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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.11.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190811071
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081107
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081107
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-11
- Tag 1908-11-07
-
Monat
1908-11
-
Jahr
1908
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Das wichtigste. * Der Bezirksausschuß der Amtshauptmannschaft Leipzig lehnte in seiner heutigen Sitzung die Einverleibung der Bororte Stötteritz und Dölitz mit fünf gegen drei Stimmen a b. * Die Verhandlungen über die Kaiserinterpellation im Reichstag beginnen am Dienstag, nachmittags 2 Uhr. * Der deutsche Kronprinz hat heute an Bord des Heppe- liuscheu Luftschiffes iu Friedrichshafen einen Auf- stieg unternommen. sS. Letzte Dep.j * „Evening News" sind ermächtigt, die Meldung des „Gaulois", König Eduard habe bei dem Fall Delcassvs gesagt, wir hoff ten in Frankreich ein Schwert zu finden, doch es war nur ein Rohr, als Erfindung zu erklären. * Die Demission des österreichischen Gesamtmiui- steriums wird im Laufe des heutigen Tages offiziell bekannt gegeben. Mit der Bildung des neuen Kabinetts wird Baron Bieuerth beauftragt werden. sS. Ausl.s * Ein Telegramm aus Amoy berichtet: Ein Dampfer, der mit sechshundert Passagieren von Amoy nach Tungkang unterwegs war, ist gesunken. Dabei ertranken zweihundert Passagiere, jedoch keine Europäer. Die «ttrisis. Rur eine Episode? WaS sich vorauöschen ließ, sch.-int wirklich ;u geschehen: Der Reichstag kann sich nicht darüber einigen, wie er sich in der Angelegen heit des Kaiserinterviews verhallen soll. Man hat an die Entsendung einer Deputation an den Kaiser gedacht, dieser Gedanke aber ist wieder aufgegeben worden, weil man fürchtete, daß der Kaiser diese Deputation mindestens ebenso schroff behandeln werde, wir Fiiedrich Wilhelm der Vierte es bei gleichem Anlaß im Jahre 18 l , getan bar. Damals schleuderte Johann Jacob dem Könige das berühmte Wort entgegen: »Das eben ist das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht hören wollen." ES ist uns zweifelhaft, ob sich heute ein Ab geordneter zu einer so respektwidrigen A ußerung ausraffrn würde. Aus ähnlichen Erwägungen hat man den Gedanken ausgegeben, dem Kaiser eine Adresse zu überreichen. Man möchte einen Konflikt mit der höchsten Stelle vermeiden und fürchtet wieder, daß die Adresse, wenn sie nur lauwarm gehalten wäre, im Volke keinen Widerhall finden werde. Das ist allerdings richtig, aber mit allen diesen Bedenlen lockt man keinen Hund vom Ofen. Es müßte Len Abgeordneten vollständig gleichgültig sein, ob eS zu einem Konflikt kommt oder nicht; die Stunde ist zu ernst, um sich mit solchen Rücksichten zu befassen. In der Generalversammlung des konservativen Wahlvereins Hirschbcrg-Schönau hat der Kaiserliche Gesandte z. D. Raschdau folgendes erklärt: »Hier handelt es sich nicht um einen Fehler oder ein Versehen, sondern um eine Versündigung an der Sicherheit unseres Vaterlandes. E« kann dafür nur die eine Sühne geben, raß jeder, der dabei die Mitschuld trägt, sein Amt aufglbt, zu dessen Führung er sich unfähig erwiesen bat. Denn das Vertrauen des Landes in diese Männer ist hoffnungslos verloren. Der Reichskanzler sollte einmal seine Leute aus die Straße schicken und in alle Schichten der Bevölkerung. Das Urteil würde lauten: »Schuldig ohne mildernde Umüänce." Aber diese Sühne reicht nicht aus. Es muß Vorsorge getroffen werden, daß eine Behandlung unterer auswärtigen Politik, wie sie sich hier