Volltext Seite (XML)
4 und Anzeiger Mr das Erzgebirge v"°nw°«ttch« mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Auer Sonntagsblatt. jür di« Znftrat« verantwartttch: INlNlwlN Malt«« R»»o». Sprichst»nd« d«r Redaktion mit Ausnahme der Sonntag« nachmittag» von 4—5 Uhr. — lelegramm-Ndrrff«! Tageblatt kineerzgebirge. — Ferntz>r«ch«r »r. Ag, z, Lägest. Seide in Au« i. Lrzgeb. Für unverlangt «ingesandt« Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Bezugspreis: Durch unser, Boten frei in» Sau, monatlich »O0fg. Lei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich so pfg. und wöchentlich 10 Pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich >.so Mk., monatlich so Psg. — Durch den Briefträger frei in» Sau» vierteljährlich ,.-2 Mk., monatlich «s pfg- — Einzelne Nummer ic> Pfg. — Deutscher postzritungskatalog. — Erscheint täglich in den Mittag»stunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertaaen. Insertion,preis: Vie siebengespaltene «orpuszeile oder deren Raum für Inserate au» Rue und den Ortschaft« d« klmtshauptmannschaft Schwarzenberg ,0 psg., sonst <s pfg. Reklamexetitzeile 2» pfg. Bei «räßeren Rbschiüffrn ent- sprechender Rabatt. Annahme von Anzeig« bi, spätesten, g'/i Uhr vormittag,. Für Aufnahme von größer«, Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werd«, wenn sie am Tage vorher bei on» eingrhen. viele NiMMt, >»»»», 10 Zelte,. Außerdem liegt das achtseitige illustrierte Tonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom Lage. Die Sächsische Volkszeitung schlecht: Wir erhalten vom Sekre« tariat dest Prinzen Max >n Freiduig die tele graphische Nachricht, daß der Brief de« Prinzen an L 0 ys 0 n eine Mystifikation ist. O Der R- iä-taq beschloß dieBesetzungderStrafkamm-rn in erster und zweiter Instanz mit zwei Rich, t ern einschließlich de» Vorsitzenden und drei Schöffen. G Die Kommission zur Beratung der Schiffahrt-, ab gaben beschloß eine Informationsreise nach Duisburg, Köln, Mainz und Frankfurt zu unternehmen. « De Budgelkommtsston nahm den Gesetzentwurf über die Frlevenspräsenzstärke de» Heeres an und bewilligte die Neuforverungen. In iim Bern werk bei Cokedal« sstolorado) sm) in folge einer Explosion 17 Bergleuteverschüttrt worden, von denen zwei gerettet find. Die russische Bark Tl« nbaak ist bei Cossack in West, ausriolien wrack geworden. Die ganz«Besatzung ist mit Au»nahme ei n e » Man n e» um ge ko m m en. O Im türkischen Senat erklärte sich derGroßwesir für die Einführung der westeuropäischen Zeit, r e ch n u n g. O In der Nähe von Mulato (Mexiko) hat ein schwerer Kampf zwischen mexikanischen Bundestruppen und Revolutionäre« statlgesunden. Die französische Außenpolitik. Seit einer Reihe von Jochren leitet Herr Ptchon di» auswärtigen Angelegenheiten Frankreich». Man muß zugestehen, daß dieser Mann, der kein zünftiger Diplomat ist, sondern au» der Journals st enkarrter« hervorging, mit unleugbarem Geschick auch in den schwierigsten Fragen die Sache seine» Lande« verfochten hat. Seine glücklichen Effolge mögen ihn aber doch etwa» wagehalsig gemacht haben, auch an ihm bewahrheitet sich der alte Spruch: Allzustraff gespannt, zerspringt der Logen. Der Orient scheint Herrn Ptchon Pech zu bringen. Schon in dem großen Konflikt um Serbien versagte di« französische Diplomatie. Sie trat merklich in den Hintergrund und e» steht außer Frage, daß das damalige Verhalten Frankreich» zu einer gewissen Ent fremdung zwischen den beiden Zweibundmächten beigetragen hat. Man fragte sich an der Newa, wogu man «inen Bundesgenossen habe, wenn dieser in der Stunde der Not versage. Dann kam die