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WEM-GOW Anzeiger Tageblatt für Kohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Kirchberg, Erlbach, Langenberg. Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Küttengrund rc. Lrgan kür Politik, Lokalgelchichte und Geschäftsverkehr, lowik kür amtliche Nachrichten. Der „Hohenstein Ernsttdaler Anzeiger" erscheint »lit Ansnahine der Sonn und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Haus Mk. I.»0, bei Abboluug in der Geschäft stelle Mk. 1.2». dmcb die Host bezogen (außer Besiellaeldi Mk. l.äl). Linzclue Nummern IO psg. Bestellungen nehme» die Geschäfts und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiser!. 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Da fand die Regierung endlich den Mut, zu erklären, daß sie mit der bisherigen Reichstagsmehrheit, Zentrum, Sozialdemokratie und Polen, unmöglich länger regieren könne, es sei denn zum Schaden, ja zum Verderben unseres Volkes. . . . Soll nun diese Mehrheit wieder in den Reichstag einziehen? Das sei ferne! Deutsche Wähler: Wollt Ihr, daß die bisherige Mehrheit bestehen bleibt und Deutschland zu politischer und wirtschaftlicher Ohnmacht herabgedrückt wird, oder daß die nationalgesinnten Vertreter die Oberhand gewinnen und unser Vaterland zur Größe und Macht geführt wird? Bei Euch liegt die Entscheidung! Darum wählt Dr. Clauß! Die Sparkasse Grüna b. Chh. garantiert von der Gemeinde verzinst alle Spareinlagen mit S'/, Prozent und expediert an alle« Werktage« vormittag- 8—12 und «achmittags 2« Uhr. Die bis mit 4. jeden Monat- bewirkten Einlagen werden für den betreffenden Monat voll verzinst. Durch die Post gesandte Einlagen werden pünktlich expediert. Die letzten Tage der Ueberlegung. Es ist zu allen Zeiten gut, wenn auch das Selbstverständliche nicht ohne Ueberlegung geschieht. Und daS möchten wir auch für die ReichStagSwahl am 25. Januar sagen, obwohl in Angelegenheiten, wie die hier vorliegenden es sind, kein Zweifel ob walten kann. Gerade vom Standpunkt des Arbeiters aus muß das gesagt werden. Nehmen wir irgend ein schwieriges Betriebsunternehmen an, in dem durch irgend welche Ereignisse die Kräfte der Arbeiter auf daS höchste gespannt find; mehr als sie beim allerbesten Willen zu leisten vermögen, wird ihnen niemand zumuten dürfen, mehr werden fle auch bei allem zugestcherten hohen Lohn nicht leisten können. Die Reiter und Mannschaften unserer Südwest- Afrikaner haben unter Umständen mehr ausgehalten, mehr durchgefochten, als Menschenkraft vermag. ES soll daS für niemanden sonst ein Borwurf sein, wenn das konstatiert wird; die Augenblicke der äußersten Not find im gewöhnlichen Tätigkeitsleben denn doch nicht so häufig gesät, wie eS bei diesen Kämpfen in Südwestafrika der Fall war; aber waS dort vollbracht worden ist, dar müssen wir kon- skalieren. Und wir müssen eS anerkennen, gerade ein Arbeiter muß eS anerkennen, waS ein Mann leistet, der, um einen drastischen Ausdruck zu wählen, kein schlapper Mensch, sondern ein »oller und ganzer Kerl ist, der Hochachtung verdient. Gerade ein Arbeiter, der unter nicht immer un gefährlichen Umständen sein Geld verdient, ist mit Leib und Seele dafür, daß Kameraden, die bedrängt sind, beigesprungen wird. Ec tut daS auch wohl selbst unter Dranseyung seiner eigenen Persönlich keit, ohne viel Worte zu machen, ohne großes Lob und Auszeichnung dafür zu beanspruchen. Im ver flossenen Jahre haben, wie noch allgemein erinner lich sein wird, deutsche Arbeiter in CourriereS in Frankreich diesen Heldenmut bewiesen, und wir wissen alle, daß die Zahl derer, die unter gleichen Gefahren oder ähnlichen Verhältnissen sich aufge opfert haben, sehr groß ist. Dessen rühmen wir unS, daß deutsche Arbeiter trotz aller Wirren der