plötzlich mit erschreckender Klarheit der Welt offenbart, richt mehr möglich ist. Wir sind bicr unter Männern, die mit allem ihren Können einstelcn für die Eroaltung einer starken Monarchie. Wenn wir dies wollen, dann müssen w-r die Ersten sein, die Einspruch erheben gegen die Wiederkehr ähnlicher Ereignisse, sonst haben wir den Sckr.cken in kürzester Zeit. Nickt unterer Gcsck clllck- teit, sondern dem Glück, daß auch die anderen Völker ihre aroßen Sorgen baden, verdanken wir eS, wenn unicre auswärtige Lage heute noch den Anschein einer Sicherheit gcwährt. Aber die Gefahren wachsen unv dabei peinigt unS das grausame Gefüllt, daß wir nicht an unserem Frieden, sonder» an unserem Verderben arbe ten " So spricht ein alter Konservativer, ein Mann, der lange Jahre selbst diplomatisch tätig war. Von linksltberaler S ite ist der Vorschlag gemacht worden, die Angelegenheit mit der Reichö- finanzreform zu verknüpfen und die Mitarbeit einzustellen, wem nicht der Reichskanzler vorder eine Kaiser unv Kanzler für alle Zukunft verpflichtende Erklärung abgebe. Diesen Vorschlag haben jedoch die rechtsstehenden Parteien abgelehnt. Wir können ras verstehen; diese Angelegenheit sollte nicht verquickt werden. Aber der Reichstag sollte nicht darüber im Zweifel sein, daß es sich hier um seine moralische Existenz handelt. Gelingt eS ihm jetzt nicht, sich so zu ver halten, wie die Nation von ihm erwartet, unv einen wirklich faßbaren Erfolg zu erzielen, so ist es um sein Ansehen geschehen. Die Macht des Kaiser» und die Lust, sie zu üben, wirv dann ins Unermeßliche wachsen. Soll diese Angelegenheit, die ganz Deutschland auf das Tiefste empört hat, wirklich in ihren politischen Folgen nur eine Episode bleiben? Da» ist unmöglich. Wir brauchen dauernde Institutionen, Institutionen, die die Macht der Krone enger umgrenzen. Nur durch sie kann eine Bürgschaft für die Zukunst geschaffen werden. Mit der Kritik allein ist nichts getan: die Abgeordneten können über den Kaiser und über den neuesten Kurs nicht ein einziges Wort sagen, das nicht schon in der Presse gesagt worden wäre. Sie können sogar kaum unter dem Schutze der Immunität den Ton verstärken. Aber glaubt man, daß Neven, dir kein praktisches Resultat ergeben, auf den Kaiser den geringsten Ein druck machen? Er würve vielleicht den Bericht lachend in den Papier korb werfen und sich vor Vergnügen auf den Schenkel schlagen. Und er würde von seinem Standpunkt auS ganz recht haben, denn er hätte dann gesiegt, und die persönliche Politik, die er fast zwei Jahrzehnte getrieben hat, könnte ihren Fortgang nehmen. Der deutsche Reichstag steht vor einer Schicksalstunve; möchte er sich dem Anspruch dieser Stunde gewachsen zeigen I O - . ' Als Tag »er Interpellationen ist nun endgültig der Dienstag benimmt. Fürst Bülow hat also noch einen Tag mehr Zeit, die »deutschen Erfolge" in der Ca'ablanca- Angelegcnheit hüb'ck zu giuppieren und damit die Interpellanten zu eniwafsnen. Am Dienstag wird zuerst für die Nation« liberalen Ab geordneter Bas serm ann sprechen, ihm folgt für die freisinnige FrakrionS- gemeinichast Abg. Dr. W i einer, für die Sozialdemokratie All«. Singer, für die Konservativen Abg. v. Normann und für die Reichspartei Abg. Fürst Hatzteld. Diese Reihenfolge ist gegeben durch den Ein- laus der Interpellationen. Dem Reichskanzler ist eS gestattet, nach jedem Redner das Work zu ergreifen. Ob er gleich nach Basser mann sprechen oder erst alle Interpellationen über sick ergehen lassen wwo, steht vahin. Dieer letziere Fall würve wohl eintreteu, wenn, wie verlautet, die Parteien sich zunächst nur mit kurzen