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Großenhainer Unterhaltungs- und AmeiSeblatt Gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. 48. Sonnabend, den 15. Juni 1850. Tagesnachrichten. Preußen. Die Ergänzungen zu dem Preß gesetze haben schon ihre Folgen angefangen zu zeigen. Mit Beschlag wurden belegt Nummern der Natio nalzeitung, der Abendpost, der westdeutschen, der konstitutionellen, der Königsberger, der Dorfzeitung und der Glocke. — Am Gymnasium zu Luckau wurden in Folge des neuen Disciplinargesetzes zwei Oberlehrer und der Dircctor wegen politischer Ten denzen ihres Amtes entsetzt. — Das Frohnleich- namsfest ward zum ersten Male, seit Berlin pro testantisch ist, dieses Jahr durch eine große öffent liche, außerkirchliche Procession aus der Hedwigs- kirche nach Spandau gefeiert, welche nicht nur ohne Störung verlief, sondern auch das Interesse von Nichtkatholiken erregte. — Sämmtliche Ar beitervereine sind am 7. Juni geschlossen worden. — Der König, dessen Befinden nun gut ist, hat der evangelischen Mission unter den Deutschen in Pa ris auch für die nächsten 3 Jahre jährlich 300 Thlr. verwilligt. — In den Kriegsrüstungen wirb etwas weniger eifrig fortgcfahren. In Magdeburg sind die Armirungsarbciten an der Festung eingestellt. — Die Wahlen der Gemeindcräthe nach der neuen Ge meindeordnung sind in Bonn beendigt, und ob gleich sich die Demokratie sehr eifrig dabei bethei- ligte, haben die Eonscrvaliven von den 24 zu Wäh lenden 21 durchgebracht. — In Posen hat folgen des Unglück stattgefunden. Ein Fleischer schickte seinen Knaben mit einer Kette in die Schmiede. Als derselbe vor der katholischen Pfarrwohnung vorbeigeht, verfolgt ihn des Pfarrers Hund, dessen er sich endlich dadurch entledigt, daß er ihn mit der Kette schlägt, wodurch der Hund unglücklicher Weise getödtet ward. Der Vater des Knaben bietet dem Pfarrer Ersatz an, jedoch vergeblich. Am andern Morgen erscheint letzterer in der Schule und verlangt, daß der Lehrer dem Knaben 50 Stock hiebe applicire, worauf derselbe jedoch nicht eingeht, weßhalb der Pfarrer selbst den Stock ergreift und den Knaben mißhandelt, bis er blutend zusammen, sinkt. Auf erhaltene Kunde eilt der Vater dessel ben herbei und beim Anblick seines Kindes sticht er aus Verzweiflung dem Pfarrer ein Messer in die Brust. Der Knabe und der Pfarrer sollen beide gestorben sein. Baden. Den einzelnen Gemeinden sind nun nach der Kriegskostcnbcrechnung ihre Beträge mit- getheilt worden, mit der Weisung, sie binnen vier Wochen zu bezahlen. — Die beiden nach Preußen bestimmten Reiterregimenter werden in einigen Ta gen ihre Reise antreten. Die Artillerie soll zunächst folgen und dann weitere fünf Bataillone Infanterie. Oesterreich. Im südlichen Ungarn fängt das bösartige Nervensieber aufs Neue sehr zu grassiren an. — Vom 1. August an geht die Militärver pflegung in Ungarn wieder in die Hände der Mi litärverwaltung über. — Am 7. Juni langte Prinz Albert von Sachsen von München in Wien an und bezog den „Erzherzog Carl." — Dem Ver nehmen nach wird wirklich das Niegehoffte ge schehen; die Zollschranken zwischen Oesterreich und Ungarn sollen binnen Kurzem fallen. — Die Li- guorianer, Jesuiten und Redemptoristen, welche „auf die allgemeinen heißen Wünsche des Volks" wieder in Oesterreich hier und da einziehcn, sind von mehreren Orten so ungünstig ausgenommen wor den, daß sie für gut befanden, wieder abzuziehen. Die Ercesse gegen die Juden sind ebenfalls größten- theils das Werk dieser Herren, da sie dieselben bei ihren Missionen als ein Gott wohlgefälliges Werk dargestellt und mit Ablaß belohnt hatten. Italien. In die Laden eines italienischen und eines deutschen Buchhändlers wurden explodirende Maschinen gestellt, weil sie die Bildnisse öster reichischer Feldherren ausgehängt hatten. Frankreich. Das Deportationsgesetz ward ziem lich unverändert in der Nationalversammlung an genommen. In allen den Fällen, wo die Todes strafe abgeschafft ist, tritt die Deportation in einem befestigten Raum außerhalb des Continentalgebietes des Staates ein. Die Deportirten hören auf dispo sitionsfähig zu sein, doch kann ihnen die Regierung einen Theil ihres Vermögens verabfolgen lassen. Deportationsort wird eine der Marquesasinseln, 4000 Stunden weit, sein. Der Artikel über die rückwirkende Kraft des Gesetzes ward mit 329 gegen 313 Stimmen verworfen. — Die geforderte Ge haltserhöhung für den Präsidenten der Republik erregt das größte Interesse, da die Nationalversamm lung zwar ihr entgegen ist, jedoch auch die großen Folgen nicht verkennt, welche eine Verweigerung herbeiführen könnte. — In zwei Sitzungen des Zuchthauspolizeigerichtes wurden 120 Personen we gen Vagabundirens bestraft. — Der Redacteur des