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Sonntag. «. «Ls isso Lntscheidungstag -er Deutschen VMpartei Die Marschroute Die Deutsche Volkspartei hält gegenwärtig ihren achten Parteitag in Mannheim ab. Das Programm ist tm Gegen satz zu den Tagungen anderer Parteigruppen von größter Kürze. Mit der Entschließung des Zentralvorstandes, un beirrt au der Forderung der Retchstagsfraktton nach einer gesetzlichen Festlegung der Steuersenkung für das Jahr 1»81 «nd der Sanierung der Arbeitslosenversicherung, sestzu- halten. ist bereits die zukünftige Marschroute der Partei richtungweisend bestimmt. Auf dem Parteitag selbst ist nur eine Rede des Parteiführers Dr. Scholz über dieses Thema vorgesehen. Kein, Korreferat, keine Reden zu anderen Frage» der Staats- oder Kulturpolitik. Seinen Ausklang und ideellen Höhepunkt soll der Parteitag am Sonntagabend mit -er Enthüllung des Denkmals Bassermanns erhalten, der. von Mannheim seinen Ausgang nehmend, der Führer der Nationalltberalen in der Zeit des Ausstiegs Deutsch lands zur Weltmacht war. Ein Mann freilich, der, so sehr er mit der glänzendsten Epoche unseres Vaterlandes ver woben war, doch sich nicht blind zeigte gegen die Keime des Verfalls, die der stolze Bau des Reiches bereits in sich barg. Er wußte um die Sünden und die Fehler des eigenen Volkes, und gerade seine letzten Lebensjahre waren getrübt von dnnklen Ahnungen des bitteren Endes. So wird der sym bolische Name Bassermanns. der der Mannheimer Tagung das Gepräge gibt. Mahnung und Ansporn für die Dcntsche VolkSpartei sein müssen, den bisherigen Weg der letzten Jahre zu überprüfen und insbesondere zu erwägen, ob in den nächsten Jahren eine Zusammenarbeit mit der Sozial demokratie überhaupt noch möglich ist. Diese Frage wird zweifellos nicht aus dem öffentlichen Parteitag gelöst, sie wird aber in internen Beratungen sicher um so lebhafter umstritten werde». Parteitage pflegen ja heute nicht mehr für den Außen stehenden allzu große Ucbcrraschungen über die politische Hal tung einer Gesinnnngsgruppe zu bieten. Sorgfältige Vor bereitungen und eine glückliche Regie vermeiden cS, daß interne Svannungen und Gegensätze vor aller Welt offenbar werden oder daß die Temperamente allzu heftig aufetnanber- prallen. Aber das kann trotz allem nicht hindern, daß neben der Taktik des Tages und seinen Anforderungen auch um die große strategische Marschroute der Partei gerungen wird. Schon in rein organisatorischen Fragen wird es mancherlei Gegensätze geben. Soll sich die Partei den Bestrebungen aus Sammlung der Mitte, wie es einige Anhänger des linken Flügels der Partei wünschen, sympathischer als bisher zeigen? Soll sie sich den Bestrebungen aus Bildung einer Staats bürgerpartei. einer Partei der „neuen Bürgerlichkeit" oder der Volksgemeinschaft und wie all' die schönen Schlagwörter beißen, mit denen betriebsame Politiker der Mitte zur Zeit die tiefe Sehnsucht des Bürgertums nach Erneuerung unseres politischen Lebens für die Rettung der zerfallenden Demo kratie auszunützen suchen, geneigter erweisen? Oder soll sich die Partei setzt mehr als bisher darauf besinnen, daß sie ihrem ursprüngliche» Charakter nach gar nicht in das System der politischen Mitte gehört, daß sie ihrem innersten Wesen nach eine Rechtspartei ist, deren Aufgabe eS ist. mttzuhelfen an der Herausbildung eines regierungsfähigen nationalen Blocks im Reiche. Der Weg dazu ist bereits, wenn auch zu nächst unter Spannungen und Reibungen, gerade durch die Entwicklung der Regierungsbildung in denjenigen Ländern vorgezetgt, die, wie Sachse» und Thüringen, eine besonders radikale Sozialdemokratie aufwctsen. Eine stärkere Bindung -er Deutschen VolkSpartei an die Demokratische Partei würbe aber im Reiche die Galvanisierung der Koali tion mit der Sozialdemokratie bedeuten. Daß damit eine gesunde Wtrtschasts- und Finanzpolitik, die ihre Aufgabe darin sieht, uns aus