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Sonntag —— Nr- 72. —— 1t. Junius 1843. WM Deutsche Allgemeine Zeitung. WM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Ueberblick. Deutschland. * Aus Westfalen. Die deutsche Sprache und ihre Rein heit. * Dresden. Verhandlungen der H. Kammer über die noch zu- rückzulcgenden Gesetzentwürfe, der I. Kammer über Vertretung des Bauernstandes auf den Kreistagen. Grossherjogthum Hessen Frei lassung der politischen Gefangenen. — Der Verfasser der Schrift: „Herzog Karl von Braunschweig und die Revolution." Preußen. Anträge auf dem rheinischen Provinziallandtage. Die Ge neralwitwenkasse. "Aus Preussen. Das LandcS-Oekonomiecollcgium über die BickeS'sche Erfindung. Spanien. "Nismes. Nachrichten über die Aufregung in den Provin zen, besonders in Catalonien. "Paris. Die Unruhen in Malaga und Cadiz. "Paris. Malaga und Barcelona. Die Bewegung am erstern Orte ist gescheitert. . Wrotzbritannien. Lause der Prinzessin. Vernünftige Erklärung eines Irländers gegen die Repeal. Frankreich. Die Petition von Bourbon-Vendc'e, den Namen Napo- lconville wieder annehmcn zu dürfen, -f Paris. Das Münzwesen. Die Eisenbahnfrage. Die Labacksregie. Schwede« und Norwegen. " Christiania. Auftragsreiscn. Amt mann Blom. Pastor Schreuder. Der Finanzminister. Der Berg rath Rußegger. Türkei. " Konstantinopel. Näheres über Rcschid-Pascha's Ernennung und Jzzed-Mohammed-Pascha's Absetzung. Rüstungen. Abtrctungs- gesuch des Fürsten Alexander Georgievich. Kiamil-Pascha. Russische Dampfschiffe ' Konstantinopel. Die russische Erklärung über die serbische Fürstenwahl soll angelangt sein. Ihr angeblicher Inhalt. Lrunst und Wissenschaft. "Kassel. Oper von R. Wagner. "Nom. Obelisk. Handel und Industrie. «nküUdigungen. Deutschland. - * Äüs ÜleLtfftjen, 5. Zun. In den Spalten einer Zeitung, Lie den Namen einer Deutschen Allgemeinen Zeitung führt, geziemt sich wol ein Wort über deutsche Sprache. Wir wollen hier nicht den hohen Werth unserer geliebten heimatlichen Klänge durch alle ihre volks- thümlichen Abstufungen hindurch preisen, wir wollen nicht ihre Eisenkraft und ihre liebliche, sangreiche Zartheit dem Leser zergliedern, dergleichen läßt sich eigentlich nur durch den unmittelbaren Eindruck, den die Meisterwerke Ler Sprache auf uns «rachen, deutlich empfinden, und wir fühlen so jetzt, Gott Lob! Alle, wenn wir nur wollen, welchen nie erschöpften Schatz uns unsere Vorfahren in diesem gemeinsamsten aller Erbtheile überlassen haben. Die Vorurtheile, daß die Eigenthümlichkeit unserer Sprache nicht für alle Mittheilungcn die stattliche Form annchmen könne, sind als überwunden anzusehcn. Was cs in Wissenschaft, Kunst und Leben mit Buchstaben auszudrückcn gjbt, das Alles ist be reits mit vollendeter Meisterschaft deutsch geschrieben. Grade aber weil wir eine so herrliche, keiner ändern neuern an Reinheit vergleichbare Sprache haben, weil keine Sprache sich dermaßen in und durch sich ge bildet hat, so sollten wir dem neuerdings wiederum gewaltig sich her- vordrängcndcn Langen und Suchen nach fremden Wörtern und Rede weisen einen starken Damm erbauen. Wir lächeln vornehm über alte Bücher, die das Fremdwort im Stamme mit fremden Buchstaben und in den Endungen deutsch schrieben; wir selbst sind aber viel wei ter gegangen, indem wir das Fremde so wenig als-solches bezeichnen, daß wir Fremdwörter, die wir ganz in unveränderter Form ausgenom men haben, sogar deutsch schreiben, Und das ist wahrlich nicht so oberflächlich, als es scheinen möchtt. Die Zeitungen ganz besonders sind stark in dem Jagen nach Fremdwörtern, man lese nur einmal in jeder Zeitung die Aufsätze, besonders aus den Hauptstädten, und wird finden, daß wir Recht haben. Der in frühern Zeiten schon einmal begonnene Anlauf gegen die Fremdwörter hat, so zu sagen, das Kind mit dem Bade verschüt tet. Die Stimmführer standen, wie wir meinen, zu ihrem Vorhaben auf dem unrichtigen Boden, nämlich auf dem weltbürgerlichen, wäh rend sie auf fester deutscher Erde hätten stehen sollen. Sie haben, tS läßt sich nicht läugnen, Manches gewirkt, sich aber zugleich durch ihre Uebertreibungen, die eben auS der falschen Grundansicht kamen, so sehr lächerlich gemacht, daß man ihr ganzes Unternehmen als eine alberne Ziererei und Quälerei verwarf, ohne das Gute darin vorsich tig herauszulescn. Eine eigentlich