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ÄckGkilU M Achsischa LlMMz Nr. 192. zu Nr. 26Z des Havptblattes. 1928. Beauftragt mlt der HerauSgicke RegierungSrckt Brauße in Dresden. L«»-t»ßs»trh«»dlu«ßn«. 90. Sitzim«. D-nnerSta-, de« 8. November 1928. Stellv. Präsident vr. Eckardt eröffnet die Sitzung 13 Uhr 5 Min. Am Regierungstisch die Minister Elsner, vr. v. Fumetti und Weber sowie Regierungsvertreter. Punltl der Tagesordnung: Erste Beratung über die Vorlage Nr. 6», de« Geschäftsbericht der Laude-« vraudversichernng-austalt auf da- Jahr 1927 betr. Die Vortage Nr. 99 wird ohne Aussprache ein« stimmig dem Hanshaltau-fchnß v überwiesen. Punkt 2: Erste Beratung über die Vorlage Nr. «1, de« Entwurf eine- Gesetze- zur Änderung de- Gesetze- über die Steuer« und Gebührenfreiheit von Wohnung-« bauten betr. Abg Ncbrig (Soz): Die Vorlage Nr. 61 entspricht im wesentlichen einem Antrag, der im Frühjahr d. I. von der Sozialdemokratischen Fraktion eingereicht worden ist. Ich habe deshalb nicht notwendig, noch einmal auf die Dinge umfänglich einzugehen. Ich möchte nur be merken, daß die Vorlage doch immerhin einige Punkte enthält, die einiger Abänderungen bedürfen. Besonders ist es die Bestimmung in Abschnitt I § 1, wo die Re gierung die Befreiung der Wohnungen über die Grenze von 120 gm ganz allgemein auf Wohnungen bis zu 150 gm ausgedehnt hat. Wir sind der Meinung, daß so ganz allgemein die Steuerbefreiung auf Wohnungen mit 150 gm zu weit geht, daß man hier doch immerhin eine Einschränkung machen muß. Vielleicht ist es mög lich, die Ausdehnung insoweit zuzulassen, als die großen Wohnungen bis zu 150 gm nur dann steuerfrei zu lassen sind, wenn es aus sozialen Gründen, bei starker Familie usw., notwendig ist. In Abschnitt 2 § 2 steht: Bor dem 1. Januar 1934 begonnene Wohnungs- bauteu, die in der Zeit vom 1. Januar 1924 bis zum 30. Juni 1934 bezugsfertig geworden sind oder bezugs- fertig werden, sind aus 5 Jahre von der jeweils zu entrichtenden Grundsteuer befreit. Hier erscheint es zweckmäßig, den Termin vom 30. Juni auf den 30. Dezember zu verlegen, denn es ist sehr leicht möglich, daß im Jahre 1934 im Juni Wohnungen noch nicht bezugsfertig geworden sind, die aber unter Umständen inr Laufe der nächsten Monate Juli, August, im Laufe des Baujahres bezugsfertig werden. Es würde sonst das Gesetz sofort wieder eine Härte mit sich bringen, wenn einer, der am 29. Juni eingezogen ist, von der Steuer befreit ist, und derjenige, der am 2. Juli einzieht, von der Steuer erfaßt wird. Weiter ist in demselben Paragraphen ein Passus vorhanden, der die Steuerbefreiung für solche WohnungS- l»auten, die in den Jahren 1934 bis 1926 errichtet worden sind, bis zum Jahre 1931 vorsieht. ES erscheint zweckmäßig, daß man auch hier die Frist für den Ab lauf des Gesetzes bis zum März 1932 verlängert. Wir haben ferner Bedenken, daß durch diese Vorlage in 8 4 des Gesetzes die allgemeine Gettungsdauer auf 5 Jahre verlängert wird. Die gegenwärtige Zeit hat docb ein besonderes Interesse daran, daß die Grund stücke, die steuerfrei erworben werden, bei Gebühren freiheit möglichst bebaut werden. In Artikel IH der Vorlage muß in die Bestim mungen hinein, daß die gestundeten Steuerbeträae, die auf Grund eines Landtagsbeschlusses vom Mai gestundet worden sind, soweit sie eine frühere Zeit umfassen, als von der Gesetzesvorlage getroffen wird, erlassen werden. Das Ministerium wird wahrscheinlich selbst der gleichen Meinung sein wie wir, daß die Beträge, die da in Frage kommen, sür die Gesamtheit recht wenig ins Gewicht fallen, daß aber doch die Zahlung dieser bis her gestundeten Beträge für den Einzelnen eine ziem liche