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Nummer 121 — 25. Jahrgang kknal möch. Bezugspreis für Juni 8.— emschl, BesteUgelv. «nzelgenpreife: Die l^sp. Petitzeile Stellengesuche 20 L. Dt« Petitreklamezeile. 8S Milli meter breit. 1 Offerlengebühren für Selbstabholer 80 bei Uebersenbung durch bl« Post an herbem Portozuschlag. Elnzei-Nr. 10 H. Sonntaqs-Nr, IS ^^tl Teilt I. tzillebrand in Dresden. llmlieiulf kt» Änirlr. leipign link« SZ Sückllsctie Donnerstag, 3. Juni 1921 Im Fall« höherer Gewalt erlischt jede Verpflicht« auf Lieferung sowie Erfüllung v. AnzelgenauftrSg, u. Leistung o. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fer ruf üdermitt. Anzeigen übernehmen wir keine V« antwortung. Unverlangt eingefandt« u. m. Rückpor nicht versehen« Manuskripte werb. nicht aufbewahr Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmitta Hauptschriftlelt.: Dr. Joseph Afhert.Dr Weich,!t»!r«Ue, ^ruü uud Vrrta,r <öa»»»a- *uchdru-k»rei »mbH„ Dre»drn«A. I, Polier!Irakk 17. ßernrui 2NU2. Powch-iHonlo Dresden 14797 ^»nttonlo: >8,ss»nae Si !kr!«sche. Dresden. Für christliche Politik un- Kultur Utedaktt», »er GachNsche» »volkslitt«»« Dresden-Alislndl l, Polierltraiie 17. Zernvi» «7U nnd 21VI2. » » k. 5c«avk L co. I III>llIl>IIIllIIlMItlII»IIlIIl»llIIIlIIlIIMlIlIIIlIII»IIlI»I»IIl»»lIlI»IIl»»»U>ll»IlIII»IMllI»llI» Wegen des Fronleichnam-Festes kommt die nächste Nummer unserer Zeitung erst am Freitag in Druck. IUlIlIlIIlIlllIIIIIIlIIIIitIIIlIIIIIIlllIl»IIIIIlIIl»lIIIllIIll»IllllIIl»I»»l»lIlllllIIIlIlIllII»l»IlII»»»l Zum 20. Juni Nicht mehr ganz drei Wochen trennen uns von dem Volksentscheid in der Abfindungsfrage der ehe maligen Fürsten. Während bis jetzt die Agitation für die Abstimmung noch verhältnismäßig gering blieb, müs sen wir doch damit rechnen, daß besonders in den letzten Tagen eine umfangreiche Propaganda der Linksparteien einsetzen wird. Es ist darum von größter Wichtigkeit, daß das Volk sich klar wird über all das, was für diese so eigentümliche und die höchsten Interessen einer Na tion berührenden Fragen ausschlaggebend ist. Der Volksentscheid will bekanntlich die völlige restlose Enteignung der Fürsten. Er unterscheidet also gar nicht zwischen einem Besitztum, das der Fürst sich auf rein p r i v a t r e ch t l i ch e m Wege, d. h. un ter Anwendung seiner eigenen ihm als ehrlichem Pri vatmann zur Verfügung stehenden Mittel erwirbt, und einem solchen, das ihm nur aus Grund seiner fürstlichen Stellung in den Schoß gefallen ist. Das erstere ist un antastbar Mit dem zweiten aber verhält es sich anders. Es gehört dem Staat, dem Volk, weil es den Fürsten gleichsam als Lehen vom Volke übertragen wurde. Und zwar nur für die Dauer ihrer Negierung. Freilich ist auch jene erste Art von Besitztum, das man schlechthin als „Privateigentum" bezeichnet, nicht immer in Wirklichkeit als solches zu betrachten. In diesem Punkte hat die Ehr lichkeit in der Geschichte manche Lücken aufzuweisen. Der geschichtliche Tatbestand (Entstehungs geschichte des Eigentums) 'Muß hier in Betracht gezogen werden, damit alle Spekulationen einzelner, denen mehr die Vergrößerung ihrer Hausmacht als die Sorge für ihre Untertanen am Herzen lag, klarer zutage treten. Damit ans dem sogenannten Privatbesitz all das als unlauterer Besitz ausscheidet, was zwar durch irgend eine „künstliche Geschicklichkeit" des Erwerbes sich den „Buchstaben" des Gesetzes zum Hüter nahm, in Wirklich keit aber nur dem Volksvermögen zu privaten Inter essen entzogen wurde. In diesem Sinne kann nur nach dem moralischen Recht, nicht aber