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Diese« Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen -er Amtshauptmannschaft Meißen, -es Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger uns Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, siir den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 266. Dienstag den 16. November 1920. 79. Jahrgang. Kleine Zeitung für eilige Leser. ' Die Dotschasterkonferenz erklärt sich in einer Note bereit, »ie Dieselmotoren bis aus weiteres zur Verfügung der deutschen Negierung zu belassen. * Nach einer französischen Statistik halten sich zurzeit in Paris 1800 Deutsche auf. * Die schwedische Regierung bat die offiziellen Beziehungen Ungarn ausgenommen. * Dem russischen Generalsiabsbericht zufolge sind die Bolschewisten über Siwach in die Krim eingedrungen. * infolge der Drohung der Sinnfeiner gegen die britische» Untertanen in Amerika ist die Bewachung der englischen Botschaft in Washington angeordnet worden. Lin faules Kompromiß! LS ist, selbstverständlich, zwischen England und Frank deich über die Frage des von Deutschland zu fordernden Schadenersatzes nicht zum Bruch, sondern zur Verständigung ««kommen. Der darüber zwischen London und Paris ge- »flogen« Notenwechsel hat mit der Antwort des franzü- Asche» Ministerpräsidenten vom 11. November seinen Ab schluß gefunden. Danach soll sich das Verfahren, wie es nunmehr vereinbart worden ist, in nicht weniger als vier Stadien vollziehen: An erster Stelle die Sachverständigen- Konferenz in Brüssel, zu der auch deutsche Fachleute er scheinen dürfen, zweitens: eine Ministerkonferenz in Genf, a» der die Deutschen mit beratender Stimme .wie in Spa- kilnehmen sollen. Von hier aus erfolgt Berichterstattung an die beteiligten Regierungen, die ihrerseits ihren Vertretern im Wiederherstellnngsausschuß weitere Anweisungen zugehen lasten. Danach wird drittens der Wiederherstellungsausschuß «l die Festsetzung deS Gesamtbetrages und an die ZahlungS- wets« der von Deutschland geschuldeten Summe berantreten und den Mächten einen Bericht über die Zahlungsfähigkeit Deutschlands erstatten. Viertens und letztens soll dann endlich der Oberste Rat alle noch nötig erscheinenden Maß nahmen, wie Sicherungen und Strafbestimmungen prüfen »md treffen. Damit ist dann die Weisheit der Regierungs- münner in London und Paris zunächst erschöpft. Zunächst! Zn diesem Programm wird nunmehr die Reichsregie- mng ihrerseits Stellung zu nehmen haben. Es ist, wie man fleht, ein Kompromiß übelster Art. England hat sich auch m dieser Frage wiederum im großen und ganzen der fran zösischen Unbelehrbarkeit gebeugt, und wenn nicht im un mittelbaren Anschluß an die Konferenz von Spa alsbald eine formelle Einladung an Deutschland nach Genf ergangen wäre, so hätte aller Wahrscheinlichkeit nach Millerand auch diesmal wieder einen vollen Sieg über Lloyd Georges eher zur Nachgiebigkeit geneigte Natur daoongetragen. Was bei diesen Bemühungen, Feuer und Wasser miteinander zu ver- »inigen, schließlich herausgekommen ist, das muß angesichts der furchtbaren Lage, in der sich Deutschland befindet, auch iedem unbefangenen Beurteiler einen geradezu abstoßenden Eindruck machen. Man verschleppt eine Entscheidung, die eigentlich schon seit Jahr und Tag fällig ist, abermals um Wochen und Monate. Akan tut so, als wenn noch gar keine Vorarbeiten für sie geleistet worden wären, und man bemüht sich, da nun schließlich doch einmal ein Weg gefunden werden muß, um den Vorschriften des Friedens vertrages nachzukommcn, ein Verfahren ausfindig zu machen, dessen Umständlichkeit gar nicht mehr überwunden werden darin. Die Konferenz in Genf war ursprünglich schon für de» Monat September vorgesehen, dann wurde sie auf den Oktober, November, auf den Dezember verschoben, uni jetzt Dt man glücklich so weit, festzusetzen, daß sie spätestens in der erste» Hälfte des Februar 1921 stattfinden soll. Man bringt sie nämlich mit einem Male mit der Volksabstimmung in Oberschlssien in