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Wehrmann. —— nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursoorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. 153. Mittwoch, den 6. Juli 1887. Witterungsaussichten für den 6. Juli: Windrichtung nm West von mittlerer Stärke. Ziemlich trübes nnd regnerisches, warmes Wetter. Barometerstand am 5. Juli, nachmittags 3 Uhr: 755 mw. "Waldenburg, 5. Juli 1887. Kronprinz Rudolph von Oesterreich unternimmt ge genwärtig, wie bekannt, eine Rundreise durch Galizien und ist dort von den Polen mit ungemeinem Enthu siasmus begrüßt worden. Die österreichischen Polen haben auch Grund zum Jubeln: die Unterstützung des Ministeriums Taaffe im Abgeordnetenhause zu Wien hat ihnen alle möglichen Rechte gegeben, und Galizien ist in Wahrheit so polnisch, wie nur ein Land sein kann. Der glänzende Empfang 'des Kronprinzen ist also völlig begreiflich, und erklärlich, wenn die polni schen Blätter den Wunsch aussprechen, Kronprinz Ru dolph möge einst das Regiment im Sinne der gegen wärtigen Regierung führen. Ministerpräsident Graf Taaffe nennt seine Politik stolz eine Politik der Ver söhnung; die Völker Oesterreichs sollen mit einander nicht verschmolzen werden, aber sie sollen einander achten, ehren und lieben. Graf Taaffe hat zu dem Zwecke den einzelnen Nationen, aus denen sich der österreichische Kaiserstaat zusammensetzt, große Rechte gegeben auf Kosten der Nation, welche das Rückgrat der ganzen Monarchie bildet, der deutschen. Die Deutsch-Oesterreicher würden aber zu alledem kein Wort sagen, wenn sie wenigstens von ihren nicht- deutschen Mitbürgern nun wirklich geachtet und geehrt i würden; aber davon kann keine Rede sein. Wie es j den Deutschen geht, was sie sich gefallen lassen müssen, ist zu bekannt, als daß wir es zu wiederholen brauch ten; es genügt zu constatiren, daß die Versöhnungs politik Graf Taaffe's ein Programm ohne Durchfüh rung ist, welches nur die Thatsache erzielt hat, daß Polen, Czechen, Slowenen rc. sich zu der Regierungs mehrheit im österreichischen Parlament bekennen. Sie stimmen mit und für die Regierung, aber nicht um sonst. Bei ihnen heißt es: Eine Hand wäscht die andere, und für jeden dem Ministerium erwiesenen Dienst fordern sie neue Rechte auf Kosten der Deutschen. Mit den nichtdeutschen Stämmen Oesterreichs ist es aber ein eigenes Ding; das ist in diesen Tagen beim Ministerwechsel in Serbien offen zu Tage getre ten. .Das leitende Blatt der Slowenen in Laibach sprach rund und nett seine Freude über die Ernennung des Russenfreundes Ristics zum Minister aus, und hat ein vielfaches Echo mit seinen Ausführungen ge- ! funden. Dieselben beweisen, daß die slawische Bevöl- ! kerung Oesterreichs, und in Ungarn steht es erst recht f so, viel mehr Sympathieen für das große russische ! Slawenreich, als für ein deutsches Oesterreich hat. Man will mit den Deutschen absolut nichts zu thun haben. Im Gegensatz zu den slawischen Stämmen stehen die Polen und Magyaren, die die erbittertsten Gegner Rußlands sind, welche man sich nur denken kann, und dies bei jeder Gelegenheit bethätigen. In diesen verschiedenen Anschauungen liegt aber die einzige große Gefahr für Oesterreichs Zukunft; sie beweisen, daß die österreichischen Völker nicht aus einem Gusse geformt sind, sie sind die Ursache, daß die Panslawisten die Macht Oesterreichs zu