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Sächsische Elbzeitung Sächsische Schweiz Tageblatt für die .Unterhaltungsbeilage". Leben lM BllÜ Bad Sckanüsu, Donnerstag, den 8. September 1927 71. ^akrgang Nr. 210 Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hieke, Inh. Walter Hieke Verantwortlich: K. Nohrlappcr Anzcigcnvreis (in RM.): Die 7gcspaltenc 35 mm breite Pelitzcilc 20 Pfg.. slli aus- märtigc Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Neklamezeile 80 Pfg. Tabellarischer Satz nach besonderem Tarif. — Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für alle in- und ausländischen Zeitungen Tageszeitung für die Lanbgcmcinoen Altendorf, Kleingießhübel, Ktcinhennel». darf, Krippen, Lichtenhain, Mittelndorf, Ostrau, Porschdorf, Postelwih, Prossen. Rathmannsdorf, Neinhardtsdorf, Schmilka, Schöna, Waltersdorf, Wendischfähre sowie für das Eesamtgcbiet der Sächsischen Schweiz N?u"n^^7erL°LK b^°L N"u'i'/"d7,° Rech. v°er R°chf°r1>-rung °°r Ständige Woärenbeilagen: ^us°üor"Welt der 5?au"" Illustrierte SonnUlgsbeilage Für eilige Leser. * Reichspräsident von Hindenburg ist am Mittwochabend mit dem fahrplanmäßigen Münchener Schnellzug von seinem Som- mcraufenlhaU in Bayern wieder in Berlin cingctroftcn. * Die Neuwahlen der nichtständigen Ratsmitglicdcr in Eens werden am .5. September stattfindc». Am gleichen Tage wird das belgische Gesuch um Wicdcrwählbarkcitscrklärung erledigt werden. * Im Auswärtigen Amt ist eine Note des Berliner polnischen Gesandten cingcgangcn, in der Olschowski gegen einen tätlichen Angriff auf die Frau eines Beamte» des polnischen Kouzulais in Schneidcmühl protestiert. Der Sachverhalt wird von zustän diger Stelle gegenwärtig geprüft. * Der Bttrochcf der Bauca Commcrcialc Ferraris in Mailand ist unter dem dringenden Verdacht, Wcchsclsälschunge» in Höhe von 700 000 Lire begangen zu haben, verhaftet worden. * Wie der Mailänder Sonderkorrespondent des Tcmps meldet, sind Dienstag Karabinicrics in mehreren Lastautomobilen aus Mailand nach Rescaldma entsandt worden, um dort eine Revolte zu unterdrücken. Die Unruhen sollen dadurch hcrvorgerufen wor- dcu sei», daß die Menge einen Trunkenbold nor der Festnahme durch die Polizei schützen wollte. 2-1 Stunden lang soll die Be völkerung Herr der Straße gewesen sein. Gegen die cinrückcuden Karabinicrcs und die Negierung sei lebhaft demonstriert worden. 35 Ruhestörer sollen verhaftet worden sein. SieMersuchung über denFranltireurkrieg Es wird weiter verhandelt. Von einigen Seiten wurde verbreitet, der von Bel gien veranlaßte und von Deutschland aufgenommene Plan, eine gemeinsame unparteiische Untersuchung über den sogenannten belgischen Franktirenrkricg im Jahre 1914 zu veranstalten, sei infolge der später aufgetauchten Bedenken im belgischen Ministcrrat aufgcgcbcn. Dasist unrichtig. Im Gegenteil, zwischen beiden Teilen wird weiter verhandelt über die Frage, ob, wenn auch der jetzige Zeitpunkt für die gemeinsame Untersuchung nicht geeignet erscheine, man nicht doch für einen späteren Ter min zu einem Übereinkommen gelangen könne. Zwar erklären die nationalistischen Zeitungen Frankreichs, auf deren Eingreifen die Störung der Idee zweifellos zurttckzuführcn ist, der Prozeß gegen Deutschland müsse ein- für allemal erledigt sein. In Belgien scheint man sich diesem Geschrei nicht so unbe dingt anzuschließcn, sonst wären tatsächlich weitcrgefüyrte Verhandlungen sinnlos. Der belgische Kricgsminister de Brogueville hat beschlossen, die zur Verminderung der belgischen Be satzung im Rheinland zurückzuziehenden 900 Mann, d. zwei Bataillone Infanterie, von Aachen nach Eupen