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MMt Lltzeilung. Amts- und Anzetgeblatt für das Königs. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Schandau und den Stadtgemciuderath zu ^ohttsttin. Die „Sächsische Elb-Zeitung" erscheint Mittwoch und Sonnabend und ist durch alle Pokansialten, sowie durch die Erptditio» dickes lel ,-ibr.ich ju beliebe... - Inserate Nir do» Mit.wockSbtat. werden bis Dienstag früh » Mr, Nir da» Soniiabc.idSbta, s^ beten; spliter eingehende Inserate können erst in der darauf folgende» Nummer Aufnahme finden. — AuSwart» werden Inserate Nir die Eid ett g ä , t'estnia stein bei Hrn. Hesse, in Dresden in den Annoncen.Bueeaur der Herren W. Saalbach «nd M. Nuschpler, und Paafenfiein -'c 2 agier . H. g g- I87l. Schandau, Mittwoch, den 27. September Abonnements Einladung. Mit dem 1. October beginnt ein nencs Abonnement ans die „Tächs. Elbzcitnng". Es ivcrdcn daher alle Diejenigen, welche die „Elbzcitung" bisher durch die Post bezogen haben oder zu beziehen gesonnen sind, gebeten, ihre Bestellungen bei den betreffenden Post- anstalten gegen den Abonncmentsprcis von I« Ngr. bewirken zu wollen. Expedition der „Sachs. Elbzcitung." Ucbcr die Eröffnung der Montccniü-Bahn schreibt tin Eoricspondcnt der „Lcipz. Ztg," unlcrm 18. Scpt. aus Turin: Mil brr Eröffnung der MvntceniS-Tunnelbahn ist rin Nirsrnwrrk feierlich cittgcweiht worden, das eine Zeit lang für unmög lich gestalten wurde, das uutcr tausend moralischen und materiellen Schwierigkeiten begonnen ward, zu denen sich politische gesellten, und das gleichwohl. Dank dem Muth und der Intelligenz drc.er treffli cher italienischer Ingenieurs, zum glücklichen Ende geführt ward. Der Alprnübergang auf dem Mont- CcniS ist eincr der glorreichsten Errungenschaften drö McnschengeisteS über dir Materie und er hat nicht nur zwischen zwei Völkern eine leichte Verbindung hergestcllt, sondern auch der Wissenschaft eine neue Bahn eröffnet und zu andern Unternehmen, an die vorher Niemand dachte, den Anstoß gegeben. Seit die Arbcitrn auf dem MontceniS begannen, hat sich in drr vage der beiden zunächst beihriligten vänder und Völker vieles verändert. Frankreich stand damals in der Blüthc und auf dem Höhepunkt sei- ner Größe, seine Armee war noch trunken von den in der Krim erfochtenen Siegen, begierig nach neuen Unternehmungen, das Kaiserreich hatte eine große Zukunft vor sich. Italien dagegen war nichts als ein geographischer Begriff und wurde politisch vom kleinen Königreich Sardinien repräsentirt, das nach dem Krimkriege an Bedeutung gewonnen hatte und als Kern der künftigen Einheit Italiens galt. Nun ist Italien ein im Naihe der Völker geachteter Siaai, Frankreich dagegen, an Kräften und Geld erschöpft, ein band, da», wenigsten» theilwe.se, noch in der Hand dcS Siegers ist. Von der alten Abhängigkeit Italiens von Frankreich ist keine Ncdc mehr. Die technische Direction der Arbeiten hatte durch die Person dcS Ingenieurs Grattoni 1300 Einlad ungen ergehen lassen, sohin 380 mehr als man ur sprünglich beabsichtigt hatte. Unter den Eingeladencn befanden sich die Syndici der größeren Städte, die Depuiirlen, die Senatoren, die Generale der Armee, Eialdini, Menabrca, Lamarmvra u. A., die Dircc- lorcn der französischen, deutschen, englischen, öster reichischen und belgischen illustrirtcn Journale, be rühmte Männer wie LeffcpS und Garibaldi, die Ver treter der fremden Mächte, die ersten Ingenieurs von Frankreich, Holland, England, Deutschland, Amerika, Oesterreich, Belgien ic., die Vertreter aller Eisen bahnen der Welt, die Prinzessin Pallavicini, die Damen Peruzzi, Naitazzi, Menabrca, sechzehn Tu riner Damen, wie die Frauen Nignon, die Gemahlin dcS SpndicuS, Noli, Favale, Malvano