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Nr. 231 Hauptschriftleiker: Dr. Sverth, Leipzig DlSNStag, dSN 7. Mai Verlag: Dr. Reinhold L Co^ Leipzig 1818 Zer Zrieden mit Mimen nnterzeilhner Der deutsche Heeresbericht Amtlich. Großes Hauptquartier, 7. Mai. Westlicher Krieqsschauplatz An den Kampffronten war die Arlillerietätigkeik in den Morgenstunden lebhaff. Tagsüber blieb sie meist gering. Auf dem Nordufer der Lys scheiterten Vorstöße englischer Kompanien. Zwischen Ancre und Somme sehte der Feind Australier zum nächtliche« Angriff an. Beiderseits der Straße Eordis—Dray Konnten sie unsere vordere Linie erreichen; im übrigen brach ihr zweimaliger Ansturm schon vor «uferen Posten verlustreich zusammen. Der Artilleriekampf hielt hier dis Tagesanbruch in großer Stärke an. Südlich von Brimont stießen Slurmabteilangen über den Ais ne-Kanal in die feindlichen Stellungen bei Lourcy vor und brachten Gefangene zurück. Au der übrigen Front vereinzelt DorfeldkSmpfe. Osten In den Hasenanlagen von Mariupol wurden wir durch russische Schiffe beschoffen. Mazedonische Front Starke englische Abteilungen griffen gestern abend bul garische Stellungen südlich vom Dojran-See an. Sie wurden abzewiesen. Astatischer Kriegsschauplatz Der Vorstoß englischer Brigaden von Jericho aus über den Jordan nach Osten und Nordosten ist znm Scheiter« ge bracht worden. Nach erbitterten fünftägigen Kämpfen warde der Feind in seine Ausgangsstellungen zurückgeworfen. Teile deutscher Truppen haben sich hierbei an Seite ihrer türkischen Kameraden hervorgetan. Die den Engländern abgenommene Beute ist erheblich. Der Erste Generalqoartiermeister. Ludendorff. (W. T.-B.) Maritlpol siegt an der Nordküstc des Asowschen MeereS. * * Also russische Schiffe haben unsere Truppen beschoffen. Daß in unserem Verhältnis zu Rußland eine neue Zuspitzung eingetre ten war oder eintreten mußte, war seit der Einnahme von Sewasto pol für jedermann klar. Schon vorher hatten die Russen gegen den deutschen Einmarsch in die Krim protestiert. Ferner meldete .Havas' aus dNoskau, eine russische Note habe in Berlin Ein spruch erhoben, daß wir im Norden Finnlands Eigentum des russischen Kriegsmlnisleriums beschlagnahmt hätten, und im Zu sammenhang all dieser Tatsachen habe die russische Regierung Streitkräfte mobilisiert, zugleich aber die Hoffnung ausgedrückt, daß die Berliner Antwort die Wiederherstellung des Friedens ge statten werde. Die Russen haben dann durch Verhandlungen mit uns die Besetzung von Sewastopol zu verhindern gesucht. Daß auch bei uns zulanöe mancher mit Ueberraschong von der Ein nahme Sewastopols hörte, läßt sich nicht leugnen, da wir mit Ruß land im Frieden lebten. Es ist anzunehmen, daß der Reichstag in den nächsten Tagen ebenso wie die Vorgänge in der Ukraine auch den neuen Konflikt mit Rußland zum Gegenstand von An fragen und Erklärungen machen wird. Der Frieden von Bukarest Bukarest, 7. Mai. (Amtliche Meldung.) Der Friedensvertrag mit Rumänien ist heute 1t Uhr oor- milkags von den Bevollmächtigten der vier verbündeten Mächte unterzeichnet worden. Die feierliche Schlußsitzung, in der die Unterzeichnung erfolgte, sand unter dem Vorsitz des Staats sekretärs vonKühlmannim Schlöffe Potroceni, und zwar in demselben Raume statt, in dem seinerzeit der Eintritt Ru mäniens in den Weltkrieg beschlossen wurde. Der Friede wird den Namen «Frieden von Bukarest" führen. Der Wort laut des Vertrages wird alsbald veröffentlicht werden. Russische Teuppen an der finnischen Grenze Rotterdam. 