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ÄÜM/rZMMS «e Sachsen-Zeitung enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Weihen, de« Amtsgericht« und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstreutamts Tharandt, Finanzamts Nossen «. a. Kak/o-ra/e VsAesMrms /üf Äv?serkvm, Äeamte, KnMMe v. KlPeöer Anzeigenpreis: di« 8 gespniten« N«nn-«Ne »Goldpfennig, dir 2 gespaltene Heile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gatd- pfennig, die 3 gespaltene Neklamezeile t» tertlichen Teile der Zeitung l00 Goldpfennig. Nachiveisungsgedühr 20 GaG- pfennige. Dorgeschriedene Lr- L scheinungstage und Platzoo» schristen werden nach Möglich- ,* "t/'. 6 keit berücksichtigt. Anzei^». annahme bis vormittags 10Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klag» eingezogen werden mptz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen auch alle Vermittlungsstellen entgegen. 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Aber am tiefsten ist die Tragik in dem Geschick dieses Mannes, das ihn, der nach kurzer Erholung nun wieder zum Kampf eilte, und zwar zu einem Kampf, der ihm den Sieg zu verheißen schien, ein ganz dummer, blöder Zufall, ein überfahrenes Eisenbahnsignal, in den Tod warf. Gräßlich ist's, sich vorzusteettn, wie ihm, der in dem zertrümmerten Eisenbahnwagen festgeklemmt sein mochte, das Feuer immer näher kommt, ihn und die Mutter neben ihm allmählich erstickend, verbrennend bis zur Unkenntlich keit. Gräßlich ist's, sich vorzustellen, wie dieser Kopf, dem auch die Gegner die Hochachtung, häufig die Bewunderung nicht versagten, von totem Holz und Eisen zermalmt wurde, diesen Kops mit dem Adlerprofil, der dem Besucher des Reichstages sofort auffiel. Helfferich hat nur in einem gelebt, kannte nur eins: die Arbeit. Und diese Arbeit für die Heimat, sie hat ihn hinausgeführt weit über die Grenzen Deutschlands und ihm den Blick geweitet für außenpolitische Verhältnisse und Entwicklungen. Diese Arbeit, unerhörteste, anstrengendste Arbeit, Hal ihn hinaufgeführt bis zu dem Posten eines Vizekanzlers im Staatsdienst, hat den erst Einundfünfzig jährigen auch an die Spitze des mächtigsten deutschen Geld instituts, der Deutschen Bank, gestellt. Dort war es ihm vergönnt, einem der größten deutschen Kulturwecle den Weg zu ebnen, der Bagdadbahn. Bei Helfferich war Ees Verstand. Schien Gefühl, schienen Stim mungen keinen Raum zu haben. Erregt wurde er nur, wenn man ihm an die Ehre griff. Aber dann hackte er zu: und wen er traf, der mußte Federn lassen. Doch niemals hat er, wenn man seinem Wesen auf den Grund geht, irgend einen Gegner persönlich angegriffen, auch seinen größten Gegner, Erz berger, nicht. Denn dieser Mann galt ihm- nur als der Vertreter eines bestimmten Sy stems, dem er Fehde angesagl hatte. Eine Fehde, in der er eins nicht kannte: Besorgnis oder gar Furcht. Obwohl mm der Reichstagspräsident am Tage der Ermordung Ra th e n a u s, an der politische Gegner Helfferich die Schuld zuschieben wollten, gebeten hatte, nicht den Saal zu be treten, weil er für seine Sicherheit nicht bürgen könnte, ist Helfferich auf seinen Platz gegangen und hat dem Ansturm die Stirn geboten. Sein Leben war verantwortungsvolle Arbeit, Arbeit an vorderster Stelle. Und daran, daß die politische Ent wicklung ihm diese verantwortungsvolle Mitarbeit verbot, hat Helfferich unendlich