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Rr 235. Dreizehnter Jahrn.' Erscheint: «gl>» früh 7 Uhr. Inserate «erde» angtn.nnmen: St» Lb<ndsÜ,Tonn- r«gt »t« Mittags ir llür: Martenftragr 18. kla^tq in düs. Blatt» studru »in« eriolgreich« Verbreitung. Auflag«: LN.««»« Exemplar«. Sonnabend, de» 22 Amst 18681 Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Arabisch. Abonnement: BterreljShrlich 20-?gl bet unenigetdlichert'i«. serung in'» Hau» Durch die -ömgl Po- vierteljährl. 22>. ,Rgr Einzelne Numm«r» l Ngr. Inseratenpreis«: i Für den Raum ei«» gespaltenen Zetl«: 1 Rgr. Unter „Etug«« fandt" die Zell« , - 2 Ngr. Vmck und Eigtuthnm d«r Herausgeber: t^iepsch H Neilhardt. — Verantwortlicher Redactrar: IuUuS Neichtlrdl. Dresden, den 22. August. — Dem Klrchenvorsteher Johann Gotllieb Pönitz ln Etz dorf ist die zum Verdienstorden gehörige silberne Medaille ver liehen worden. — II. KK. HH. der Kronprinz und Prinz Georg haben sich in diesen Tagen zu verschiedenen Truppeninspectionen von hier in die Provinz begeben. Se. K. H. der Prinz Georg wurde gestern Nachmittag von Zittau hier zurückerwarttt und beabsichtigte, sich mit dem Abends halb 7 Uhr abgehenden Zuge nach Leipzig zu begeben, uin das dortige Schiitzenregimcnt zu in'piciren. In der Begleitung Er. K. H. s.ll sich auf seiner Inspektionsreise nach Zittau der k. preußische Generalleutnant von Fransecki befunden hab.n. — — Dem Vernehmen nach ist der bei der hiesigen königl. preußischen Gesandtschaft angestellte LegationSsecretär Herr von Alvensleben in gleicher Eigenschaft an die königlich preußische Gesandtschaft am Hofe zu St. Petersburg versetzt worden. — Nach Inhalt einer veröffentlichten Bekanntmachung der Einquartierungsbehörde beläuft sich die Stärke der in der Stadt Dresden in der Zeit vom 25. August bis mit 13. September d. I. einzuquartierenven Truppenabtheilungen der 1. Infante riedivision auf 2952 Mann, welchen aus den Tag des Ein treffens Marschverpflegung incl. Brod zu gewähren ist. Da die Aufforderung zur Unterbringung dieser Truppenabtheilungen durch Verdingung nicht den erwarteten Erfolg gehabt hat, so macht sich die theilweise Unterbringung derselben bei den Grund stücksbesitzern der Neustadt, Friedrichstadt und der Seeoorstadt erforderlich. Die Zahl der zu vcrquartierenden Köpfe wird dm Hausbesitzern noch besonders angesagt werden. — Man schreibt den „B.N." aus Dresden: Trotz Staub und Sonnengluth wohnte ich heute den Schießübungen der Ar tillerie auf dem Heller bei und hatte somit Gelegenheit, die außerordentliche Sicherheit zu bewundern, mit der die Kugeln von allen Distanzen aus ihr Ziel trafen. Besonders interessant war das von der Festungsartillerie ausgeführte Bombenwerfen aus 16- und 32pfündigen Mörsern. Zwei an der nördlichen Waldlehne bezeichnete Carrös bildeten die Zielpunkte, in welche die Bomben einzuschlagen hatten. Nur im Anfang passirte eL, daß einige Kugeln kurz vor dem Ziel, aber in vollkommen ge rader Richtung einschlugen, dann traf jede fast durchschnittlich die Mitte des CarroS. Es wurden im Ganzen 72 Bomben in einer Entfernung von "100 bis 500 Schritt vom Ziel geworfen und konnte man diese eisernen Segler der Lüfte vom Aufstei gen aus dem Mörser bis zum Einschlagen mit bloßem Auge verfolgm. Noch wunderbarer war die Sicherheit, womit die Feldartillerie schoß. Ja einer Entfernung von 1700 Schritt verfehlte keine Kugel (ShrapnelS mit Richter'schen Zündspiegeln) die aufgestellten Scheiben. Die ShrapnelS mit Richter'schen Zündspiegeln sind bekanntlich Sprenggeschosse, welche in der Lust kurz vor der Blmde (Scheibe) cxplodiren und ihren In halt (88 bis 92 kleinere Kugeln) durch die Vreter jagen, die nach Beendigung des Schießens factisch wie ein Sieb durch löchert warm. — Dem „Dr. I." schreibt man aus Johanng«orgenst»dt, 19. August. Als ich heute vor einem Jahre Ihrem geschätz ten Blatte dm ersten Bericht von der verheerenden FeuerS- drunst