w. Ferner der Baron Weill-Weiß, der Banguier Gepßer, der Daron Cavalchini, der General der Nauvnalgarde Accossatv, der GeneralstabSchef Nacca ic. ES war scchö Uhr Morgens vorüber und Alles drängle zu den Wagen erster Classc, welche die Dt- rection zur Verfügung gestellt hatte, und um 0 Uhr 20 Min. sollte der Zug abgehen. Eine Empfangs- commission von Eisenbahndcamten, von Beamten der technischen Direction und andcrcn Herren sorgte da für, daß Alles in Ordnung vor sich ging- dilö Kennzeichnung trugen sie aus ihren Hüten eine Karte von weißem Glanzpapier mit der goldenen Inschrift: „EmpsangS-Commiision" und zeichneten sich alle durch die liebenswürdigste Bereitwilligkeit aus, womit sie alle Anfragen beanworieicn, allen Wünschen ent sprachen. In zwei eleganten Salonwagen hatten die Mini- ster Sella, Visconti Benosta, Devincenzi und Castag- nvla Platz genommen. Auch die Präsidenten dcü Senats und der Deputirtenkammer fehlten nickt, vann kamen der SpndicuS von Turin, der Ge- mcinderath, viclc auswärtige Spnbici, viele Sena- toren und Dcpuiirte, die Mitglieder der technischen Direction und manche Bevorzugte. Nun setzte sich der Zug in Bewegung. Eine Fanfare sagte unS, daß wir in Bussolen» angckommen seien. Dann spielte die Musik-Capelle bas Lied: „Italienische Brüder", die Bevölkerung von Bussolen» drängle sich auf dem Bahnbofe, schwang die Hule und ließ Italien hoch leben. Zwei Maschine» schleppten unseren Zug und waren tüchtig geheizt, so war cS denn nicht zu verwundern, weil» in Lem eine» oder anderen Tunnel namentlich La, wo Lie Bahn eine Curve macht, der Nauch etwas beschwerlich ward. Alle Bahnhöfe waren dicht besetzt, die Landleute in vollem Staate, der freilich wenig malerische Schönheiten bietet. Dort und da hatten sich Einzelne verspätet und begrüßten im Herbeilaufen über Vie Felder Len Zug mit Hänbewinkcn. Ein glücklicher Gedanke war cS, die Bahnwärterwohnungen und Stationsgebäude im einfachen an die benachbarte Schweiz erinnernden GedirgSstyl zu erbauen; ihr Weiß mit dem Noth der Backsteine dazwischen macht einen recht heiteren Eindruck uud gereicht der Land schaft zu einem wahren Schmucke. Auf allen Ge sichtern lag Freude und Gcnugthung; freilich könn ten die Frauen und Mädchen schöner sein, als sie in der Thai sind, und läßt sich auch gerade nicht bc- hauptcn, daß sic beim Sprechen ihres breiten auö Französisch und Italienisch gemischten PaiviS sonder- lich gewinnen. Aber ihre weißen Zähne verdienen alles Lob und hie und da begegnete man wohl auch ein paar schelmisch blitzenden Augen. Auch ein paar Städterinnen zeigten sich. Die Leute gehören eben nicht zu den gebildetsten, aber sic begriffen gewissermaßen instinktmäßig die Bedeutung der Sache und die Ncvolulion, welche die Locomotivc in ihren stillen Thälcrn hcrvvrbringcn wird. Daß die Gemeindebehörden sich einfanden, bedarf wohl kaum der Erwähnung, auch die behäbige Gc. stalt eines Pfarrers tauchte dort und da unter der Menge auf. Von Meana auö erblickte man tief unten in ei nem engen Thal, daS man wohl eine Schlucht nen nen dürfte, die arme Stadt Susa. Man könnte sic mit cin paar hier oben loSgcrisscncn mid in die Ticfc lervllten Felsblöcken vernichten. Welch' trauriges Loos, so reich an Erinnerungen, um fast Hungers zu sterben! In Salbcrtrand ist die höchste Steigung über- wunden. Wir ließen die Berglvcomvtiven zurück gegen drei gewöhnliche, deren erste der „Trasoro" war. Den Aufenthalt von ein paar Minnien bc- nutzie cin Einarmiger in Pbaniasie.Uniform, uni sich als Invaliden aus den Freiheiiolriegen vorzustellen: daS wirlic naiürlich; eS regnete Münzen in seine Mütze. Nun erweiterte sich das Thal, der Charakter dcr Gebirgünatur sprach sich immer schärfer auü. Der FröfuS