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Dresdner Journal : 03.08.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189608030
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960803
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960803
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-08
- Tag 1896-08-03
-
Monat
1896-08
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 03.08.1896
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vez„«»ret«. Für Dresden vlenriiährtlch 2 Mart 50 Ps, bei den kaiser- lich dtui chti, Poftanstalten vierteljährlich 8 Mart; außer halb des Deutschen Reiches Post- und Stempelzuschlag, tinzelne Kümmern: 10 Ps Erscheine«: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abends. Fernspr-Anschluß: Nr.»S9L. Dresdner M Aomnal. AnkündigunsSgebühreu: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner «christ St) Ps Unter „Eingesandt" die Zeile bu Ps Bei Tabellen- und Zissernsatz entsprechender Ausschlag Herausgeber: Königliche Expedition de» Dresdner Journal- Dresden, Zwingerslr SO. Fernspr -Anschluß: Nr I LN.r. ÄS 178. 18S6. Montag, den 3. August, abends. Amtlicher Teil. Tres-eo, 3. August. Ihre Kaiser!, und König!. Hoheit die Frau Prinzessin Friedrich August, Herzogin zu Sachsen, ist heute Vormittag 8 Uhr 50 Min. nach Langreith bei Salzburg gereist. Dresden, 27. Juli. Mit Allerhöchster Genehmigung hat die Wahl des Geheimen Hofrates, Professor vr.jur. Emil Friedberg in Leipzig zum Rektor der Universität daselbst für das nächste Universitätsjahr die erforderliche Bestätigung erhalten. Dresden, 31. Juli. Se. Majestät der König haben Allergnüdigst geruht, dem Rechtsanwalte Franz Bruno Liebe in Chemnitz das Ritterkreuz 1. Klasse vom Albrechtsorden zu verleihen. WekannLnrachung, die Concessionirung der Hanseatischen Feuer- Vechchermigs-Gesellschaft in Hamburg betr. Der Hanseatischen Feuer Versicherungs-Gesellschaft in Hamburg ist auf Grund deren revidirten Statuts vom 26. Juni 1885 in Gemäßheit von 8 2 des Gesetzes vom 28. August 1876 Genehmigung zum Betriebe der Feuerversicherung im Königreich Sachsen unter den durch das angezogene Gesetz in Verbindung mit den Gesetzen vom 18. Oktober 1886 und vom 5. Mai 1892, sowie durch die Verordnungen vom 20. November 1876, vom 19. Oktober 1886 und vom 8. Dezember 1892 vorgeschriebencn Bedingungen und Beschränkungen, mit Vorbehalt des Widerrufs, ertheilt worden. Dresden, den 28. Juli 1896. Ministerium des Juneru. Für den Minister: 63W v. (sharpentier. v Ferber. Ernennungen, Versetzungen rc. tm öffentlichen Dienste. Departement drS Innern. Berscht: Regierungsrath Eduard Ernst Freiherr von Gruben bei der Amtshauptmann- schast Großenhain zur KreiShauptmannschast Zwickau. Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Zu besehe»: die dritte ständige Lehrerstcve in Lichten tanne. Kolator: die oberste Schulbehörde. Einkommen: 1^00 M Gehalt und sreie Wohnung. Gesuche sind unter Bei- sügung sämtlicher Prüfung- und AnUssührungszeugnisse bi« zum 19. August bei dem K. Bezirksschulinspeltor Schulrat Lohse in Zwickau einzureichen; — eine ständige Lehrerstelle in Planitz Kollator: die Gemeinderäte daselbst. Einkommen: 1050 M Gehalt, 160 M. Wohnungsgeld sür einen unver heirateten. 220 M. sür einen verheirateten Lehrer. Der Gehalt erhöht sich mit dem vollendeten 25. Lebensjahre des Stellen inhabers aus 1150 M und steigt dann nach je 3 Jahren bis zum vollendeten 49 Lebensjahre aus 2460 M oder 2520 M. einschließlich des Wohnung-gelbes. Gesuche sind unter Bei fügung sämtlicher Prüfung-- und AmtssührungSzeugnisse bis zum 19. August bei dem Gemeindevorstand in Oberplanih ein zureichen. «eneraldirektion der Königlichen Sammlungen für Kauft und Wissenschaft. Der bisherige Königliche Schloß- pvrner Bernhard Anton Posselt ist als Aufseher bei den Königlichen Sammlungen angestelll