schwer güittrn. Dieses förmliche Sehnsuchtsgefühl hat er zu übertäuben gesucht dadurch, daß er sich im politischen Kampfe ganz vorn hinstellte und seine ganze Persönlichkeit einsetzte für eine Opposition gegen ein System, das er für falsch ansah, für sine Oppo sition aber, die nicht negativ war, sondern dadurch positiv wurde, daß er eins nicht um sich duldete: Schlagworte, Un klarheiten, Stimmungen, Wünsche. Sondern, daß er diesen Schlagworten und Unklarheiten auf den Grund ging, die Stimmungen und Wünsche als störend beiseite schob und die Dinge in ihrer nackten Wirklichkeit darzustellen ver suchte. Manchmal mag er geirrt haben, aber es irrt der Mensch, solang er strebt, und die Reinheit seines Strebens, seines Wollens hat ihm kein Gegner abgesprochen. „Leben ist Kampf, und Kampf ist Sieg" — vieler Spruch Cäsar Flaischlens hängt über Helfferichs Schreib tisch, war seine Parole und seine Zuversicht. Das blöoe, tückische Schicksal hat mit täppischer Hand dazwischen ge griffen und hat ihm den gehofften Sieg entrissen. Den Sieg, nach dem er sich sehnte wie nach dem gelobten Land: wieder verantwortlich Mitarbeiten zu können. x Eine breite Lücke reißt dieser Tod in die Reihen seine» Partei, und tiefe Trauer wird dort die Seelen erschüttern aber auch die vielen, vielen Gegner, die der Lebende ge habt hat, werden dem Toten nicht das Zeugnis versagen daß hier ein Mann dahingegangen ist, der. mag er auck wanchma! in die Irre gegangen fein, doch in den Dienst mnes Vaterlandes sein ganzes Denken und Sein gestellt ."'M Ehrgeiz, sondern nur aus glühender Lieh« »u dreier Heimat. Dr. Pr. Jie MsUltt-KMmnz an der Arbeit. (Eigener Fer «sprech dien st der „Sachsen-Zeitung".) Paris, 25. April. Die Botschafterkonferenz beabsichtigt in erster Sitzung, vielleicht schon Morgen die Antwortnote über die Reparationsfragc herzustellen. Mit der Ausarbeitung des Do kuments wurde bisher gewartet, weil der englische Vertreter auf der Botschafterkonferenz nicht im Besitze der Instruktionen seiner Regierung war. Diese sind nunmehr in Paris eingetroffen. Der Erfolg der deutschen Anleihe liegt nur bei den amerikanischen Banken (Eigener Fernsprechdienst der „S achse n- Z eilung") London, 25. April. Es wird mitgeteilt, daß der Staats sekretär Mellen erklärt habe, der Erfolg der deutschen Anleihe hänge von der amerikanischen Bankwelt ab, da die amerikanische Regierung um keinen Preis zu dem Erfolge der Anleche bei tragen könne. Im Vanne der Ungewißheit. (Eigener Ferniprechbienst der „Sachsen-Zcitun g") London, 25. April. Nach einer Neuyorker „Times"- Meldung glaubt die amerikanische Regierung nun an die Aus führung des Dawesberichtes in allen wesentlichen Stücken, weil alle Beteiligten schließlich darin den einzigen Ausweg aus dem Sumpfe erkennen würden. Der Leitaufsatz der „Times" führt aus, Coolidge habe nun dem Dawesplan das ganze Gewicht der offiziellen amerikanischen Unterstützung gegeben. Theunis und sein Außenminister dürften nächster Tage mit Poincard torre- spondieren und dann nach London kommen. Belgien versucht, seine eigne Vermittlerrolle zu spielen, besonders zwischen der bri tischen Auffassung, daß die sofortige Herstellung der fiskalischen und wirtschaftlichen Einheit des Reiches für den Erfolg des Dawesplanes absolut wesentlich sei, und der französischen Auf- sassung, daß sie der Inkraftsetzung des Planes erst zu