Erklärungen begnügen sollt n. Ter Vertreter de« Zentrums, Freiherr von Hertling, wirv erst nack dem Kanzler sprechen, da vie Ultramontanea aus eine eigene Interpellation verzichtet haben. Am Freitag haben zwischen den einzelnen Partei führern wegen der Begründung der Interpellationen Verhandlungen stattgesunden. Weshalb cs zu keiner einheitlichen Aktion Sc» Blockes kam, will der „Deutsche Bote" wissen. Er stellt fest, daß die Btocksührer einig darin waren, der Sozialoemokratie nicht die Initiative zu Überlaisen, aber uneinig über die Fassung und Begründung der Interpellationen. Um den bürgerlichen Parteien die Initiative zu sickern, ging die na tiouallrberale . ' ' sie ohnehin zeitlich die FraklionSsitzung anberaumr batte. Daß unter den bürgerlichen Parteien in dieser wichtigen Angelegenheit überhaupt Unstimmigkeiten herrschen konnten, zeigt nicht gerade von befonderer Höhe der Autiassung von Pflichten der Volksvertreter. Wir meinen, es wäre auch für vie Konservativen, die ja die bekannte Interpellation cingebrackt haben, kein schweres Opfer gewesen, sich von vornherein für die Interpellation der Nationalliberaten zu erklären. Aber leider hat ja der Reichstag auch in anderer Beziehung eine bedauerliche Schwäche gezeigt. Der freisinnige Vorschlag, eine Adresse an den Kaiser zu senden, fand bei den Konservativen keine Gegenliebe, und da traten aus einmal auch die Nalionaltiberalen zurück, die sick erst für die Adresse erklärt hatten. Wenn nun von anderer Seite dieser höchstbidauerlichcrweise gescheiterte Versuch wiederholt weiden soll — angeblich bemühen sich die kleinen Parteien des Reichstags unter Führung des Abg. Liebermann von Sonnenberg darum — so ist damit noch lange keine Gewähr für das Gelingen vieler Kundgebung gegeben. Es mehren sich eben in bedenklicher Weise die Ansichten, daß der Reichstag nicht entschlossen ist, so zu handeln, wie es Tausende und aber Tausende der besten Männer der Nation — besten allerdings in völkischem, nicht in höflichem Sinne — als felbstverständlich erwarten. Wenn der ChoruS der Abwiegler wähnt, mit eindiuckSoollen Worten könne der gewollte Zweck auch erreicht werden, so mögen sie sich an den Winter unseres Mißvergnügens vor zwei Jahren erinnern. Auch damals durchballten den Wallolbau kräftige Worte, aber sie sind verweht wie die Spreu durch den Wind. Die Blockparteien würde» sich der grausamsten Täuschung hingeben, wenn sie durch Worte allein sich befriedigen lassen wollten. Tie „Ncberlastung" ist vorüber. Wie die „Inf." au unterrichteter Stelle erfährt, mackt die Visierung im Befinden des Staatssekretärs v. Schön weitere günstige Fortsckritte, so daß seine Wiederherstellung in nickt ferner Zeit er wartet werden kann. Der Staatssekretär wirv sich nock einige Wochen erholen, bevor er die AmiSgeichäite wiever übernimmt. Herr v. Kiderlen-Wachter, der zu keiner V rireruog nach Berlin be- iusen wurde, ist jetzt ein getroffen, um Herrn v. Sckön zu ver treten. Sollte sich aber Herr von Schön wirklich der G abr neuer „Ucberlastung" durch Wiederaufnahme seiner Tätigtest im Auswäuigen Amte ausletzen? Wann tagt der VnuSccra sausschus; k Der Tag des Zusammentritts des Ausschusses des BundeSratS für Auswärtige Anaelegenheiicn ist noch nicht bestimmt. Die zuständigen cinzelstaatlichen Minister weiden dazu selbst h erher lommen. Ter BurenfcidzugSplan des Katserc. Die Angabe des „Daily Telegraph", daß ein Felvzugsplan des Kaisers für die englischen Aktionen deS Winters 1899/l900 „dem Großen Generatstabe vorgelegen bade", ist in dieser präzis » Form wohl keinesfalls richtig. Der damalige Cbef des General- slabeS der Armee, Generaloberst Gras von Scklirffen, wll, wi- die „Mil.