gering, freilich zu gering, schätzen. Oesterreich-Ungarn hat gewaltige militärische An strengungen im letzten Jahre gemacht, um seine Wehr haftigkeit und Kriegstüchtigkeit zu erhöhen. Die Armee ist zweifellos ein geschlossenes Ganzes, das treu zu Kaiser und Reich steht; um so bedauenswerther ist es, daß die österreichische Regierung es nicht im nothwen digen Maße verstanden hat, diesen Einheitsgedanken auch den Völkern einzuflößen. In dieser Beziehung mangelt es thatsächlich. In Wälschtirol und Istrien träumen die Bewohner von einer Vereinigung mit Italien, die Czechen streben die Errichtung eines eige nen Königreiches Böhmen an, Slowenen und Süd slawen wollen nichts von einer deutschen Regierung wissen, in Ungarn stehen große Bevölkerungskreise direct feindlich gegen die Regierung; gemeinsam ist allen diesen widerhaarigen Elementen nur die Abnei gung gegen die Deutschen. Wir wollen ganz gewiß Oesterreich-Ungarn keine schlimmen Tage wünschen, aber sollten sie einmal kommen, so werden Czechen, Polen und Magyaren sofort bemerken, daß sie allein nichts vermögen ohne die Deutschösterreicher. Leider ist nicht anzunehmen, daß in absehbarer Zeit sich diese wenig erfreulichen Verhältnisse ändern werden; so lange das harte „Muß" fehlt, wird Alles beim Alten bleiben. Im deutschen Reiche stand es vor 1870 ähnlich, wie jetzt in Oesterreich-Ungarn. Eine ernste schwere Zeit hat Großes gewirkt; käme eine ähnliche Zeit für Oesterreich-Ungarn, sie würde dort wohl das gleiche Resultat haben. Aber besser wäre es gewiß, man ließe es nicht zum Aeußersten kommen, sondern sähe schon jetzt ein, daß nur dann ein Staatswesen blühen und gedeihen kann, wenn feste Eintracht seine Bürger umschließt. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing am Sonnabend Nachmittag den Grafen Herbert Bismarck zum Vortrag. Am Montag hörte der Kaiser die Vorträge des Grafen Perponcher und des Geheimrath von Wilmowski und ertheilte dem commandirenden General Graf von War tensleben Audienz. Nachmittags hatte der Kaiser eine Besprechung mit dem Geh. Hofrath Borck und erledigte vor dem Diner noch mehrere Regierungsgeschäfte. Abends 10 Uhr erfolgt vom Potsdamer Bahnhof die Abreise nach Ems, wo der Kaiser am Dienstag Vor mittag vom Prinzen und der Prinzessin Wilhelm be grüßt werden wird. Der Kaiser hat die Genehmigung ertheilt, daß auf dem Joachimsplatze zu Spandau am 1. November 1889, als dem Tage der 350jährigen Gedenkfeier an den in der Nikolaikirche in Spandau erfolgten feierlichen Uebertritt des Kurfürsten Joachim II. zur evange lischen Kirche, diesem Fürsten ein Denkmal errichtet werde und freiwillige Sammlungen zu diesem Zweck vorgenommen werden können. Der kaiserlich deutsche Gesandte in Bern, Wirkl. Geh. Legationsrath und Kammerherr v. Bülow, ist am Sonntag aus der Schweiz in Berlin eingetroffen, um, wie alljährlich, Se. Maj. den Kaiser auf den diesjährigen Sommerreisen als Vertreter des Auswär tigen Amtes zu begleiten. Vor dem Reichsgericht in Leipzig hat am Montag der neue Hochverrathsprozeß begonnen, durch welchen am meisten — die französische Regierung blos gestellt wird. Angeklagt sind der Handlungsreisende Klein aus Straßburg, dessen Schwager, der Fabrikant Grebert aus Schiltigheim, und wegen Beihilfe der Gastwirth Erhart aus Straßburg. Klein und Gre bert haben auf Anstiften Schnebele's und anderer französischer Polizeibeamten das französische Nachrichten- büreau in Paris seit acht Jahren über den Zustand der Festungen Straßburg, Mainz, Metz fortwährend auf dem Laufenden erhalten und Zeichnungen und Pläne eingesandt; Klein gesteht bei der Vernehmung zu, nach dem deutsch-französischen Kriege an den Straß burger Fortifikationsarbeiten als Maurerpolier gear beitet, und sich davon eingehende Kenntnisse verschafft zu haben. 