Zeit doch Aufopferungsgefühl und Geistesgegenwart haben. Sollen nun diese Tugenden nicht- gelten, wenn fi», wie in SÜdwestafrik«, vor dem Feinde und im Felde bewiesen worden sind ? Sind unsere Soldaten dort etwa Großkapitalisten, deren Tun niemals Anerkennung verdienen soll? Nein, sie stammen aus allen Kreisen der Bevölkerung, es find auch eine Menge Arbeiter darunter, die ihre Pflicht dort getan haben, wie früher anderswo. Sie sind des Lobes wert, auch wenn sie ihn, wie jeder wirklich tüchtige Mann, nicht besonders ver langen und auch nicht erpicht find auf Auszeichnungen. Wiederum ist es gerade der Arbeiter, der darauf hält, daß zum besten bei! Schutze- seiner Kameraden alles geschieht, waS Menschengeist auszudenken vermag. Welche umfangreichen Neuerungen sind in dieser Beziehung in großen und kleinen Be- trieben vorgenommen worden, die ganz erhebliche Kapitalien repräsentieren. Sollen darüber große Worte verloren werden ? Gewiß nicht, das gehört sich einmal so. Sollen wir nun unseren Soldaten, die unten in Afrika alles Menschenmögliche und darüber hinaus geleistet haben, zurufen: „Kinder, Ihr seid ja recht brav gewesen, aber wenn Ihr zu letzt doch noch dran glauben solltet, weil die nötigen Vorbeugungsmaßnahmen nicht ergriffen werden können, sintemal mir in Deutschland kein Geld haben, dann laßt es Euch nicht wehtun! ? Darüber allerdings könnte ein Südwest-Afrikaner wild werden, und darum ist es einfach eine Anstandspflicht, zu tun, waS erforderlich ist. Abermals der tüchtige Arbeiter ist es, der kein Stückwerk liebt, der ganze Arbeit macht, dem ein vollständiges Gelingen eine Ehre ist. Ganze Ar beit soll auch in Afrika gemacht werden, die ganze Arbeit, die Ruhe und Ordnung sichert. Und so weit find wir heute noch nicht, weil sich die klima tischen und anderen Schwierigkeiten als über alle Erwartung groß erwiesen haben. Wir brauchen nicht dort unten zu bleiben; gewiß nicht, aber waS ein rechter Mann begonnen hat, bringt er eben zu Ende. Bisher war noch keine völlige Sicherheit in dem weiten Gebiet, und es fehlt» auch an anderen praktischen Maßnahmen und Ein richtungen. Wie eS sein wird, wenn alles geregelt ist, daS weiß zur Stunde noch niemand; wie es dann kommen wird, das wollen wir abwarten. Bebel hat manches vom „sozialdemokratischen Staate" behauptet, waS sich doch beim besten Willen nicht bis zum letzten Tipfelchen auf denn beweisen läßt Wer kann also sagen, wie es in Südwest-Afrika stehen wird, wenn praktische Leute unter dem Schilde von Sicherheit und Ordnung die Dinge recht anfassen? Das soll man doch alles erst abwarten! Wieder der Arbeiter ist es, der seinen Stolz darein setzt, auS nicht- etwas zu machen, zu be- weisen, daß die grüne Praxis der grauen Theorie überlegen ist. Wir haben in Deutschland so manche arme Bezirke, in denen rührige Unter. nehmungSlust und intelligente Arbeiter auS der allgemeinen Dürftigkeit behagliche Verhältnisse hervorgezaubert haben, nicht selten unter Umständen, bei denen ein allgemeines Kopsschütteln sich geltend machte. Wer will denn nun schon im Voraus wissen, daß die zahlreichen Schutzlruppler, die dort unten bleiben und sich als Farmer und Geschäfts leute in den ansiedlungssähiaen Gebieten nieder lassen wollen, nichts zu schaffen vermögen? Diese bisherigen Soldaten sind die Pioniere unserer Kolonial-Arbeit; hat in der letzteren bisher der Geheimrat am grünen Tische zu sehr daS große Wort geführt, gut, so wollen wir nun einmal sehen, was die Praktiker aus dem Volke leisten. Den Anspruch auf koloniale Berühmtheit trägt am Ende jeder deutsche Kolonialreiter in seiner Tasche, und unS ist gar nicht bange, daß sich dieser An spruch auch in eine Tatsache umsetzen lassen wird. Nur Ellbogenfreiheit muß man den Leuten geben. Und endlich ist