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MMufferTaMatt I Wilsdruff-Dresden Montag, den 26. Juni 1933 Postscheck: Dresden 2640 Telegr.°Adr.: „Amtsblatt Nr. 146 — 92. Jahrgang Milsdrnffer Draeblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschafi Meisten, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: Lie 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpsg., die gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennige, die »gespaltene A-Klamczeile im textlichen Teile 1 RM. Nachweisungsgebühr 20 Reich-psennige. Darge, schrieben- Erscheinung-. .. tage und Plakaorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berüch^chtrgt? Antigen. annahmebis°orm.l0Uhr. — Für di- Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder Ser Auftraggeber in Konkurs gerät. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend „Auf einen groben Klotz.. ihre Flugblattsendungen über Berlin herunlerfallen ließ, weiß nicht bloß Deutschland selbst, sondern das kann sich und wird sich auch die ganze Welt ohne werteres sagen. Wir und diese Welt sind um erne „Sensation reicher, allerdings um eine solche, die draußen überall dort, wo man dem neuen Deutschland von Herzen alles üble «wünscht, sicherlich zunächst mit hämischer Freude ub^ Liesen „überfall" begrüßt wird, dann aber, bei einigem Nachdenken, doch Wohl die „besorgten" Fragen laut wer den läßt: Was wird diese deutsche Regierung nun tun, um sich und Deutschland gegen eine etwaige ^ortse^ng dieses politischen Luftbombardements zu schien. DM doch in dieser Negierung, und zwar noch als Reichs- unnister für die Luftfahrt, ein Mann, der ^Kriege, und zwar in der für Deutschlands Luftwehr so besonders «schweren Zeit von 1918 die beste deutsche ^lugkampfstaM aeführt hat, Hermann Göring, und wird er sich nun heute nicht mit derselben Rücksichtslosigkeit wie da mals für Deutschlands Verteidigung m der Luft emsetzen? Würde er dabei nicht die lauteste Zustimmung «des ganzen deutschen Volkes finden, dem auf diese Weise, wie es am 23. Juni geschah, nun einmal in drastischster Weise vor Augen geführt worden ist, daß es »anz besonders in der Luft wehrlos jedem Verbrechen, «jedem Angriff — und nicht bloß mittels Flugblätter- -paketen — ausgesetzt ist? Nicht die selbstverständliche deutsche Entrüstung über das Gebaren dieser ausländischen Flieger über Berlin -und Deutschland kann aber Eindruck im Ausland machen, -sondern nur eine Tat. Bemerkenswert ist übrigens die Feigheit dieser Flieger, die alle die Nationalität kennt lich machenden Abzeichen entfernten. „Das war kein Heldenstück, Oktavio!" Das war ein heimtückischer Überfall von hinten, und dies sogar, obwohl man wußte, Laß die deutsche Luftpolizei ohnmächtig ist, eine Reichs- luftwehr überhaupt nicht besteht, Deutschland nicht einmal Kuftabwehrmaßnahmen besitzen darf. So feig aber wie die Täter selbst sind auch ihre Hehler, die es geben mutz, weil die amtliche Kontrolle der Luftfahrt, besonders in den europäischen Ländern, bis Kn den letzten Winkel hinein durchorganisiert ist. Ein ^achselzuckendes „Ich weiß von nichts!^ von der Luftpolizei irgendeines benachbarten Staates, der als Ausgangs punkt für diesen politischen „Raid" in Frage käme, wäre Mon — ein halbes Bekenntnis. Gerade angesichts des Unerhörten dieser Tat kann man den Tätern selbst, aber auch ihren Mitwissern und Verführern fast — dankbar sein für den drastischen Anschauungsunterricht, den sie dadurch dem ganzen deutschen Volk erteilt haben! Nun steht es nicht bloß mehr auf dem Papier, daß jede deutsche Stadt durch die rings um uns stehenden startbereiten Schnell-Flug zeuge in kürzester Frist und ohne jede Behinderung er reicht und „entsprechend" behandelt werden kann, wenn es ernst wird. Damit ist erneut die Notwendigkeit erwiesen, den Luftschutz nicht bloß passiv, sondern nun endlich einmal aktiv auszubauen. Auf diesen Klotz gehört ein ganz ordentlicher Keil! Und sicherlich wird man im deutschen Volke nach Überwindung der zähneknirschenden «Entrüstung über diese feige Tat innerlich und äußerlich der festen Überzeugung sein: Unsere Regierung der nationalen Tat wird es an einem lolchen „K eE s icheLl i ch n i cht f e h l e »lassen! M Sohn ans die Gleichberechtigung! Mer Fliegerüberfall auf di« wehrlose / Reichshauptstadt. / Der Staatssekretär des Luftsahrtsministeriums, Milch, äußerte