türkisch« Anleihesrage und «bei dieser Hat Pichon direkt Fiasko gemacht. Er wollte augeHcheinlich die Türken zwingen, sich mit Haut und Haaren Frankreich zu ergeben und den in der Zwischenzeit am Goldenen Horn wieder erstarkten Ein fluß Deutschland» beiseite schieben. Man stellte es so dar, als wenn Frankreich es nicht nötig habe, der Türkei Geld zu geben, da, diese für Bestellungen in Deutschland verwende, sodaß Frankreich auf dies» Weise indirekt di« Macht Deutschland« stärke. Man stellte daher in Frankreich di« schwierigsten Bedingungen, mit dem Erfolge, daß am» dem Geschäft überhaupt nicht« wurd« und di« Türkei bet Deuychland putz O«st«rreich-Ungarn Zuflucht fand. Frankreich war also aur-Mlchtet «nd chat diesen Schlag, den sein« Orientpolitik dadurch erlitten hat, bisher noch nicht verwinden können. Zu alledem mußte auch noch Potsdam kommen, um «in« intim« AnnSherung Rußland, an Deutschland zu dokumentieren. LgS- gtng den Franzosen doch wider den Strich, »in« lebhaft« Kampagne setz« «kn, in der der Mert de» franco-russischen Bündnisses nicht gerade allzu hoch eingeschätzt wurde. Der Krtegsminister in eigner Person stand nicht qn, in einem Interview zu erklären, daß in militärischer Hinsicht der ZweiLund taktisch kaum noch existiere. Luch von der Entente mit England hält mm» augenblicklich nicht allzuviel, und in den Artikel der maßgebenden Press« kommt da» Gefühl der Sorg« zum Durchbruch, augenblicklich ziemlich isoliert daz^ftehen. Herr Pichon konnte nicht gut länger schweigen, und er nahm im Senat die Gelegenheit wahr, darzulegen, daß alles zum Besten bestellt sei. Di« Entente sei nie vollkommener und fruchtbringen der al, heute gewesen, und das Bündnis mit Rußland sei ge» festigt« denn je. lieber Potsdam sei man genau auf dem Lau fenden gehalten umd über alle Besprechungen eingehend infor miert worden. Di« Zuhörer klatschten Beifall und drückten dem Minister ihr Vertrauen au«. Herr Pichon sitzt also, äußerlich genommen, wieder fest im Sattel. Aber »» wich nicht an einsich tigen Leuten schien, di« über diese Komödie lächeln. Es liegt doch auf der Hand, daß Pichon ein« Verschlechterung in den Be ziehungen zu Rußland und England iw öffentlicher Rede nie- mal» zugeben konnte, und ebenso ist «p ganz selbstverständlich, daß dem französischen Verbüßten über den Gang der Besprech ungen in Potsdam Mitteilungen gemacht wurde, genau wie das deutscherseits gegenüber Oesterreich geschehen ist. Ebenso wenig entbehrt es nicht eines heiteren Letgefchmack», wenn Herr Pichon Mn mit einem Male auch in der Vlissinger Affäre nicht das Karnickel gewesen sein will. E» steht außer Frag«, dich man franzSstscherseit, Fühler ausgestreckt hat, um di» England wie Frankreich unbequeme Befestigung des genannten Haft«» zu hintertreib«n*und daß man auch bet dieser Gelegenheit Fiasko gemacht hat. Es scheint also auch in andern Länder« gelegsnt. lich nicht an Ministern zu fehlen, denen -nicht, mehr gelingt. Beamter «nd Staatsbürger. In einem jüngst zu Berlin gehaltenen Vortrage, dessen Wortlaut in der neuesten Nummer der Nationalliberalen Blät ter und in der soeben erschienenen Ausgabe des GrenzLoten ver. Lffentlicht ist, hat der nationalliberal« Reichstagsabgeordnete, Geh. Regierungsrat Beck-Heidelberg, die staatrbürger- lich« Stellung des Beamten, die Recht« uiü> Pflich ten de« im öffentlichen Dienste stehenden Staatsbürger« unter Bezugnahme auf di« Strömungen Md Bewegungen der moder nen Entwicklung behandelt. E» wird heut» ja nicht mehr ver- könnt, daß sich auch hier «in« grundlegende AenderuNg gegen di, Auffassungen aus der Däterzeit vollzogen