den Tag zu rüsten, an dem wir die Revision des unerfüllbaren Trtbutplanes beantragen müssen, unmöglich geworben wäre, dafür erleben wir ja jeden Tag Beispiele in Hülle und Fülle. Zweifellos wirb die Deutsche Volkspartei in den nächste» Wochen wieder erkennen müssen, wie unbelehrbar die sozialdemokratischen Führer, die lieber mit den Massen irren, als für die Vernunft kämpfen, in den lebenswichtigen wirtschastöpolitischen Kragen sind. Es ist nun einmal so. baß die Sozialdemokraten zwar nach außen ,u jeder ErfüllungSpoltttk bereit sind, daß sie aber nach innen die Aufbringung der Tribute nur durch den Ruin der Wirtschaft zu erzwingen vermögen. Ob dadurch die Erwerbs losenzahl immer höher steigt und so die tatsächlichen Inter essen der Arbeiterschaft mit Füßen getreten werben, das küm mert dt, Führer des Sozialismus nicht. Ganz tm Gegen- teil, sie geben sich der kindlichen Hoffnung hin. man könne auf einer durch die Folgen einer kurzsichtigen Erfüllung»- Politik rutnterten Privatwirtschaft «inen sozialistischen Wirt- schaftSorgantSmuS ausbauen. Leiber erweist sich der Glaube, man könne durch Teilnahme an ber Verantwortung die Sozialdemokratische Partei mit Staatsbewusstsein erfüllen, al» eine Illusion. Diese Partei ist geblieben, was sie stet» war: eine Partei ber Feindschaft gegen die Grundgesetze menschlichen Zusammenleben», die sich auf ber ungehinderten SntwicklungSmöglichkeit ber schöpferischen Persönlichkeit auf- daue», Nach de« Sozialismus fotz bi« Perfö»UichkrU nur noch als ber Exponent eines blinden Massentnstinkts ein kümmerliches Dasein fristen dürfen. Gerade die Deutsche Volkspartet, die sich als die Träge rin der nationalliberalen Weltanschauung betrachtet, wird sich diesen Gefahren nicht verschließen können. Wenn wir einer klaren Frontbildung gegen die Sozialdemokratie bas Wort reden, so handelt es sich selbstverständlich nicht darum, Klüfte zwischen „Bürger" und „Arbeiter" aufzureiften. Ganz im Gegenteil! Es muß stärker als bisher die Aufgabe aller Volksparteten sein, die Arbeiterschaft davon zu überzeugen, daß ihre Interessen von einer Regierung, die aus die Bedürfnisse der Wirtschaft Rücksicht nimmt, besser gewahrt werden, als in einem Kabinett, in dem ein sozial demokratischer Arbeitsmintster dem bürgerlichen Finanz- minister einen Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine wirft. Diese sozialdemokratische Sabotagcarbeit wird die Deutsche Vvlkspartct schon in den nächsten Wochen zn spüren bekommen, wen» sie um die Anerkennung ihrer Forderungen nach einer gründlichen Finanzresorm ringt. Vertrösten aus eine ungewisse Zukunft ober sich sogar durch Sondcrbcratungen der Weimarer Parteien wiederum auSschalten lassen, kann die Partei, die den Finanzmtnister stellt, nicht mehr. Auch das Schneckentempo, das der dcntsche Parlamentarismus gerade bet deutschen Lebensfragen anzuschlagcn beliebt, wird sich die Deutsche Volkspartei angesichts ihres Mannheimer Beschlusses nicht mehr bieten lassen dürfen. Mit ber Annahme beS VoungplaneS hat die deutsch« Außenpolitik einen gewissen Abschluß erreicht. In der Auf gabe, Deutschland auf die in nicht allzu ferner Zeit not wendige Revision besser vorzuberetten, als seinerzeit auf die Pariser und Haager Verhandlungen, können sich alle bürger lichen Parteien Deutschlands zu positiver Arbeit finden. Wenn diese Arbeit deutlich aus dieses Ziel abgestellt ist und nicht zu einer Erfüllungspolitik selbst um den Preis der Opferung der deutschen Lebenögrundlagen ausartet, dann läßt es sich zweifellos ermöglichen, auch der Deutschnatio nalen VolkSpartei eine Mitarbeit im Stirne ihrer Richtlinien zu sichern. Voraussetzung dafür allerdings ist ber Wille bei den anderen Parteien, aus die Sozialdemokratie als Negte- rnngspartncrtn zu verzichten. Die Entschließung des Zen tralvorstandes der Dentschen VolkSpartei in Mannheim kann in dieser Hinsicht manchen Berg