Härte bedeutet hat. Die Vorlage möchte recht bald zur Verabschiedung kommen, um den Besitzern dieser kleinen Wohnhaus bauten recht bald die Sicherheit zu geben, daß ihre Wünsche, die früher geäußert worden sind, in Erfüllung gehen. Ich bitte, die Vorlage dem Rechtsausschuß zu überweisen. (Beifall b. d. Soz.) Abg. Reuner (Komm ): Ich schließe mich im wesent lichen der Kritik des Vorredners an. Die Ausdehnung der Steuerfreiheit bei WirtschaftSheimstätten auf 250 Ge viertmeter, wobei noch gar nicht festgestellt ist, wie weit überhaupt Wohnraum- oder Wirtschaftssläche in Frage kommen, kann vielleicht eine besondere Begünsti gung nach einer Seite ergeben, wo eS nicht angebracht ist. Soweit es sich um kleine Bauern oder Landwirte handelt, sind wir selbstverständlich bereit, im Sinne der Vorlage einzutreten. Was die andere Frage des Erlasses der gestundeten Steuerbeträge anlangt, so kann in Frage kommen, daß ein Teil der Gebäudebesitzer, ob es nun Genossenschaften waren oder nicht, Stundung erhalten haben, andere nicht, so daß hier keine generelle Regelung vorliegt. Man wird sich im Ausschuß die Frage vorlegen müssen, inwieweit eine generelle Regelung für alle erstellten Gebüude emtreten kann. Im übrigen sind wir natürlich mit dem Grund prinzip des Gesetzes einverstanden. Aba. vr. Bünger (D.Dp.): Uber die Einzelheiten, über die auch Herr Kollege Nebria gesprochen hat, dem wir in einzelnen Punkten halb und halb recht geben müssen, werden wir unS im Ausschuß unterhalten müssen. Wir werden da u. a. auch zu prüfen haben, ob es richtig ist, daß die nicht durch die öffentliche Hand bezufchußten Wohnungsunternehmungen, soweit ein Wohnraum von 120—150 gm in Betracht kommt, aus der Vergünstigung des Gesetzes herausfallen. Wir werden auch prüfen müssen, ob die Abkürzung der Fristen des § 4 dazu führen könnte, den Bau zu ver- zögern. Die Frist von 5 Jahren scheint mir einst weilen etwas hoch bemessen. Es wird da Sache der Regierung sein, in diesen Punkten Aufklärung zu geben. Im allgemeinen gesagt, begrüßen wir natürlich die Vorlage, wie wir alles das begrüßen, was dazu dienen soll, den Wohnraum zu vergrößern unter erträglicher Gestaltung der Miete. Das ist ja die Tendenz dieses Gesetzes. Mit Rücksicht aus die Tagung des Reichsausschusses für Wohnungswesen deS Reichstages möchte ich ganz kurz noch einiges vorbringen, was auch dieser Reichs ausschuß noch berücksichtigen sollte im Zusammenhang mit unserer heutigen Vorlage. Er möchte nicht un berücksichtigt lassen, daß ein Teil der öffentlichen Unter stützungen auch für Altwohnungen gegeben wird. Ich glaube, das ist ein großer Nachteil, daß das bisher nicht genügend berücksichtigt worden ist. Man möge auch ins Auge fassen, auf welchem Wege man die Anliegerlasten etwas ermäßigen kann. Zwischenkredite werden auch noch nicht in ausreichender Höhe und aus reichendem Maße gegeben. Man kann nicht immer so lange warten, bis wieder ein Zuschuß fällig ist, solcher» muß, wenn sich die Gelegenhert bietet, besonders wenn das Wetter entsprechend ist, weiter bauen können. Auch dadurch treten große Verzögerungen ein, wenn der Kredit nicht zur Verfügung steht. Ferner werden Ledigenheime nicht genug berücksichtigt. Die Erstellung von Kleinwohnungen aus öffentlichen Mitteln ist die andere Seite. Sie darf aber auch nicht übertrieben werden. Es muß immer gewahrt bleiben, daß der Bauherr seinerseits auch einen wesentlichen Beitrag leistet und sich nicht ganz und gar auf die öffentliche Hilfe verläßt. Das Wohnungsproblem ist und bleibt für unS ein ernstes Problem, oas immer obenan gestanden hat. Nur bei einem gesunden Heim kann man erwarten, daß die Volksgesundheit