zusendete, hatten wohl nur Wenige eine Ahnung, daß nach kurzer Jahresfrist unsere Stadt verjüngt und verschönt aus der Asche erstanden sein würde; dageg en glaubten fast All«, daß Johanngeorgenfladt auf lange, lange Zeiten sich nicht wieder von dem große» Unglücke erholen wö de, welches die nicht zu ergründende Vorsehung über dasselbe verhängt hatte. Im Nathschlufle des allgütigen VoterL war es jedoch anders beschlossen. Cr lenste die Herzen vieler tausend mildthätigcr Menschen in der Nähe und Ferne; die Thaler der Neichen und die Groschen der Armen bestückteten die verwüstete Stätte, und mit der erwärmenden FlühlingLsonne wuchsen wieder empor die verschwundenen Häuser, welche nun schon größten- theilS ihre früheren Bewohner wieder ausgenommen haben. Wie manches Wort des Dankes ist gen Himmel gerichtet, wie manche Thräne der Rührung ist geweint worden beim Empfang der so reichlichen HilfSgelder, ohne welche eS freilich den Allermeisten nicht wieder möglich gewesen wäre, unter heimischem Dache zu wohnen. Der heutige Tag hat daher so wohl schmerzliche als freudige Gefühle in den Herzen der schwergeprüften und nun wieder so reich gesegneten Bewohner unserer Stadt wachgerufen, und wenn auch noch Einzelne mit etwas bangem Herzen der Zukunft entgegcnschaum, so wird doch auch diese der erhabene Ge:anke trösten, daß Gott die Seinen nicht verläßt in der Noth. — Am vergangenen Mittwoch Abend wurde in der Rich tung nach Maxen zu hier ein bedeutender Feuerschein am Him mel bemerkt. Wir hören, daß derselbe von einem Feuer her gerührt, welches in Kautsch bei Kreischa stattgefunden hat, dort j ist nämlich an jenem Abend dos Bellmann'fchc Grundstück ab- - gebrannt. — — Gestern Morgen wurde an jener Stelle der Elbe in der Nähe von Helbig's Restauration, wo die Ueberfahrt nach den Elbbädern stattfindet, ein weiblicher Leichnam in noch ziem lich gut erhaltenem Zustande aus dem Wasser gezogen, besten Kleidung ärmlich war. In Anwesenheit von GenLdarmen ward die Todte per Siechkorb fortgeschafft. Allem Anschein nach ist es die verw. Janke von der Schäferstraße, die neulich Abends von der alten Elbbrücke in den Strom sprang. Der dasige Wasserstrudel dürfte sie am Fortschwimmen verhindert haben. — Einen der angenehmsten Aufenthaltsorte inmitten der Stadt bieten allemal jene Etablissements und Restaurationen, die Gartenlocalitüten zur Disposition haben. Das wurde ge wiß sehr gesuhlt, als die große Hitze weitere Spaziergänge ver bot, da sogar die Abende keine Kühlung brachten. Eines zahl reichen Besuchs vom frühen Morgen bis zum späten Abend erfreut sich besonders Oscar Nenner s Etablissement auf der Marienstraße, besten schattiger Garten eine wshlthuende Kühle spendit, die durch das eisfrische, prachtvolle „Bodenbacher' noch mehr Nachdruck erhält. — Der trockene Sommer dieses Jahres zeichnet sich durch Brand- und Wasterunglücksfälle aus. Schadenbrände sind bei der Dürre oft nicht zu vermeiden, der Tod aber durchs Er trinken ist fast immer die Folge von Fahrlässigkeit. „Bei niedrigem Wasser ertrinken die meisten Menschen", das ist ein altes und wahres Schifferwort. Die meisten Leute bilden sich nämlich ein, das Wasser müsse so niedrig sein, daß sie absolut keine Gefahr zu befürchten haben; sie werden dadurch unvor sichtiger und Viele finden ein jähes Ende. Möchten doch solche unbedachtsame Bader bedenken, daß, wenn auch der Elbpegel beinahe 3 Ellen unter 0 zeigt, immer noch soviel Wasser fließt, um darin ertrinken zu können. — Bekannt ist die Geschichte von dem Mann, der das „Gruseln" gern lernen wollte und in seinem Leben nicht er fahren konnte, was „Gruseln' sei. Es ist schade, daß dieser Herr Unverzagt nicht im Augustmonat dieses Jahres in Dres den lebte und den Circus Renz frequentirte. Wem nicht bei den gymnastischen Übungen der Herren Palmiro Bragazzi und Franyois Proserpi. wenn sie die Niagarabrücke aufführen, der Athem stockt, die Gänsehaut sich bildet und, so