nach der mechani schen Anwendung des Gesetzbuches entschieden werden. Bei diesen Vorbehalten aber bleibt ein b e st i in m- rer Nest der Besitzungen übrig, der als reines Pri vateigentum anzusehen ist. Aber auch bei diesem Rest müssen wir noch eine bedeutende Einschränkung machen: genau so. wie das Vermögen des Volkes durch die Inflation entwertet und nur zu einem be stimmten Teil nach Goldwert aufgebessert wurde — genau so ist auch dieser Rest zu behandeln. Der Anteil der Verarmung, den das Volk auf sich genommen hat, muß hier mindestens in gleicher Weise in Rechnung gestellt werden. Weil nun der Volksentscheid auch diesen ehr lich erworbenen Rest an Besitztum enteignen will, ist er grundsätzlich unmoralisch. Die Parteien, die für ihn eintreten (Kommunisten und Sozialdemokraten) betrachten deshalb die Abfindungsfrage auch als reine Parteifrage (die Prinzipien der Linksparteien ent sprechen ja bekanntlich längst nicht den allgemein gültigen Grundsätzen der Moral) — als ein Agitations mittel, von dem sie glauben, daß es gerade heute den verarmten und verhetzten Massen recht gut munden werde. In Wirklichkeit müßte diese ganze Angelegen heit einzig und allein eine Weltanschauungs-, eine strenge Prinzipienfrage sein. Die Linke schreitet über Recht und Sitte, also über die Grund lagen einer Nation überhaupt hinweg. Zur Annahme des Volksentscheids am 20. Juni bedarf es der sogenannten qualifizierten Mehr- beit. Das heißt: mindestens die Hälfte aller wahl berechtigten Deutschen muß einen Stimmzettel mit „Ja" abgeben. Es handelt sich hier um die Hälfte der Wahl- berechtigten und nicht etwa um die Hälfte der am 20. Juni in Wirklichkeit Wählenden. Wahlberech- igte aber haben wir in Deutschland gegen 40 Millionen, o daß rund 20 Millionen mit „Ja" stimmen Mütz en. Es ist daher beim Volksentscheid — im Gegensatz zu anderen Wahlen — auch ganz gleichgültig, ob jemand, der sich gegen den Volksentscheid entscheiden will, nun an der Wahl mit „Nein" sich beteiligt, oder Über haupt nicht wählt. Derjenige, der zu Hause bleibt. Das Ende einer vielhunderrjShrigen Parieigeschichle Der Streit um Lloyd George London, 2. Juni. Im Mittelpunkte des öffentlichen Interesses steht in England gegenwärtig der Streit, der zwischen den beiden bedeutendsten Führern der Liberalen, Lord Oxford (As- quith) und Lloyd George entstanden ist. Dieser Streit droht zn einer Spaltung der liberalen Partei zu führen. Eine solche Spaltung wird allgemein als das Ende des Liberalismus in Engl and angesehen. Die liberale Partei, vor 1914 die einflußreichste in Eng land, hat bei den letzten Wahlen mehr und mehr an Einfluß verloren und schließlich nicht einmal mehr hundert Man date im Unterhaus behalten. Eine weitere Spaltung würde der Partei jeden Rest von Einfluß und Ansehen rauben. Auf d wie Weüc würde eine der beiden alten histo rischen Parteien Englands — denn die Liberalen führen die alte Tradition der „Whigs" fort, ebcrifo wie die Konservativen jene der Torys — nach vielbundertfähriger Geschichte aus der politi cyen Führung Englands ausscheiden. Den Platz der liberalen Partei würde dann vollends die Arbeiterpartei einnehmen, die heute bereits im Unterhaus« die Opposition führt. Grund des Streites ist die Haltung Lloyd Georges während des Gene- ralstreiks. Lloyd George hat sich damals nicht un bedingt auf feiten der Regierung gestellt; ist vor allem einer Kundgebung fern geblieben, in der die liberalen Partei führer der Regierung ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Lord Oxford hat dies Verhalten in einem offenen Briefe