schien übler Laune und hatte sein Haupt in drohende Wolken gehüllt. Der Zug raffelt in den Eingang des Tunnels. Ein lanteö Ah! entreißt sich feder Brust. Wir sind die Ersten, welche gewisser- maßen osficicll die neue VerlehrSbahn benutze», die Ucbcrbringcr ci»eS U»io»övertrageS zweier Völker. ES war genau lO Uhr 30 Minute». Wir machten uiiS auf eine Fahrt im Dunkeln von SO Minuten gefaßt und schloffen dic Fenster, um uns den Nauch vom Leibe zu halten und hörten mit unbeschreiblichem Behage» das Pfeifen und Zischen der Maschine lief im Bcrgcögrund. Ein paar hundert Meter war der Tunnel noch ziemlich hell, da rechter Hand in der Felswand Spalten angebracht sind, dic Licht und Luft rinlaffe». Nachher macht die Bahn eine kleine Curvc und wir rasselten in das Innere dcS Bergeö, eS ward immer dunkler. Eine Beleuchtung des Tun nels wäre allerdings sehr angenehm, aber daS GaS ,st gar thcucr. Stach zehn Minuten stieg die Tem- pcratur etwas, aber nicht merklicher als in anderen Tunnels, auch daS Gerassel dcS ZugeS ist nicht stärker als anderwärts. Wir versuchten schüchtern das Fenster etwas zu öffnen, weil wir unter dem Nauchc leiden zu müssen fürchteten. Aber diese Furcht erwies sich als grundlos. Wir merkten fast mchtü vom Nauchc. Da hörten wir plötzlich einen gellenden Pfiff. Was bedeutet LaS? Gab eS ein Unglück? Stein, wir hatten den AuSgang deS Tunnels erreicht, moch te» cü aber kaum glauben, beim wir hallen nur 22 Minuten gebraucht, hiiidurckzufahre». Zugleich drang cm Meer von Licht in unser Auge und tief zu Fü ßen lag eine großartige Landschaft. Dic Tempera- tur war nicht über 23 Grade gestiegen. Alle Mit- fahrciiden stießen einen Freudenschrei aus, hatte doch dic Fahrt nicht glücklicher ausfallcn können. Die Alpen waren überwunden, überwunden für immer. Wir befände» uns auf französischem Boden. Um in'S Thal der Arc hinabzugelangen, in welchem Mo- danc liegt, muß die Bahii einen großen Umweg machen. Der landschaftliche Charakter doriselbst ist weil alpcnhaflcr als auf der italienischen Seite, auf den Bergspitzcn riiigSuni lag Schnee, dic Gcbirgü- bächc waren wasserreicher und geräuschvoller als Lie drüben. AlS wir noch anderthalb Kilometer vom Bahn- Hofe von Modanc entfernt waren, cmpfing uns eine Musikkapelle mit deni KönigSmarsch und meinte» schon, dic Herre» Franzosen hätten sich zu so ausge suchtester Artigkeit verstiegen. Aber daS war eitel Jrrthum, die Musik kam von der Turiner Naiivnal- garde, die sich dort ausgestellt hatte. Ich muß gestehen, Ler Anblick von Modane zog mir daü Herz zusammen: Frankreich verstand sich nicht dazu, Italien freundlich zu begrüßen, daö ihm seine Hand durch den Mont-Cenis cnigegenstrecklc. Zwanzig bis fünfundzwanzig Leute, ich weiß nicht, ob Naüonalgarden oder PompicrS, empfingen Len Zug auf dem Bahnhöfe. Kein Laut, kein Nus; vollkommene Stille. Es schien eine schmerzliche Stille, cS lag Mißachtung und Vorwurf darin. So traurig dic Sacke war, so fehlte es doch auch nicht am komischen Elemente: unter den zwanzig bis fünfundzwanzig Uniformirlen waren zehn biö zwölf, welche in Grcnadicruniformcn steckten und außer ih ren bekannten kolossalen Bäremnützcn auch noch — falsche Bärte trugt», um u»S diirck ihr martialisches Aussehen zu impvniren. Man glaubte im Theater zu sein. AlS der französische HandelS-Minister in Gesellschaft des Herrn Nigra, LeS Gesandten dcr Schweiz und einiger anderer Diplomaten ViSconti- Vcnosta, Castagnoia,. Sella und die Vertreter Ita liens begrüßte, präsentirtc einer dieser Helden sein Gewehr und zog dann zur allgemeinen Freude auch noch den Hut. Dcr officicllc Empfaug schien sehr kalt. ES lag manches m dcr Lust, das dazu angeihan war, dic Gcmüther zu erregen. Der Unterpräfecl von Saint.