ebnen. Es kommt nun dar aus an. ob dje Fraktion stark genug ist, im Reichstag auf de» Mannheimer Beschlüssen, die ja doch nur ein Minimum darstellen, ohne Rücksicht auf das Gezeter der Sozialdemo kratie fest zu bestehen. Von der Härte dieses Willens hängt zweifellos nicht nur das Schicksal der Partei, sondern auch unseres Vaterlandes ab. Manirhcim birgt An sätze zu einer staatspolitischen Willcnsbildnng tm Reiche in sich. Nu» gilt es. den zarten Keim vor den Stürmen der , Tagespolitik zu schützen, damit er lebensfähig werde und I Früchte für die Zukunft trage. Der Mannheimer Parteitag > Srdktmral AM NtgriiLmg-kr»« Ligvvor vralitdorlodt klar „vrascknor blavkrlokton" Mannheim, 22. März. Der Mannheimer Reichspartettag der Dculschen VolkSpartei wurde heute vormittag im N i b e l u n g e n s a a l des „Rosengartens" offiziell eröffnet. An dem aus der Musikterrasse aufgestellten Vorstandstische hatten neben dem Parteiführer, Retchsmiutster a. D. Scholz, die Netchsmtnister Dr. Curttus und Dr. Moldenhaucr, ferner andere führende Persönlichkeiten der Partei ans den Länderministerien und -Parlamenten Platz genommen. Der Saal selbst war festlich geschmückt, auch mit Fahnen in den Farben des Reiches, des Landes Baden, ber Stadt Mannheim und in den Farben des alten Reiches. Partcivorsitzender Dr. Scholz eröffnet« die Tagung mit den Vorschlägen, zum TagungSvorsitzendcn Reichstagsabg. Dr. Kahl zu bestimmen, zu stellvertretenden Vorsitzenden Frau Julie B a s s e r m a » n - Mannheim und ferner den badischen Volkspartriführer Stetnd l - Baden Vadcn und den pfälzischen Parteiführer Dr. B u r g c r - Ludwigshafcn. Abg. Dr. Kahl übernahm den Tagungövorsitz mit einer Ehrung des verstorbenen Reichsaußcnministers Dr. Strese - mann, zu der die Versammlung sich von ihren Plätzen erhob, Prof. Dr. Kahl gedenkt dann weiter des seit der letzten Zentralvorstandssitzung verstorbenen Dr. Vogel, der einer der Mitbegründer der Nationalliberalen Partei gewesen sei. ! Unter lebhaftem Beifall begrüßt dann der Redner den neuen Parteiführer Dr. Scholz, Nachfolger Stresemanns zu sei«, ist ruhmvoll aber schwer. Deshalb geben wir dem neuen Parteiführer unser allgemeines restloses Vertrauen. lErncuter Beifall.) Monatelang haben wir leider unseren Freund Scholz wegen Krankheit entbehren müssen. In dieser Zeit hat Gehcimrat Zapf mit hingehender Pflichttreue die Fraktion und die Partei geführt. (Beifall.) Wir hoffen, daß Dr. Scholz nunmehr in geistiger Frische und körperlicher Gesundheit lange Jahre ruhmvoll seines Amtes an der Spitze -er Partei walten kann. Unter lebhaftem Beifall begrüßte Geheimrat Dr. Kahl weiter die anwesenden Minister, die Vertreter aus Danzig, aus dem Saargebiet und aus Oesterreich. Den Danztgern ruft er zu, die Geschichte werbe einst sprechen: das deutsche Volk werbe niemals unverjährbare Rechte aufgcbcn. (Beifall.) Das Saargebtet werde dank der Lebensarbeit Stresemanns in kurzer Zeit hoffentltcht wieder mit dem Reich« vereinigt werden, und bezüglich Oesterreichs werde die Zukunft der Einheit in stiller Arbeit auf den Gebieten ber Wirtschaft, des Rechtes und ber Kultur vorbereitet. Gehetmrat Kahl heißt bann den ganzen Parteitag willkommen und erklärt: Wir find durchdrungen von der ««gewöhnliche» Bedeutung dieses Parteitages. Wir haben auf den jetzt entscheidenden Lebensgebieten der Politik die Mintsteroersünltchkeiten gestellt. Wir haben mit aller Ehrlichkeit auf dem großen finanzwirtschastlichcn Gebiete unter uns selbst noch mancherlei Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen. Die Stellungnahme dieses Parteitages kann aus die parlamentarische Lage unter Umständen entscheidenden Einfluß ausüben. Die letzte Verantwortlichkeit bleibt aller dings bei der Retchstagsfraktton. Die Stellungnahme d«S Parteitages soll das Rückgrat der Haltung ber Fraktion bilden. Bet allen unseren Handlungen wirb, das Vaterland über ber