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chmdurger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Avonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. —— und aldenburger Anzeiger. Amtsblatt für dea Stadtrath su Waldenburg. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgasse; in Rochsburg bei Herrn Luchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchurs oorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. 74. Donnerstag, den 3t. März 1887. . Witteruugsanssichten für den 31. März: Windrichtung »m Nordost. Wechselnde Bewölkung, Niederschläge nicht ausgeschlossen. Temperatur wenig verändert. Die Ablösungs-Renten sind den 31. dieses Monats und die Brandversicherungsbeiträge nach 1 Pfennig pro Einheit den 1. April d. I. zu bezahlen. Stadtsteuer-Ginnahme Waldenburg, den 30. März 1887. "Waldenburg, 30. März 1887. Der neue Branntweinsteuergesetzentwurf für den Reichstag ist festgestellt worden und liegt bereits dem Fürsten Bismarck zur Kenntniß vor. So wird all gemein versichert; es klingt auch durchaus glaubhaft, denn da sich der Reichstag noch in dieser Session mit der Vorlage beschäftigen soll, ist keine Zeit mehr zu verlieren. Von großem Interesse ist, Ivas zur Vor geschichte des neuen Entwurfes mitgetheilt wird. Es wird nämlich behauptet, es sei nicht gelungen, eine Einigung zwischen den Nationalliberalen und den bei den conservativen Parteien des Reichstages hinsichtlich des neuen Gesetzentwurfes zu erzielen, '.Herr Miquel habe vergebens sich bemüht, den Vermittler zu spielen. Darauf habe der Finanzminister von Scholz den Ent wurf selbständig ausgcarbeitet und dem Reichskanzler zur Kenntnißnahme unterbreitet. Was an diesen Nach richten wahr ist, wird sich nur zu bald herausstellen. Bekannt ist ja, daß zwischen Deutschconservativen und Nationalliberalen bereits im vorigen Jahre größere Differenzen über die Branntweinsteuerfrage bestanden. Die Einführung von Meisterprüfungen im deutschen Reiche auf Grund der Anträge Ackermann und Biehl auf dem Reichstage wird von der „Nordd. Allg. Ztg." rundweg bekämpft. Das Organ des Reichskanzlers giebt auch ganz deutlich an, daß die Anträge die Zustimmung der verbündeten Regierungen nicht haben. Anders steht es aber mit dem freiconseroativen An trag, welcher die Befähigung bei Eröffnung des Ge werbebetriebes besonders durch Nachweis einer Lehr zeit und einer dreijährigen Gehilfenzeit fordert, ftir einzelne Gewerbe nur technische Prüfung vorschreibt. Dieser Antrag wird, wie es scheint, im Bundesrath nicht auf Widerspruch stoßen. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt darüber: Bekanntlich sind Erhebungen über diese Frage im Zuge, deren Ergebniß abzuwar ten sein wird, bevor entschieden werden kann, ob und wie weit im öffentlichen Interesse die Einführung eines solchen Befähigungsnachweises angezeigt erscheint. Die bisher bekannt gewordenen Gutachten dieser Erhebun gen unterstützen allerdings den in dem freiconseroativen Anträge vertretenen Standpunkt, indem die Mehrheit der betheiligten Privatpersonen und Beamten darin übereinstimmt, daß die Leistungen vieler Bauhandwer ker und Unternehmer, namentlich in den kleinen Städten und auf dem platten Lande, durchaus ungenügend und ernste Gefahren für Leben und Sicherheit der Bevöl kerung herbeizuführen geeignet sind. Man sucht die Ursache dieser Erscheinung, wenigstens zum Theil, in Aufhebung der obligatorischen Meisterprüfung und ver