aus twr Höhe bleibt, auf der sie ist, und daß die Bolkskraft erhalten wird. Die Vorlage Nr. 61 wird hierauf einstimmig dem Recht-au-schuß überwiese«. Die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung werden verbunden. Punkt 3: Erste Beratung über de« Antrag des Adg. Böttcher «. Gen. Wege« Gewähru«g einer Winter« beihilfe a« die Riem«, Sozial« nnd Srieg-renier nsw. (Drucksache Nr. 941.) Punkt 4: Erste Beratung über de« Antrag des Ab«. Böchel ». Gen. zum Zeichen Gegenstand. (Druck sache Nr. 956.) Der Antrag Nr. 941 lautet: Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu beauftragen, dem Landtag baldigst eine Vorlage über Gewährung einer Winterbeihilfe an die Kietn-, Sozial- und KriegSrentner, Wohl- fahrtSunterstützungsempfänger und besonders bedürft tige Erwerbslose zu unterbreiten. Der Antrag Nr. 956 lautet: Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, den Bezirksfürsorgever- bändcn 6 Mill. RM. zur Gewährung einer Winter- beihilfe an Sozial- und Kleinrentner, Wohlfahrt-unter- stützungSempfänger und besonders bedürftige Er werbslose zur Verfügung zu stellen. Abg Lchreider-Oberwürschnitz (Komm.—zur Begrün dung des Antrages Nr. 941): In einigen Wochen wird wieder von den Kanzeln der christlichen Kirche das Wort verkündet: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! Wenn wir uns aber die gegenwär. tigen Verhältnisse in Deutschland ansehen, müssen wir wieder feststellcu, daß dieses Wort der christlichen Kirche in einem krassen Widerspruche steht zu den tatsäch- Uchen Verhältnissen der kapitalistischen Gesellschafts ordnung. Wir fehen den Frieden, wie er hier auf Erden besteht, jetzt in der rheinischen Metallindustrie, wo in der brutalsten Weise Hunderttausende von Ar beitern auf das Pflaster geworfen werden, well sie es gewagt haben, einige Groschen mehr Lohn zu ver langen. Wir sehen die drohende Aussperrung in der Textilindustrie in Sachsen, die dieselbe Ursache hat. Was für die Arbeiterschaft zutrifft, daß sie auf Grund der bestehenden und weiter steigenden Teuerung mit ihren Löhnen nicht mehr auskommen kann, trifft natürlich in erhöhtem und gesteigertem Maße auch für die Ärmsten der Armen, für die Invaliden, KriegSrentner usw. zu. ES kann nicht abgestrttten werden, daß die Sozial- und Kleinrentner nicht tn der Lage sind, sich von ihren paar Pfennigen Unterstützung zu ernähren, sondern noch Heimarbeit verrichten müssen, nm fo Er werbsmöglichkeiten zu finde». Bei der Krise, die wir jetzt in Deutschland haben, vor allen Dingen auch in der Textilindustrie, die die meiste Arbeit für die Frauen der Sozial- und Kleinrentner abgibt, macht sich aber die Erwerbslosigkeit sehr bemerkbar, so daß ihnen diese Möglichkeit, ihre wirtschaftliche Lage durch Heimarbeit zu verbessern, sehr verschlechtert wird. Außerdem ist der Lebenshaltungsindex in Sachsen laut Mitteilung des Statistischen Landesamies von 150,4 Proz. im Oktober vorigen Jahres auf 154,6 Proz. im Oktober dieses Jahres gestiegen, ohne daß in der gleichen Zeit eine nennenswerte Erhöhung de^vezüge der Arbeiter schaft oder der Sozial- und Kleinrentner stattgefnuden hat. Wenn mau sich vergegenwärtigt, daß auf Grund dieser verschlechterten Wirtschaftslage die Anzahl der Erwerbslofen und der erwerbslosen Sozial- und Kleinrentner auch noch durch die Rationalisierung der Industrie täglich steigt, daß vor allen Dingen die älteren Arbeiterschrchten und darüber hinaus auch die älteren Angestellten- und Beamtenschichten von dieser Rationalisierung betroffen werden, so zeigt sich auch hier wiederum, daß die Lebenslage und die wirtschaftliche Lage der arbeitende» Bevölkerung sich von Tag zu Tag verschlechtert. Was