zu sagen, der Tod übers Grab läuft, den stelle man an die Spitze eines BatmllonL, das eine Kugelspritzen Batterie zu nehmen hat. Man muß diese Herren an den Trapezen arbeiten sehen, die in der Kuppel des Circus angebracht sind, wie sie sich durch das Reich der Lüfte schwingen, inS Bodenlose zu fallen schei nen und von den gewandten und sicheren Glied«» ihres Part ners aufgefangen werden, um zu glauben, was sicheres Auge, Muth Entschlossenheit und Kaltblütigkeit in den gefährlichsten Situationm leisten können. Wenn das Auge des Zuschauers von der Circuskuppel herabfällt auf die Mane-ge, so ist es im mer wieder die Dressur arabischer Hengste, welche Meister Renz vorführt, die am meisten die Aufmerksamkeit fesselt. So war es in der Donnerstag-Vorstellung das Schulpferd Daniela, dem ein lang anhaltender Applaus galt. Wenn Kaiser Nero aus Rom noch lebte und die Klugheit dieses ThiereS, seine superben Gangarten und seinen jeden Winks gewärtigen Gehorsam sähe, er würde den Daniele» sicherlich nach seiner Sitte zum Senator des römischen Volks ernannt haben. Daniela würde es zum Consul bringen, das römische Volk müßte ihm göttliche Ehren erweisen. In unserer nüchternen, wenn auch nicht gerade sich durch Freiheit vor jener cäsaristischen Epoche auSzcichnenden Zeit sind freilich solche Ehrenbezeugungen nicht ganz Mode, in dessen wenn Alle, die in Senaten und Magistraten jetzt sitzen, so Vorzügliches leisteten, als dieser Daniclo in seiner Art, dann würde es mit Manchem bester bestellt sein Der CircuS Renz gleicht einem Berge: je höher man hinaus kommt, desto reichere Bilder entrollen sich. So hat Renz jetzt einen Clown mit vier dressirten Pudeln in sein Programm ausgenommen, denen nicht nur „ein weiser Mann gewogen" wird, was ja nach Göthe er laubt ist, sondern zu deren Leistungen ein ganzer Circus Bravo ruft. — Am 18. d. ist in der Nähe der sogenannten Krippe bei Zwickau ein Mädchen des Gutsbesitzers JunghanS in Kul ten, 4j Jahre alt, auf der Eisenbahn überfahren worden. Der Führer hatte das Kind wohl gesehen, hat aber, da die Bahn an dieser Stelle fällt, den Zug nicht schnell genug halten kön nen. Das Kind wurde von der Maschine zwischen den Schie nen umgewoefen und diese, sowie zehn Wagen sind darüber hinweg gegangen, bis der Zug zum Stehen gekommen. Als man das Kind aufhob, zeigte es sich, daß es nur an Nase und Lippen einige kleine Contusionen erhalten hatte. — In Cöllmichen bei WermSdorf war der 26jährige Oekonsm und Kciegsreservist Ernst Hermann Wenzel am 18. August mit dem Loshauen einer Erdwand beschäftigt. Die letztere stürzte jedoch ein, Wenzel wurde verschüttet und erlitt eine Rückenmarkerschütterung, sowie mehrere Rippen- und s Knochenbrüche, so daß er nach kaum einer Viertelstunde v.r- s storben ist. ' — Von zwei Seiten wurden uns Geldbeträge für den durch Feucrsbrunst so unverschuldet seiner Habe gänzlich be raubten Wagner Richter in Heynitz übergeben, die wir dankend dem Schwergeprüften zusertigen werden. — Referent stieg in diesen Tagen zur Tiefe der Terrafsen- gasse hinab, um dort in einem finsteren, ärmlichen, aber sau beren Hofstübchen eine Geschichte erzählen zu hören, die hier in diesen Zeilen wiedergegeben wird, damit sie für fernere Fälle a'S heilsame Warnungstafel dienen sollen. Am 22. Juli diese» J rhreS, also vor kurzer Zeit erst, zogen auf Veranlassung eine« gewissen Lehmann aus Dresden, der sich „Agent" nannte und seit di ser Zeit nicht mehr nach Sachsen zurückgekehrt ist, oder vielmehr aus triftigen Gründen wohl nicht mehr zurückkehre» wird, gerade 109 Mann aus dem Arbeiter- un» Handwerker stande aus der Heimath weg, um an der neu zu baumden Wien Brünncr Eisenbahn beschäftigt zu werden, gegen ein ver sprochenes Lohn von täglich einem Gulden und 75 Kreuzer. Es wurde gesagt, daß sie an Ort und Stelle gute Wohnung, gute Kost rc. finden würden. Schon bis Bodenbach mußten sie das Dampfschiff selbst bezahlen, von da aus