7. Mai. (Drahtbericht.) Die vom finnischen Hauptquartier veröffentlichte Meldung, daß an der finnisch-russischen grenze bedeutende russische TruppenonsammlBngen statt- ffudru, wird von russischer amtlicher Seile damit begründet, daß diese truppen dazu bestimmt sind, die finnischen Weißen Garden abzfi- schlagen, falls sie versuchen solllen, die Festung Ino anzugreifen. Haag, 7. Mai. (Drahtbericht.) «Times ' melden ans HelsingforS, daß von finnischer Seite Versuche gemacht werden, in Russisch karelien einzudringen. Man wolle die Regelung der dortige« Verhältnisse der eigenen Bevölkerung überlasten. Sollte sich eine Mcbrheit in Karelien für die Vereinigung mit Finnland ergeben, so wird dem kein Hindernis in den Weg gelegt werde«. Räumung von Ipern und Poperinghe Schweizer Grenz e, 7. Mol. (E t g. Drahtbericht.) Die schweizerische Depcscheninsormalion meldet aus Mailand: Der Pariser Korrespondent der „Italia" beruhigt die Italiener über den Verlast und die weitere Vchauplung des Kemmelderges durch die Deutsche« mil d:m Trost, Dünkirchen und Calais feie« noch nicht erreicht und die Besetzung des Berges sei nur eine vorübergehende Episode. All gemein verleg! sich die italienische Press« darauf, die seltsame Takik und den Mangel von strategischen Gegenaktionen Fachs als ein Zeichen l csondercr Klugheit und geyeimnisocller Pläne hluzustcllea. Wie der Verner .Bund" meldet, räumt Marschall Halg gegenwärtig Hpern und Poperinghe und bringt die riesigen Stapel an Vor räten der 1. und 2. britischen Armee über Hazebrouck zurück, um sie nicht in di: Hand der Deutschen fallen zu lasten. Bis zur Räumung dieser Städte leisten ausgewählte französische Divisionen am Kemmel und nderen von den Engländern bisher verteidigten Frontabschnitten Wider- i and. Fach Hot neuerdings sogar die eiserne Division des XX. fraozö- , ichcn .Korps noch Flandern beordert. Roch der .Neuen Zürcher Zeitung" berichtet .Lorriere della Sera" aus Washington, nach monalelangen Enttäuschungen seien nunmehr die Vereinigten Staaten imstande, das im letzten Jahre abgegebene Ver sprechen, eine gewaltige Luftflotte von Amerika zu schicken, zu erfüllen. Dor Amiens Zürich, 7. Mal. (E i g. Drahtbericht.) .Secolo" berichtet von der französischen Front: Die Deutschen haben vor Amtens schwere Geschütze in Stellung gebracht und hallen sowchl Amiens als auch die umliegenden Ortschaften unter ihrem beständigen schwersten Artillerie- feuer. Zürich, 7. Mai. (Eig. Draht bericht.) Der .Eorriere della Sera" meldet von der Westfront: Die riesig« Schlacht im Westen wird in aller Bälde mit furchtbarer Gewalt losbrechr«. Dos Ziel der Entente ist nicht nur die Abwehr des weiteren deutschen Vordringens nach dem Kanal und nach Frankreich, sonder« es geht deutlich dahin, die Initiative der Rampffortfehn», «« sich z, reiße« Zum bevorstehenden Besuch Kaiser Karls im deutschen Hauptquartier Zürich, 7. Mat. (Eig. Drahtbericht.) Di« .Zürcher Morgenzeitung" meldet, daß seit einigen Tagen «ine auffällige Ner vosität sich der Enlentepresse bemächtigt Hal anläßlich der bevorstehenden Begegnung zwischen Kaiser Karl und Kaiser Wil helm. Dies zeige deollich die Unsicherheit der Lage. Die englischen Blätter sehen in der Begegnung durchaus eiue nah« bevorstehende Friedensoffensive, während die italienische Oeffentlichkeil davon über zeugt ist, daß man diese Zusammenkunft mit einer baldigen Offensive der Doppetmonarchie gegen Italien ia Verbindung bringe« müsse. Wekerles Ernennung ,vtb. Budapest, 7. Mai. (Drahtbericht.) Das Amtsblatt ver öffentlicht nachstehendes, Handschreiben: .Lieber Dr. Wekerle! Neben der Lösung wichtiger sozialer und den Aufschub nichl duldender finanzieller und wirtschaftlicher Fragen liegt uns unter den heutigen schwierigen Verhältnissen die große Aufgabe des Ausbaues deS ungarischen nationalen Staates und die Wahrung seiner Interessen ob. Die Erreichung dieser großen Ziele erfordert die Entfaltung der ganzen Kraft der Ration, und auS diesem Grunde Halle ich es im Interesse der produktiven Tätigkeit für wünschenswert, daß die Ausdehnung des Wahlrechts, die dis politischen und gesellschaftlichen Kreise in fort währender Aufregung hält, im gegenseitigen Einvernehmer je eher in einem Sinne verwirklicht werde, wie ich dies in meinem Handschreiben vom 28. April 1vl7 bezeichnet habe. Ich wünsche den unversehrten ge setzlichen Einfluß Kleiner ungarischen Regierung auf die Führung der gemeinsamen Augelegenheile« za sichern, uud es ist meia lebhaftes Ver langen, daß das durch meine bisherige Negierung ausgestellte und vo« mir genehmigte Programm vollkommen verwirklicht