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Tatze blatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträche zu Freiberg u. Brand. HS8. Erscheint I. Freiberg jed. Wvchent.Ab. KU. für den and. Tag. Jnser. werden bt« V. 1l U. für nächste Nr. äugen. Dienstag, den 18. Marz Prei« v^rteljLhrl. 2ö Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder derm Raum mit 8 Pf, berechnet. ML. wichtigsten Stellungen, der zufällig in meiner heutigen Post ent halten ist und mich eigener Aeußerungen überhebt. (Der Minister präsident verliest einige Stellen aus einem GesandtschaftSbexicht nestesteN Datunis, der fast wörtlich Folgende- enthält: „Die in Frankreich gewünschte Revanche knüpft sich an die Heraufbeschwörung religiöser Zerrissenheit in Deutschland. Die deutsche Einheit UM Kraft soll durch diesen Zwiespalt lahm gelegt werden, und dß» / gesammte CleruS, von Rom geleitet, soll in Verbindung mh diesB ' Bestrebungen der römischen Hoffnungen auf Wiederherstellung der , weltlichen Macht he« Papstes dienstbar sein. In Frankreich, ist eine gegenseitige Vereinbarung oder besser Dupirung des clerieatep - und nationalen Interesse« nur möglich, sobald dort der CleruS hie Rache an Deutschland und die Wiederherstellung des Supremat« auf seine Fahne schreibt, unter welcher RegierungSsorm die« auch immer sein möge. So hofft man dort stark zu werden, während in Deutschland durch die wohlorganifirte, von Rom, Pari« und Brüssel aus geleitete Arbeit des Eleru« kirchliche Zerwürfnisse bereitet werden sollen." In eiyem anderen Passus heißt eS: „Man mache sich keine Illusionen darüber, daß gleichzeitig mit der Revanche an Deutschland auch eist Schlag gegen Italien vorbereitet werden soll, so daß, wenn Deutschland durch die kirchlichen AerwürfnM ; paralyfirt oder zerrüttet ist, daS clericale Element in Italien setzt« _ Fahne aufpflanzt." Das ist die Ansicht eines gewiegten Diplomaten, der doch nicht für den Gebrauch bei den parlamentarischen Debatte» geschrieben hat, sondern seine Ueberzeugung seinem Könige vortrügt. ES giebt eine Partei, deren Ideal in der Zeit liegt, in der da« - Commando deS Rittmeisters schwächer wird, als der Einfluß de- Beichtvaters. Dann wäre es zu spät, um mit Herre von Waldaw die Leute niederzuschlagen. Wir aber wollen die Leute so erziehen, daß sie nicht niedergeschlagen werden müssen und das Verderben im Keim ersticken. Der Beichtstuhl bleibt immer noch ein hinlänglich mächtiges Mittel, namentlich für Geistliche anderer Nationalität, aber wenigstens wird man wünschen, solche Geistliche, deren Be nutzung deS Beichtstuhls in dieser Weise bekannt wird, nicht zu Schulinspectoren zu machen. . Die Abstimmung deS Herrenhauses, welches mit 126 gegen 76 Stimmen das SchulauffichtSgesetz genehmigte, ist mehr als ei« parlamentarischer Sieg, mehr als der Triumph einer einzelne« Re form. Sie ist durch Bismarcks Rede, durch die Niederschmetteruug des JunkerthumS und heS UltramontaniSmuS, zum Wegweiser für die Politik Deutschland- auf lange Jahrzehnte hinaus geworden. In Oesterreich hat das liberale Ministerium Auersperg einen sehr verkehrten Schritt gethan. Der CultuSmiuister beschied näm lich die an die päpstliche Unfehlbarkeit nicht glaubenden Altkatholikrn dahin, daß ihre kirchlichen Handlungen keine staatliche Berechtigung ' zu beanspruchen hätten, es sei denn, daß sie sich als Dissidenten austhäten. Man betrachtet also von Seiten der Regierung die Alt katholiken als das Gegeutheil von dem, wofür sie sich selbst halten: für echte Katholiken. Die Infallibilisten Mel» natürlich über diesen ministeriellen Erlaß, aber wie unS scheint, etwa« zu früh, denn die öffentliche Meinung der gebildeten Kreise ist sehr unzu frieden mit jene« Bescheide Und wird der Regierung im Reich«- rath mit Interpellationen zufetzeü. ES wird sich dann zeigen, ob das Ministerium den Erlaß aufrecht erhalten kann. — Im un ga« rischen Abgeordnetenhaufe befolgt die Opposition, um das Wahl gesetz nicht zur Abstimmung gelangen zu lasten, eine Taktik die nur m dtN ehemaligen polnischen Reichstagen ihres Gleichen findet. Man macht nämlich so viel Skandal,, daß Niemand sein, eigene« Wort