folgen brauche. Man weiß hier, daß Mussolini auch die militärische Räumung des Ruhrgebietes verlangt. Loncheur hat nach einer Pariser Meldung des „Daily Herald" nach kurzem Aufenthalt in Rom Poincarö dringend empfohlen, Mussolinis früher ab gelehnte Vorschläge für ein Uebereinkommen zwischen den Metall industrien Frankreichs und Italien anzuehmen, und am Montag Oer Lebensgang des Verstorbenen. Helfferich war am 22. Juni 1872 zu Neustadt a. d. Haardt in der Rheinpfalz als der Sohn eines Fabrikbesitzers geboren. Mit 22 Jahren wurde er Dozent an der Berliner Universität, mit 29 Jahren schon Professor der Nationalökonomie. 1981 ging er in den Staatsdienst über, zunächst als Referent in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes. 1906 verließ er den Neichsdienst und ging als Vertreter der deutschen Bank und Leiter der anatolischen Eisenbahngesellschaft und Bagdad- - bahn nach Konstantinopel. 1908 wurde er in das Direktorium der Deutschen Bank berufen und blieb dort bis 1915, wo er als Staatssekretär des Reichsschatzamts in die Re gierung eintrat. Im Mai 1916 wurde Helfferich Staats sekretär des Innern und Stellvertreter des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg. Auch unter dem Kanzler Michaelis blieb er noch im Kabinett, wurde dann aber unter Hertling durch Payer ersetzt. Später vertrat er vor übergehend das Deutsche Reich bei der Sowjetrepublik in Moskau und spielte dann als Füher der Deutschnationalen bis zu seinem Tode eine hervorragende Nolle. Vie sialastropbe am gondara. Schwankende Angaben über die Zahl der Toten. Die Gesamtzahl der Opfer der furchtbaren Eisenbahn- katastrophe von Bellinzona läßt sich noch immer nicht genau angeben. Nach den amtlichen Feststellungen haben 16 Personen, und zwar 6 Eisenbahnbeamtl und 10 Fahrgäste, den Tod gefunden. Von nichtzo amtlicher Seite wird dagegen behauptet, daß dreißig Personen umgekommen sind. Bisher war es nahezu unmöglich, die Persönlichkeiten der Toten festzu stellen, da es sich fast ausschließlich um verkohlte Lei che nreste handelt. Daß der frühere Staatssekretär des Reichsschatzamtes Dr. Helfferich und seine Mut- ter sich unter den Todesopfern befinden, wurde vom deutschen Konsul in Lugano auf Grund der gefunde nen Ausweispapiere festgestellt. Nicht be- ftä »igt hat sich die Meldung, daß auch der italienische Gesandte in Kopenhagen Graf della Torre ein Opfer der Katastrophe geworden sei. Wie groß die Zahl der umgekommenen Deut- fchen ist, hat sich bisher nicht ermitteln lassen. Mit cini- ger Sicherheit ist anzunehmen, daß außer Helfferich und seiner Mutter der Direktor der Berliner Beton-Aktien gesellschaft Siegfried Wertheim und seine Gattin getötet worden sind. sei Mussolini eine dahin zielende Antwort zugestellt worden, wodurch man seine Unterstützung der französischen Ruhrpolitik zu erkaufen hoffe. Laut »Times", mißtraut die Londoner Devisen börse der Aufwertung des Franken und hält sie größtenteils für sentimental und künstlich gemacht. Rücktritt Kahrs? (Eigener Fernsprechöienst der „Sachsen-Zeitung".) München, 25. April. In den letzten Tagen sind auf Umwegen Gerüchte über ein Rücktrütsgcsuch des Herrn von Kahr als Regierungspräsident und des Obersten von Seisser verbreitet worden. Aus Anfragen an zuständiger Stelle wurde mitgete'lt, daß ein Rücktrittsgesuch des Herrn von Seisser noch nicht vorliege. Die bisher festgestellten tödlich ver unglückten Deutschen. (Eigener Fernsprechdienst der „Sachsen-Zeitung".) Bel l i nzo na, 25. April. Bis jetzt sink unter den Todes opfern folgende deutsche Reichsawgehörige identifiziert worden: Dr. Helfferich und seine Mutter, Direktor Viktor Wertheim vom Stahlwerk Becker, A.