werde. Wenn dies zu meinem Bedauern and geg:n meine Erwartung im gegenseitigen Ein vernehmen nicht erreichbar sein würde, lo ermächtige ich Sie und meine Regierung, wie sehr ich auch Neuwahlen während des Krieges zu ver meiden wünsche, daß Sie im Interesse der Sicherung der Wahlrechts frage und des Programms der Negierung zu Neuwahlen schreiten können. Auf dieser Grundlage ernrnne ich Sie neuerdings zu meinem ungarischen Ministerpräsidenten bzw. bestätige ich Sie in Ihrer bisher innegehaülcn Stellung und erwarte Ihre Vorschläge be treffend Neuordnung der Regierung." Baden, S. Mai 1Sl8. Karl, m. p. Wekerls, w. p. Die Umbildung desMekerle-Kabinetts Budapest, 8. Mai. (Ung. T. K.-B.) Rach Blättermeldungen werden ia dem umgeslallelen Kabinett Wekerle Finanzminister Dr. Popovics, Honvedminlster Baron Szurmay, Ackerbau minister Graf Serenyi, Handelsminister Szter 6 nyi, Minister am Hoflager Graf Al ad ar Zichy, Volksernährangsminister Fürst Wiudischgrätz und der Minister für Kroatien Dr. Uakelhäuser ihre Portefeuilles behalten. Hingegen werden Iustizminifier Barsomyi, Kultusminister Graf Apponyi, Minister des Innern Toth und ebenso die beiden Minister ohne Portefeuille, Graf Moritz Esterhazy und Bela Foeldes, ausschcidea. Wie«, 7. Mol. (Drahtbericht.) .Az Est" meldet, baß heule die Ernennung Wekerles zum Ministerpräsidenten publiziert wer den wird In dem königlichen Handschreiben wird die national« Ausgestaltung der ungarischen Armee ««gekündigt wer- den; auch werden gewisse Richtlinien für die innere Politik im madja- rischen Sinne in dem Handschreiben gegeben. Es ist ferner anzu- nehmen, daß Wekerle vielleicht schon hsute abend mit dem Klub der 48 und der Verfaffunqspartei ia nicht offizieller Weise die Angliedervag von Bosnien und der Herzogewina an Ungarn ankündige« wird. Man sagt mit ziemlicher Sicherheit, daß in Oesterreich auch die L ö so« g des Königreichs Dalmatien von Oesterreich und feine An gliederung an Angarn, wohin es an sich rechtlich gehört, zm» mindeste« in er»st« Erwägung gezogen wird. Der »psychologische Augenblick' k. 8. Die Entente hak die Kampfpause im Wetten zn einer Konferenz benützt, in der die militärische Lage eingeyend erörtert wurde. Dabei hat Lloyd George anscheinend seinen Optimismus wiedcrgewonnen, der ihm in der ersten Phase der Großen Schlacht verlorengegangen war; aber Lloyd George ist schon lange nicht mehr Englaird. Es ist kein Zweifel daran, daß unsere Erfolge im Westen die militärischen Hoffnungen im feindlichen Lager gründ lich ernüchtert haben, und die in Abbeville zusammeng^ommenen , Häupter der Entente dürften den vorbereiteten neuen Schlägen im Westen und an der 3 s o nz o f r o n t, wo schon deutlich das Vor spiel größerer Kümpfe eingesetzt hat, trotz der zur Schau getragene» ' Zuversicht mit anderen Gefühlen entgegensetzen. In England ist der Streit der westlichen und der östlichen Schule wieder mit der alten Heftigkeit entbrannt Auch hter sind, wie so oft, retu technische und grundsätzliche mit Personalfrage« . verknüpft; und das macht die Beurteilung dieser Preßkampagne aus der Ferne überaus schwierig. Denn die englischen Zeitungen schreiben fast ohne jede Behinderung der Zensur, und was fle sagen, muß daher stets ln erster Linie ln Hinsicht auf die inner politische Stellung des Blattes und seiner Polemik betrachtet werden. Diejenigen Kreise, di« für den zurückgetretenen General stabschef Robertson aufs stärkste werben, arbeiten zugleich mit aller Kraft auf Len Sturz des englischen Premierministers hin, dem es seinerzeit auf dem Versailler Kriegsrat nicht gelungen war, Llemenceau zur Teilnahme an einer östlichen Expedition zu be wegen. Auch der Mißerfolg, den die Engländer jetzt am Jordan erlitten haben, wird nicht ohne Wirkung dleiven. Englische Militärkritiker, die ohne Verantwortung Strategie treiben, for derten schon vor einigen Wochen, die englisch« Armee solle übeo- Haupt vom Kontinent weggezogen und die Kanalküste geräumt werden. Die Folge dieser mit harmloser Offenheit vorgetraaenen ; Vorschläge waren geheime Verhandlungen