und Malmedy zu verlegen. Der Eeneralrat der englischen (Sewerlschaften fordert Abbruch der Beziehungen zu den sowjetrussischen lScwerlschaften. London. Der Eeneralrat der englischen Eewcrkschasten hat gestern dem Gewerkschaftskongreß in Edinburgh den Vorschlag nnterbeitct, die Beziehungen zu den sowjetrussischen Ncwcrk- schastcn abzubrechcn. Die amtliche Großhandcloindexzisser im Monatsdurchschnitt August 1027. Berlin, 7. September. Im Monatsdurchschnitt August die Droßhnndclsmdcxzifscr des Statistischen Neichsamts "^,3, sie hat damit gegenüber dem Vormonat (137,0) »in 0,2 -v H nnnezogem Non den Hauptgrnppen ist die Indexziffer "der Agrarstone um 0,5 v. H. auf 130,8 (137,5) -gesunken. Die Indcx- Zitter der Kolonialwaren ging nm 0,8 v. H. auf 128,8 (129 8) ,u- rnck. Bei den industriellen Rohstoffen und Halbwaren ist eine Steigerung der ^ndexzi,sern um 0,0 v. H. auf 133 (132,2) und bei Fertigwaren eine solche um 0,8 v. H. auf 148 3 (147,1) eingetreten. ' Dcutschvölkischcr ReichSvcrtrctcrtag. Dcutschvölkischc Freiheitsbewegung hält ihre dicsiahrige Nclchsvcrlrctcrtagung am Sonnabend nnd Sonn tag in Porta bei Minden (Westfalen) ab. Das Tbcma der Sonnabend lautet: „Unser Freiheitskamps". Über den völkischen Frcihcltskanlps in seiner weltpolitischen Bedeu- tung spricht Landtagsabgcoronctcr Wullc, über die kultu- Da nicke und über ° wirtschaftliche Bedeutung Neichstagsabgeord- dlm Sonntag hält der Parteiführer Reichs- l Wchrws^"cA " ° ^trag über das Thema WSrtfMafMMer GIEelldrayl. Von Ncgicrungsrat a. D. Mertens-Würzburg. Die Genfer Weltwirtschaftskonferenz hat bekanntlich mit einer Entschließung geendet, die den möglichst weitgehenden Abbau aller dem internationalen Warenanstausch entgcgen- stehendcn Hindernisse forderte. Gemeint sind hiermit in erster Linie die Zölle. Ruser in diesem Streit waren vor allem England und Frankreich. Ihnen schloß sich der deutsche Rc- giernngsvcrtretcr mit Worten der Ucberzeugung an. Man sollte also annchmcn, daß wir — mindestens in Europa — vor einer Aera des Freihandels stehen. Wie aber sieht es in Wirklichkeit aus? Der freihändlcrische Gedanke hat seine Heimat in Eng land. Dies findet seine natürliche Erklärung darin, daß das gewaltige, sich über die ganze Erde erstreckende Selbstversor- gungsgemet des „ompiro" als wirtschaftlich straff durchorga- ilisiertc Einheit von dem Eindringen fremder Konkurrenz kaum etwas zu befürchten, dagegen die größten wirtschaftlichen — und in ihrem Gefolge Politischen — Vorteile zu erwarten hatte, wenn cs gelang, die übrigen Völker als ständige Ab nehmer englischer Erzeugnisse zn gewinnen. Dazu mußten diese billig, d. h. ihre Einfuhr zollfrei sein. Solange England beherrschende Weltmacht war, trat cs für dcn Gedankcn des Freihandels teils mit Gewalt ein (z. B. Opium), teils vertrieb cs ihn als „Weltanschauung". Das Bild änderte sich jedoch, als England seine Vorherrschaft an die Vereinigten Staaten abtrctcn mußte. Auf Grund ihrer ganz anders gearteten Wirtschaftsbedingungen stellte sich die neue Weltmacht Amerika ans Hochschutzzoll ein, und sofort wurde England schutzzvlliie- risch. Dies ist es, trotz aller schönen für die bekannten andern, die nicht alle werden, gehaltenen Reden einzelner „Wirtschafts- führcr" bis heutigen Tages. Und nun erst Frankreich! Als man auf der Tagung der Internationalen Handelskammer-Konferenz in Stockholm sich zn den Genfer Beschlüssen über Zollabban bekannte, war gerade in Paris ein Hvchschutzzvlltaris angenommen, dessen die deutsche Einfuhr schwer schädigende Wirkung wir nach Abschluß des Handelsvertrages sehr bald spüren werden. Die Frage: „Schutzzoll