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WschcMM für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sievenlehn und die Umgegenden. MmLsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 84. Freitag, den 29. October 1873. Tagesgeschichte. Wilsdruff, 28. October 1875. Nächsten Sonntag gedenkt der Herr Landtagsabgeordnete Oehmichen allhier in einer zu diesem Zwecke anberaumten außer ordentlichen Gewcrbevereinsversammlung einen Vortrag über „sächsische Steuerverhältnisse" zu halten. Der Her? Abgeordnete, welcher bereits langjähriges Mitglied der Finanzdepulation in der 2. sächs. Kammer ist, wird in seinem Vortrage gewiß nicht verfehlen, ein klares Bild über das in großen Ziffern dem Landtag vorgelegte Budget zu geben, und dieses interessante Thema, sowie vielleicht auch noch ändere ihm vorzulegende Fragen, deren Beantwortung er gewiß nicht schuldig bleiben wird, dürfte das Interesse aller Steuerzahler in dem Maße erregen, daß diese Versammlung eine sehr besuchte werden wird. Uebrigens verweisen wir auf das in heutiger Nummer befindliche Inserat des hiesigen Gewerbevereins, sowie auch auf das Referat aus Döbeln. — Recht wacker rührt sich der sortbildende Geist in der Land- tvirthschaft, wozu namentlich die landwirthschaftlichen Vereine viel bei tragen, aber es giebt dort auch außerordentlich rührige Männer, welche weder Geld noch Zeit scheuen, wenn es gilt, etwas Gutes für die Landwirthschaft zu erreichen. So ist es jetzt nach vieler Mühe dem Herrn Vorsitzenden des Kreisvereins zu Dresden, Rittergutsbesitzer Leutritz-Deutschenbora, gelungen, einen Chemiker zu gewinnen, welcher an vier verschiedenen Orten des hiesigen Kreises agrikulturchemische Vorträge (über Land- oder Ackerbau) halten wird, wodurch den jungen Landwirthen in den stillen Wintermonaten Gelegenheit geboten wird, für wenig Geld reiche Kenntnisse zu erwerben, welche ihnen bei der practischcn Ausführung ihres Berufes sehr zum Vortheil diene» werden; wir beklagen, daß es Herrn Leutritz nicht gelungen ist, auch in unserer Stadt einen Cursus für solche Vorträge zu Stande zu bringen, möge Einzelnen, denen Interesse für diese Vorträge innewohnt, der Weg nach Kcssclsdorf oder Sora nicht zu weit sein, wo, wie aus einem Inserat in heutiger Nummer zu ersehen, an bestimmten Tagen solche Vorträge gehalten werden. — Wenn wir in voriger Nummer unseres Blattes zu einem zahlreichen Besuche des Conccrtes am Mittwoch Abend aufforderten und dabei einen wirklichen Kunstgenuß in Aussicht stellten, so freut cs uns heute, daß trotz der ungünstigen Witterung sich ein zahlreich zu nennendes Publikum eingefunden halte, welches mit größter Aufmerksamkeit der Vorführung jeder einzelnen Piöce folgte, um dann jedesmal mit um so größeren Beifallssturm jedem einzelnen Künstler zu danken, und dieß mit Recht. Wenn uns besonderes musikalisches Berständniß innewohnte, würden wir versuchen, auf jede einzelne Nummer des Programms einzugehcn. Tadel könnte dabei sowohl in Bezug aus die Wahl der Stücke als die Ausführung gegen keinen der Ausführenden ausgesprochen werden, wohl aber gegen Alle das beste Lob, namentlich müssen wir die Kunstfertigkeit der Herren Gebrüder Dechert auf Ler Violine und dem Violoncello rühmend anerkennen. Sämmtlichen Künstlern sah man trotz ihrer theilweisen Jugend den richtigen künstlerischen und dabei soliden Ernst des Lebens an. Mögen sie auf ihrer begonnenen Bahn rüstig vorwärts schreiten, und sollten sich dabei einmal ihre Schritte wieder nach unserer Stadt lenken, so mögen sie überzeugt sein, daß ihnen die ehrendste Ausnahme zu Theil wird. Döbeln, 26. October. Gestern sand hier eine außerordentlich zahlreich besuchte Versammlung des Gewerbevereins statt. Zunächst wurde die in No. 38 der sächsischen Gewerbevereins-Zeitung abge- druckte Darstellung des hiesigen Gewerbevereins in Sachen einer nach Württemberger Muster für Sachsen zu errichtenden Contralstelle für Handel und Gewerbe zur Kenntnis; gebracht und erlangte allge meinen Beifall, Gewiß wird die von hier aufs Neue angeregte Agitation für Errichtung einer solchen Centralstelle lebhaften Anklang in allen Gewerbevereinen des Landes, finden und wenn dies