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Freitag. Rr. 49. 26. Juni 1874. Weißerih-Aeitung. Amts-Matt für die Herichts-Aemter und Stadträtpe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redatteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Dieses Blall erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Ppst - Anstalten und die Agenturen. PrriS vierteljährlich 18 Rgr. 8 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werde» mit I Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde. Ueber den, in der Nacht vom Sonn tag zum Montag in unserer Nähe geschehenen Mord er halten wir folgende authentische Mittheilung aus Possendorf, vom 24. Juni. Heute Nachmittag 5 Uhr wurde auf hiesigem Friedhof der im 16. Lebensjahre stehende Handarbeiter Carl Paul Röber aus Bannewitz, jüngster Sohn deö Bergarbeiters Carl Gotthold Röber daselbst, be erdigt, der eines grauenvollen, gewaltsamen Todes ge storben ist. Auf eine bis jetzt noch nicht aufgeklärte Weise in einen Streit verwickelt, der am Sonntage, den 22. d. Ms., Abends zwischen 10 und 11 Uhr, sich vor der Bruchsche»ke zu Welschhufe zwischen jungen Leuten dasiger Gegend und andern (von der „goldnen Höhe" gekommenen?) Passanten der Straße entspannen und der vor dem Dorfe Bannewitz zum Austrage gekommen, fand man den bedauerSwerthen jungen Mann in den Frühstunden des 23. Juni unterhalb des sogenannten WagnerhauseS zwischen Bannewitz und Nöth nitz auf einer Wiese seitwärts der Straße todt liegen. Die ärztliche Untersuchung hat ergeben, daß eine dem Verunglückten am Halse beigebrachte tiefe Wunde die Pulsader getroffen, eine Verblutung und damit den Tod herbeigeführt hat. Wen die Schuld dieser Unthat trifft, ob der Thäter sich im Zu stande der Nothwehr befunden, oder ob rohe Gewalt den Mordstahl geführt, wird die im Gange befindliche Unter suchung hoffentlich bald an das Tageslicht bringen. Bis jetzt ist der Schleier von dieser grauenvollen That noch nicht ge lüftet; aber es ist auch dieser schreckliche Vorgang ein neuer Beweis der Zügellosigkeit und sittlichen Verwilderung, welche jetzt nicht selten in verschiedenen Schichten der Bevölkerung und leider auch bei der Jugend unsrer Tage zum Leidwesen aller Bessergesinnten sich bemerkbar macht! Die Staatsanwaltschaft hat bereit« am Montag von den Excedenlen 9 arretirt und in daS Gefängniß nach Dresden geschafft. Dresden. Nächsten Montag wird unser Königspaar eine sechstägige Reise antreten, und zwar über Freiberg, Chemnitz, Zwickau, Plauen, Elster, Falkeustein, Auerbach, Eiben stock, Schneeberg, Annaberg und von da zurück nach Dresden und Pillnitz. * Dresden. Unsere evangelische Landessynode hat sich gegen die Ersetzung der Bibel in den Volksschulen durch einen Bibelauszug erklärt und damit sowohl gegen die Erwartung unserer zweiten Kammer, wie gegen den Wunsch vieler Lehrer, ihren Beschluß gefaßt. Wer den Verhand lungen über diesen wichtigen BerathungSgegtststand beigewohnt, mußte sagen, daß sie in durchaus würdiger Weise geführt wurden. Es waren Worte der Ueberzeugung, welche streng kirchliche Männer, wie Pastor Meurer, gegen den Bibel auszug laut werden ließen, und wenn auch gewiß ist, daß Bürgerschullehrer Gesell von Chemnitz mit fast noch tieferer UeberzeugungStreue den entgegengesetzten Standpunkt einnahm, obgleich ihm, wie sich später erwie«, nur noch Stadtrath Heubner von Dresden zur Seite stand, so war die Wucht der Beweisgründe, welche nach ihm Lonsistorialrath Prof. Bauer au« Leipzig für Beibehaltung der ganzen Bibel vor brachte, in dieser Versammlung wenigstens bei weitem durch schlagender. Alles in Allem genommen, werden die Lehrer des Landes einen Trost darin suchen müssen: daß ihnen nach Lage der Sache im besten Falle doch nur ein strengkirchlicher, ihre pädagogische Ueberzeugung vielleicht fesselnder Bibelauszug geboten worden wäre. — Die Synode ist am Donnerstag, 25. Juni, geschlossen worden. Leipzig. Die hiesige Universität zählt in diesem Se mester 2716 inskribirte Studirende, nämlich 955 Sachsen und 1761 andere Reichsangehörige und Ausländer. Außerdem haben noch 84 Personen, ohne inskribirt zu sein, die Erlaub- niß zum Besuch der akademischen Vorlesungen erhalten, so daß sich die Gesammlsumme der Hörer auf 2800 beläuft. Meißen wird in nächster Zeit seine Garnison verlieren. Die mündlichen und schriftlichen Verhandlungen mit dem KriegSministerium, sowie eine von der Stadt zu Erkaufung einer Baustelle verwilligte namhafte Summe, sind ohne Er folg geblieben. Bisher lag das 13. Jägerbataillon dort. Berlin. Der Bundesrath ist nun auch in die Ferien gegangen und wird erst einige Wochen vor Beginn der Herbst session des Reichstages wieder zusammentreten. — In Fulda werden Ende dieser Woche die preußischen Bischöfe eine Conferenz abhalten und dabei die Mögl chkeit einer Aufhebung ihres Kampfe« gegen den Staat in Erwägung ziehen. Ein ullramontanes Blatt, die Germania, entschuldigt den Rückzug mit den Worten: „Es ist besser, daß die katho lische Kirche in Preußen ohne unsere Schuld zu Grunde geht, al« mit unserer Schuld." — Dem verstorbenen ultramontanen Abg. v. Mallink rodt will man ein Denkmal errichten; selbst der Papst, der arme Mann, hat 5000 FrcS. dazu gesteuert. Oesterreich. Der Klerus in Oesterreich wird künftig den confessionellcn Gesetzen ebenfalls weniger schroff entgegen treten, als bisher. Die Bischöfe haben bei diesem Entschlüsse der Stimmung im nieder« Klerus gebührende Rechnung ge tragen, da sie einsahen, daß sie entgegengesetzten Falle« bald al« Generale ohne Armee dagestanden hätten. — Das Ackerbauministerlum veröffentlicht einen Bericht über den Stand der Saaten in beiden Reichshälften, welcher sehr günstig ist und mindestens eine „gute Mittelernte" ver spricht.