Verbindung, die vorher erledigt werden soll, woraus also heroorgeht, daß man sie tatsächlich de« guten Oberschlesiern mitten im tiefsten Winter auf- «legen will. Alle Kenner der Verhältnisse halten die Ausführung einer Volksabstimmung im Winter für unausführbar aus tausendundein wichtigen Gründen. Besteht die Entente trotzdem auf dieser Fristbestimmung, so kann man sich da- nach ungefähr vorstellen, was für eine Farce aus dieser Willenskundgebung des oberschlesischen Volkes gemacht werden soll. Darüber wird noch mancherlei zu sagen sein. Heut« genügt es, auf diesen ungemein bezeichnenden Einzel- umüand hinzuweisen, um den treibenden Geist zu kenn zeichnen, aus dem heraus dieses elende Kompromiß zwischen England und Frankreich entstanden ist. Das letzte Wort in der Frage der Schadenersatzfestsetzung soll also, wie die Franzosen es von vornherein gefordert haben, der Wieder- herstcllungsausschuß und nicht der Oberste Rat zu sprechen baden. Er wird vielleicht im März soweit sein, seine Endentscheidung fällen zu können, und im April gelangt dann wohl der Oberste Rat zur Lösung der Schlußaufgade, die ihm im vierten Punkt des Kompromisses zugewiesen ist. Wir werden also noch ein nettes rundes halbes Jahr M «arten haben, bis das Endurteil über unsere Schadens etsatzleistung feststeht. Dabei ist es den Gebietern der Entente nur zu gut bekannt, daß alles für unsere Wieder- Ausrichtung, für die Wiederherstellung unserer Volks- und Finanzwirtschaft davon abhängt, daß wir das Maß unserer Verpflichtungen so bald wie irgend möglich kennen lernen. Aber daS rührt die Herrschaften sar nicht. So sehr auch in ihrer eigenen Mitte sich die Stimmen mehren, die Verständnis l für unsere Lage zeigen und billiges Eingehen auf s unsere Nöte verlangen. Sie thronen viel zu hoch über dem Jammer der deutschen Erde, um ein Herz jür ihn zu zeigen. Starr und kalt bestehen sie auf dem letzten Buch staben des Versailler Vertrages unbekümmert darum, was aus Deutschland, was aus Europa werden mag. Der Haß führt ihre Feder, nicht der Wunsch nach Verständigung — so werden sie Sturm ernten. Herr Dr. Simons hat kürzlich im Reichstag erklärt, unter welchen Bedingungen er bereit sei, nach Genf zu gehen. Das englisch-französische Kompromiß ist von der von ihm gezeichneten Linie weit entfernt, er wird dann auch hoffentlich wissen, was er zu tun hat. Oer Kampf um die Kohle. A»S dem SozialisierungSauSschutz. Im weiteren Verlauf der Sitzung dessfllnterausschuffeS für Sozialisierung deS Kohlenbergbaus polemisierte Löffler vom Reichskoblenrat gegen den Verständigungsvorfchlag der Siebenerkommission. Alles, was bisher an praktischen Dor- chlägen auf die Versprechung^ der Regierung gefolgt wäre, et unzeitgemäß und darum undiskutabel. Die Reichsregierung olle endlich aus dem .Versteck" herauskommen und eine klare Antwort geben. Georg Bernhard tadelte in seinem Referat die Entwürfe wegen ihres Mangels an gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Was erreicht werden müßte, fei eine stärkere und Planmäßige Lkonomiflernng, die nicht durch einzelne Konzerne, sondern durch eine Um formung des Eigentumbegriffs nach der Seite deS Arbeiter rechts hin möglich zu machen wäre. — Vor der Gefahr, die mit einem Hinaustreiben des syndikalistischen Gedankens über das Betriebsrätegesetz verbunden sei, warnte Dr. W. Rathenau. Es sei unbestritten, daß heute der Unternehmer sich als Führer nur im Auftrage der Gesamtheit fühle. Trotzdem müsse man Arbeitern mehr Praktischen Einfluß einräumen, was erreicht werden könne, ohne das Ziel der Überwindung des an archischen Zustandes aufzugeben. Man könne sich der sozialen Aufgaben nicht entledigen, indem man Kleinaktien schaffe. Es sei sehr zweifelhaft, ob die vertikale Trustbildung schon organische Wirtschaft sei. Sie würde nie der Vielgestaltigkeit der deutschen Wirtschaft gerecht werden können. Man würde nicht vorwärts kommen, wenn der Gedanke der vettikalen Verknüpfung sich nicht mit der horizontalen Verbindung begegne. Demgegen