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Erzgebirgischer VEssreund. Tage- unü Amtsblatt für die Gerichtsämter Grünham, Johanngeorgenstadt, Schwarzenderg und Wildenfels; sowie für die Stadträche Aue, Elterlein, Grünhain, Hartenstein, Johanngeorgenstadt, Lößnitz, NeuMdtel, Schwar zenberg, Wildenfels und Zwönitz. Sonntag, den 12. Februar. Met» vierteljährlich 1b Ngr, — Jnserattn-Annabmr für die am Abend erscheinende Nnmincr bis Vormittag« '' Mr Tagesgeschich te Zwei wichtige Vorgänge in Oesterreich Die politischen Verhältnisse bringen es mit sich, daß wir jetzt immer genöthigt sind, vorzugsweise von Preußen zu sprechen in unseren Leitartikeln; allein wir müssen doch auch einmal unsere Blicke auf die erste Großmacht Deutschlands, auf den Kaiscrstaat Oesterreich richten, zumal es in der jüngsten Zeit scheinen will, als wollte es sich doch von dem Banne Preußens, in den es gerade zu verstrickt schien, befreien. Namentlich aber in Bezug auf den so nothwendige» Ausbau des konstitutionellen Systems in Oesterreich und auf die damit gewiß eng zusammenhängenden ferneren Schritte feiner auswär tigen Politik sind unlängst zwei wichtige Ereignisse in Oesterreich eingetreten, das eine anscheinend ein günstiges, das andere an scheinend ein ungünstiges, aber beide noch so wenig bestimmt her vortretend, beide noch so unfertig, daß möglicherweise was jetzt günstig scheint, noch eine ungünstige Wendung nehmen kann, und uuigekehrt. Das eine der Ereignisse, auf die wir hiudenten, ist die ziemlich bestimmt in Aussicht gestellte, freilich officicll, namentlich was den Termin betrifft, noch nicht angekündigte Wiedereinberufung des ungarischen Landtages; das andere ist der Conflict, welcher zwischen Ministerium und Abgeordnetenhaus anläßlich gewisser Punkte der Ausübung des Bewilligungs- und Kontrolrechts sich entspon- nen hat. Wir erwähnen beide Vorgänge in Verbindung miteinander, nicht blos weil sie ungefähr gleichzeitig hervorgetreten sind, nicht bloS weil sie beide auf den constitutionellen Ausbau Oesterreichs sich beziehen, sondern weil auch, nach unserer Ueberzeugung, beide in einer sehr wesentlichen innern Wechselwirkung miteinander stehen. Denn uns wenigstens ist es unzweifelhaft, daß, wenn es der öster reichischen Regierung ernst ist mit dem Gedanken einer Verständigung mit Ungarn (worauf der endlich gefaßte Beschluß einer Einberufung des ungarische» Landtages zu deuten scheint — und daß dieser Be schluß wirklich gefaßt worden, ist den neuesten Nachrichten von dort zufolge, sicher), sie nothwendigerweise die constitutionellen Rechte der Vertretung der nichtungarischen Länder, des Reichsraths, vor allem das wichtigste dieser Rechte, das Budgetrecht in allen seinen Beziehungen, auf das gewissenhafteste achten und eher weiter aus dehnen als beschränken muß, da, umgekehrt, jede Beengung dieses oder anderer verfassungsmäßiger Rechte des Reichsraihs, jeder Ver such einer Herabdrückung des noch sehr jungen österreichischen Consti- tutionalismus zu einem bloßen Scheincoustitutionalimus, wenn die Regierung ihn unternehmen und der Reichsrath ihn geschehen lassen würde, daö Verständigungswerk mit Ungarn nicht blos er schweren, sondern wahrscheinlich unmöglich machen dürfte. Mit Recht werden die Ungarn in demselben Maße zäher an ihren historischen Rechten haften und auch keine» Deut davon aufgeben wollen, wie sie die von ihnen stets behauptete zweifelhafte und unsichere Natur einseitig verliehener Verfassungszustände durch die Praxis in Oesterreich selbst bestätigt sehen; sie werden aber zu Concessionen bereit sein, wenn die Aufrichtigkeit der Regierung in der Erhaltung, Hand habung und Fortbildung der eigenen dicsleithanischen Institutionen ihnen eine moralische Gewähr dafür bietet, daß sie nicht allzu sehr gefährdet sein würden, wofür sie diesen oder jenen Punkt nachließen und ein Kompromiß — was allezeit eine Sache des Vertrauens ist — eingingen. Wer es also gut mit Oesterreich und wahrhaft gut mit dem Gesammtvaterlande Deutschland meint, der kann