worden. Nichtamtlicher Teil. Tie Politik der vorigen Woche hat die Sozialdemokratie und die kretensische An gelegenheit ini Vordergrund des öffentlichen Interesses gesehen. Nachdem die „internationale, revolutionäre, völkerbefreiende Sozialdemokratie" in Lille eine un erwartete Schlappe erlitten hat, ist sie auf dem Londoner Kongreß bemüht gewesen, jenem ersten üblen Kunst und Wissenschaft. Neue deutsche Klassiker. Von Adolf Bartels. Klassiker werden langsam geboren. Es ist ja einmal der Lauf der Welt: je größer und bedeutender etwas ist, um so mehr wird es bestritten, und das gilt auch für die großen Dichter, die zunächst gewöhnlich nur eine kleine Gemeinde, aber ungewöhnlich viele und heftige Gegner haben Dann, meist erst nach dem Tode des Dichters, wächst die Gemeinde nach und nach, die Zeit- und Schein talente, die das Genie bei der großen Menge um den Erfolg brachten, treten zurück, die Gegner sterben, und eines Tages merkt man, daß der Dichter bei der ganzen Nation etwa» gilt. Sind nun um dieselbe Zeit ältere Klassiker allmählich in Vergessenheit geraten und macht sich da« Bedürfnis, die Zahl der anerkannten „führenden Geister"' der Nation zu vermehren, geltend, so werden dem komo vovu» auch die Klassikerehren zuerkannt, d h von seinen Werken erscheinen immer neue und billigere Ausgaben, seine Dramen, wenn er welche ge schrieben, verschwinden nicht mehr vom Spielplan der Bühnen, und die Litteraturforschung macht sich über ihn her, froh, die Gelegenheit neuer Kärrnerarbeit gefunden zu haben Ein Menschenalter ist das mindeste, was ein Dichter gebraucht, um als Klassiker neu geboren zu werden, wenn er nicht, wa« auch hin und wieder geschieht, gleich mit einer ganzen Zeit klassisch wird. Bei un» Deutschen liegt gegenwärtig das Bedürfni», neue Klassiker zu „kreieren", vor; die alten sind mit Aus nahme Goethes und Schiller» alle etwas in den Hinter grund getreten, und die Litteratur der Gegenwart befrie digt weniger denn je, da sie einen bestimmten Cliquen charakter leider nicht hat abstreifen können Bei einigen nnserer sogenannten „nachklassischen" Dichter ist die Er- Emdruck einige neue ähnlicher Alt hinzuzufügcn. Wo diese Herren sich zu großen Friedenskundgebungen versammeln, giebt es gewöhnlich Raufereien und Skandale: wo sie ihre innere Eintracht bezeugen wollen, kommt das Gegenteil zum Vorschein und während sie mit üblichem Pathos ihre Glückseligkeits lehren verkünden, schlagen sich aller Brüderlichkeit und Gleichheit sozialdemokratischen Glaubens zum Trotz, die Arbeiter aus Brotneid oder aus einem andern ganz unsozialistischen Grunde miteinander herum. Allerdings gehen die Herren Kongreßmitglieder selbst ihren „Genossen" mit manch gutem Beispiel voran, und wenn die Einwohner von Lille die Londoner Berichte lesen, werden sie sich ganz wie zu Hause fühlen. In welcher Tonart die Abgesandten der So zialdemokratie sich gegenseitig behandelten, kennzeichnet die „Sun" mit den Worten: „Keine Kapitalisten und keine Bourgeois hätten böser geschmäht werden können. „Verfluchter Tyrann", „Herunter mit dem schmutzigen Hund", „miserabler Geselle", das waren noch die mildesten Bezeichnungen." Und in einem anderen Bericht aus London heißt cs: „Den englischen Ar beiterführer John Burns, welcher doch immer noch unter den Leitern des vierten Standes in England die erste Stelle einnimmt, widern die Vorgänge auf dem internationalen Kongresse an. Während die Herren in Langham Hall lärmten und rauften, be mühten sich die Vertreter der englischen Arbeiter iin Parlament, drei nützliche Bills, die Bergwerksvorlage, die Bill zur Einsetzung von Versöhnungsämtern und die Truck-Bill, durch das Unterhaus zu bringen. John Burns charakterisiert den Kongreß als eine un harmonische Versammlung von entzweiten Elememen, welche infolge der Verschiedenheit ihrer Grundsätze und Taktik niemals etwas