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ZchönlniM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Verträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. ^112. Sonntag, dm 16. Mai 1660. Der Tag der Pfingsten ist erfüllet, Des heii'gen Geistes Fest bricht an; Was Nachtesdunkel einst umhüllet, Kommt heute her auf lichter Bahn; Der Glocken feierlicher Klang Will laden uns zum schönsten Gang. Der Waldessänger Lieder schallen. Die Lerche trillt in hoher Luft Zu Gottes Lob und Wohlgefallen, Die Wachtel froh den Landmann ruft, Und Frühlingslust in reicher Zahl Zieht endlos über Berg und Thal. Und auf den grünen Wiesenmatten Wohl Mancher geht im Morgenschein, Jndeß die flücht'gen Wolkenschatten Hinstreifen über Feld und Hain Und über manch betrübtes Haupt, Dem hier des Herzens Ruh' geraubt. Still und versunken in ihr Eilen Schaut ernst er in das lust'ge Spiel, Wie sie so ziehen ohne Weilen, Den Pilgern gleich, zum fernen Ziel; Da wird ihm erst ihr Wesen klar Und ihre Deutung offenbar. In seines Herzens dunkle Räume Kehrt ihr ja nimmermehr zurück, Ihr goldnen sel'gen Jugendträume Mit eurem Hoffen, Lebensglück! Nur Eins bleibt, wenn Gefahren dröhn: Der feste Stab — Religion. Du höchster Geist, du Kraft der Frommen, Ach kehre doch bei Allen ein! Sei heute tausendmal willkommen, Laß jedes Herz ein Tempel sein! Lenk ferner unsers Lebens Kahn, Fhür' uns zum Licht durch Erdenwahn! Ariedrich Kündet. "Waldenburg, 15. Mai 1880. Englische Verlegenheiten. Pfingsten, das „liebliche Fest der Maien", ist wieder einmal herangekommen, die Natur prangt im hochzeitlichen Festgewande und die Menschen schicken sich an, die Alltagssorgen abzuwerfen und daran zu denken, wie sie wohl in frischer freier Fröhlichkeit die Feiertage entweder in schönen Ge genden oder auch bei lieben Verwandten und Freun den am besten verbringen könnten. Nicht so das neue englische Ministerium. Das selbe kratzt sich verlegen hinter den Ohren und über legt, wie es aus dem Dilemma, in das es durch die heftigen Angriffe gegen die Maßregeln des ab getretenen Cabinets gerathen ist, wieder in schickli cher Weise herauskommt. Der Ministerpräsident Gladstone hat, wie bekannt, in einem Schreiben an den österreichischen Botschafter Carolyi bereits putor xsoeavi gemacht. In einem Ministerrathe am 14. d. hat der Minister für Irland, Förster, die Noth wendigkeit der Erneuerung der Zwangsgesetze für Irland, die von den Liberalen so heftig bekämpft worden sind, bewiesen, weil die Sicherung des Landfriedens daselbst dies absolut verlange. Ferner erklärte sich Minister Harcourt einer Depu tation gegenüber bezüglich der famosen Londoner Wasser-Bill, welche früher unendlich von ihm ge schmäht und angegriffen worden, höchst versöhnlich. Er wolle die ganze Angelegenheit, wie er sagte, erst genau von allen Seiten stndiren. Und schließ lich muß der Generalpostmeister Fawcett seine An klage, daß die frühere Regierung von dem indischen „Rechenfehler" bereits am 13. Mai v. I. Kennt- niß gehabt habe, auf Veranlassung des Marquis v. Hartington widerrufen. Aus alledem läßt sich schließen, daß es nichl unmöglich sei, in dem nächstens zusammentretenden Parlament werde sich das Geschick des Cabinets rascher entscheiden, als man nach dem gewaltigen Jubel erwarten konnte, mit dem es begrüßt wurde. Während die Conservativen wieder mit frischem Winde segeln, zerbröckelt die Majorität, bevor sie in Function treten konnte; die Radikalen sind be reits abgefallen und erkennen ihre Vertreter in der Regierung nicht mehr als zu ihnen gehörig an, und die Whigs sind ohnedies nur mißtrauisch den Pfa den Gladstone's gefolgt, dessen persönliche Garde allein den ersten Hauptstoß der Gegner auszuhalten haben wird. Kurz die ganze Sachlage ist nicht dazu angethan, daß das englische Cabinet auf Pfingstgedanken groß kommen wird, allein uns soll das wenig Kopfzer brechen verursachen und uns auch nicht in dem Vorhaben, die Feste zu feiern wie sie fallen, stören, und das wird auch bei unsern Lesern nicht der Fall sein, denen wir allen ein recht vergnügtes Pfingst fest wünschen. "Waldenburg, 15. Mai 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. In einer officiösen Note wird hervorgehoben, daß der Kanzler, wenn er davon gesprochen, daß er todtmüde sei, nicht