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-7^.7^ Nr.. ÄS Ans dem Vaterlan-e. * Dresden. Es Hal sich hier in letzterer Zeit wenig zugeirageu, waS Stoff zu einem allgemeinen interessanten Berichte zu liefern geeignet wäre. Wir leben auch hier in einer Periode der Abspannung, die notbwenvig eine Art von JndifferenliSmuS erzeugt, und eS würbe eineS großen Ereignisses bedürfen, um diesen zu verscheuchen uud Vie frische politische Spannkraft wieder hervorzurufen, welche im Jahre 1848 und thrilweise noch 1849 in so lebendiger Regsamkeit sich kundlhat. Es ist diese Erscheinung eine immerhin beklagenSwerihe, nichtsdestoweniger aber eine natürliche. Und ob ein solches Ereigniß in der nächsten Zukunft einlrelen werde, wer mag daS vorherbestimmen! Unsere politischen Zustände characlerisiren sich allerdings durch ein gewaltiges Schwanken bald auf diese, bald auf jene Seite hin, und der althergebrachte Vergleich deS Staats mit einem Schiffe gewinnt unbedingt eine erneuerte Be- stäligung. Er ist das Schiff im Sturme, und an starken Symptomen dec Seekrankheit sehll'ö auch nicht; mit geringen Ausnahmen sind alle mehr oder weniger davon ergriffen, und nur die unmündigen Kinder bleiben hier wie dort davon verschont: „o selig, o selig, ein Kind noch zu sein!" möchte man fast wehmülhig mit Czar Peter auSrnfen, wenn'S nicht gar zu — kindisch wäre. Der politische Horizont ist wahrhaftig düster genug. Schwere Wetterwolken haben sich von allen Seiten über ibn gelagert und a» Unheil und Sturm verkündenden Zeichen sehlt'S wahrlich nicht. In Frankreich gährl'S und siedet'S aufs Neue, denn die starke Regierung verhöhnt die Republik in ihren Grundlagen. In Italien herrscht auch nur sehr trügerische Ruhe — die Ruhe eineS Vulean'S, welche seinem Ausbruche vorberzugchen pflegt. Rußland droht mit Worten und mit Rüstungen, und sucht seine Oberherrschaft auch faktisch uud öffentlich nach Westen und Süden zur Geltung zu bringen; eS" scheint deS Spiels hinter den Coulissen herzlich satt. England fischt nach gewohnter Weise im Trüben und verfolgt nach Möglichkeit, unter dem Scheine der Theilnahme an politischer Fortentwickelung verwandter Völker, seine eigennützige Politik, die sich am besten und in recht großartiger Weise auf — Procentrechnung versteht. In Deutschland, dem armen zerrissenen Deutschland, treibt man dagegen Keltenrechnung, und zwar mit so verwickelten Ansätzen, baß eS auch dem gewandtesten Arithmetiker gewaltiges Kopfzerbrechen kosten würde, eine richtige und befriedigende Lösung zu finden. DaS Phantom der deutschen Einheit, der süße Jugendiraum eineS begeisterungsvollen Jahres, ist mehr und mehr als ein Phantom, als ein wesenloser Schalten kenntlich geworden, und nur in dem guten Willen zur Zurückführung der von argloS leichtgläubigen Gefliüihern für immer begraben gk' wähnten, bundestäglichen Zustände scheint die deutsche Ein heck noch sich kundgebcn zu wollen. Sonst erblickt man nur Zerrissenheit überall; der weite prächtige Mantel der Germania hängt in tausend Fetzen schmachvoll zerrissen um ihre ge Verleger: Earl Jehne in Dippoldiswalde. fesselten und gebeugten Glieder. Man könnte melancholisch werden und verzweifeln an Hoffnung, Muth und Freudigkeit, hauptsächlich