wir vorausgesagt haben über die Rationalisierung der Wirtschaft, trifft ein: daß die Kosten einzig und allein die Arbeiterschaft zu tragen hat. Daraus erwächst dem Staate die Pflicht, für die von der Wirtschaft Abgestobenen zu sorgen, und zwar in ausreichender Weise, nicht nur vorüber gehend, sondern auf die Dauer. Allerdings steht mit der Tendenz der Rationali sierung der Wirtschaft das Bestreben der Unternehmer im Zusammenhang, die sozialen Lafteu herabzudrücke« und die Arbeiterschaft auf Gedeih und Verderb den jetzigen Zuständen auSzuliefern. Daß diese Bestre bungen nicht allein in Worten zum Ausdruck komme», sondern wirftich durchgeführt werden, beweist der NeichS- etat, in dem im Jahre 1926/27 für Unterstützungszwecke und wertcschaffeude Erwerbslosenunterstützung rund 580 Mill. M. eingesetzt wurden, während im Jahre 1928 nur 125 Mill. M. eingesetzt sind. Die Arbeiter schaft muß erkennen, daß auch die jetzige Regierung, die sogenannte KoalitionSregiernng, diesen KnrS fort setzen wird. Die anläßlich der 10-Jahr-Feier im Reichs tag seitens deS RcichSarbeilSministers Wissell und Reichstagspräsidenten Löbe, beides Sozialdemokraten, gemachten Ausführungen stehen mit de» gegenwärtigen Verhältnissen in krassestem Widerspruch. Auch die jetzige Koalitionsregierung im Reiche einschließlich der Sozialdemokraten wird den Abbau der WohlfahrtS- einricktungen fortsetzen znm Schaden der Arbeiterschaft, zum Schaden der Invaliden nnd Kleinrentner. Ich glaube, daß auch in Sachsen bei der Sozialdemo kratischen Partei dieselbe Tendenz vorhanden ist. Während ein sozialdemokratischer Antrag im vorigen Jahre 10 Mill. M. zur Unterstützung der Rentner usw. verlangte, verlangt der diesjährige ivzcaldemokratische Antrag nur 6 Millionen. Ich weiß nicht, ob damit zum Ausdruck gebracht werden soll, daß sich das soziale Elend in Sachsen um diesen prozentualen Anteil vermindert habe. Ich glaube nicht, daß das der Fall ist, sondern es müß ten darüber hinaus noch erhöhte Mittel gefordert werden. Es ist wohl nicht notwendig, an das Gefühl zu appellieren, denn ich vermute nicht allzuviel Gefühl für die Nöte der Sozial- und Kleinrentner hier in diesem Hause. Wenn Sie ein klein wenig menschliches Gefühl hätte», müßten Sie mit »ns verlangen, daß hier wirk lich eine Hilfe gewährt wird. Ich möchte Sie deshalb bitten, unseren Antrag onzunehmen. (Beifall b. d. Komm.) Abg. Frau Schilling (Soz. — zur Begründung deS Antrages Nr. 956): Wir haben den Antrag aus dem Grunde gestellt, weil eS uns nicht gelungen ist, bei der Haushaltdcratung unseren früheren Antrag durchzn- bringen. Es kommt uns darauf an, zu erfahren, ob das Finanzministerium gewillt ist, unserem Anträge beizutreten, und ob das Finanzministerium, wenn es wirklich gewillt ist, das zu tun, dann auch den Antrag zur Durchführung bringt. Im vorigen Jahre hat nns das Finanzministerium glatt an der Nase herumgeführi. (Sehr richtig! b. d. Soz ) Daß wir eine Winterbeihilfe für die Bedürftigen brauchen, darüber brauche ich nicht lange zu reden. Sie kennen alle die Notstände. Die einzelnen Angaben werden wir im Ausschuß noch vorbringen. Ich be antrage deshalb, den Antrag dem Haushaltuusschuß zu überweisen. (Bravo! b. d. Soz.) Hierauf wird in die Aussprache eingetreten, an der sich die Abgg. Voigt (D. Vp.) und Härtel (D. Vp.) beteiligten, deren Ausführungen in der nächsten Beilage folgen. Nach dem Schlußwort der Frau Abg. S ch illin g (Soz.) werden die Anträge Nr. 941 nnd 956 sowie ein Ab änderungsantrag Voigt einstimmig dem HauShalt- anSschuß überwiesen. Die nächste Sitzung sinket Dienstag, den 13. No vember 1928, 13 Uhr statt. (Schluß der Sitzung 14 Uhr 15 Minuten.)