sich vor Vertretern der Presse über den ungeheuer lichen Vorfall, der sich am Freitagnachmittag mit der «überfliegung der Reichshauptstadt durch «»bekannte fremde Flugzeuge und Abwurf von Flug blättern mit Beschimpfungen gegen die Reichsregierung zugetragen hat. über den Vorgang teilte er zunächst mit, daß in einer Hohe von 3000 Meter ein oder zwei Flugzeuge die die Reichshauptstadt überflogen, festgestellt worden seien. Di« überfliegung Berlins sei durch die Wetterlage außerordentlich begünstigt worden, da durch niedrig Hangende Wolken, die nur teilweise durchbrochen waren, die Flugzeuge sich unbemerkt Berlin nähern konnten. Es ist ferner mit Sicherheit sestgestellt worden, daß es sich um Doppeldecker handelt. Kurz vor der überfliegung Berlins haben Be obachter bei Kottbus zwei von Süden kommende und in Richtung Berlin fliegende Flugzeuge gesehen. Es handelt sich zweifellos um ausländische Ma- schinen, denn Flugzeuge von der beschriebenen Bauart albt es m Deutschland nicht. Später abends sind übrigens RemsM der emMWll MW. Bo-etschwingh gibt feinen Auftrag als Michsbischos zurück. Wie von der Kanzlei v. v. Bodelfchwinghs Mitgeteilt wird, hat der nominierte Neichsbischof in einer Sitzung des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses in Eisenach folgende Erklärung abgegeben: „Durch die Einsetzung eines Staatstommissars für den Bereich sämtlicher evangelischer Landeskirchen Preußens ist mir die Möglichkeit genommen, die mir über tragene Aufgabe durchzuführcn. Das nötigt mich, den mir vom Deutschen Evangelischen Kirchenbund erteilten Auftrag zurückzugeben." Oie gewählten Kirchenvertretungen in Preußen aufgelöst. Kommissarische Aktion gegen den Evangelischen Oberkirchenrat. Der Staatskommissar für die evangelischen Kirchen Preußens teilt mit: 1. Getragen von der Verantwortung gegenüber dem Werk der Reformation und beseelt von dem unbeugsamen Willen, der Zerrissenheit im Kirchenvolke ein Ende zu machen, hat mich der Herr preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung zum Kommissar für sämtliche evangelischen Landeskirchen Preußens mit der Vollmacht bestellt, die zur Beseitigung der vorhandenen Verwirrung und zur Verhütung weiterer Zerreißung und Auf spaltung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. 2. Ich übernehme hierdurch die Führung der Geschäfte sämtlicher evangelischen Landeskirchen Preußens. Ich beauftrage mit der vorläufigen Weiter führung der Geschäfte die bisherigen Stellen. 3. Der Geschäftsverkehr der evangelischen preußischen Landeskirchen mit dem Deutschen Evangelischen Kirchen bund erfolgt ausschließlich über meine Person. Ich beurlaube mit sofortiger Wirkuna den Vizepräsidenten des evangelichen Obcrkirchenrates Hundl in Berlin und den Generalsuperintendenten Schian in Breslau. 5. Ich löse mit sofortiger Wirkung sämtliche gewählten kirchlichen Vertretungen in den evangelischen Landeskirchen Preußens auf. 6. Weitere Anordnungen folgen. Der Kommissar, gez. Jäger Kommissarische Übernahme des evangelischen Preßverbandes. Vom Evangelischen Preßverband für Deutschland wird mitgeteilt: Die Herren Privatdpzent Dr. Hans Michael Müller-Jena und Stadtverordneter Max Greve- meyer-Berlin sind kommissarisch mit der Über nahme der Geschäftsführung des Evangelischen Preßver bandes für Deutschland e. V. beauftragt. Zunächst werden die Herren Direktor Prof. v. Hinderer und v. Liep mann mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Gez. Jäger, als Kommissar für sämtliche evange lischen Landeskirchen Preußens, gez. Ludwig Müller, der Beauftragte des Reichskanzlers für die Angelegen heiten der evangelischen Kirche. Zur Begründung wird mitgeteilt: „Die Aktion gegen die bisherige Leitung des Evange lischen Preßverbandes für Deutschland ist eine ent scheidende Teilhandlung innerhalb der von Kommissar Jäger durchgeführten Notmaßnahme. Da der Verband ein eingetragener Verein ist, untersteht die Aktion zugleich dem Bevollmächtigten des Reichs kanzlers, Wehrkreispfarrer Müller. Die nationalsozialistische Revolution steht in ihrer vielleicht entscheidenden zweiten Etappe. Es geht um die restlose, von unserem Führer Adolf Hitler gerade in der letzten Zeit neugeforderte Einheit von Volk und Staat — nicht zuletzt auch in der evangelischen Kirche —, um die hier nach den Vorkommnissen der letzten