über betonte Generaldirektor Dr. Vügler, daß in dem ganzen Vorschlag nicht ein Wort von vertikalen Trustbildungen ent halten sei. Er sei erstaunt, daß die Vorredner gerade diesen Gedanken herausgearbeitet hätten. In Wirklichkeit betrachten die Väter des Verständigungsvorschlages just das als Grund lage, was Herr Dr. Rathenau als das Notwendige hinstellt. Nur wolle man — im Gegensatz zu Rathenau — nicht bei dem Dache, sondern beim Grundstein ansangen. Was man bedacht haben wolle, seien folgende Umstände: Die Mehrheit der Bevölkerung bezieht beute die Kohle in verfeuerter Form. Gas, Eisenbahn, Elektrizität, Hausbrand haben heute über 45 Mit Anrechnung des Anteils der Entente bleiben für das ganze übrige Deutschland, am Maßstab der Nuhrkohle gerechnet, nur noch 30 °/° üorig. Die R. W. E. hat heute rund eine Milliarde Kilowattstunden: rund 150000 Arbeiter werden in den angeschlossenen Werken beschäftigt. Besitzer sind die Städte von Bonn dis Cleve, und nur 20 bis 25 sind Privatkapital. In Berlin ist kein nennenswerter Posten von Aktien vorhanden, sondern sie bleiben im Rheinland. Es ist abiolut falsch, wenn man die Wirtschaft nach der horizon talen Basis betrachtet, nach dem Besitz, wo er augenblicklich liegt. Die großen Kohlenmagnaten haben ihre Papiere durch gehalten aus Anhänglichkeit an den Besitz. Verkauft wurden Paviere erst, als andere an die Stelle kamen, Leute mit viel leicht mehr Initiative als die ehemaligen S^rövser. So wurde der westliche Kohlenbergbau durch die Anhänglichkeit an die Paviere geschaffen. Der Gemeinwirtschaft durch Zusammenschluß der Jndustriewerke soll die Möglichkeit gegeben werden, die Kohle als Eigentum zu erwerben. Der erste Schritt rum horizontalen Aufbau wurde getan, indem die wichtigste Kohle der Allge meinheit zur Verfügung gestellt wurde. Macht man die All gemeinheit zum Diktator über die Kohle, so wird das Wort Diktatur seinen unbequemen Beigeschmack verlieren. Dr. Vögler verweist auf die Erfahrungen im Peiner Walzwerk mit den Sparkassenbüchern für Arbeiter, deren Einlage mit den Dividenden der Gesellschaft verzinst werden. Der Berufs egoismus ist an und für sich gar nicht so Unschönes. Wenn auch 10 °/° Dividende jemand nicht reich oder arm machen, so verfolgt er doch sein Papier mit einem gewissen Interesse, er sieht vor allem auch, welche Wirtschaft auf dem Werk ge- trieben wird. Wenn man das Interesse der Arbeiterschaft auf diese Weise etwas mehr wecken könnte, dann würden vielleicht keine Hochöfen mehr stillgelegt werden. Vorläufige Belassung der Dieselmotoren. Für Zwecke der Industrie. Die Botschafterkonferenz hat bezüglich der Dieselmotoren der deutschen Regierung eine Note zugestellt, in der es heißt: Die Botschafterkonferenz ist der Meinung, wenn sich nicht erweisen läßt, daß die Motoren ohne Änderung in der Industrie verwendet werden, daß dann die Tatsache, daß eine große Anzahl von ihnen in gutem Zustande auf Lager gehalten wird, eine Verletzung des Vertrages von Versailles darstellt. Die Botschafterkonferenz ist bereit, die Maschinen auf weiteres zur Verfügung der deutschen Regierung zu belassen, wenn lle nur für Handels- und Jndujtriezwecke Verwendung finden. Weiter wird verlangt: Die deutsche Negierung trifft alle Maß nahmen, um der Interalliierten Kontrollkommission spätestens bis 31. März 1S21 einen Bericht zu übermitteln über den Standort aller Dieselmotoren, die am Tage deS Waffen stillstandes in U-Booten aufgestellt oder für U-Boote be stimmt waren. Es muß genau angegeben werden, welch« dieser Motoren in der Industrie verwendet werden u»b welche nicht. Line Denkschrift des Wohlfahrisministers. Unmöglichkeit der Ablieferung von Milchkühen. Der preußische Minister für Volkswohlfahrt als Thef deS Gesundheitswesens in Preußen bat Stellung zu der Frage der Ablieferung von Milchkühen an Frankreich. Belgien usw. genommen und in einer Denkschrift an das preußische Staatsministerium erklärt, daß der durch die Kriegsentbehrun gen aufS schwerste geschädigte