oder Freihandel?" ist eben keine grundsätzliche oder gar Weltanschauungsfrage, sondern lediglich eine technische Angelegenheit der Wirlschaftspraxis, noch rich tiger vielleicht eine Macht frage. Nach seinen eigenen Wirlschaftsbcdingnngen entscheidet sic der jeweils Mächtige. Nur im ideologisch weltfremden, aber prinzipienfesten Deutsch land gibt cs „Freihändler" und „Schutzzöllner" aus lieber- zeugung. Dabei hat es selten in der Wirtschaftsgeschichte eine Lage gegeben, in der einem Volke der Weg, den cs zu gel>en hatte, so klar vorgczeichnet war wie heute uns: Von 1924 bis Ende Funi 1927 haben wir um rnnd 9 Milliarden Marl mehr ein« als ausgcführt. Das war nur möglich durch die Hereinnahme von Ausländsanleihen- die wir jcht mit etwa 900 MillivncnMark jährlich verzinsen müssen. Daneben stehen die Dawcslasten mit 214 Milliarden Mark ab 1928/29. Die Kaufkraft der deutschen Bevölkerung an sich hat sich nicht ge hoben, sondern ist durch die Kapitalien aus dem Ausland künstlich gesteigert worden. Diese Gelder müssen aber einmal zurückgezahlt werden! Angesichts der nicht nur von England, Frankreich und den Vereinigten Staaten, vielmehr von der ganzen handeltreibenden Welt geübten, auf Stärkung der eigenen Nationalwirtschaft gerichteten Hochschntzzollpolitik ist cs nns unmöglich, unscrc Gläubigerstaaten zwecks Abtragung unserer Schuloen mit Waren zn überschwemmen. Es bleibt nns nur das Mittel der Verringerung der Einfuhr. Ju erster Liuie kommen hierfür die Lebensmittel in Betracht, deren Einfuhrwert im ersten Halbjahr 1927 etwa zwei Milliarden Mark betrug. Sie können zum größten Teil durch Produk- tionssteigcrung der deutschen Landwirtschaft im Inland er zeugt werden. Ferner kann durch ciue Anpassung der Pro- dukliou industrieller Waren an den Verbrauch die Einfuhr von Rohstoffen beschränkt werden. Hierzu muß die Industrie ihren Blick mehr auf dcu Binnenmarkt richten. Zur Förderung der Rentabilität der Gcsamtcrzeugung der deutschen Volkswirt schaft aber brauchen wir Zollschutz. Wenn wir, wie man sagt, mit dem „Einreißcn der Zollschranken" dcn Anfang machen wollen, so werden wir auf wirtschaftlichem Gebiete genau die gleichen Erfahrungen machen wie mit unserer Entwaffnung auf dem militärische«. Ebenso wenig wie hier werden wir hort die Abrüstung der andern erreichen. Um das eine wie das andere durchzusetzen, sind nämlich nicht Verträge oder Kongresse die geeigneten Mittel, sondern — Geschütze. Da wir diese nicht haben, andererseits auch wirtschaftlich das am meisten bedrückte und bedrohte Volk sind, müssen wir, um unser Leben zu behaupten, alles daran setzen, von oen spärlichen uns verbliebenen Machtmitteln nichts mehr preiszugeben. Neue Wendung der Lage in Genf MMWU Ser MmM MWm durch mehrere Mwe. Nens, 7. September. Die juristische» Sachverständige», Ministerialdirektor Dr. Naus, Fromageot und Sir Cecil Hurst sind heute um 18 Uhr zusammcngctrctcn, um eine end gültige Redaktion des polnischen Vorschlages vorzunehmcn. Im letzten Augenblick haben sich gewisse Schwierigkeiten eingestellt. In der endgültigen Formulierung waren folgende zwei Punkte ausgenommen: 1. Jeder zur Lösung von internationalen Streitfällen be gonnene Krieg ist verboten; 2. Sämtliche internationale Streitfälle müssen durch ein obligatorisches Schiedsgericht geregelt werden. Wie verlautet, sollen nun in dcn Beratungen der juristische» Sachverständigen neue Formulierungen ausgetaucht sei». Das endgültige Ergebnis der Juristcnbcsprcchung, die gegen 21,30 Uhr beendet mar, ist noch nicht bekannt geworden. Wie in den späten Abendstunden verlautet, ist eine neue Aenderuug der Situation