Gutes für die Sache der Arbeiter ausrichten kann. „„Wenn sie es wünschen, mögen sie eine internationale Sozialistenversammlung und eine internationale Anarchistenversammlung ab halten. Soll aber die Arbeiterbewegung auf inter nationaler Grundlage durchgesetzt werden, so wird niemals ein Erfolg zu verzeichnen sein, wenn sie mit Bestrebungen verquickt wird, welche nur eine gedeihliche Entwickelung hindern können."" Sich mit der Sozialdemokratie besonders zu be- sassen, gaben in diesen Tagen auch die Erlasse des preußischen Kriegsministeriums und das bekannte Er kenntnis des Oberverwaltungsgerichts in der Kol- berger Affaire Veranlassung. Letzteres spricht mit wohlthuender Deutlichkeit aus, daß die Beamten, auch die mittelbaren, die Pflichten ihres Amtes ver letzen, wenn sie die Bestrebungen einer politischen Partei, welche die Grundlagen der bestehenden Rechts und Staatsordnung grundsätzlich bekämpft, bewußt unterstützen oder fördern. Dies soll nicht heißen, daß die Sozialdemokraten außerhalb des gemeinen Rechts stehen, sondern nur, daß das, was ihnen gewährt werden kann, aber nicht gewährt werden muß, ihnen von den Behörden in keinem Falle zuzugestehen ist; denn sie sind immer aufzufassen als eine Partei, welche die Grundlagen unserer Staats- und Gesell schaftsordnung rücksichtslos bekämpft. „Dieser Stand punkt" — schreibt die „Kreuzztg", „ist vollständig zu billigen. Schon bei Beratung des sogenannten „Um- sturzgesetzes" haben wir darauf hingewiesen, daß die bestehenden Mittel, der Sozialdemokratie entgegen zutreten, vollständig zu erschöpfen seien, und es giebt sehr viele Mittel und Wege für die Behörden, dem Volke den Unterschied zwischen dieser revolutionären Partei und anderen Parteien erkennbar zu machen. Die Einwendungen, welche von liberaler und ultra- montaner Seite gegen dieses Urteil erhoben werden, sind völlig unzutreffend. Das „B. T." sagt, jede Thätigkeit eines Beamten, die einen Sozialdemokraten betrifft und den Interessen desselben dienlich ist, könne danach schon eine Pflichtwidrigkeit begründen und zu einer Ordnungsstrafe für ihn führen. Um das Urteil des Oberverwaltungsgcrichts lächerlich zu machen, ver weist es auf die Post, welche sozialdemokratische Zeitungen befördere, und meint, die Polizeibehörde dürfe auch keine Bauerlaubins für sozialdemokratische Versammlunstsbauten geben. Das ist etwas ganz anderes. Die Post hat eben Zeitungen zu befördern, und die Bauerlaubnis muß auch gegeben werden, wenn nicht technische Gründe dem widerstreiten. Aber ein Saal, der ebenso gut verweigert als überlassen werden kann, soll nicht der Sozialdemokratie preis gegeben weiden; überhaupt sollen die Behörden den Sozialdemokraten das gewähren, wozu sie gesetzlich verpflichtet sind, aber kein Tüttelchen mehr." Tie Züricher Unruhen haben wir schon oben in direkt erwähnt; inwieweit sie sozialistischen Charakter Lruegn, ist bereits an dieser Stelle betont worden. Die „Neue Zür. Ztg." macht jetzt für die Vorkomm nisse bestimmte Elemente der in Zürich lebenden Deutschen mit verantwortlich. Das Blatt schreibt: „Von verschiedenen Seiten gehen uns zum Teil in sehr kräftigen Ausdrücken abgefaßte Proteste gegen die Art zu, wie sich eine gewisse Sorte des deutschen Elementes in den Händeln der letzten Tage bemerkbar machte. Es scheint, daß unsere Landsleute nament lich durch höhnische und großsprecherische, jedenfalls gehässige und taktlose Aeußerunqen erbittert wurden, die sich deutsche Helfer und Gesinnungsgenossen der Krak»hler vor der Kaserne gegen unser Militär ge statteten." Das Züricher Blatt scheint unter der „ge wissen Sorte des deutschen Elementes" in Zürich lebende Sozialisten oder Anarchisten zu verstehen. Wenn dem so ist, hätte man wieder ein hübsches Stücklein, das sich gerade jetzt nach der Londoner „Friedens"-Resolution recht passend anhörte. Hierbei