-pol. Korrespondenz" hört, in nn solckeS „Dokument" evenso- wenig Ansicht gehabt baden wie der Chef der einschlägigen <IlI.) Abteilung, der jetzig- Generalleutnant und Direktor der Kriegs akademie von Flatow. Man hält eS in militärischen gut unter richteten Kreisen dagegen für möglich, daß der heu'ige kommandierende General deS XVII. Armeekorps in Danzig, von Mackensen, als da mals ältester Flügeladiutant, oder der General von Bese ler, der zu jener Zeit Oberquartiermeister im G neralstabc der Armee war und ost zum Kaiser befohlen wurde, einen solcken kaiserlichen Ealwurf beguiach et haben. General v. Beseler, jetzt General-Jnspesteur deS Ingenieur-und Pionierkorps und der Festungen, hat auch in jenem Winter deS Jahres 1900 mehrfach Kriegsspiele geleitet, die auf dem damals allerdings noch ziem lich primitiven südafrikanischen Wege- und Geländekartenmaterial gespielt wurden und tatsächliche kriegsmäßige Annahmen aus dem englischen Feldzug gegen die beiden Burenrepubliken zur Grundlage hatten. Maxtmtliair Harden über »te politische Lage. 8. L 8. Berlin» 6. November. Im Mozartsaale des Neuen Schauspielhauses hielt Freitag abend Maximilian Harden seinen seit langem angekündsisten, von vielen Leuten mit Spannung erwarteten Vortrag über die politische Lage. Der geräumige Saal mit seiner prachtvollen Akustik war bis auf den letzten Platz von einer andächtigen, etwa 2000 Personen zählenden Hardenverehrerichast, unter der sich außerordentlich viel Damen betäu ben, gefüllt. Von Parlamentariern bemertten wir nur den tonservat'ven Reichstags- und LandtagSabg-ordneten von.Heydebrand uur> der Lasa und den sozialdemokratischen Reichstagsabgeordreten Dr. Frank (Mannheim). Auf dem Podium, das ebenfalls dicht mit Zuhörern be setzt war, diente ein einfacher, mit einem roten Tuch überzogener Tisch als Rednerpult. Kurz nach 8 Uhr betrat Harden, von der Versamm lung mit Beifall begrüßt, die Tribüne und ging, während sein Gesicht nervös zuckte, geradenwegs auf den Rednertlsch zu. Eine elegante Ver beugung gegen das Publikum im Saale und das aus dem Podium dicht- ged, ängt fitzende Publikum, und dann begann er: In der ungeheuer ernsten Stunde, in der wir unS gegenwärtig be finden, darf für Persönliches nicht Raum sein. Nur zwei Worte: Ich bitte mir zu glauben, daß ich nicht hierher gekommen bin, um mich in dieser Situation vorzudrängen, vielleicht gar daran zu erinnern, daß ich nicht so unrecht gehabt habe, wie viele Lerne immer geglaubt haben. Nein, ich bin gekommen, um einen Anfang ru mache», um daran zu mahnen, daß eS Zeit ist, über öffentliche Dinge öffentlich zu sprechen, ohne Parteiversammlungen einzubelufen, die genau wissen, WaS ihnen gesagt werden soll, wird, muß. Das öffentliche Leben entbehrt so sehr der Teilnahme der Gebildeten, so sehr der Leidenschaft, daß eS nötig werden wird, neue Forme» der Aussprache zu finden." Leidenschaftslos und fast mit einem milden Tone hatte Harden diele Worte gesprochen, und allgemein hatte man im Saale den Ein druck, daß die Sensation, die viele von dem Vortrage erwartet hatten, ausbleiben würve. Harden sch en wenig disponiert zu sein, und so war es nicht weiter verwunderlich, daß er in seinen Ausführungen eigentlich nichts Neues brachte. Im w-sentlichen bildete fein Vortrag nur eine ausführlichere Wiedergabe dessen, WaS er in seinem heutigen Artikel in der „Zukunft": Gegen den Satser iu der an ihm gewohnten knappen und präzisen Form gesagt hatte. Seine Ausführungen liefen im großen und ganzen darauf hinaus, daß eS verkehrt sei, wenn man jetzt