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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend. Abonnementsprcis beträgt vierteljährlich 1 Mark 20 Pf. prssnumersnüo. AMiM Inserate werden bis-spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit io Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. für Zwönitz nn- Umgegend. Nedacteur und Verleger: C. Bernhard Ott in Zwönitz. 40. Dienstag, den 12. September 1876. 1. Jahrg. Tagesgeschichte. Berlin. Zur orientalischen Frage ist endgiltig Entschiedenes nicht zu melden. Die Pforte hat den Vertretern der Großmächte in Constantinopel die vorläufige Eröffnung gemacht, daß sie eine Waffen ruhe als nicht in ihrem Interesse gelegen erachte. Das ist augen scheinlich die gestern telegraphisch gemeldete erste officielle Antwort auf die von den Vertretern der Großmächte am Montag der Pforte gemeinschaftlich gemachte Vorstellung. Also die Kriegspartei hat in Constantinopel gesiegt! Zwar nur vorläufig, aber sie hat doch gesiegt. Augenscheinlich— wir sind in diesem Falle vielleicht zu optimistisch— wartet die Pforte nur auf die Einnahme von Alexinay, und dann Wird sie vielleicht die Waffenruhe als iu ihrem Interesse gelegen erachten. Aber der Umstand, daß sie den gemeinsamen kundgegebenen Wünschen der Großmächte, durch deren Gnade sie eigentlich nur noch in Europa existirt, sich so wenig willfährig zeigt, ist, wenn auch nach den bisherigen Erfahrungen nicht gerade überraschend, so doch für die Weitcrenlwickclung der orientalischen Frage etwas bedenklich. Man wird nach einer solchen Antwort der Pforte schwerlich Zeit lassen, selbst den Zeitpunkt ausfindig zu machen, wo sie zu einer Waffenruhe bereit ist. Es heißt weiter, die Pforte will erst Garantie dafür, daß die Waffenruhe zum Frieden führt und der Frieben seitens der beiden kriegführenden Fürsten nicht wieder gebrochen wird. Das ist viel verlangt und kommt einer absolut ablehnenden Antwort und dem Wunsche, die beiden Fürstenthümer zu vernichten, gleich! Ist es wohl denkbar, daß die Großmächte von der Türkei sich so ohne Weiteres nach Hause schicken lassen werden? — Zur Prcßgesetzgebung wird der „Frkf. Ztg." aus Berlin ge schrieben: In den Protocollen der Neichsjustizcommission liegt nun auch der Wortlaut der Erklärung vor, welche der Vertreter des Bundesrathes, Geb. Ober-Rerierungsrath Hanauer, zu dem Beschluß, betreffend die Abschaffung des Zeugnißzwangeö bei den durch die Presse begangenen Vergehen, abgegeben hat. Die Erklärung lautet im Wesentlichen wie folgt: „Die verbündeten Regierungen halten den Standpunkt fest, daß nicht bloS das Interesse des Publikums gewahrt werben müsse. Dem durch die Presse Verletzten werde mit der Ver antwortlichkeit deS RedacteurS nicht genügend gedient. Bei allen Berathungen habe Einverständniß darüber geherrscht, daß von einer Befreiung vom Zeugnißzwang nicht die Rede sein könne, wenn im Civilprocesse Ansprüche wegen einer durch die Presse verübten Ver mögensbeschädigung geltend gemacht werden. Das Interesse, welches der Beschädigte im Civilprvceß habe, sei aber doch kein wesentlich anderes, als das im Strafprocesse. Im Strafprocesse sei der Ver letzte in der Lage, die Festsetzung einer Buße zu beantragen; er würde in Nachtheil kommen, wenn er lediglich auf den vielleicht insolventen Redacteur angewiesen und nicht im Stande sein sollte, auch gegen denjenigen wirksam vorzugchen, den er für den eigentlichen Thäter zu halten Grund hat. Die Verantwortlichkeit des RedacteurS dürfe nicht in dem Sinne aufgefaßl werden, daß daS strafrechtliche Verfahren gegen den weiteren Thäter, den Verfasser, ausgeschlossen sei. Denn wenn man dies thue, gerade man in schneidenden Wiederspruch mit 8 20, Abs. 1 des Preßgesetzes, welcher die allgemeinen Strafgesetze für anwendbar erkläre. Darnach müsse es zulässig sein, mit allen gesetzlichen Mitteln nach dem vom Gesetze für strafbar Erklärten zu forschen, und das wichtigste Mittel sei die regelmäßige Zeugnißpflicht. ES existire also kein logischer Grund, weshalb die strafrechtlich nicht verantwortlichen Personen vom Zeugnißzwange befreit sein sollen?" Abg. Marquardsen bemerkte in seiner Eigenschaft als Urheber deS Antrags auf ausdrückliche Beseitigung des Zeugnißzwangeö, daß die Art und Weise, wie theilweise iu Preußen gegen die Presse vorgegangen sei, als ein Act der juristischen Barbarei zu bezeichnen sei. In