sei übrigens ein scharfer Angriff der „Münch. Allg. Ztg." auf die behördlichen Organe in Zürich erwähnt: „Die schlaffe Regierung in Zürich, welche vor lauter Freiheit nicht mehr weiß, daß Ordnung halten, auch wenn es nicht populär macht, erste Pflicht ist, wurde bekanntlich erst am Mittwoch Herr der Bewegung. Wenn es sich um Verdienst und Geld handelt, ge bärdet das Asyl der europäischen Freiheit manchmal sehr ungemütlich. Doch Zürich ist nicht die Schweiz, und man darf hoffen, daß der gesunde Bürgersinn der Schweizer aus dem häßlichen Vorkommnis die Erkenntnis schöpft, daß Mangel an Autorität der schlimmste Feind der Freiheit ist." Ter derzeitige Stand der krete nsischeu An gelegenheit wird durch das scheinbare Abrücken Englands von den anderen Großmächten in der Be handlung dieser schwierigen Frage gekennzeichnet. Noch bis vor wenigen Tagen nahm man eine vollkommene Einigkeit unter den Mächten, wenigstens unter den Botschaftern in Konstantinopel, an und jetzt ist mit einem Male augenscheinlich ein starker Wechsel ein getreten. Die bekannte Auslassung der „Times" läßt durchdlicken, daß England für Zwangsmaßregeln gegen Griechenland nicht zu haben sein werde, und, wie die „Köln. Ztg." glauben macht, dürfte diese Darstellung nicht nur die Auffassung der Redaktion der „Times", sondern auch die der englischen Re gierung wiedergeben. „Englands türkische Politik", schreibt das rheinische Blatt, „hat in den letzten zwei Jahren einen gewaltigen Umschwung erfahren. Früher wurde cs als einer der großen feststehenden Grund sätze der englischen Politik erklärt, daß am Bestände des türkischen Reiches nicht gerüttelt werden dürfe. England setzte sein ganzes diplomatisches Ansehen für diese Sache ein, ja, es schien einige Male sogar bereit, es eher auf einen Krieg ankommen zu lassen, als in die Zerstückelung der Türkei zu willigen. Bei den armenischen Unruhen zeichnete es sich zuerst in schärfster Weise ab, daß das England des Salisbury von heute mit dem England des Salisbury, der den Russen den Vertrag von San Stefano zerfetzte, nichts mehr ge meinsam hat. Unter allen Mächten war es England allein, das sich der aufständischen Armenier in leiden schaftlicher Weise annahm und sicher nichts dazu bei trug, daß diese Unruhen nicht einen Charakter an nahmen, dessen Bedeutung weit über Armenien hinausgereicht haben würde. In Bezug auf die Be handlung der kretensischen Angelegenheiten schien es bis vor zwei Tagen, daß England diesmal an der Seite der Mächte stehen werde, die ohne selbstsüchtige Ziele nur der Sache des Friedens dienen wollten, in dem sie Griechenland in schärferer Weise zur Pflicht der Neutralität anhielten. Heute ist nun leider zu besorgen, daß die bis dahin so vorteilhaft wirkende Einheit unter den Mächten nicht mehr vorhanden ist und daß England zur Herstellung der Ruhe auf Kreta nicht mehr beitragen will. So fassen wir wenigstens die Redewendung der „Times" aus, in der das Blatt sagt, daß sich England nicht zum Gendarm der Türkei hergeben wolle. Es ist nicht zu verkennen, daß die Frage dadurch ein erheblich anderes Gesicht bekommt. Die bisherige Voraussetzung der Vermittlung und der Aktion der Mächte war ihre Einigkeit, und in dieser Einigkeit lag ein großer Teil des Ein flusses, der ausgeübt werden konnte. Ist die Einigkeit durchbrochen, so stehen wir vor einer neuen Lage, und es wird wohl heute keinen Staatsmann oder Politiker geben, der kühn genug wäre, um zu prophezeien, was sich daraus entwickeln wird. Gebessert ist die Lage zweifelsohne nicht, anderseits ist aber zu beachten, daß das Friedensbe dürfnis unter den kontinentalen Mächten andauernd dasselbe bleibt und daß sich dieses selbst dann als ausreichend stark erweisen wird, wenn eine Großmacht aus irgend welchen selbstsüchtigen Gründen ihren Ein fluß nicht mehr in den Dienst der bisher gemeinsam