gab die Pahn- direction freie Fahrt. Am 26. Juli trafen die 109 Mann an Ort uad Stelle e n Der ganze Bau der Wien-Brünner Bahn liegt in den Händen jüdischer Unternehmer, mit denen der Dresdner Partieführer Lehmann gar keinen Accord geschloffen, und so kam es daß die Unternehmer die ausgemachte Summe nicht zahlen und die Dresdner nicht arbeiten lassen wollten. So feierten sie 4 Tage und wer noch ein paar Groschen hatte, setzte sie zu. An der Bahn arbeiteten schon Stsckböhmen, welche mit den Sachsen das Feld nicht theilen wollten. Nach einer Sturmpetition gelangten endlich Letztere zu Arbeit, doch nur auf zwei Stunden; da erklärte Lehmann, das Geschäft sä auS, die Unternehmer wollten nur 70 Kr. pro Tag bezahlen; übrigens wären Letztere der Meinung, daß die Sachsen faul und Leute seien, die nicht arbeiten wollten, da wären die Böhmen besser. Man kann sich denken, daß es nun zu un liebsamen Semen kam, da die Sachsen ja um des Verdienste« willen und in der Absicht die Reise unternommen, recht fleißig zu arbeiten, um ihre Familien daheim unterstützen zu können. L ie verlangten freie Fahrt zurück, die sie nicht erhielten; denn Lehmann, ihr Verführer, verschwand meuchlings und den Di rektor der Bahn fanden sie in Brünn nicht, da sie seinen Namen nicht wußten und die Böhmen nicht deutsch sprechen wollten. Abgerissen, durchnäßt (sie hatten fortwährend im Regen unter freiem Himmel geschlafen, während die Böhmen sich in Erdhöhlen möblirt eingerichtet hatten), traten die 109 zu Fuß den langen Rückweg von Brünn nach Dresden an Sie wendeten sich an jedes Polizeiamt, an jedes Bezirlsoor- steheramt (Kreisdirection), wo sie vorbeikamen, nirgends Unter stützung, nirgends Hilfe, man fertigte sie nur freundlich ab. Nur ein Polizeiamt vertheilte nach Darlegung der schrecklichen Situation unter die 109 Mann 16 Gulden. So erhielt jeder Mann etwa 2 Ngr Wer noch ein Kleidungsstück zu verkaufen hatte, der verkaufte es So ging halb nackt die Reise weiter. Aufnahme fanden sie in Böhmen zur Nachtzeit nirgends. Es kam vor, daß ein Mitleidiger 1 ober 2 Mann über Nacht be halten wollte. Als sie ausgezogen waren, um sich ein Stück Brod zu betteln und zurückkehrten müde, um sich schlafen zu legen, da war ihr Bündel auf die Straße geworfen und sie selbst wieder gezwungen, unter freiem Himmel zu sch äsen. Da« gute Wetter war ihnen wenigstens hierin günst g. Es trat aber bei Vielen Krankheit, Erschlaffung, Hung.-r em und der Durst war schrecklich, da sie selten trinkbares Wasser erhielten. Und da« kommt im Jahre 1868 vor — in Deutschland'. Leider müssen wir erwähnen, daß sich auch noch unsere Plagen einsanden, da von reiner Wäsche keine Rede war. Alles war ja bis auf's Nothwrrrdigst« verkauft. Wir wollen auf die un« delicate Beschreibung dieser Plagen nicht näher emgehen. Frei lich sind sie nun fast alle die 109 Mann in ihrer Heimoth Dresden angekommen. Aber wie? das kann sich der Leser denken. Der Verführer L.hmann hatte erzählt, er habe auf der Dresdner Polizeidirection 50 Thaler Caution erlegt. An diese wollten sich die Zurückgekehrlcn halten. Das war aber wieder eine Lüge und doch — man staune — sollen aber mals gegen 100 Mann denselben Weg in'« Unglück ange treten haben! Eine neue Werbestelle ist hier am „Mühlhos" errichtet, wo den Gläubigen ein Telegramm aus Brünn vor gelegt wird, welches von gutem Lohn, guter Kost und guter Wohnung spncht ES ist kaum glaublich, aber wahr. Soviel aus dem Munde eines Betheiligten, des Schuhmachers A. Meschwitz, Terrassenzasse 4, der noch jetzt nicht recht auf dis B ine zu bringen ist, obgleich er seit dem 6. August s hon wieder in Dresden lebt. Mögen also diese Zeilen eine War nung für folgende Zeiten sein. — In einem Steiubruche zwischen dem rothen Hirsch und dem Zeisigwalde bei Gab lenz wollte am 11. d. der Stein brecher Uhl »anil aus Ganzig die ihm während des FruhstnckenS lästig fallenden Fliegeil dadurch verjagen, daß er aus vem en