nur wahrhaft aufrichtig wünschen, daß Oesterreich recht bald Ungarn gegenüber den allein richtigen Weg betrete und dem Abgeordnetenhaus gegen über die streitigen Punkte nicht auf die Spitze treibe, sondern zu einem weisen Nachgeben oder Einlenken geneigt sei. Denn je eher Oesterreich in allen seinen innern Frage» stark und kräftig dasteht, desto eher und gewisser wird es den Annexiöusgelüsten Preußens gegenüber fest und entschieden auftreten. Deutschland. Preußen. Ein berliner Korrespondent der Breslaner Zeitung behauptet der Kölnischen Zeitung gegenüber, daß der Kronprinz auch in der innern Politik das Verfahren des Ministeriums billige. Er wohnt (wie der Korrespondent anführt) längst nicht mehr den Logenfesten bei. — In Königsberg i. Pr. ist der Anfang damit gemacht, die Polizeiofficianten das Stcnographiren lernen zu lassen, damit sie die politischen Versammlungen besser überwachen, resp. strafwürdige Aeußerungen feststellen können. Berlin, 8. Feb. Die Militär-Novelle ist heute im Hause der Abgeordneten übergeben; von wirklichen Concessionen aber enthält sie gar nichts. Sie ist in allem Wesentlichen ganz dieselbe, wie vor zwei Jahren. Was dieses Mal über die künftige Stellung der Land wehr miteiugeflossen ist, ist völlig unwesentlich, es berührt den wah ren Sitz der Schwierigkeiten gar nicht. Der Kern der ganzen Vor, läge ist wiederum, wie vor zwei Jahren, die Forderung; die zwei jüngsten Jahrgänge der Landwehr in die Reserven zu versetzen—eine Forderung zu ihren wahre» Motive nach geradezu gegen die BiMWing der Präsenzzeit gerichtet ist. Dagegen von Fixirung der Friedensstärke, welche eine Zeit lang in Aussicht gestellt war, ist gar nicht die Rede. Aber sonderbar! während die Vorlage selbst nur dazu angethan ist, jede Hoffnung auch der Allerversöhnlichsten im Hause und im Lande niederzuschlagen, schien Herr v. Noon in seiner Begleitungsrede zu erklä ren — in der Vorlage habe die Negierung noch nicht ihr letztes Wort gesprochen, durch Fordern und Bieten machte sich der Handel, das Haus möge deshalb einmal bieten. Was sie aus dieser Vorrede machen sollte», wußte» auch die Abgeordneten nicht sogleich und so hat das Haus sich die Entscheidung über die Geschäftsbehandlung der Vorlage einstweilen noch Vorbehalten. Ferner noch übergab der Kriegs-Minister einen Gesetzentwurf wegen Versorgung anerkannter Invaliden von Feuerwerker und Feldwebel abwärts, wie auch wegen Versorgung der Witwen und Waisen Ler iui letzten Kriege Gefal lenen. Berlin, 9. Februar. Die kölnerDeputation überbrachte heute dem Präsidenten Grabow die Adresse und die Bürgerkrone. Herr Bürgers führte die Deputation. Präsident Grabow erwiederte: Aus tiefbewegtem Herzen danke ich Ihnen und Ihren Herren Kom mittenten für die dreifach hohe Auszeichnung, welcher die lieberale Majorität des Hauses der Abgeordneten und ich von den Herren Wahlmännern der altehrwürdigen Metropole Köln in der uns ge widmeten Zustimmungs-Adresse, in der vorirten Bürgerkrone und in deren persönlichen Ueberbringung von dem Gestade des deutschen Rheines zum Sitze unserer Wirksamkeit Lurch Sie; meine Herren, gewürdigt worden sind. Was ich, eingedenk des Königswortes: „Zwischen uns sei Wahrheit!" gesprochen, und was ich nach meinen geringen Kräften geleistet habe — cs ist unzertrennlich von dem, wozu sich die liberale Majorität des Hauses Ler Abgeordneten in Wort und That seit Jahreit zur Wahrung Ler verbrieften unL beschworenen Volksrechte, zur Erhaltung der verfassungsmäßigen Rechte der Volks vertretung, in Uebereinstimmung mit den politisch gebildeten unab hängigen Männern bekannt hat. Ich kann daher auch die vou Ihnen ' mir überbrachte höchste Auszeichnung, welche der Bürger den Bürger zu gewähren vermag, nur im Namen dieser Majorität entgegen neh- men. Sie gebührt allein meinen liberalen Kampfgenossen. Für sie werde ich zum ewigen Gedächtniß dieses bürgerliche Kleinod als ge treuer Hüter aufbewahren. Dasselbe soll uns stählen zum Aus- harren in dem schweren Verfassuugskampfe, falls eine allseitig ge- '