zwischen Frankreich und Italien, die auf ein Schutz- und Truhbündnis der beiden lateinischen Schwesternationen adzielten. Lloyd George hat sich beeilt, die entstandene Mißstimmung auSzugleichen: und auf der Konferenz von Abbeville ist der entstandene Ritz wieder verkittet worden. Immerhin zeigt der Beschluß des englischen Kriegärates, Ke ine Truppen aus den Kolonien abzuziehen, daß die Engländer sich keineswegs nunmehr nach Westen .orientiert' haben. Das Bündnis zwischen Frankreich und Italien ist freilich nicht zustande gekommen; und offiziöse römische Organe ver sicherten, es sei auch angesichts der diplomatischen und militärischen Einheitsfront der Entente überflüssig. Llemenceau würde es wohl auch kaum gewagt haben, die Po litik Frankreichs für längere Zeit einseitig festzulegen, denn er sicht sich einer Tag für Tag wachsenden Opposition ge genüber, auf die er einigermaßen Rücksicht nehmen muß. Durch eines der führenden Mitglieder der .republikanischen Koalition", dem früheren Munitionsminister Albert Thomas, wurde ihm eine Denkschrift überreicht, die von dem Parkeirate der Radikal sozialisten ausgeorbeiket wurde uud streng vertraulichen Charakter trägt. Nach Londoner Informationen behandelt sie die ungeheuren Opfer Frankreichs an Gut und Blut und zieht eine Bilanz der bisherigen militärischen und politischen Ergebnisse, wobei sie ein Zukunftsbild von dem entwirft, was realisierbar erscheint und was als unerreichbar anzusehen ist. Sie kommt dabei zu dem Schluß, daß ein Verständigungsfriede eine Notwendig keit für Frankreich geworden ist, und bewegt sich somit in völligem Gegensatz zu Llemenceaus vielbesprochener längster Aeußerung: .Entweder wir vernichten Deutschland oder es ver nichtet uns. Ein drittes gibt es nicht." Das Schicksal des fran zösischen Ministerpräsidenten entbehrt nicht einer gewissen Tragik. Hart und schonungslos hat er alle Fehler und Schwächen der fran zösischen Regierungen bekämpft und bloßgestellt. Jetzt muh er selbst an allen jenen bekämpften Fehlern mittragen und kommt nicht zu eigenem Handeln; wie früher in der Opposition bleibt er auch jetzt der .gefesselte Mann'. Seine parlamentarische Stellung hat sich in den letzten Tagen erheblich verschlechtert, im Grunde beruht seine Macht nur auf den deutschen Bajonetten, die drohen- nach Paris gerichtet sind. .Die Deutschen vor Noyon!" Mit diesem Schlachtruf zog er einst gegen die .unzulänglichen Regierungen" zu Felde- Jetzt sind die Deutschen in Noyon des MinisterstürzerS Retter geworden. Denn nur die Not des Landes entwand der Opposition ihre stärksten Waffen und ließ dem Konzentrations kabinett eine unvorhergesehene Dauer. Trotzdem fürchtet Llemen- ceau ein Votum der Kammer. Er hat sich auf das Drängen der Linken hin zur Abhaltung vou Geheimflhungen bereiterklärt; aber gegen eine Abstimmung wehrt er sich. Der Ministerpräsident hat keine gute Presse mehr. Hinter ihm stehen eigentl ch nur noch «Temps" und .Figaro'; die Boulevardpreffe rückt sichtlich von ihm ab. Ans dem Boulevard Poiffonidre insbesondere, wo man für die zartesten Schwingungen der Volksstimmung immer ein sehr feines Gefühl bewiesen hat, ist man ihm nicht mehr sonderlich hold. Der .Matin" hat eS von jeher verstanden, dem drohenden Aus bruch der VolkSstimmung znvvHukommen und sie in das ihm be liebte Fahrwasser zu lenken. Sollte man jetzt vielleicht beabsich tigen, das Ministerium Llemenceau dem über Frankreichs miß liche Lage erreoten Volke als Sühneopfer darzubringen und so dem Stoß der Sozialisten eine andere Richtung zu geben, während man insgeheim ein neues Komprvmihkabinett vorbereitet? Sa könnte der Nachteil eines stark nationalistischen Ministeriums aus geglichen werden gegenüber anderen Staaken, wo ein nationa listisches Klüngel unsichtbar hinter Wolken regiert, unheilvoll, einflußreich and doch ohne die Gefahr einer Mitverantwortung oder Bloßstellung. Londoner Berichte deuten daraus hin, daß Arlstlde Briand gewisse Beziehungen zor Oopostttton onterhält. die 1« England gar nicht «nger« gesehen werd«. Jedenfalls de-