagen, daß Griechenland sich ohne Epirus begnügen müsse, wenn der Krieg vermieden werden solle?" Mit drastischerer Kürze kann in der That die jetzige Situation nicht gezeichnet werden. Tagesschau. Freiberg, 23. April. Nach Wiederaufnahme der Rcichstagsarbeiten wird man sich im Plenum zunächst mit den vielfach vor handenen Interpellationen und Anträgen beschäftigen. Besonders begegnet der Antrag Thilenius und Genossen auf Bcthciligung des Reiches an der Erforschung der Polargegcnden einer sehr sympathischen Aufnahme. Die Regierung selber hegt längst derartige Pläne, und es wird angenommen, daß sic nur aus eine Anregung aus dem Reichstage gewartet hat, um der Aussührung derselben näher zu treten. — Was die hin und wieder schon in Fluß gekommenen Vorbereitungen für die Neuwahlen zum Reichstage betrifft, so erweist man unserem Volke eine unbestreitbare Wohlthat, wenn man cs mit diesen vorzeitigen Agitationen verschont. Nach Artikel 25 der Reichsvcrfassung müssen im Falle der Auflösung des