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Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nr. 37 1881. Dienstag, den 10. Mai Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer k-stet 10 Ps. Inseratenannahme Montag? u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Ersche nr wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag. Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet IO Pf. Inseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshanptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdrn ff Einuntvierzigster Bekanntmachung. Der diesjährige Wilsdruffer FrühjahrSjahrmarkt wird Donnerstag, den IS. Mai, und Freitag, den SO. Mai I., abgchalte». Wilsdruff, am 3. Mai 1881. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Mklnnttmächungl Nachdem der Verein für das Bezirks-Armen- und Arbeitshaus im .Hohen Hof zu Hilbersdorf in letzter General versammlung am 26. März d. I. seinen Ausschuß mit der Wahl des Direktoriums beauftragt Halle, sind von diesem in der Sitzung am 16. April d. I. der Unterzeichnete als Director und Herr Rittergutsbesitzer kiiilipp 8to^vr in Naundorf als dessen Stellvertreter gewählt worden, welches hiermit statutengemäß mit dem Bemerken bekannt gemacht wird, daß Unterzeichneter heute die Directorialgeschäste über nommen hat. Niederbobritzsch, am 1. Mai 1881. F. Riedrich, Gemeindevorstand allda. Land und Leute in Tunis. Die ehedem berüchtigten Raubstaaten an der nordafrikanischen Küste wurden damals nach ihren Hauptstädten Algier, Tunis und Tripolis genannt. Nachdem der erste im Jahre 1830 von den Franzosen erobert worden war, nannten sie die neue Provinz Al gerien (Llgerw), und der Umstand, daß in den letzten Jahren nach ihrem Vorgänge für den zweiten der Name Tunesien (Unsis) üb lich geworden ist, könnte fast als Vorbedeutung angesehen werden, daß er ebenfalls dem Schicksale französischer Annexion nicht entgehen werde, sollte dieselbe zuerst auch nur durch ein Protektorat über Tunis vorbereitet werden; erstrebt wenigstens haben die Franzosen dieses Ziel schon lange, angeblich, nm der beständigen Beunruhigung ihrer algerischen Besitzung durch räuberische Grenzstämme ein Ende zu machen, in Wahrheit aber, nm der Erweiterung des Machtkreises Italiens ent- gegenzutretcn, welches durch seine Nähe und seine daraus hervorge gangenen engen Handelsbeziehungen schon seit langer Zeit einen be deutenden Einfluß auf Tunis ausgeübt hat. Tunesien, schon im Alter- thume wegen seiner günstigen Lage ein von den Mittelmeerstaaten viel umworbenes Land, ist etwa 2100 Quadratmeilen groß, von denen etwa 23"/« fruchtbares Land, 32"/« Hochlandsteppen, der Rest aber Wüsten sind. Letztere nehmen den südlichen Theil des Landes ein und verlaufen in die Wüste Sahara. Das Klima ist günstig und der Boden in zunehmender Kultur begriffen. Man züchtet Rindvieh, Schafe, Pferde, Dromedare, baut Getreide, Hülsenfrüchte, Obst, Wein und alle Arten von Südfrüchten und gewinnt Salz, Salpeter, Blei, Quecksilber und auch Gold, da viele Bleiminen goldhaltig sind. Die Bevölkerung mag sich auf zwei Millionen belaufen; sie ist meist ara bischer Abstammung, in den übrigen Bestandtheilen aber in Folge des mannigfachen Wechsels der Völker, welche das Land nach und nach erobernd durchzogen und theilweise sich darin niederließen, sehr ge mischt. In den Gebirgs- und Steppenländern führen die Bewohner ein beinahe unabhängiges, nomadisirendes, fast nur der Viehzucht und Räuberei gewidmetes Leben, in den Tieflanden treiben sie Acker- und Gartenbau; Handel und Industrie liegen fast nur in den Händen der Europäer. Die Hauptstadt Tunis, die mit dem algierischen Hafen platze Bona durch euie allerdings noch nicht ganz ausgebaute Eisen bahn verbunden ist,'zählt 150,000 Einwohner und liegt am Ende des Salzsees El-Bahira, etwa 45 Kilometer vom Meere entfernt. Auf dem Punkte, wo der See mit dem Meere in Verbindung steht, liegt die Festung La Golctta (la Ooulsttv), welche die Zufahrt zur Haupt stadt beherrscht. Ungefähr 15 Kilometer entfernt liegen nordwestlich von Tunis die Ruinen von Karthago. In alter Zeit gehörte Tunis nach einander den Karthagern, Römern, Vandalen, Griechen, Arabern. Unter der Herrschaft der letzteren entwickelte es sich nach und nach zu einem der gefürchtetsten Seeräuberstaaten und veranlaßte dadurch den Kreuzzug Ludwig des Heiligen und den Eroberuugszug Karl V. Im Jahre 1575 wurde es durch Selim II. der Herrschaft der türki schen Sultane unterworfen und seitdem durch Bey's regiert, die all mählich eine immer größere Unabhängigkeit von der Pforte erlangten. Letztere erkannte im Jahre 1871 die Autonomie von Tunis an, über trug der Familie des Bey die erbliche Regierung nach dem Erstge- durtsrechte, erließ den Tribut und behielt sich nur die Investitur und Entscheidung über Krieg und Frieden vor. Es ist demnach Tunis ein fast ganz selbstständiger Staat und kaum mehr als dem Rainen nach noch eine Regentschaft der Türkei; die politischen und sozialen Zustände darin sind außerordentlich