spricht sich Besserung von Wiedereinführung einer Prüfung. Die meisten Gutachten stimmen auch inso fern mit den Vorschlägen der freiconseroativen Partei überein, als sie die Prüfung nicht als Meisterprüfung im Sinne der Anträge Ackermann-Biehl gestaltet nnd nicht den Innungen übertragen wissen wollen, sondern daß sie eine rein technische Prüfung vor staatlichen Prüfungsbehörden in Aussicht nehmen. Unter der Firma „Freier Bund" hat sich in Nuß land eine neue geheime Gesellschaft gebildet mit der Aufgabe, den Despotismus des Czaren zu bekämpfen und Rußland politisch, wirthschaftlich und culturell zu befreien. Das Programm ist ebenso umfangreich wie unklar, erklärt übrigens offene Auflehnung und gewalt- thätige Angriffe gegen die jetzige Regierung für statt haft. Nach dem Programm kann sowohl der erbliche ; Kaiser, wie auch ein vom „Freien Bund" bestimmter , Präsident Staatsoberhaupt werden. Letzteres ist ver- - pflichtet, die vom Staatsrath und Bundesrath ange- . nommenen Gesetze zu genehmigen, zu veröffentlichen, und ausznführen. Der Staatsrath wird aus den : Kreisversammlungen, der Bundesrath aus den Pro- . vinzialversammlungen gewählt. Diese Körperschaften > kommen auf Grund eines allgemeinen Wahlrechtes ! vom 21., beziehungsweise 25. Lebensjahre zu Stande; ' sie geben die staatliche Gesetzgebung gemeinsam. Da- ! gegen verwalten sich die Gemeinden, Bezirke und Pro ¬ vinzen selbstständig. Insbesondere verlangt der „Freie Bund" die Gewährung der allgemeinen Menschenrechte und der bürgerlichen Freiheit, unter anderm Glaubens-, Rede-, Preß-, Theater-, Versammlungs- und Vereins freiheit, Unverletzlichkeit der Person und des Haus rechts, ferner auf socialpolitischem Gebiete die Versor gung der Kinder, Kranken, Verwundeten und Greise, die Beschränkung der täglichen Arbeitszeit, die Ein führung von Schiedsgerichten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die Errichtung von Wohnhäusern für Arbeiter, die Vertheilung von Staatsgütern unter arme Bauern rc. Bemerkenswerth erscheinen diese socialpolitischen Forderungen. Es ist nicht zu leugnen, daß infolge der künstlichen Jndustriezüchtung durch übertriebene Schutzzölle und infolge der verminderten Getreideausfuhr die Lage weitester Bevölkerungsschich ten in Rußland sich derart verschlechtert hat, daß hier durch die politische Unzufriedenheit erheblich vermehrt worden ist. Wenn auch Rußland noch nicht vor einer politischen Umwälzung steht, so hat es jeden falls sociale Unruhen zu befürchten, und so dürfte sich die Aufmerksamkeit der russischen Regierungskreise nothgedrungen mehr und mehr den inneren Angelegen heiten zuwenden. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm nahm am Dienstag wieder die regelmäßigen Vorträge entgegen und arbeitete Mittags mit dem General von Albedyll. Ueber sein Befinden wird Folgendes bekannt gegeben: Der Schlaf war in der Nacht zum Dienstag mit Unterbrechungen recht gut. Das Aufstehen am Montag ist dem Monarchen gut bekommen, auch die Krankheitserscheinungen lassen mehr und mehr nach. Das Rücktrittsgesuch des Staatssekretärs von Hof mann in Straßburg ist vom Kaiser genehmigt worden. Die Leitung der Geschäfte führt bis auf Weiteres der Unterstaatssekretär von Puttkamer. Aus Petersburg wird gemeldet, daß die russischen Großfürsten in sehr zufriedener Stimmung von ihrem Berliner Besuch zurückgekehrt sind, wo sie sehr entschieden die Friedensliebe des Czaren betonten. Der „Nat.