verfochtenen Sache stellen wird. Was Deutschland insbesondere anlangt, so haben wir bei dieser ganzen Angelegenheit immer in zweiter Linie gestanden. Trotzdem haben wir uns allen Vorschlägen und Hand lungen angeschlossen, die von den vereinigten Mächten ausgingen, und wir würden auch in Zukunft uns von dem europäischen Konzert nicht entfernt haben. Wenn sich jetzt der eine der beteiligten Musikanten zurückzieht, so fällt eine bedeutsame Voraussetzung fori und die in erster Linie stehenden Mächte werden zu erwägen haben, wie sie sich dazu stellen müssen. Es kann sich das sehr interessant gcstalten; so lange wir aber an das Friedensbedürfnis und die Friedens liebe der kontinentalen Mächte glauben und überzeugt sind, daß sie alle dem Ausbruch des orientalischen Brandes widerstreben, so lange haben wir auch das Vertrauen, daß es ihrer Diplomatie auch ohne Eng land gelingen wird, die orientalischen Tinge in das richtige Gleise zu bringen." Ta-es-eschichte. Dresden, 3. August. Gestern, Sonntag, nach mittags um 3 Uhr sand bei Ihren König!. Maje stäten im Sommerschlosse zu Pillnitz König!. Familientafe! statt, an welcher Ihre Kaiser!, und König!. Hoheiten die Frau Erzherzogin Otto mit Höchstihrem ältesten Sohne, dem Erzherzog Karl, ferner Ihre König!. Hoheiten der Prinz Georg, der Prinz und die Frau Prinzessin Friedrich August, der Prinz und die Frau Prinzessin Johann Georg, der Prinz Max, der Prinz Albert und die Prinzessin Mathilde teilnahmen. Gleichzeitig vereinigten sich die Damen und Herren der Suiten zur Marschallstafel. Hebung zur Klassikerwürde sogar schon vollendet, so vor allem bei Heinrich v Kleist. Es war ein unendlich langer Weg, auf dem der Dichter des „Prinzen von Homburg" und de» ,verbrochenen Kruges" zur Aner kennung gelangte. Erst volle fünfzehn Jahre nach seinem Tode (1826) erschienen, von Ludwig Tieck herausgeqeben, seine „Gesammelten Schriften", erst siebenunddrcißig Jahre nach seinem Tode (1848) seine erste Biographie, die von Eduard Bülow. Inzwischen waren zwar seine Dramen auf die Bühne gekommen, sein „Käthchen von Heilbronn" sogar volksbeliebt geworden, aber die wahre Bedeutung des Dichters war doch nur wenigen seiner Landsleute auf gegangen. Erst Adolf Wilbrandts Biographie (1863) brach Kleist überall Bahn, und in den siebziger und achtziger Jahre folgte eine Neuherausgabe der Werke der andern, wurden die Briefe des Dichters veröffentlicht, und entstanden neue Biographien. 1874 erschien dann sogar ein französisches Werk über Kleists Leben und Werke Daß Kleist, trotz dem er sich zur klassischen Dichtung seiner Tage gegnerisch verhielt, Klassiker zu heißen verdient, bedarf wohl keines Beweises. Fünf Dramen größten Stils voll heißer Leiden schaft und wieder innigster Zartheit, wenn auch nicht ohne das, was ich als „falsche Plastik" bezeichnen möchte, das deutsche Lustspiel, das am ersten den Namen Komödie ver dient, dazu eine Reihe ganz eigenartiger Erzählungen, wohl die besten deutschen Novellen im alten Sinne de« Worts, und einige wenige schöne Gedichte haben am Ende den Anspruch auf Klassizität, wenn sie auch keiner einzigen Anforderung der Renaissance-Klassik, die man heute Klassi zismus nennt, entsprechen sollten Die Wirkung Kleists lst noch heute im Steigen begriffen; was z. B Ernst v Wildenbruch de» Realistischen hat, ist recht gut von Kleist herzuleiten Aber vielmehr al» solche litterarischen Wirkungen gilt die unmittelbare auf da» Volk, und auch die übt Kleist mehr und mehr, wenn auch unter Volk zunächst nur die Schiller entwachsene Jugend zu verstehen sein sollte. Neben Kleist ist dann Grillparzer neuerdings zu der Stellung eines Klassiker» gelangt, und mit dem nämlichen Recht. Er ist kein in die Zukunft weisendes partielles Genie wie Kleist, aber ein großes, echtes, naives Talent, das zu Schiller eine ähnliche Ergänzung bildet, wie Racine