deutsche Gesinnung wird aber auf die einfachen Sätze kommen, daß man mit möglichster Strenge die Anwendung von Fremdwörten vermeide, wo sie nur eine gewisse faule Bequemlichkeit und ein aus der eigentlichen deutschen Sinnesart hin aus, nach ausländischen Auffassungsweiscn haltlos hintaumelnder Leicht sinn gebraucht; daß man dagegen Dasjenige, was nun einmal heute so wenig, als in alle Ewigkeit, deutsch wird, sowie Dasjenige» was eine erfreuliche Entlehnung ist, nicht in die Sprache zwängt, sondern rein in seiner fremdländischen Eigenthümlichkeit läßt. Gegen den ersten Grundsatz wird wol entschieden am meisten ge sündigt. Jeder fühlt sich allmälig so in diese Unsitte eingekeilt, daß cs wirklich einer Art von Kraft und Aufmerksamkeit bedarf, um sich von diesem leichtsinnigen Zwischenwerfen frei zu halten; wider Willen will die Feder in ein „iren" auslaufen. Etwas Franzosen-, Briten- und Russenthum, glaubt man, gehöre dazu, um dem Zcitgeiste gegen über nicht wie ein Chinese dazustehcn; so hängt man sich gedanken los die fremden Lappen an, nicht bedenkend, daß ans Worten Ge danken und aus Gedanken Gefühle, auS diesen aber Gesinnungen ent stehen. Wer erst einmal die äußern Sitten eines fremden Volks an genommen hat, auf Den ist unwissentlich schon etwas von dessen Geist übcrgegangen. Man sollte zwar eigentlich sagen, daß die von uns an gegebene Richtung in Wahrheit nur da verfolgt werden kann, wo auch eben die Gesinnung eine deutsche ist, doch möchten wir zur bes sern Anleitung das eifrige Lesen derjenigen Schriftsteller rathen, in denen sich die reinste Sprache vorsindet; außer den hierher zu rechnen den Forschungen in den ältesten und anfänglichen Sprachförmcn, die nicht immer Jedem zugänglich sind, müssen wir besonders auf Luther, Goethe und unter den noch Lebenden auf E. M. Arndt aufmerksam machen. Man nehme einmal gegen die vollendet kräftige und schöne Sprache des alten Wclschenfeindes Arndt, in dem keine falsche Falte ist, das Deutsch eines modernen Novellcnbuchs in die Hand; ist das noch Deutsch, dieser „Hautgout der Sentimentalität", diese „groteske Sccnerie", diese „ exquisiten ZRcunionen der distinguirten Societät" u. dgl.? Das Treiben und Jagen in Fremdwörtern hat nebenbei den großen Nachtheil, daß man sich stets in dem Reiche des Unsicher» und Unklaren bewegt. Selbst bei dem Unterrichteten kann nur ein aus seiner eignen Sprache zusammengesetztes Wort einen sofort ergreifen den Eindruck machen, bei dem Frcmdworte hat er wol nie den Ein druck des Unmittelbaren. Das geistige Ohr muß den Umweg der Auf fassung durch den Verstand machen, und das körperliche Ohr wird noch weniger gerührt. Dem Griechen machten die Ausdrücke: Philo sophie, Aesthetik, Politik gleich einen viel bestimmtem Eindruck, denn ihm war bei dem Schalle des Wortes gleich dessen Wurzel gegen wärtig. Diese Unverständlichkeit wird natürlich eine viel schlimmere bei Denen, die ihrer Bildung nach die Entstehung und Bedeutung der Fremdwörter gar nicht kennen, sie vielmehr erst nach den Abschlcifun- gcn der fünften, sechsten Ucberlicferung lernten. Welche Verworren heiten entstehen da! Wir wollen die schon von Shakspeare verhöhnte ganz falsche Anwendung von Fremdwörtern bei Halbgebildeten und die allerdings oft höchst lächerliche Schreibung derselben gar nicht einmal erwähnen. Wir wollen nur darauf Hinweisen, wie verworren in einer Zeit, wo Schneiderzungen von ihrer Reputation, von Liberalen, von Opposition und Constitution wie von Schnaps und Butterbrot reden, die Gedanken selbst bei Gebildetem werden. Wie Wenige haben sich denn wol klar zu werden gesucht, was eigentlich Liberalismus, Oppo sition u. dgl. sei; die Worte werden meistens nur so gedankenlos nach gesprochen. Schreiber Dieses hat zwar seine Schulen gemacht, er weiß sehr wohl, was constituvre heißt, doch ist er nicht im Stande, die Prüfung zu bestehen, was denn wol eigentlich „ein sehr constitutio- neller Mensch" für ein Geschöpf Gottes sei. Und Viele sind mit ihm in derselben Lage. Sprecht Deutsch, und ihr kommt aus vielen Unklar heiten des Lebens heraus, könnt Ihr aber einmal den Gedanken gar nicht deutsch ausdrücken, so ist er auch nicht deutsch. Das führt uns auf die zweite Richtung. - Es gibt nämlich ganz entschieden und gar nicht selten Fälle, in denen wir Gedanken ausdrücken wollen, wofür «nS aste- Suchens un-