geschieht, die Augelegenheit in kurzer Zeit ihre befriedigende Lösung finden. Auf ergangene Einladung hatte sich der Landtagsabgeordnetc Herr Oehmichen-Chor en eingcsundcn, um einen Vortrag über sächsische Steuerverhältnisse zu halten. Herr Oehmichen, der Ehrenbürger unserer Stadt ist und sich um dieselbe vielfache Ver dienste erworben hat, war der Aufforderung des Gewerbevereins gern gefolgt und gab in seinem Vortrag zunächst einen geschichtlichen Ab riß des sächsischen Steuerwesens, dabei bis ins 14. Jahrhundert zurückgehend. Das Bestreben der Regierung, die Steuern immer möglichst gerecht zu vertheilen, anerkennend, zeigte sein Vortrag, daß dies nicht immer möglich gewesen, und daß besonders zwischen Stadt und Land immer Differenzen bestanden hätten. Vor Allem aber lernte man das stetige Wachsen der Steuern kennen, wie ja auch das letzte den gegenwärtigen Kammern vorgelegte Budget eine Mehrausgabe von 5 Millionen Mark beansprucht, die durch die Einkommensteuer gedeckt werden sollen. Der Redner, der bekanntlich seit einem Vierlcl- jahrhundert der 2. Kammer angehört und namentlich ein hervor ragendes Mitglied der Finanzdeputation ist, verbreitete sich ausführ lich über die neuen Steuergesetze, über die Mittel zur Beschaffung der Staatsersordernisse und über die Möglichkeit, das vorgelegte Budget ohne Steuererhöhung zur Ausführung bringen zu können. Der Vortrag errang allgemeinen Beifall und würde es sehr dankbar anzuerkennen sein, wenn sich auch andere Abgeordnete entschließen Würden, in ähnlicher Weise belehrende und aufklärcnde Vorträge vor einem größeren Publikum zu halten. — Schließlich sei noch erwähnt, daß auch an diesem Abend Herr Grieben eine Anzahl Gegenstände aus seiner reichhaltigen, permanenten Ausstellung vorzeigtc. Die vorige Woche ist im deutschen Kalender rolh, imrömischen Kalender schwarz angestrichen, es war ja die Woche 1) des Kaiserbe suches in Mailand, der die Fürsten und Völker Deutschlands und Italiens einander näher gebracht hat, 2) der Niederlage der Schwarzen in München. Der Adressensturm Jörg's und seiner Genossen galt dem deutschen Reiche, ihm wollte mau bei dem König Ludwig schaden, Der Angriff gegen die Wahlkreise war eine Täuschung. Deshalb sagte Minister Lutz dem Vater Jörg sofort: „Sie simulircn" d. h. Sie heucheln, Sie donnern wider die Wahlkreise und meinen das deutsche Reich. — Pfarrer Rußwurm und vollends Rath Schels heuchelten nicht mehr, sie legten ihre Lanzen gegen das deutsche Reich ein, Wider daS sie rannten wie der Stier gegen das rolhe Tuch. Herr Jörg machte ein verzweifeltes Gesicht zu der Unklugheit seiner übereifrigen Bundesgenossen und Herr Freytag sagte, es war mir als falle die Decke ein. Es war aber nicht zu ändern, das Verhängniß nahm seinen Lauf, bis der König den Faden der Verschwörung mit seinem guten Brief abschnilt und die Herren heimschickte. Herr Meglia, der römische Nuntius und Regisseur der „bayrischen Patrioten", kam während der Verhandlungen nicht vom Telegraphen weg, die tele graphischen Blitze zuckten zwischen München und Rom hi» und her. Nun sind die Herren heimgcreist, die vom Lande mit neuen Regen schirmen, Uhrketten und Hüten ausstasfirt und durchaus weder „be drängt durch die friedlose Lage der Gegenwart, noch geängstigt durch die Gefahren der Zukunft", sondern kreuzfidel, wie versichert wird, daß die Sache zu Ende ist. Daheim angekommen, fanden sie schon den Brief des Königs überall angeschlagen, was ein fataler Empfang war. Wir haben nur noch ei» paar Herren den Lesern vorzustellen! Pfarrer Ruß wurm, Dekan in Amberg, Abgeordneter und Reichstags- mitglicd, als Redner plump und leidenschasttich, aber nicht unwirksam; ferner: Schels, leidenschaftlicher noch als Nnßwurm und cynischer. Diese beiden waren es, die dem Faß den Boden ausschlugen. Kaiser Wilhelm und die Italiener sind miteinander außen ordentlich zufrieden. Hell und frisch wie aus einezn guten Brunness quellen die Geschichten. Als General Cialdini den Kaiser begrttM, und ihm zu den Siegen von 1870 beglückwünschte, sagte der Kaiser : Nicht an mich haben Sie Ihre Complimente zu richten, sondern an meinen Generalfeldmarschall Moltke, der hat alles geleitet. — Der