zu Corneille, wie wir ihm denn auch die schönsten Liedestragödien verdanken, die wir besitzen Sollte die deutsche Litteraturgefchichte einmal mehr als bisher von ihrem Schematismus abkommen, so wird sie sicher Grill parzer zu Goethe und Schiller stellen, als den dritten unserer großen Klassiker im alten Sinne; in die klassische Periode gehört der Wiener Dichter und nicht unter die äußerlich zusammengefaßten „Österreicher" oder gar die Schicksalsdramatiker Da» moderne Element in Grill parzerS Werken will ich nun zwar nicht leugnen, auch hat er vielleicht mehr von den Spaniern als von den Alten erlernt — dennoch steht er im ganzen auf dem Boden unserer klassischen Dichtung und ist ihr zwanglos anzu gliedern Sein Klassikerschicksal hat er auch gehabt, wenn auch nicht ganz ohne eigene Schuld, er ist bei Lebzeiten zwei Jahrzehnte hindurch tot gewesen, dann aber noch bei Lebzeiten fröhlich wieder auferstanden und seitdem eigent lich nie wieder völlig zurückgetreten Aber namentlich in Nord deutschland hat er doch sehr schwer Boden gewonnen, und eS ist noch jetzt manches zu thun. Die Litteraturphilologie hat sich schon seiner bemächtigt, eS sind im letzten Jahrzehnt zahlreiche Schriften über ihn erschienen; leider sind seine Werke noch nicht frei und können daher noch keine Massen verbreitung finden, aber daß sie die eine» Taacs finden werden, unterliegt keinem Zweifel. Eine große Persönlich keit, wie man sie von dem richtigen Klassiker verlangt, ist Grillparzer nicht, wohl aber eine äußerst interessante, und da» genügt am Ende Seine Poesie kann jedenfalls noch auf lange hinaus eine große Aufgabe im deutschen Volke erfüllen, zumal im Zeitalter de« Naturalismus Von den großen Talenten unter den dichterischen Zeit genossen Grillparzer» erwähne ich nun zunächst Uhl and und Rückert, Platen und Jmmermann; Klassikerrang kann ich aber keinem von ihnen zugestehcn. Sicherlich, Uhland» Gedichte sind klassisch und werden in ihrer Lebensdauer vielleicht selbst mit denen Goethes wetteifern, aber zu einem Klassiker kann ein Band Gedichte niemals machen, dazu gehören Meisterwerke verschiedener Gattungen, große Kompositionen, sodaß ungefähr der ganze Kreis der Poesie von dem Dichter umschritten und eine Welt gespiegelt erscheint. Nun hat Uhland ja auch zwei Dramen geschrieben, da diese jedoch des drama tischen Lebens entbehren, kommen sie nicht in Betracht Aus demselben Grunde wie Uhland können Rückert und Platen keine Klassiker werden; zwar ihre Werke sind zahl reich genug und auch verschiedenen Gattungen angehörig, ihre Bedeutung beruht aber wesentlich auf einer beschränkten Auswahl ihrer Lyrik, die dazu noch unter der Uhlands steht Der klassischen Höhe am nächsten kommt von den vieren vielleicht Jmmermann; entspräche den sehr bedeuten den Intentionen seiner Hauptwerke die poetische Voll endung, dann wäre er Klassiker, aber es fehlt in der Regel irgendwo, und einzig allein die au» dem Münchhausen herausgelöste Oberhof-Idylle kann etwas wie klassische Be deutung beanspruchen Große Mühe hat man sich neuerdings von bestimmter Seite gegeben, Heinrich Heine zum Klassiker zu machen, und wenn allein die Verbreitung der Werke entschiede, dann wäre er es schon Glücklicherweise entscheidet sie nicht, zumal nicht, wenn sie wie hier im allgemeinen auf Rechnung der Neugierde zu setzen, keineswegs einem tieferen Bedürfnis entsprungen ist Doch ist freilich eine starke Wirkung de« Dichters auf weite Kreise augen blicklich noch vorhanden, daS zersetzende Element in Heine» Schriften, sein Materialismus kommen gewissen Parteien zu bequem, al« daß sie sie nicht im Parteiintereffe benutzen sollten, und die Halbbildung findet gerade in Heine sehr vieles, womit sie sich brüsten kann Dennoch ist an eine dauernde Klassikerstellung des Dichters — etwa
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