Woche nun unvermeidliche Maßnahme betreffend die Kirche als irdische Organisation und völkische Gemeinschaft. Fortsetzung nächste Seite. auchinderPsalz fremde Flugzeuge gesichtet worden, obwohl nicht feststeht, ob diese Flugzeuge mit dem Ber liner Vorfall in Zusammenhang zu bringen sind. Fest steht aber, daß es sich auch hier nicht um deutsche Flug zeuge gehandelt hat. Der Staatssekretär erinnerte dann an die über fliegung italienischen Bodens durch fremde Flugzeuge in früherenJahren. Es habe sich damals um einschwierigeres Unterfangen gehandelt, da man zunächst ja das Alpen massiv überfliegen mußte. Damals sei ein Teil jener Flugzeuge verunglückt, was gestern leider nicht der Fall gewesen sei, denn die ausländischen Flugzeuge sind unversehrt entkommen. Staatssekretär Milch ist der Ansicht, daß die fremden Flieger Verbindung mit in Deutschland lebenden Kreisen gehabt haben müßten; denn zur gleichen Zeit, als die fremden Flieger über Berlin erschienen, wurden vom Hochhaus „Berolina" Flugblätter anderen Inhalts ab- geworsen, die ebenso wie die von den Flugzeugen ab- geworfenen Schriften aufgegriffen und der Polizei zur Verfügung gestellt wurden. Möglicherweise hat auch die in Deutschland verbotene SPD. ihre Hand im Spiele gehabt. Was die in der deutschen Presse an die Regierung ge richtete Aufforderung angehe, Verhinderungs maßnahmen zu treffen, so könne dazu zunächst nur gesagt werden, daß Deutschland die einzige Großmacht sei, die nicht genügend Mittel zur Abwehr derartiger oder gar ernsterer Angriffe besitzt. Wenn die Luftpolizei gestern Flugzeuge zur Verfügung gehabt hätte, dann würde zum mindesten die genaue Feststellung der fremden Flugzeuge möglich gewesen sein. Der Staatssekretär ging dann auf die schleppen- d e n V erhandlungen in Genf, insbesondere über die Luftfahrtfrage, ein, die bisher noch keine irgendwie Starteten Erfolge hinsichtlich der Luftabrüstung gehabt Die deutsche Negierung müsse, nicht erst durch die gestrigen Vorfälle veranlaßt, dringend in Genf fordern, daß die deutsche Gleichberechtigung hergestellt werde. Das geschehe am besten durch die Abrüstung der anderen. Deutschland könne sich nicht mit einer Vertagung der Genfer Konferenz begnügen und müsse verlangen, daß letzt endlich eure E n t!ch^.4d un a falle. Wenn die anderen in der Lust abrüsteten, würden solche Vorfälle oder gar schlimmere nicht möglich sein. Staatssekretär Milch schloß seine Ausführungen mit der Feststellung, daß die Reichsregierung der Frage allerer» st este Bedeutung beimesse. Auch über -er Pfalz! Im Zusammenhang mit dem Erscheinen auslän discher Flugzeuge über Berlin verdient Beachtung, daß am Freitagabend, etwa um 19.30 Uhr, zwei Flugzeuge in ungewöhnlicher Höhe, über 3000 Meter, über der Pfalz von Osten nach Westen flogen. Nach Angaben sachverstän diger Leute handelt es sich um Grotztypen, wahr scheinlich mit zwei Umlaufmotoren, wie sie bei großen Überlandflügen Verwendung finden. Die Flugzeuge wurden u. a. über Ann Weiler, Ninntal und Lan dau (Pfalz) gesichtet. Da deutsche Verkehrsflugzeuge normalerweise nicht höher als 1500 Meter und außer dem einzeln fliegen, besteht der Verdacht, daß es sich hier um ausländische Maschinen handelt. Flugblätter über Thüringen abgeworfen Der Referent für das Luftschutzwesen in Weimar, Polizeihauptmann Rieckhoff, teilt mit, daß die aus ländischen Flieger auch über Thüringen geflogen sind und, wie die Abgabe von Zetteln auf dem Polizei präsidium in Weimar beweist, auch dort Flugzettel abgeworfen haben. Neichsstatthalter Sauckel hat sofort in zwei Telegrammen nach Berlin an die zuständigen Stellen schärfsten Protest gegen die Überfliegung Thüringens durch ausländische Flieger eingelegt und Schutzmaßnahmen gefordert. Luftschutz für Berlin gefordert. Der Berliner Oberbürgermeister Dr. Sahm richtete an den Reichskanzler und an den preußischen Minister präsidenten ein Telegramm, in dem angesichts der bedroh lichen Lage der Reichshauptstadt jedem Luftangriff gegen über die dringende Bitte ausgesprochen wird^ „alle Möglichkeiten zu erschöpfen, um diesem un - möglichen Zustande abzuhelfen". Telegramme ähnlichen Inhalts wurden ferner von dem Oberbürgermeister der Stadt Essen, dem Düssel dorfer Regierungspräsidenten, der Breslauer Jndustrie- und Handelskammer und dem Deutschen Lustsportverband Rheinland abgesandt.