Partei stehen. Zu diesem großen Gedanken wollen wir uns öffentlich bekennen. (Beifall.) In diesem Sinne begrübe ich auch die volksparteiltche Jugend. Die Jugend hat das Recht, ihre politischen Ideale selbständig zum Ausdruck zu bringen. Bet aller Selbständig keit kann sie aber auch noch einige» lernen und beibehalten von dem Alten. Wir Alten wollen die Jugend in vollem Matze al- gletchherechttgt tm Kampf« »m da» vajer» land anerkennen. Trotz des Ernste« der Zeit brauchen wir Optimismus und unerschütterlichen Glauben an die Zukunft. Als lebendiges Bild höchste« vaterländischen Pflicht gefühls gilt unS -er Reichspräsident von Hindenburg, dem wir unsere Huldigung darbrkngen. (Stürmischer Beifall.) Mögen andere anders denken und reden, uns ist er das reine Vorbild pflichtbewußter Vaterlandsliebe. Wir danken ihm heißen Herzens und geloben heute für alle Zukunft: Wir bitten und wünschen, daß Gott ihn noch lange erhalten möge in seiner Größe und in seinem Vaterlandsdienst. (Stür mischer Vcifall.) Unter stürmischem Beifall des Parteitages wird dann auf Vorschlag von Gehetmrat Kahl folgendes Telegramm an den Reichspräsidenten abgesandt: „Mehr als LOW zum Neichsparteitag in Mannheim ver sammelte Mitglieder der Deutschen Volkspartei gedenken zn Beginn ihrer Beratungen in entscheidungsschwerer Zeit des Neichsoberhanptes, des lebendigen Symbols der nationalen Einheit aller Deutschen. Sie erneuern daS Gelöbnis, getreu dem von Ew. Exzellenz gegebenen hohem Beispiel, das Gesamtwohl von Volk und Vaterland allem anderen voranznstcllen und mit allen gleichgesinnten Kräften dem Wiederaufstieg des Reiches zu bienen, gez. Kahl, Scholz." Der Parteitag trat dann in die Tagesordnung ein. Als der Parteiführer» Minister a. D. Scholz sofort das Wort erhält, wird er mit stürmischen Kundgebun gen begrüßt. Er erwidert darauf: Ich danke Ihnen für den freundlichen Wtllkvmmcnsgruß. den Sie mir hier persönlich cntgegenbrtngcn. Ich darf ihn umdeuten in ein Zeichen des Vertrauens. Dieses Vertrauen muß ich mir erst erwerben. Ich kann es aber nur erwerben, wenn Sie mir alle Ihre Mithilfe zusichern im Dienste unserer geliebten Deutschen VolkSpartei. Zu seinem Thema: „Deutsche Politik" führte Dr. Gchol, dann aus: Unser verehrter Freund Kahl hat in uns alle ttcsbewegender Weise, geistreich, wie nur er es versteht, dem Gefühl der Trauer Ausdruck gegeben, das uns gerade in diesem Augenblick erfüllt, da zum ersten Male der Parteitag ohne unseren Strescmann zusammentrttt. Lassen Sie mich hinzufügen, daß, wenn auch sein Leib von uns gegangen ist, sein Geist in uns lebendig bleiben wird: Der Geist des größten Staatsmannes -es neuen Deutschlands, der Geist eines wahrhaft nationalen und liberalen Menschen, ber Geist echter Vaterlandsliebe, der ihn für sein Volk leben und sterben ließ. (Lebh. Beifall.) Die gesamte Entwicklung der deutschen Politik seit der Staatsumwälzung stand unter seinem Zeichen. Schon die Gründung unserer Partei als unmittel bare Fortsetzung der alten Nationalltberalen Partei, einer Partei nationaler Realpolitik, einer Partei des bewußten Willens zum Staat und zur Verantwortung war entscheidende Tat auf dem Gebiete zieldewußter positiver Mitarbeit am neugestalteten Vaterland. Seit nahezu zehn Jahren ist die Deutsche VolkSpartei unter keiner Führung mit einer kurzen Unterbrechung aktiv und in maßgebenden Stellen an ber Regierung tm Reich be teiligt gewesen. Stresemanns Parole: „Heran an den Staat!" hat sich auf die Dauer keine ber großen Parteien, auch nicht die Deutschnationale VolkSpartei, entziehen können. Die von uns erstrebte Zusammenarbeit mit den großen Gruppen rechts und links von un» ist aber — und da» wirb nach meiner Auffassung nie genügend gewürdigt, obwohl e» der Angelpunkt aller unserer innerpolittschen Schwierigkeiten ist — dadurch außerordentlich erschwert wor den, daß beide Gruppe« et« ganz anderes StaatStdeal hatte»»