Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« - Preis 22^ Silbergr. sj THIr.) vierttliSdrlich, z Tdlr. für daS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-Aemtcrn, angenommen. Literatur des Auslandes. 127. Berlin, Montag den 23. Oktober 1843. Frankreich. Geschichte des Hundes bei allen Völkern der Welt. Wenn irgend ein Thier eS verdient, eine eigene Geschichte zu haben und überhaupt der Gegenstand besonderer Studien und Schriften zu werden, so ist es gewiß der Hund, dieser treue Gefährte des Menschen, der sich ihm oft inniger anschließt, als Seinesgleichen. Nun fehlt es zwar nicht an solchen Schriften, wohl aber an einem Buche, worin einestheils sein verschieden artiges Vcrhältniß zum Menschen oder die verschiedenen Zwecke, zu denen er sich brauchen ließ, historisch zusammengestellt, anderentheils die verschie denen Richtungen seines Instinkts und alle Geschichten, die cS darüber giebt, erschöpfend behandelt würden. Dies ist nun geschehen in einer in diesem Jahr erschienenen Histoire >Iu einen ober rous >«8 penplez cku 5lomle von Eleazar Blaze. Der Verfasser sagt in der Vorrede, daß dieses Buch die Frucht zwanzigjähriger Studien und Beobachtungen sey; nachstehende Auszüge dar. aus werden zeigen, daß diese Arbeiten keinen unfruchtbaren Boden gefunden haben. Wenn wir unsere Vorstellung vom Hunde aus den Worten, die von seinem Namen abgeleitet sind, oder aus den Sprüchwörtern und Vergleich»»- gen, in denen er vorkommt, bilden sollten, so müßten wir glauben, daß er zu den niedrigsten der unvernünftigen Geschöpfe gehört. Bon dem griechischen (Hund) kommt «der Cyniker, und verschiedene Vergleichungen, wie xnr-og zeigen hinreichend, daß die Hunde- Familie, gleich mancher von höherem Rang, an Achtbarkeit nichts gewinnt, indem sie ihre Genealogie in ferne Zeiten hinaufsührt. Die Römer waren nicht höflicher als die Griechen, und um gleich auf unsere Zeit zu kommen, so haben wir das französische esnaille und csxnsrü, beides vom lateinischen cui»8 abgeleitet und beides zur Bezeichnung nicht sehr ehrcnwerther Persönlichkeiten angewendct. Vergleichungen, sagt man, find gehässig, und die ganze Hunde- Race, ohne Unterschied der Racen, muß diesem Ausspruch beitreten. Sie sind immer das stehende Gleichniß für alles Gemeine, Schlechte und Widrige ge wesen, der Tppus der Streitsucht, der Unverschämtheit, der Habsucht und Sinnlichkeit — der Furien, Dämonen, Schmarotzer, Diebe, Advokaten, und zuletzt, mit einem traurigen Mangel an Galanterie gegen den einen Theil und mit Ungerechtigkeit gegen beide, auch der Frauen. Der verheiratete Mann, sagt ei» klassischer Weiser, braucht keinen Hund zur Bewachung seiner Thür. Xon Opus erä, uxor Istrar in seüe tus u. s. w. Herr Blaze hat eine Menge von diesen Rcdeformen gesammelt und im Allgemeinen seinen Klienten mit Eifer und Erfolg gegen die darin liegenden Anklagen vertheidigt. Der Hund ist schmutzig? — „Das ist er viel weniger", erwiedcrt er, „als gewisse Leute von Eurer Bekanntschaft und Miene." Man verschreit ihn als gefräßig. „Ich möchte Euch sehen", entgegnet sein Advokat, „wenn Ihr nur eine Schüssel zu essen hättet und eS einer versuchte, Euch diese wegzunehmen." St. Chrpsostomus sagt vom Hunde, daß er Dir schmeichelt, wenn Du ihn ansiehst, und Dich hinterlistig beißt, wenn Du ihm den Rücken gekehrt hast. „Ich bitte St. Chrpsostomus um Verzeihung", sagt Herr Blaze, „aber er hat den Hund verleumdet. Ich kannte und kenne noch viele Menschen von dieser Beschaffenheit, aber keinen Hund." Dann ist er wenigstens ein Dieb. „Nein", antwortet Herr Blaze, denn er hat keine Idee von Mein und Dein, und wenn Du ihn nur belehrst, so kannst Du ihn im stärksten Hunger bei einem gebratenen Huhn schlafen lassen. UebcrdieS werden ihm oft Diebstähle zur Last gelegt, die er nie begangen hat: die Diener machen ihn zu ihrem Sündeubock, und er hat keine Zunge, sich zu vertheidigen." Alles Lob, was dem Hunde in Sprüchwörtern gespendet worden, ist Aus nahme und nicht Regel; warum aber, können wir fragen, da das Individuum immer mit Liebe genannt wird, ist die Race zum Symbol des Gehässigen und Anstößigen gemacht worden? Der Grund ist wohl dieser: da ihr vertrautes Verhältniß zu uns sie und ihr ganzes Treiben beständig vor unsere Augen führt, so fallen sie uns natürlich zuerst ein, wenn wir in unseres Gleichen die Eigenschaften von Thieren sehen, deren guter Instinkt bei uns ein Laster wird. Bei den Juden galt der Hund natürlich für unrein und war also auch sicher, nicht geopfert zu werden. Bei den Heiden dagegen trug er sein Theil zu den Fleischbergen bei, die auf dem Altarc zuckten. Die Römer, die ihn ohne Scheu den Göttern opferten, peitschten ihn jährlich als Verbrecher und spießten ihn dann, weil seine Vorfahren in der Nacht, wo die Gallier das Kapitol stürmten, geschlafen hatten. Die Thorheit und Grausamkeit dieser römischen