den Kanzler oder einige unter geordnetere Personen im Auswärtigen Amt als Sündcnböcke in die Wüste jagte. Gerade gegenwärtig liefen in der Hand des Kan.lcrs so viele Fäden zusammen, daß es em Fehler sei, wenn man ihm die Möglich eit nehme, sie zu entwirren. Man müffz sich lediglich an die Hauptfrage halten, daran, daß der Kaiser, »eine zwnsillor für die Nüchternheit politischer Geschäfte vollständig ungeeignete P-rsönlickkest", Aeußerungen getan habe, von denen der verantwortliche Reichskanzler erllärt habe, daß er, w-nn er sie vorher gekannt hätte, nie zugegeben haben würde, daß sie veröffentlicht würden. „Wenn ter Mann, der daS veröffentlicht bat, fällt, — glauben Sie nicht, daß er über irgend etwas anderes fällt, als über die Aeußerung dieser feiner Ansicht." Die Ausführungen HardenS liefen schließlich wie die seines Artikels darauf hinaus, daß der Reichstag verlangen müsse, daß der Reichskanzler ihm mit einer Erklärung komme, wonach der Monarch sich von jeder Einmischung in die auswärtige Politik fernznhaltcn verpflichte. Es war im übrigen nur selbstverständlich, wiever zahl'eiche Bonmots und viele seiner bekannten »Spitzen" von Harden zu hören. So wies er darauf hin, daß der Kaiser jetzt 50 Jahre at sei, „waS in der Oeffenilichlect vielleicht nock nicht ost genug beront wird". Pikant im Hardenschen Sinne war auch die Ansp elung aus einen be- lannten Paragraphen des Strafgesetzbuches, Laß es sich bei den Aeußerungen deS Kaisers „um Nachr chten handele, deren Ver breitung dem Deutschen Reiche schadet". — Die Versammlung quittierte diefe Worte mit verständnisinnigem Beifall, nickt minder diejenigen, in denen er eine Verbindung von Mystik mrt sichtbarer Geschäftigkeit als undenkbar bezeichnete und erklärte: „Wer immer zu sehen ist, den hält man nicht für einen Goit, auch n chk einmal für einen Halbgott; denn bei dem sieht man rie M rkmale ter Menschlich^ t zu deutlich, nm sick über seinen Ursprung Illusionen bin- aeben zu tönnen." Wie nickt erst erwähnt zu werben braucht, ließ eS Harden auch nicht an Seiteubieben gegen seine alten intimen Gegner Caprivi, Marschall von Bieberstein, Chlodwig Hohenlohe und wiederholt auch geg n seine „Freunde" von der Presse fehlen. Einige scheinbar un- beabsichtigte Randbemerkungen in eigener Sache, wie „in clndio pro rco, wie die Richter früher zu sagen pflegten (Heiterkeit) — vielleickt tagen sie eS noch einmal" und „eö ist ja mancher so kank, daß er nicht un Krankenbause bleiben kann", erw-ckien natürlich ebenfalls den Bestall ter Versammlung, die dem Redner nack Beendigung seines etwa 2strsliinv>gen Voriragcs, den ein Polizeileutnant eifrig nachschricb, lauten Beifall spendete. Sine Kundgebung der Konservativen Der Vorstand deS HauptvereinS der Deutsch-Konservativen veröffentlicht folgende Erklärung: Die letzten, mit den Veiösfent- lichungen der engliichen Presse verbundenen Ereign sie zeigen, daß der Dienst des Auswärtigen Amtes nicht überall ausreichend organisiert ist. Troy der vom Reickskanzler formell übernommene» Vertretung müssen Vorkehrungen getroffen werden, welche dicWiever» kehr solcher Mißstände für die Zukunft mit Sicherheit verhindern. Im Zusammenhang hiermit hält der veisammelte Vorstand dec konservativen Partei eS tür erforderlich, folgendes auSzu precken: Wir sehen mit Sorge, daß Aeußerunge» deiner Majestät des Kaiser«, gewiß stet« von edlen Motiven ansg.hend, nicht feiten dazu 7 ml MM und zwar Wochentags nachmittags (Redaktionsschluß 3 Uhr nachm.) und Sonntags früh erscheint das Leipziger Tageblatt und kostet W Pf lmM
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