versteht und eiste Abstimmung daher unmöglich wird. Wie e« heißt, will die Regierung noch einige Tage warten, ob di« Op position zur Vernunft, d. h. zu parlamentarischer Ordnung zurück« Mt, Ist die« nicht der Fall, dann sott dem Skandal ein GH? 4- Freiberg, 11. März 1872. Der große Kampf im preußischen Herrenhause um das Schul- aufsichtSgesetz endete mit dem Siege des Fürsten Bismarck. Nicht blo« Deutschland, ganz Europa wär auf den AuSgang dieses Kampfe« gespannt. In allen denkenden Kreisen wird derselbe nicht nor al« ein Kampf für die Unabhängigkeit des StaateS gegen eine mittelalterlich-kirchliche Mediatifirung, sondern gleichzeitig auch als ein Kampf deutschen GemütheS uild deutschen Gewissens gegen je- suiüsch-römische Derderbung bettachtet. CS ist begreiflich, daß ein Mann, der an der Gründung eines StaateS einen hervorragenden Antheil gehabt, sich auch um die Erhaltung und Sicherheit dessel ben mehr Sorge macht, als andere Leute. Manche Menschen sind um einmal, allen staatlichen Dingen gegenüber, geborene und un- verbesserliche Philister. Etwas Großes macht sie niemals warm md heiß; ihre kleinen häuslichen Geschäfte besorgen sie vielleicht ganz ordentlich; aber ob der Staat gesichert ist oder zu Grunde geht, daS ist ihnen völlig einerlei und liegt äußer ihrem GesichtS- kei«. Sie haben sich niemals Rechenschaft davon gegeben, wie Staate» entstehen und erhalten werden; sie halten allenfalls ihren Mütchen Gang in der Tretmühle für ein Mittel zur Erhaltung de« Staate«, ab« einen Begriff von den Grundeigenschaften, Eigen« thümltchkriten und LebeäSbedtngungen ihre« Vaterlandes haben sie nicht. Diese Geister, die den Wald vor Bäumen nicht sehen, ver mochten schon bei den Verhandlungen de« Abgeordnetenhauses nicht zu begreifen, warum man denn dem Schulaufsichtsgesetze eine so . große Bedeutung für daS deutsche Reich zuschreiben sollte. Die Bekämpfung her welflschen Umtriebe durch den Reichskanzler war ihnen unverständlich oder erschien ihnen übertrieben. Sie kamen nicht auf den Gedanken, der doch ziemlich nahe lag, bei dem Worte welfifch an alle politische Gegnerschaft zu denken, die neben der je suitisch-römischen unser Deutschland zu bestehen hat. Mit den Je suiten in Rom und in unserer Mitte thun sich die auswärtigen Mächte, die unS feindlich find, zusammen; mit den kirchlichen Fein den, die uns nachstellen, verbrüdern sich die politischen; dies hat der deutsche Reichskanzler dem Herrenhause erläutert, indem er sagte: WaS unS geleitet hat, diese« Gesetz aus dem UnterrichtS- gesetz herüber zu nehmen und gerade jetzt nicht mehr die Geduld zu haben, die wir früher hatten, daS war die Erwägung, daß wir früher in einem ganz von Europa beneideten konfessionellen Frieden gelebt haben, und zwar auch mit der Loufession, mit welcher eS für eine evangelische Dynastie am schwierigsten ist, mit der römisch- katholischen. Dieser Frieden fing an, minder sicher für uns zu werden von dem Augenblick, wo Preußen und mit ihm die evan gelische Dynastie eine stärkere Entwickelung nahm. So lange zwei katholische Großmächte in Europa wärest, von denen jede eine stär kere Basis für daS katholische BedÜrfniß bot, als Preußen, haben wir den Frieden gehabt. Dieser Frieden wurde schon bedenklich augeseindet nach dem österreichischen Kriege; als damals die Macht, die in Deutschland so lange das katholische Princip aufrecht er halte» hatte, 1866 im Kriege unterlag und die Zukunft Deutsch land« in die Hand eine« evangelischen StaateS gelegt wurde. Aber «an verlor die Ruhe auf der anderen Seite vollständig, als die zweite katholische Hauptmacht in Europa denselben Weg ging und MS eine Macht zUfitl, die Mit Gottes Hilse in unserer Hand blei ben wird. So ist wenigstens die Thatsache bestätigt, daß gleich zeitig Mit Preußen« Wachs'thum sich eine Verminderung des kon fessionelle» Friedens herausgestellt hat. Inwieweit das mit den Absichten einer Partei zusammeuhängt, Waffen für ihre Zwecke ist die Hände zu bekommen, und inwieweit diese Auffassung vom di plomatisches Standpunkte geihdilt wird, das charakterisier am besten tzn Bericht eines unserer hervorragendsten Gesandten in einer der