als im Widerspruch stehend mit den Grundsätzen des Liberalismus bezeichnet. Lloyd George hat nicht weniger scharf geantwortet. Die erste Klärung der verworrenen Lage wird morgen erwartet, wo die parlamentarische liberale Partei auf Ver anlassung der Freunde Lloyd Georges eine Sondersitzung abhalten wird. Was die parlamentarische Partei betrifft, so ersännt eme Spaltung in zwei Gruppe» als sicher. Lloyd George lehnte es gestern abend ab, sich zur Lage zu äußern. Die „Westminster Gazette" betont, daß die Männer, die hinter Lord Oxford ständen, niemals in ihrer Treue zn den liberalen Grundsätzen schwankten, während Lloyd George als Cbef der Koalitionsregierung versuchte, die Partei zugrunde zu richten. — Das Sprachrohr Lloyd Georges „Daily Chronicle" sagt in einem Leitartikel: Es sei schwer, über die erstaunlichen Briefe Lord Oxfords mit Mäßigung zu sprechen. Er habe es für angebracht gehalten, den grötzren lebenden Liberalen, dessen dem"Lande geleisteten Dienste unvergeßlich seien, aus der liberalen Partei zu stoßen. Der Parlamentsberichtcrstatter des Reuterschen Bureaus erklärt, daß der Ton des Bxiefwcchsels im Zusammenhang mit der Angelegenheit Lloyd Georges derart sei, daß die Einberufung einer liberalen Fraktionssitzung, in der Lloyd George um den Rücktritt von seinem Posten als Vorsitzender ersucht werden soll, für unvermeidlich gehalten werde. Dem Korrespondenten zufolge gilt der Rücktritt Lloyd Georges als feststehend. Allerdings steht es außer Frage, daß er nicht ohne heftigen Kampf von seinem Posten weichen werde. hilft genau so gut und genau so viel an der Vereitelung des Volksentscheides, wie derjenige, der sich die Mühe gibt und im Wahllokal seinen Neinzettel abgibt. Die Hauptsache ist eben, daß die Jastimmen nicht die Summe von 20 Millionen erreichen. Nur dann, wenn jemand unter dem Zwang irgendeiner Organisation stehen sollte und zum Wahlakt gezwungen wird, wäre es angebrach ter, wirklich zu wählen. Der Betreffende könnte dann seiner „Organisationspflicht" dadurch Nachkommen, daß er einfach einen Neinzettel abgibt, oder einen ungül tigen. Niemand kann ihn kontrollieren, was er ab gegeben hat. Hat der Volksentscheid Aussicht auf Erfolg? — Die Meinungen darüber gehen in den Parteien weit auseinander. Die Linke hofft und die Gegner des Volksentscheides hoffen auch. Wenn wir ganz offen sein wollen, so müssen wir gestehen, daß ein Zustandekommen des Volksentscheides nicht ausge schlossen ist. Und darum war die Saumseligkeit der Regierung Luther sehr zu bedauern. Das Kabinett lies jegliche Initiative vermissen. Anstatt längst ein brauchbares Gesetz dem Reichstag vorzulegen, das die Mehrheit auf sich hätte vereinigen können, und den Die Morgenbliitler verössentlichen einen Bries Lord Oxfords an seinen Parteifreund Sir Gessrey Eollins und ein von Lord Oxfords 12 hauptsächlichsten Anhängern nnterzeichnetes Antwort schreiben, die über den endgültigen Bruch im liberalen Lager keinen Zweifel mehr lassen. Das Schreiben der zwölf Liberalen ist von Lord Beauchamp, dem Führer der Liberalen im Oberhause, nicht mit unterzeichnet. Die Kohlendebatle im Unterhaus London, 2. Juni. Im Unterhaus gab Premierminister Baldwin bei Eröss- nung der Sitzung die Erklärung ab, daß die Regierung sich nach Ablehnung ihrer Vorschläge sowohl seitens der Grubenbesitzer als auch seitens der Bergarbeiter vollkommene Handlungsfrei heit Vorbehalte. Die Subventionszahlungen seien zv Ende Macdonald, auf dessen Anfrage diese Erklärung Bald- ivins die Antwort war, kritisierte die Haltung der Regierung in den letzten 