hat. Das patri archalische Verhältnis zwischen Beamten mH Verwalt»«-, wie es ehedem bestand, ist verschwunden, Md es gehört für den Be. amten, der mit seiner Zeit lechen will und soll, «in hervorvtgeu- des Maß von Takt und Umsicht dazu, gleichwohl die besonderen Rücksichten zu üben, die ihm der übernommene Pflichtenkrei» auferlegt. Die Schwierigkeiten dieser Lage' das -Esten Be amtentum» werden zutn Teil und nicht selten oermHrt durch di« politische Umwerbung; eine Umwerbung, die wie gewisse Vor gänge der letzten Zeit zeigten, leider nicht immer gewillt ist, da» Grenzgebiet -wischen Beamtenpslicht und Staatsbürgerrecht zu respektieren. Es ist darum zwei fellos verdionstlich, ebenso aber auch im besten Sinn« zeitgemäß, wem Geheimrat Beck in dem eingangs erwähnten Vortrage Ge legenheit genommen hat, dje immerhin delikat« Materie erschöp fend «nd freimütig zu erörtern. Der nattonalliberale Politiker hat hier in taktvoller Würdigung der beiderseitigen, der staatlichen und beamtlichen Interessensphäre «in« Art Richtlinie vorgezeichnet, bei deren Einhaltung nicht nur das, man kann wohl sagen: nach dem heutigen Empfinden wes ntlich er- «eiterte Ekaatsbürgerrecht des öffentlichen Be* amten auf sein« Rechnung kommt, wie andererseits auch die gegen früher ebenfalls modifizierten Ansprüche de» Staa te» an sein« Angestellten. Geheimrat Beck hat sich im ganzen etwa auf den Standpunkt gestellt, den vor kurzem der gewiß freiheitlich denkende württembergische Ministerpräsident zu der Frag« der politischen Betätigung der Beamten mit der Erklärung «innahm: Das schlimme Ende. Humoreske von A Rettlow. Nachdruck »rdolrn Der Kunstmaler Edwin Splettstößer war maßlos verblüfft, als er eines Nachmittags im Taf6 Luitpold seinen verflossenen Freund und Kunstgefährten Alotfiu» Kunkel erblickte. Da sah er — just wie einstmals, wie vor der Katastrophe, die sie ent fremdet: llnterm Spiegel link» vom Buffet, wo er immer ge sessen, ein Bein über da« ander« geschlagen «nd den fchmiichti. gen Oberkörper tief über den, Anzeiger gebeugt; in dem buschi. gen, über die Lippen hängenden Schnurrbart zwei Sahnenprölb. chen seiner Melange. Splettstößer wollte sich vorbeidrücken, in ein Nebenzimmer, um erst mal zu überlegen, wie er sich gegen über dem so plötzlich Medergefundenen zu stellen hab«. Dieser legte jedoch di« Zeitung au» der Hand und schob dqs Schachbrett zurecht — mit einer Selbstverständlichkeit, al» wären di« zwei Jahre, die zwischen heute und ihrer letzten Begegnung lagen, nur ein Tag. Mährend Kunkel die Figuren ordnet«, legte der andere ganz erstaunt Ueberzieher und Hut ab und trat zögernd näher. „Mahlzeit" — Alois Kunkel räusperte sich wi« einer, der lang« geschwiegen hat, und sagte seinerseits: „Mahlzeit." Dann reckt, er lässig di« Hand zum Gruß über den Tisch, stützt» den buschigen Schädel in die Linke und heftete di« Augen auf da» Brett. »Fang «ml" „Na, d u fängst doch sonst immer an," erwidert« Splettstößer, indem er sich gegenübersrtzte. „Im übrigen — wir find doch eigentlich schuß miteinander." Eine wehmütige UeLerlegenhett macht« sich in Kunkel« Zügen. Er schüttelt« mißbilligend den Kopf. „Derselbe subalterne Mensch wie schon immer. Eng-, horizontig. An Kleinigkeiten haftend. Und teilnahmlo». Mi«, so? Ich sollt« dir wohl noch alle Sonnabend «in« Kondolenz visit« -machen wegen der 120 000 Em, di« du mir auf hinter listige Weise weggeheiratet hast!" „Jawohl, das hättest du tun sollen," nickt« Kunkel langsam wftd feierlich. Dann lehnte er sich mit einem tiefgründigen Seufzer zurück und zündete um ständlich «in« Zigarre an. ,,E» ist aus," — hauchte or