cingetretc». Es besteht die Absicht, de» von den Juristen ge prüften Text der polnischen Resolution nicht von Polen allein, sonder» v o n mehrere» Mächten in der Vollversammlung cinzubringcn. Welche Mächte dcn gemeinsamen Text der Voll versammlung vorlegcn werden, steht zurzeit noch nicht fest. Diese Mächte werden selbst de» von ihnen unterbreitete» Text in längeren Erklärungen begründe». Die deutsche Delegation tritt heute um 22,15 Uhr zu einer Sitzung zusammen, uni endgültig zn dein vorliegenden polnische» Text Stellung zu nehmen. Im Lause des Abends hatte Dr. Stresemann eine längere Unterredung mit Chamberlain. Es steht zur Stunde noch nicht fest, ob die Entscheidung bereits morgen erfolgen wird, da eine Delegation sich Bedenkzeit erbeten hat, um mit ihren zuständigen Stellen -in Verbindung treten zn können. Unter diesen Umstände» wird die für morgen festgesetzte Rednerliste aller Voraussicht nach noch geändert werden. Im Falle einer Einigung im Laufe des morgigen Tages dürfte» neue Nennungen für die Rednerliste vorliege». Dr. Stresemann wird im Nahmen der Generaldebatte zu dem polnischen Antrag, der allerdings in Zukunft der gemeinsame Antrag mehrerer Machte sein wird, Stellung nehmen. Falls eine Einigung über den gemeinsamen Text zustande kommt, wird aller Voraussicht nach der holländische» Antrag zurückgezogen werden. Der neue gemeinsame Text der Mächte, die, wie man allgemein annimmt, entweder die Locarnomächte oder die Nheinlandpaltmächtc sein werden, muß in der Vollversammlung eine Zweidrittelmehrheit erhalten, nm ohne Ueberwcisung an eine Kommission angenommen werden zu könne». Der Text der Entschließung geheimgehalten Genf, 7. September. Die heute abend völlig unerwartet bekannt gewordene Talsache, daß der Antrag der polnischen Dele gation nach Umarbeitung durch das Juristische Komitee am morgige» Tage vo» einer Ernppe von Mächten eingcbracht wird, bedeutet gegenwärtig eine völlige Aeudenmg der Situation. Der jetzt neu hergestcllte Text des Ncsolutionsciltwurses wird von allen beteiligten Delegationen aus das strengste geheim- gehalten, doch ist bekannt geworden, daß der Entwurf dcn Sichcr- hcitsgedanlcn aus eine breitere und allgemeinere Basis stellt und grundsätzliche allgemeine Friedensversicheningen sämtlicher Mit glieder des Völkerbundes untereinander enthält. Falls diese Re solution von der Vollversammlung angenommen werde» sollte, muß iu notwendiger Folge das Abrnstungsproblcm eine neue Behandlung crsahren. Eine von sämtlichen Mitgliedern des Völkerbundes angenom mene Entschließung über eine nene und allgemeine Sicherung des Friedensgedanlens muß »nabweislich als erster Schritt zu der nachfolgenden allgemeinen Abrüstung derjenigen Mächte führe», die bisher sich einer Durchführung der Abrüstung entzogen haben, obwohl durch dcu Versailler Vertrag die deutsche Abrüstung nur als Einleitung der allgemeinen Abrüstung ausdrücklich erklärt worden ist. In Berliner politische» Kreisen lehnt man vorläufig eine Stclluuguahme zu diesen Genfer Meldungen ab, da sich die ein zelnen Mächte zu strengster Verschwiegenheit über die Einzel heiten des polnischen Vorschlages verpflichtet haben. Immerhin verlautet soviel, daß die deutsche Delegation nur einer Formnlic- rnng ihre Zustimmung geben könne, die die berechtigten Lebens- notwendigkeiten des deutschen Volkes berücksichtigt. Unter allen Umständen wird dcutsckferseits darauf geachtet werden, daß nicht unter dem Titel neuer Fricdenssichcnmgcn der von polnischer Seite immer wieder untcnwmmcnc Versuch, eine Stabilisierung der gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Grcnzucrhält-