durch den Gedanken, daß diese- Elend, Visser Jammer ein zum größten Theile selbstverschuldeter ist, und baß auf'S Neue an Deutschland der alte Fluch der Un einigkeit, deS Mangels an rascher Thatkraft sich erfülle, der stets sein edle-, großes Volk gehindert hat, die Stelle im europäischen Staatensysteme, die großartig gebietende, mächtige Weltstellung einzunehmen, di« ihm gebühn, und die es längst errungen haben könnte. Soll und wirb uns noch Heil und Segen erblühen? Bon Erfurt oder München, von Berlin oder Wien, kommt eS un- sicher nicht. Oder find wir in Wahrheit verdammt, unterzugehen und an der Reihe selbstständiger Völker gestrichen, gehorsame Unter- thanen fremder Mächte zu werden? DaS wolle Gott ver hüten! Und wir hoffen mit Zuversicht, die Zeiten seien für immer vorüber, wo daS große, tapfere und edle deutsche Volk sich geduldig in fremde Fesseln schlagen läßt — ja, wir glauben sogar, ein auswärtiger Angriff aus die Selbst-, ständigkeit und Integrität Deutschland-, wie er vielleicht von Seiten Rußlands oder Frankreich- zu ermatten steh» — vom ersteren, um slavische Kultur (l) mit der Knute nach Westen zu tragen; von letzterem, um durch einen tüchtigen Aderlaß de» gefürchteten Schlagfluß abzuwenden, — ein solcher Angriff würde ein sehr, vielleicht da- einzige geeignete Mittel sein, alle deutschen Stämme urplötzlich zu einigen, und durch diese Einigung auch Vie Freiheit zu gewinnen, welche jetzt allerdings mehr und mehr eiM papierene werden zu wollen scheint. / Das Verfahren der sächsischen Regierung in diesem politischen Wirrwarr leidet allerdings für Den wenigstens, der nicht eine sehr scharfe Diplomatenbrille hat, an mancher bedeutenden Dunkelheit. Was die Regierung will, was sie in ihrem Verhältnisse zum großen Gesammtvaterlaube er strebe: eS ist nicht klar, und liegt bestimmt fvnnulirt nicht vor. Und bas gerade ist eS, was auch,bie vertrauenden Gemüiher ängstlich besorgt macht, weil sie die Utibehaglichkeit eineS UmhcrtappenS in dunkler Ungewißheit erfüllt. Wir wissen und erfahren nur, daß die gesteigerten Staaisbedürfnisie auch gesteigerte Ansprüche an die Steuer pflichtigen nöthig machen, daß wir erhöhet? Stevern zahlen sollen, weil man eS nicht für tathsam erachtet, auch die Nachkommen ihr gerechtes Tbeil tragen zu lassen von ven Lasten dieser schweren Zeit. Und diese Aussicht, verbunden mit der Creditlosigkeil und dem darniederliegenden Verkehr, ter nur »n einzelnen Branchen wiederum belebter sich gestaltet hat, ist eben keine erfreuliche, drückt den Mmh dar nieder und erzeugt zuletzt nothwendl'g jene Apathie, wie sie auch guten Unierlhanen nicht einmal geziemt. Bei so de- wandten Umständen konnte eS kaum Wunder nehmen, daß auch die sonst so allgemein gewünschte und vielfach erbetene Entlassung deS Professor v. Richter aus seiner fast eilfe monatlichen Haft auf Handgelöbntß und gegen 2000 Thlr, Caution, kaum mehr als eine vereinzelte Theilnahme in /reit«-. Ar. ÄS. 1» April 1850. 2 — - Dieses Blatt erscheint - ' - ' - I WZWcißeri--ZeitMg.D-.. «en zu beziehe« ist. ,^Zeltu»g»>gMM»,m. Ein unterhaltendes Wochenblatt für dm Bürger uud Laudmanu. Nebacteur: 3« Commlsston: , vr. I. Schladebach in Dresden. H. H. Grimm L Comp. in Dresden.