von der Erschöpfung seiner Kräfte, sondern von der moralischen Ermüdung gespro chen, welche ihm die Erwägung einflöst, gegen welche Hindernisse er ankämpfen müsse. Der Kanzler sei jetzt mehr als je vom Enthusiasmus seines großen Werks ergriffen, je mehr Hindernisse demselben sich gegenüberstellen. In der Frage des Zollanschlusses Hamburgs ist die Sachlage folgende: Preußen stellt im Bun- desrath den Antrag auf Einverleibung der Stadt Altona und St. Pauli's in die deutsche Zollgrenze trotz Artikel 34 der deutschen Reichsverfafsung; Ham burg bestreitet die verfassungsmäßige Zulässigkeit des preußischen Vorgehens und beantragt im Bundes- rathe, es möge die Frage zuerst entschieden werden; Hamburg hat dabei für seine Nechtsauffassung die große Mehrheit des deutschen Reichstages hinter sich; Fürst Bismarck aber weist jede Einmischung des Reichstags in dieser Frage mit Entschiedenheit zu rück und erklärt auch im Bunvesrathe jede Erörte rung über Verfassungsfragen schon für bedenklich; einTEntscheidung durch Bundesrathsmehrheiten und Minderheiten in Fragen des Verfassungsrechtes aber wird vom Fürsten Bismarck erst recht für unzuläs sig erklärt, und was speciell Preußen angeht, so er klärt er kategorisch und unter schweren Drohungen, es dürfe in einer Frage über Verfafsungsrechte nicht in die Minorität gebracht werden, er werde in einem solchen Falle auch vor Bedenklichem sich nicht scheuen, jetzt so wenig wie früher. Oesterreich» Die das Czechenthum begünstigende Sprachen- Verordnung wurde auch dem obersten Gerichtshöfe intimirt und kam geschäftsordnungsmäßig zur Ver handlung in einem Senate, dem der Präsident die ses Gerichtshofes, v. Schmerling präsidirte. Der selbe knüpfte daran folgende Bemerkung: Auf die Gefahr hin, daß auch diese meine Worte wie so viele andere ohne meinen Willen gedruckt werden, muß ich Ihnen, meine Herren, sagen, daß unge achtet dieser Verordnung beim obersten Gerichtshöfe Alles beim Alten bleibt, daß an der bestehenden Praxis dadurch nichts geändert werden soll. Ungarn. Das Oberhaus nahm die Gesetzentwürfe, betreffend die Verlängerung des Handelsvertrages mit Deutschland und die Regelung des Appreturver kehrs an. Frankreich« Der ultramontane „Fran^ais" erklärt in heraus forderndem Tone, es seien alle Maßregeln getroffen, damit die gegenwärtig von Jesuiten geleiteten Lehranstalten auch das nächste Jahr „in einer den Familien alle Sicherheit gewährenden Weise" wie der eröffnet werden sollen, ohne der Anwendung irgend eines „bestehenden Gesetzes" einen Vorwand zu geben. In der That verlautet — und darauf mag der „Fran^ais" wohl anspielen —, daß die Jesuiten ihre sämmtlichen Anstalten und Grundstücke bereits notariell an weltliche Vertrauensmänner ab getreten haben, unter deren Namen und Firma sie ihren Unterricht „als Individuen" fortzuführen ge denken. Am 13. d. abends fanden in Roubaix und Armen- tiöres Ruhestörungen seitens der strikenden Ar beiter statt. Gendarmen, sowie Jäger zu Pferds und ein von Lille herbeigerufenes Bataillon zerstreu, ten die Zusammenrottungen der lärmenden Menge Die Behörden trafen Vorsichtsmaßregeln, um einer- Wiederholung der Unruhen vorzubeugen. England. Ein Aufsatz der Edinburgh Review über das neue englische Parlament enthält allerhand auch für festländische Leser interessante thatsächliche Mit- theilungen über die Ursachen des dort eingetretenen Umschwungs und vollständigen Sieges der liberalen Opposition, von denen wir ein paar wiedergeben wollen. Ein bedeutender Antheil an der Herbeifüh rung desselben wird nicht sowohl der hauptstädtischen als der Provinzialpreffe zugeschrieben. Die liberale Presse ist dafür denn auch durch die Wahl verschie dener ihrer Vertreter ins Unterhaus belohnt wor den; hierbei hat jedoch, wie begreiflich, London des senungeachtet den Löwenantheil davongetragen, in dem allein 4 Schriftsteller vom Stabe der Daily News frisch ins Haus gekommen sind, überhaupt aber 7 Zeitungsschreiber neu zu 7 anderen, die schon länger in der Vertretung der Nation einen Platz gefunden hatten. Die Söhne des Prinzen von Wales sind von ihrer Seereise nach England zurückgekehrt, nachdem die jungen Leute sich eine Reihe von Monaten in den Meeren auf dem Uebungsschiff, das für sie eingerichtet war, umhergetummelt haben. Die