Erinnerungsfeier wurde jedoch durch einen Gebrauch übertroffen, der bis zur Regierung Ludwig's XIV. in der französischen Hauptstadt bestand, wo die bürgerlichen Behörden jährlich eine Anzahl Katzen — wir erfahren nicht, aus welchem Grunde — auf dem Greve-Platz zu verbrennen pflegten. Wo man den Hund den Göttern opferte, konnte cS nicht fehlen, daß er auch gegessen wurde. Hippokrates sagt, die Griechen hätten ihn gegessen, und die Römer hielten ihn für eine so große Delikatesse, daß bei ihren verschwen derischsten Mahlen auch ein junger Hund nicht fehlen durfte. In China wird er mit Vegetabilien gefüttert und öffentlich in den Fleischerbudcn verkauft. Viele Wilde ziehen sein Fleisch jedem anderen vor und heben cS für ihre Häuptlinge auf. In Paris wird der Verkauf von Hundcflcisch heimlich be trieben, trotz dem Verbot der Regierung, welche dagegen den Handel mit Pferdefleisch förmlich sanctionirt hat. Herr Blaze, der beides gegessen, zieht Hundefleisch vor, während cS Buffon für äußerst unschmackhaft hielt. Doch da die Nationen, wo es vorzüglich gegessen wird, ihre Hunde nur mit Vcge- tabilien und Fischen füttern und nie einen europäischen Hund, der mit Fleisch genährt worden, anrührcn, so haben weder Buffon noch Blaze das Hundefleisch in seiner Vollkommenheit gekostet. In Lappland wird der Hund seiner Haut wegen gctödtct, in anderen Ländern dagegen nur, um seiner Vermehrung ein Ziel zu setzen. So hat die Hundesteuer in England dazu beigetragen, überflüssiges Leben in seiner Geburt zu ersticken, indem Wenige eine so schwerer Tare unterworfene Nachkommen, schäft aufziehen. AnderSwo, wo man alle Hundesprößlinge aufwachsen und halbverhungert auf den Straßen herumlaufen läßt, wird ihre Eristenz eine Beschwerde für daS Publikum und eine Last für sie selbst. In Frankreich sind die Lumpensammler ermächtigt, die herumschwärmenden durch einen Schlag auf den Kopf zu tödten. Bor wenigen Jahren war die Regierung von Bom bay genöthigt, eine Ladung Hunde zur See sortzuschicken und umbringen zu lassen, um die Stadt von ihrer ungezähmten Menge, ohne Verletzung der Parsi's, die sie mit Ehrfurcht betrachten, zu befreien. In anderen großen Städten des Ostens werden weniger Umstände mit ihnen gemacht: ein mit einer schweren Keule bewaffneter Mann zieht einen tobten Hund durch die Straße, womit er alle Köter der Nachbarschaft herbcilockt und sie dann rechts und linls mit seinem Knüttel niedermäht. Schow im alten Rom wurden englische Bullenbeißer, welche von eigens dazu in England angestellten Beamten nach Italien verschickt wurden, im Amphitheater den tödtlichen Kämpfen mit den Thieren des Waldes preisge geben. In England selbst war es, wo die Sitte vielleicht ihre eifrigsten Nachahmer fand, und wo die Kämpfe von Hunden, die einander zerrißen, bis sie auf dem Platze blieben, ein fashionables Vergnügen wurden. Aber die größten unter allen Grausamkeiten, deren Opfer der Hund wurde, sind ohne Zweifel die, welche im Namen der Wissenschaft begangen wurden. Die Experimente, die man mit ihnen bei lebendigem Leibe macht, sind wahrhaft schauerlich, und Herr Blaze versichert uns, daß es in jeder großen Stadt in Frankreich Leute giebt, deren einzige Beschäftigung eS ist, die hierzu erforderlichen Subjekte zu sammeln. Die Aerzte früherer Zeit brauchten den Hund auf eben so entsetzliche Weise zur Heilung von Krankheiten. Er wurde lebendig geöffnet und als ein seltenes Spezifikum zur Linderung von Schmerzen angewendet. Man hatte zuweilen die Barmherzigkeit, ihm die Kehle zu durchschneiden und das Erlöschen des Lebens abzuwarten, ehe die krankhaften Glieder in seine Eingeweide getaucht wurden. Der Hund spielte auch eine bedeutende Rolle in der Pharmacie: seine Knochen wurden zu Pul vern zerstoßen, sein Fett zu Salben geschmolzen, sein Gerippe zu einem Saft von außerordentlicher Kraft destillirt. Schwarz war immer eine ominöse Farbe für Menschen und Thiere, und schwarze Hunde galten im Volksglauben für die Werkzeuge von Zauberern und für die irdische Form des Bösen selbst. Cornelius Agrippa war immer von einem solchen Thier begleitet, daS man allgemein für einen Dämon hielt. Noch im Iahte 1702 waren die französischen Soldaten, welche Landau gegen die Kaiserlichen vertheidigten, fest überzeugt, daß der Hund ihres Generals ein Geist sep, von dem alle militairische Bewegungen ausgingen und dessen über natürliche Kräfte ihnen den Sieg sicherten. Die Leichtgläubigkeit des Volks wurde zuweilen von schlauen Mönchen in entgegengesetzter Richtung auSge- beutet. BaroniuS versichert, die Hunde hätten das Brod verschmäht, das ihnen die Mörder des Thomas a Bccket zugcworfen, und nach Herrn Blaze haben sie auf dieselbe Weise ihren Abscheu gegen einen jungen Mann ausge drückt, der seine Cousine ohne Dispensation geehelicht hatte, indem sie sich hartnäckig weigerten, die Leckereien seines Hochzeitsmahls anzurühren.