usitd blies mit diesem selben Hauche da» Streichholz au», „alles zu Ende." Edwin Splettstößer beugte den Oberkörper weit vor und schlug beide Fäuste auf die Marmorplatte de» Tische». „Das — d« ganze Geld?I" Kunkel zuckt« di« Achseln. „Kein Geld haben, ist besser al» Geld haben, da» man nicht hat," sagte er ernst, mit hochgezogenen Brauen in die mystisch« Tiefe seine» Au», spruch» schauend. „Aber so sag doch endlich wa» lo» ist, Men. schensktnd! Hast du deine Frau verloren —" .Frau!" Das Wort wirkt« auf Slot» Kunkel wie der elektrische Strom.aus «inen kranken Frosch. Er wand sich schauernd und zog Grimas sen, al, wenn er in einer Titronenkur begriffen wäre. .Ver loren sagst du? DieFrau? — Ach, du himmlische Barm- Herzigkeit I" Splettstößer überkam «in wohlige» Begreifen. Er rückte seinen Kneifer -urecht und behielt di« Hand «inen Moment vor Nase «nd Augen — teil« um einen schadenfrohen Zug zu ver. Lergen, «nd dann, um der fülligen Rundung der.verwitweten Schmude, verehelichten Kunkel, vor seinem geytigen Auge Raum zu schassen. Da« Resultat dieser Vorstellung «ar der Einwand: „Aber es ist doch schon ganz hübsch von ihr, daß sie dir mal er. laubt hat, hterherzugehen." Aloi, Kunkel ergriff «inen Streich- holzbehälter, setzt« ihn jedoch gleich wieder bet Seite. Ich -in ihr davongelaufen," sagt« er dann «an- einfache wie etwa. Selbstverständliche», Raturnotwendige». „Sie wird mich suchen, denn st« liebt mich Zn diesem Augenblick bin ich vielleicht schon polizeilich angemeldet -- gleichzeitig mit ihrem Mop», der feit gestern weg ist. Der Hund wird sich wtederfinden. Wdhrschein- s ' .. lich. Denn er hat keine Ideale, keine geistigen HSHenflüg^di« ihm systmattsch erstickt werden könnten. Aber ich -7- ich «rde mich nicht mehr auffindeN lassen. Ich nicht!" Dabei pochte er sich mit dem Zeigefinger« auf die Brust und stand so herausfor» dernd auf, als wenn Splettstößer di« verwitwete Schmrüx, ver ehelicht« Kunkel -wäre. Dann klaubte er au« der Lillettasch« seines eleganten Gehrocks einige Münzen und warf sie für die Melange auf den Tisch. Dabei sprach er wie zu sich selbst. ,Fch habe mich losgesagt von diesen Fesseln aus Hausmacherwurst und schlechtem Deutsch. Ich will arbeiten, künstlerisch tätig sein. Ich will auch mal wieder hungern, wi« sich da» gehört! Das ewige Sattsein ist was Ekelhaftes. Ich will leben — leben! Und di« Schmude steht mich niemals wieder " Inzwischen hatte er mit heftig zerrenden Bewegungen seinen Paletot angezogen. ' Ein kurze» Schwenken seine» Hut«, und Lloisius Kunkel ver- slti> iUdudi^ schwand —- um zu leben. — Zwei Tage später wurde -Splettstößer an diese Begegnung erinnert durch zwei gleichfarbige Zettel an den Anschlagsäulen: M Beftchnung für den Wederbringer eine» entlaufenen Mopsqs mit Namen Fifi, abzugeben Kaiser-Allee 887, Bel-Etage, bet Frau Kunstmaler Kunkel, — und darunter die Aufforde rung an A. K., zu seiner tiefbetrübten Frau zurückzukehren. Nach vierzehn Tagen sickert« so allerhand durch von Alois Kunkel neuem Leben. Tiner hatte ihn hier, der andere dort gesehen. Und immer an Ortei^'wo es recht bunt herging. Die Bohöme- krise von «inst suchte er jedoch ntchck auf. Er führt« ein Zigeuner leben auf eigene Faust — unersättlich und ausgelassen, und mit dem bissigen Mißtrauen eine» befreiten Kettenhunde«, der Let jeder Annäherung befürchtet, wieder «ingefangen z« werdan. Auch schin er zu arbeiten — denn in dem Wchauftnster einer Kunsthandlung war «in Bild von ihm awsgestellt: ein ganz ver- schrobene» Gepinfel, hart an der dtr GreiM von Genie und Wahnsinn. Da es di« Zeitungen veralberten, verschwand es .