kläglich. Mit wenig Ausnahmen waren die Beys roh, gewaltthätig, gewissenlos und unsittlich und wurden früher von der Soldateska, später durch eine Günstlingswirth- schäft beherrscht. Auch der jetzige Bey, Mohammed es Saddock, der bereits seit 1859 regiert und als gutmüthig, aber als unverständig und sittenlos geschildert wird, steht ganz unter dem Einflüsse seines Minister Mustapha-Ben-Ismail, da derselbe mit Geschmeidigkeit in alle Wünsche und Launen seines Herrn sich fügt. Das tunesische Militär (das reguläre ist auf dem Papiere 20,000, in Wirklichkeit etwa 10,000 Mann stark) ist in seinem Wesen wie in seiner Erschei nung überhaupt außerordentlich kläglich. Es wird im Frieden haupt sächlich zur Stcuereintreibung verwandt. Vor den Franzosen hat es sich bis jetzt auf Anordnung des Bey überall zurückgezogen, weil dieser weder feindlich gegen sie auftreteu, noch gemeinschaftlich mit ihnen gegen die räuberischen Grenzstämme Vorgehen will. Die Einschließung der ans 4 Stämmen bestehenden etwa 12,500 waffenfähige Männer zählenden Krumirs in ihrem wald- und schluchtenreichen Gebirgslande nördlich vom Madjerdaflusse scheint von den französischen Operations kolonnen vollständig bewirkt zu sein; ihre Bewältigung bleibt aber doch fraglich, zumal wenn, wie es heißt, ein sogenannter heiliger Krieg gegen die Eindringlinge auch unter den übrigen Stämmen ge predigt wird. TngeSgeschichte. Der Reichskanzler ist jüngst im Reichstage der sogenannten „Frakrionspolitik", von der er meint, daß sie Ursache der Unzufrieden heit des Volkes mit den jetzigen Gesetzgebungsarbeiien sei und die wirk lichen Interessen desselben hintenansetze, wieder scharf zu Leibe gegangen. „Das muß anders werden", rief er, und spielte wieder auf die seiner Ansicht nach wünscheswerthe Beseitigung der „Berufsparlamentarier" und der „parlamentarischen Bureaukratie", wie er sich ausdrückle, an. Nochmals versuchte er es, die Nationalliberalen vor einem engeren Anschluß an die weiter links stehenden Parteien zu warnen, und ins besondere wandte er sich an den ihm manchmal so nahegestandenen und ihm offenbar heule noch sympathische» Abgeordneten von Bennigsen, dessen früheren Verdiensten er Worte der wärmsten Anerkennung verlieh. Von Neuem bot der Fürst alle Beredtsamkeit auf, eine zuverlässige Mittelpartei zu schaffen, die er ohne die Nationalliberalen nun einmal nicht zu Stande kommen sieht. Die Rechnungs-Commission des Reichskanzlers sieht genau in die Wohnung des Reichskanzlers Fürsten Bismarck hinein und läßt auch die deutschen Neichsbürger hinemsehen. Sie hat gerade in diesen Tagen, in denen von dem Palaste rc. des Kanzlers so viel die Rede ist, ihren Bericht veröffentlicht. Fürst Bismarck bezieht einen Gehalt von 36,000 Mk. und daneben 18,«100 Mk. Repräsentationskosten. Dazu hat er eine freie Dienstwohnung, für welche er jährlich 679 M. Miethsteuer entrichten muß. Das Palais desselben ist vom Reiche für 3 Mill. Mk. angekanft und auf Reichskosten glänzend eingerichtet worden; alles, auch Leinenzeug, Küchengeschirr, Müllabfuhr und Rei nigung wird auf Reichskosteu bestritten. Der Etat setzt dafür jährlich nur 15.000 Mk. ans, er wird aber weitaus überschritten. Die Wohn ung hat nach den vorliegenden Rechnungen in den beiden letzten Jahren 63,232 Mk. 98 Pfg. beansprucht. Es ist nie ein Wort darüber ver loren worden. Es ist doch noch Aussicht, daß das wichtige Unfallversicher- ungsgesetz für Arbeiter zu Staude kommt. Der zur Berathung derselben niedergesetzte Ausschuß hat zwar die Reichsversicherung und die Privatversicherung abgelehnt, dagegen den ß 1 so angenommen: „Die Versicherung hat bei der von dem Bundesstaate, in welcher der Betrieb gelegen ist, zu errichtenden und für Rechnung desselben zu verwaltende» Versicherungsanstalt zu erfolgen. Mehrere Staaten können zur Errichtung einer für ihre gemeinsame Rechnung zu ver waltenden Versicherungsanstalt sich vereinigen." Bismarck soll zu dieser Aenderung seine Zustimmung erklärt haben. (Angenommen wurde der Antrag Stumm, die Versicherungsprämien zu 2/, den Arbeit gebern, zu den Arbeitern aufzulegen.) Ein grauenhaftes Unglück hat die englische Kriegsmarine betroffen, ein Unglück, das wir doppelt nachzufühle» wisse», da wir selbst mit unserer Marine so viele schmerzensreiche Erfahrungen in den letzten Jahren haben durchmachen müssen. Der Telegraph meldet aus London; Nach einer der Admiralität zugegangenen Depesche aus Montevideo ist die englische Korvette „Dvterel" am 26. April in der Magellan- Straße in die Luft geflogen. Der Kommandant und 10 andere Per sonen wurden gerettet. Die Ursache des Unglücksfalles ist noch nicht authentisch bekannt, doch wird der Untergang des Schiffes dem Explo- diren der Pulverkammer zngeschriebeu. Die Korvette „Dvterel" verließ Chatham zu Anfang dieses Jahres, um zu dem Pacific-Geschwader zu stoßen. Die Zahl der durch die Katastrophe ums Leben gekom menen Personen wird auf mindestens 140 geschätzt. Nächst dem Unter gang des „Großen Kurfürsten" und dem spurlosen Verschwinden des