1881 habe ihm der französische Grenz- commissar Fleureville den Vorschlag gemacht, für die französische Regierung Kundschafter über militärische Angelegenheiten zu werden, besonders über die Festungen Straßburg und Metz zu berichten. Klein wurde an Hirschauer in Paris gewiesen und von diesem gegen 200 Mark monatlich engagirt. Nunmehr ist Klein nach Metz gegangen, hat dort eine Wohnung gemiethet, Pläne und Zeichnungen entworfen und dieselben theils an Fleureville, theils an Hirschauer gesandt. Anfang 1885 ist er von Schnebele eingeladen worden, nach Pont L Mousson zu kommen und hat dort den Auf trag erhalten, weiter zu arbeiten, seine Thätigkeit aber auf Straßburg zu conzentriren. Die Verbindung mit Schnebele hat bis zur Verhaftung gedauert. Klein behauptet, von Straßburg weniger Material als von Metz geliefert zu haben. Grebert habe gewußt, daß er französischer Spion sei, und sei ihm beim Zeichnen behilflich gewesen. Erhart habe Geldbriefe von Schnebele für Klein angenommen. Der Angeklagte Grebert be stritt, daß er schuldig sei. Klein habe ihn aus Rache denunzirt, da sie nicht die besten Freunde seien. Erhart will nicht gewußt haben, worum es sich bei den Sen dungen gehandelt. Klein wiederholte, die französischen Beamten hätten ihm ausdrücklich gesagt, die Berichte seien für die Regierung in Paris. Die Sitzung wird auf Dienstag vertagt. Für das Etatsjahr 1886/87 kommen auf Grund i des preußischen Verwendungsgesetzes an die Kommu- - nalverbände der Monarchie im Ganzen 6,180,422 z Mark gegen 4,002,116 Mark im Vorjahre zurVer- j theilung. ! In Potsdam ist am Montag der ehemalige Feld- f Propst der Armee, vr. Thielen, geboren 1806 in s Mühlheim an der Ruhr, verstorben. I)r. Thielen ist j erst vor einem halben Jahre nach 56jähriger Thätig- i keit in den Ruhestand getreten. ; Der „Augsb. Abdztg." zufolge hat sich der Prinz- s rezent von Bayern über die Wahl der Abgg. von ' Stauffenberg und Schauß in München hocherfreut ge äußert. Die zweite badische Kammer hat die Reichsbrannt weinsteuer einstimmig angenommen. Oesterreich-Ungarn. Der Senat der böhmischen Universität in Prag beschloß, den czechischen Studenten, die eine Dankadresse an diejenigen Abgeordneten unterzeichnet hatten, von welchen im Reichsrathe die Abschaffung der deutschen Prüfungen beantragt worden war, einen Verweis zu ertheilen und denselben in den Abgangszeugnissen eintragen zu lassen. Frankreich. Die Minister für Handel und öffentliche Arbeiten besichtigten am Sonntag die Arbeiten zur Regulirung des Stromlaufes der unteren Seine. Auf ihrer Reise dorthin wurden, namentlich in Kernan, Elboeuf und Rouen, vielfach Hochrufe auf General Boulan- : ger laut. Die Regierung hat die Mobilisirungsvorlage zu rückgezogen. Nur dieRadikalen skandaliren und behaup ten, das sei eine Erniedrigung gegenüber Deutschland. Einzelne Blätter melden, die Beeinflussung der Presse f habe Boulanger so viel gekostet, daß er jetzt ca. 100,000 Franken Schulden habe.