-G., in Charlottenburg, Römerstr. 14, P of. Rheinkogek, BeUn-Eharlottenburg, Editha Godet, 40 Jahre alt, aus Altrahlstedt >bei Hamburg. Boykottierung der Regie durch das Roheisensyndikat. (Eigener Fernsprechdienst der „S a ch s e n - Z e i t u n g".) Düsseldorf, 25. April. Das Roheisensyndikat hat be schlossen, keine Transports mehr über die Regiedahnen zu leiten, weil die Transportdauer zu unregelmäßig ist und die Ver schleppung von Wagen andauert. Die Eisendahnsendungen wer den mit Schiff von Duisburg nach Mannheim übergeführt und hier auf die Eisenbahn verladen. - - England erkennt diegriechischxRepublikan (Eigener Fernsprechdienst der ,S a ch s e n - Z e i t u n g".) London, 25. April. „Morning Post" meldet aus Achen, daß der englische Gesandte heute vormittag dem griechischen Außenminister mitgeteilt habe, daß Großbritannien sormell die griechische Regierung anerkannt habe. uver den Hergang des Unglücks können noch folgende Einzelheiten berichtet werden: Der Mailänder Nacht schnellzug traf mit einer Stunde Verspätung in Chiasso ein und wurde rasch abgefertigt. Dieser fahrplanmäßige Zug stieß mit dem Schnellzug aus Arth-Goldau zusam men. In Brand gevaten Md zwei Wagen; in einem der deutschen Wagen explodierte der Gasbehälter, so daß der Wagen in wenigen Augenblicken lichterloh brannte. Der Braud griff auf einen weiteren Wagen über, doch konnten die Reisenden dieses Wagens rechtzeitig gerettet werden. Das Unglück ist dadurch entstanden, daß das Personal des Nachtschnellznges Basel—Mailand das geschlossene Ein- fahrtsignal des Bahnhofs Bellinzona nicht be achtet hat. Eine Nachprüfung der Weichen hat einwand frei ergeben, daß sie vorschriftsmäßig gestellt waren. Die beiden Züge waren mit je zwei elektrischen Maschinen be spannt, die in voller Fahrt ineinander liefen. Die beiden vorderen Lokomotiven wurden in die Höhe gehoben und quer über das Gleis geschoben. Die beiden Führerständs wurden vollkommen zerquetscht. Der Verantwort liche Lokomotivführer, der das Einfahrtsignal nicht beachtet hat, ist getötet. Von dem deutschen Wagen ist mir das Rädergestell übriggeblieben, von dem italienischen Wagen blieben noch einige Wandieile stehen. Beide Züge waren außerordentlich stark besetzt. Die italie nische Paßkontrolle verzeichnet eine Besetzung mit 15 Schweizern, 45 Deutschen, 52 Italienern, 4 Amerikanern, 2 Norwegern, 2 Tschechen, 2 Franzosen und 2 Eng ländern. * Eine Erklärung des ReichFverkehrsmimsterjums. In Erklärungen der Leitung der Schweizer Bundes bahnen wird die Größe des Unglücks darauf zurückge- sührt, daß ein deutscher Wagen noch Gasbeleuchtung batte nnd das Gas des Behälters nach dem Zusammen stoß Feuer gefangen hat. Dazu erklärt das Deutsche R e i ch sv e r k e h r s m i n i st e r i u m: „Im internatio nalen Verkehr lausen durchweg nur elektrisch be leuchtet« deutsche Wagen. Sollte ein deutscher Wagen mit Gasbeleuchtung in dem Zug gewesen sein, dann kann es sich nur um einen Verstärkungs- wagen gehandelt haben, der wegen des starken Festtags- oerkehls eingestellt worden wäre."