Gesundheitszustand der Be völkerung, besonders der Mütter und Kinder, eS nicht erlaube, der Ablieferung von Milchkühen näherzutreten, selbst wenn dte Zahl der abzultefernden Kühe weit hinter der durch die Presse mitgeteilten Anzahl von 800 000 Stück zurückdliebe und sich die Ablieferung über mehrere Jahre erstrecken sollte. Wenn Frankreich uns 800 000 Milchkühe abverlangen sollte, so würden uns dadurch mindestens 6 Millionen Liter Milch täglich entzogen werden. Bei dem dann eintretrnde» Mangel an Milchzufuhr hätten die deutschen Mütter nicht mehr die Kraft, ihre Kinder zu stillen. Abbau des Beamtenapparates. 18 Milliarden Mark für Gehälter. Im Hauptausschuß des Reichstages kam es aus Anlaß der Erörterung der Beamtenpositionen im Etat des Reichs- ernährungsministeriums zu einer Aussprache über den Abbau des Beamtenapparates deS Reiches. Dte Abgeordneten Dr. Böhme und Döbrich (Deutsche Vp.) hatten den Antrag gestellt, am Schluß des Kapitels, das die Besoldung der beamteten Kräfte behandelt, den Satz einzufügen: .die als künftig wegfallend bezeichneten Stellen find beim Freiwerden nickt wieder zu besetzen, wenn das Bedürfnis, das zu ihrer Errichtung geführt hat, nicht mehr besteht.' Ministerialdirektor v. Schlieben lReichsstnanzmInlsterium) gibt zu dem Antrag die Erklärung ab, daß die Reichs- regierung anerkennt, daß der Beamtenapparat übermäßig angeschwollen sei und die Mittel des Reiches zu sehr in An spruch nehme. Die Aufwendungen des Reiches im Etats jahr 1920 für Beamte und Arbeiter, ohne Heer und Marine, belaufen sich: für planmäßige Beamte auf 9,5 Milliarden, für Hilfsleistungen durch Beamte auf 759,8 Millionen, für Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräfte einschließlich Arbeiter auf 4,8 Milliarden. Das Reich gibt also für seine Beamten und Arbeiter, ohne Heer und Marine, insgesamt 15,1 Milliarden Mark aus. Diese Kosten erhöhen sich noch durch die jetzt in der Beratung befindliche Novelle zur Be soldungsordnung, weiter durch die Neuregelung des Orts- klassenverzeichnisses und durch das in Beratung befindliche Penslonsergänzungsgesetz. Im ganzen wird man also die Ausgaben für Beamte und Angestellte des Reiches auf 18 Milliarden Mark im Jahre 1920 schätzen können, dazu kommen noch die sächlichen Verwaltungskosten, welche auch noch auf mehrere Milliarden zu veranschlagen find, so daß das Aufkommen des Reiches an fortlaufenden Steuern und Zöllen zum größten Teil durch dte Kosten des Verwaltungs apparates des Reiches verbraucht werden. Infolgedessen muß an einen erheblichen Abbau des ganzen Vernm^mgs- apparates des Reiches sobald als irgendmögltch heran« getreten werden. Die neue Schlichtungsor-nung. .Kein Polizei- oder Zwangsgesetz.' Vom Neichsarbeitsministerium wird mitgeteilt: Nachdem die Beratungen beendet sind, die von der 18-gliedrigen Kom mission und Vertretern der großen Arbeitgeber- und Arbeit nehmerverbände im Neichsarbeitsministerium über den vor läufigen Entwurf einer Schlichtungsordnung geführt worden sind, wird zurzeit der endgültige Entwurf unter weitest gehender Berücksichtigung der Ergebnisse der Kommisstons- beratungen ausgearbeitet. Dieser wird nach seiner Fertig stellung entsprechend den Bestimmungen der Reichsoerfassung zunächst dem Vorläufigen Neichswirtschaftsrat, alsdann dem Reichsrat und schließlich dem Reichstag zu gehen. Mit der Einbringung des Gesetzes im Reichs tag kann für den Anfang des nächsten Jahres gerechnet werden. Was den Inhalt des Entwurfes der Schlich tungsordnung anlangt, so sind die in der letzten Zeit, ins besondere anläßlich der Verordnung des Reichspräsidenten vom 10. November 1920 in der rechts- wie in der links politischen Presse erschienene Notizen vielleicht geeignet, Irrtümer zu erregen. Ihnen gegenüber muß betont werden, daß die Schlichtungsordnung nicht ein »Polizei- oder Zwangs'-Gesetz werden soll, sondern daß sie dazu bestimmt ist, auf der Grundlage deS freien Selbstbestimmungs- rechts der Parteien eine gütliche Einigung in Arbeits-