der deutsche Arbeiter doch zu einsichtig, um nicht zu wissen, daß er bei gutem Lohn zu arbeiten hat, um leben zu können, daß aber viele seiner Kameraden, die wagemutig übers Meer in fremde Länder gehen, „schuften" müssen, bis die Kraft erlahmt, ohne daß sie dann irgend welche Sicherheit und Versorgung haben. Das ist so, davon läßt sich trotz aller glänzenden Schilderungen über den Aufschwung in Nord- Amerika nichts fortreden. Ist da nicht zum mindesten ein Versuch angebracht, den Ueberschuß von deutscher Volkskraft nicht mehr unter fremden Völkern verschwinden zu lassen, sondern ihn in Schutzgebieten des Reichs in steter Verbindung mit dem Vaterlande zu halten? Es kann da kein Hokuspokus mit den Ansiedlern getrieben werden, tausend und abertausend Augen passen ganz genau auf, was dort passiert. DaS wollten wir sagen, und wir meinen, cs ist wohl der Ueberlegung wert, diese Punkte für den 25. Januar zu beachten. Was ein jeder zu tun hat, ergibt sich dann von selbst. Ueber die Stärke der südwestafrikanischen Schutztruppe stellt eine Korrespondenz die folgende Berechnung an: „Zurzeit sind die Truppen wie folgt «ingeteilt und werden es vorläufig so bleiben: Norden (südliche Grenze: Linie Swakopmund-Windhuk - GobabiS): 8 Kompagnien, 6 Geschütze, 2 Maschinen gewehre gleich 1540 Köpfe; Nordnamaland: 3Kom- pagnien, 6 Geschütze gleich 428 Köpfe; Süden: vor dem Feinde: 7 Kompagnien, 1'2 Feldbatlerien, 11 Gebirgsgeschütze, 2 Maschinengewehrzüge gleich 1789 Köpfe; Grenz- und Dlationsbesatzung im Süden: 2 Kompagnien, '/, Feldbatterie, 1 Ma schinengewehrzug gleich 408 Köpfe; Vieh- und Transportschutz auf dem Wege von Keetmanshoop zur Front: 3 Kompagnien, 2 Feldbalterien, 2 Ma- schinengewehrzüge gleich 788 Köpfe, insgesamt 5079 Köpfe. Der Rest von rund 3200 Köpfen verteilt sich auf Etappen-, technische, Signal-, Tele graphen-, Verpflegungs-, Lazarettmannschaften auf den übrigen Zufuhrstraßen, Stationen usw. des Südens und Nordens. Von den aufgeführtcn 5079 fechtenden Truppen gehen noch 10 v. H. an Kranken ab, sodaß überhaupt nur 4500 Mann vor dem Feinde stehen. Wie man später die Zahl der Truppen nach Beendigung deS Aufstandes auf 2500 vermindern will, lasse sich noch gar nicht übersehen. Man kann den Norden nicht entblößen auf Kosten des Südens da von den Ooambos Gefahr droht und die Eröffnung des Minenbetriebes im Otavigebiete Schutz erheischt. Der Süden würde also nur 1500 Mann erhalten können, der Norden 1000 Mann. Dies entspreche einer Stärke von 10 Kompagnien, 10 Geschützen, 7 Maschinen gewehrsektionen, 1 kleinen Signalabteilung, 1 Train kompagnie, für Magazine, Lazarette, Depots mit schwachem Personal. Die Kompagnien dürften so gar nicht mehr wie 120 Mann stark sein. Der ganze militärische Apparat müßte aber an den Bahnen liegen, da Proviantkolonnen für weite Transporte fehlen. Der Rest des Landes wäre schutzlos. Die Kompagnien könnten im Falle eines Angriffs nur 80 Mann stark ausrücken, 30 bis 40 Mann müssen auf der Station als Besatzung bleiben. Eme Besatzung von 2000 Mann ist vorläufig noch lange nicht ausreichend." Die Vorgänge in Rußland. Der neue Petersburger Stadthauptmann Dral- schewsky, der Nachfolger des ermordeten Generals v. d. Launitz, übt seine Machtbefugnisse mit dra konischer Strenge aus. 129 Personen wurden in den beiden letzten Tagen auS Petersburg ausge wiesen. Nacht sür Nacht werden zahlreiche Haüs- uchungen und Massenverhaftungen vorgenommen. Alle Gefängnisse find überfüllt, sodaß täglich große Gefangenentransporte in die Provinz gehen müssen. Unter diesen Umständen ist es nickt zweifelhaft, daß auch der Name Dratschewskys bereits auf der Liste der Revolutionäre steht, und daß auch sein Todesurteil von dem revolutionären Aktionskomitee bereits ausgesprochen ist.