anderen Ländern komme eine solche Procedur nicht vor, ohne daß der Staat darunter leide. Er erkläre offen sein Bedauern, daß bei uns eine solche ausdrückliche Vorschrift nothwendig geworden; er habe anfänglich nach den Erfahrungen in anderen civilisirlen Ländern in dem Glauben gelebt, daß eS der Aufnahme eines Satzes, wie des vorgeschlagenen, nicht bedürfe, sei aber leider durch die Thatsachen anders belehrt worden und habe deshalb die ausnahmsweise Aufnahme dieses Satzes in das Gesetz, aber kein eigentliches Ausnahmegesetz beantragt. Der Antrag Marquardsen wurde bekanntlich bei der Abstimmung mit allen gegen zwei Stimme» angenommen. Die eine der Petitionen deS deutschen Journalistentages, daß wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Gerichtsverhandlungen straflos sein sollen, ist von der Comission an den Reichstag zurückverwiesen worden, da die Commission mit dem materiellen Strafrecht sich nicht u befassen habe. Uorales und Sächsisches. Leipzig. Se. Majestät Kaiser Wilhelm hat vor der Abreise von Leipzig daS nachfolgende Handschreiben an den Rath der Stadt Leipzig gerichtet: »Ich kann die Stadt Leipzig nicht verlassen, ohne derselben nochmals auszusprechcn, wie sehr Mich der Mir hier berei tete Empfang erfreut und bewegt hat. Mir ist hier — wo vor 63 Jahren der erste Schritt für die Vereinigung Deutschlands mit blutigen Opfern erkämpft wurde — überall eine so wohlthuende Darlegung der Sympathien für die Einigkeit Deutschlands, verbunden mit war mer und treuer Anhängligkeit an den Landesherrn, entgegengetreten, daß eS Mir ein wahres HerzenSbedürfniß ist, Meiner freudigen Befriedigung hierüber Worte zu geben. Der Name der Stadt Leipzig ist bisher jederzeit unter den erste» genannt worden, wo es die Ehre und Größe Deutschlands galt; Ich scheide von hier mit der festen Ueberzeugnng, daß es immer und für alle Zeiten so sein wird. Leipzig, den 7. September 1876. Wilhelm." Leipzig, 7. September. Soeben erfolgte die Abreise des Kaisers Wilhelm nach Merseburg. Bereits seit 4 Uhr waren die vom königlichen Palais nach dem Thüringischen Bahnhof führenden Straßen zn beiden Seiten von eiuer dichten Menschenmenge erfüllt, welche dem Kaiser vor seinem Scheiden aus Leipzig nochmals die Em pfindungen ver Liebe urd Verehrung ausdrücken wollte. Von 6 Uhr entfaltete sich im Bahnhof ein glänzendes Schauspiel Unaufhörlich rollten die Wagen mit den im Gefolge des Kaisers befindlichen fürst lichen Personen, Generälen, Osficieren rc. heran. Das Innere des Bahnhofes war aus das Glänzend!'? geschmückt. Se. Majestät der Kaiser verabschiedete sich von Sr. Majestät dem König Albert und den übrigen Mitgliedern der sächsischen Königsfamilie auf das herz lichste. Ebenso herzlich war die Verabschiedung der Letzteren von dem Kronprinzen des deutschen Reiches. Bevor der Kaiser den Salon wagen betrat, wandte er sich noch an den Vicebürgermeister Or. Georgi und drückte Demselben mit warmen Worten seinen kaiserlichen Dank für die Aufnahme aus, die er in Leipzig gefunden. Se. Majestät bemerkte unter Anderm, er habe in keiner andern Stadt Deutschlands einen solchen glänzenden und begeisterten Empfang, wie in Leipzig, gefunden. ' Leipzig, 8. September. Se. Majestät der Kaiser hat vor seiner Abreise dem Bürgermeister Georgi den Kronenorden 2. Klasse, dem Stadtverordnetenvorsteher Troendlin, dem Polizeidicector Rüder und dem Baurath Lipsius den rothen Adlerorden 3. Klasse verliehen. Hinzuzufügen ist, daß lt. einer Berichtigung im „L. T." das von Sr. Majestät König Albert dem Bürgermeister Georgi verliehene Niter- kreuz zu dem AlbrechtSorden, nicht aber zum Verdienstorden gehört. — Auf dem Schuhmachertage in Zeitz ist der Beschluß gefaßt worden, den Kunden nur drei Monate lang zn borgen, dann aber 6 Procent Zinsen für die Schuld zu berechnen. Die übrigen hauptsäch lichsten Fragen der Tagesordnung, als die Lehrlingsfrage, Gründung von Productivgenossenschaften oder Lagermagazinen, Einschränkung der Wanderlager führten nicht zu bestimmten Entschließungen.-c Dagegen soll die Bildung von Rohstoff-Associationen angestrebt werden. ES wäre sehr erwünscht, wenn der den Handwerkerstand ruiUirenden miß bräuchlichen Ausnutzung des Credits überall in der oben angeregten Art enlgegengetreten würde. Chemnitz. Der als Kanzelredner bekannte Hauptpastor.zu St. Jacobi in Hamburg, Herr Robert Calinich, welcher eine Zeit