14 Tagen. Ihre ganze Tätigkeit, sogar ihre Untätigkeit sei nur darauf gestimmt gewesen, den Schrittmacher der Grubenbesitzer zu machen. Wenn die beiden streitenden Par teien sich nicht einigen wolllen, so habe die Regierung die Pflicht, einzuschreiien. Mocdonald schloß: „Ich verstehe die Haltung des Ministerpräsidenten mit Bezug auf die Gnbven- ticniszahlungen nicht. Sind diese Zahlungen ein Geschäft etwa in der Form von Bestechungsgeldern für eine willsährige Gru benbesitzerschaft? Die SubventionszahIu»gen sind meines Er achtens für den englischen Bergbau eine wirtschaftliche Not wendigkeit. Lloyd George erklärte ebenfalls, daß der Regierung nichts anderes übrig bleiben werde, als selbst die Initiative zu er greifen, Der Kohlenbericht biete der Negierung eine Handhab«, auf gesetzlichem Wege an die Reorganisation der Kohlcnindustrie heran zu gehen. Ein nationales Lohnbüro müsse errichtet werden. Baldwin erwiderte, die Vorschläge der Negierung hätten sich durchaus auf dem Boden der im Kohlenbericht nicdergelegten Richtlinien bewegt, aber da hätten die Grubenbesitzer schon von der „Einmischung der Negierung" gesprochen. Erste! selbst der Ansicht, daß. je weniger sich Parlament und Regierung in das interne Leben der Wirtsäiaft hineinmischten, desto besser dies für die Gesamtwirtschaft sein werde. Aber so wie die Dings lagen, mußte jede verantwortungsbewußte Regierung eingreifen. Die Existenz der Nation sei durch die Kohlenkrise bedroht. Trotzdem müsse die Regierung darauf bedacht sein, ohne Zwangs^ Maßnahmen zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen. Er wisse genau„daß es ganz ohne regierungsseitige Unterstützung nicht gehen werde. Auf der anderen Seite aber habe er nickst die Absicht, die Steuer- Kraft des englischen Bürgers zugunsten einer einzelnen Industrie zu überspannen. Die Einsicht werde vielleicht früher als all gemein erwartet, zur Geltung kommen und wenn nicht bald, so werde er im geeigneten Moment auch die gesetzlick>cn Mittel io* Interesse des Landes anzuwenden wissen, « Eine neue Notstandsverordnung der Regierung erteilt dem Minister des Innern die Vollmacht, die Einführung von Geld aus dem Auslände zu verhindern. De- poli tische Korrespondent des „Daily Chronicle" sprich« die Vermu tung aus. daß sich diese Verordnung aus russische Unterstützungs- geldcr für englische Bergleute bezieht. ! Volksentscheid überflüssig machte, sah und hörte man nichts von der „Tätigkeit" der Regierung. Dazu kam noch der hemmende Umstand, daß die Negierung den Kompromißentwurf der Regierungspar teien, der einen Mittelweg im Interesse der Fürsten und des Volkes suchte, für v e r f a s s n n g s ä n d e r n d erklärte, also Zweidrittelmehrheit im Reichstage erfor derte und dadurch eine Annahme des Entwurfes illuso risch gemacht wurde. Das Kabinett vereitelte geradezu einen Lösungsversuch. Bei einigermaßen Entgegenkom men hätte man die Sozialdemokraten auf einen vernünf tigen Weg bringen und sie dem Volksentscheid entfrem den können. Wenn man aber die Dinge erst solange laufen läßt, bis sich eine Partei endgültig festgelegt hat, so wird natürlich das Problem immer schwieriger. Wir können auch die Mitglieder des heutigen Kabi netts, die ja doch dem Kabinett Luther angchörten, von diesem Vorwurf nicht freisprechen. Oder ist man so ver trauensselig gewesen und ist es heute noch), daß man glaubte, der Volksentscheid gehe schon daneben, die 2g Millionen Stimmen würden bestimmt nicht aufgebracht? Man scheint wahrhaftig die Volkspsyche sehr schlecht zu kennen, wenn man s o kalkuliert. Der