-Ztg." wird bestätigt, daß die Abmachungen von Skierniewice sich jetzt ihrem Ende nähern. Ihre Er neuerung wird davon abhängen, ob über die bulgarische Angelegenheit eine volle Einigung erzielt werden kann. Unter Vorsitz des Reichskanzlers fand am Dienstag ein Ministerrath statt, der sich auch mit Elsaß- Lothringen beschäftigt haben dürfte. Die Unfallversicherungscommission des Reichs tages hat den § 3 des Gesetzes betr. die Versicherung der Bauarbeiter in folgender Fassung angenommen: „Als Betriebsunternehmer im Sinne dieses Gesetzes gilt: 1) bei Bauarbeiten, welche in einem gewerbs mäßigen Baubetriebe ausgeführt werden, der Bauge werbetreibende; 2) im Uebrigen der Bauherr. Das genaue Resultat der Reichstagsersatzwahl im 2. oldenburgischen Wahlkreise ist folgendes: Träger (freis.) 7423, von Thünen (natlib.) 7171 Stimmen. Bei der Stichwahl enthalten sich die Socialdemokraten, die es auf 992 Stimmen brachten, der Abstimmung. Der Zustand der Herzogin von Cumberland hat sich, seitdem sie sich in der Döblinger Irrenanstalt befindet, nicht gebessert, er gilt als hoffnungslos. Sie leidet thatsächlich an Verfolgungswahn und verweigert die Annahme aller Nahrung. Die conservative Partei des preußischen Abgeord netenhauses hat beschlossen, einen Antrag auf Reform der directen Steuern in Preußen einzubringen. Die Klaffen-, Einkommen- und Gewerbesteuer sollen abgeändert, eine Kapitalrentensteuer neu beantragt werden. Im preußischen Abgeordnetenhaus standen am Dienstag Wahlprüfungen und Petitionen auf der Ta gesordnung. Die Wahl des Abg. Krekeler (cons.) für den Wahlbezirk 11 Kassel wird für giltig erklärt. Die Wahlen der Abgg. Seyffardt-Licgnitz und Gold schmidt (freis.) werden für ungiltig erklärt und die gesummten Wahlmännerwahlen der Stadt Liegnitz kassirt. Die Wahlen der Ahgg. Meyer zu Selhausen und Stöcker (cons.) für den Wahlbezirk 2 Minden werden für giltig erklärt, die Regierung aber ersucht, an ge eigneter Stelle darauf hinzuwirken, daß die Vorschriften des Wahlreglements über die Aufstellung und Auslegung der allgemeinen Abtheilungsliste in Zukunft regelmäßiger befolgt werden. Die Wahlen der Abgg. Rintelen und von Kluiten (Centrum) für den Wahlbezirk Koblenz 2 werden für ungiltig erklärt. Die Wahlen der Abgg. Seer (natlib.) und von Tiedemann-Labischin (freicons.) für den Wahlbezirk 3 Bromberg werden für giltig erklärt. Petitionen von Gerichtsschreibern um Gewäh rung von Entschädigung für Rendanturgeschäfte bei Amtsgerichten mit weniger als drei Richtern werden der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen. Die übrigen Petitionen sind fast durchgängig lokaler Natur. Nächste Sitzung: ' Donnerstag 11 Uhr. (Volksschul leistungsgesetz, kleine Vorlagen.) Oesterreich-Ungarn. Der König und die Königin von Rumänien sind am Dienstag Vormittag in Wien angekommen und nach einem feierlichen Empfang durch Kaiser Franz Joseph in der Hofburg abgestiegen. Später empfingen und machten dieselben Besuche. Am Nachmittag war Galadiner. Frankreich. Aus Paris wird von zuverlässiger und ruhiger Seite gemeldet, General Boulanger verliere trotz aller Anstrengungen seiner radikalen Freunde mehr und mehr Boden. Er ist auf dem besten Wege, sich lächer lich zu machen, und das ist das Schlimmste, was einem französischen Minister passiren kann. Boulanger setzte einen Beamten der Artilleriedirec- tion ab, weil er ihm als Spion verdächtig schien. Die Möglichkeit einer Ministerkrisis ist schon