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Rr. 167. Dresden» Sonntag» 1«. Juni 1889. Jubrlsnrr dr« MMnw UömgshAusxs. Freudenfeuer, v Frierglocken Von Gau zu Gau, von Thurm ;u Thurm, Die durch'« Wettiner Land frohlocken, Ihr kündet der Liebe Jubelsturin! l Laßt uns zum Schwur die Hände heben: Die Treue bleibe wie sie wnr, Die mach' ein Sturmwind sie erbeben, Nie wende Noth sie und Gefahr! Ja, treu den tausendjähr'gen Fahnen, Ein Held trägt wieder sie voran: Heil Albert! Rn Dir und Deinen Ahnen Hat Großes Goll der Herr gethan! »»« Ir»nr Noppil-N Nl«ld'» Prolog sur Wiklln-Irkr lm LonIilliiMor-Vrrkln. M- WD. k:->bb K«,/ So sind sie «m da. die festlichen Tage, deren würdige Feier seit Monaten ein ganzes Volk beschäftigt bat. Heute beginnt die Jubelfeier deS Hauses Wettin I Heute und in den nächsten Tagen feiern Land und Volk des Königreichs Sachsen «it seinem Herrscher bans« da- Jahr, in welchem vor acht Jahrhunderten da» Geschlecht der Wettiner vom Kaiser di« Markgrasfchast Meißen zu Lehen erhielt. Die Wettiner haben sie seitdem ununterbrochen besessen; sic hat den festen Sern ihres wechselnden großen Bcsitzthmns gebildet. Heute wird daher kein Ruf freudiger der Brust deS treuen Sachsen entquellen, all der: Hell dem Hause Wettiu! Acht Jahrhunderte I Unsrem rasch lebenden Geichlechte erscheint ein Zeitabschnitt, der sich dem Jahrtausend nähert, wie ein unabseh barer. sich in die Ewigkeit verlierender Zeitraum. Man muß nach geschichtlichen Anhaltcpunktcn suchen, um an ihrem Vergleich einen Maßslab zu erhalten. Wohl führen die Hvhenzollern ihren Stamm baum ebenso weit zurück, wie die Wettiner, nämlich bis in'S 10. Jahrhundert, aber über ihr altes Hauptland, die Mark Brandenburg, regieren sie erst seit 474 Jahren. Als Burggraf Friedrich von Nürnberg 1415 zum Statthalter von Branden burg ernannt wurde, walteten bereits die Wettiner über 300 Jahre in der Meißner Markgrasenschast, sie gegen Wenden, Nähmen und Polen mit scharfem Schwerte vertheidigend. Die Habsburger sind erst 1373 mit dein Grasen Rudolf in den Besitz des Herzogthumü Oesterreich gekommen; der habsdurgische Mannesstamm ist im vorigen Jahrhundert auSgestorben. seit Joseph II. trägt ein lothringisch - habsburgisches Geschlecht die österreichisch-ungarische Krone Otto von Wittclsbach wurde IlM mit dem Hcrzogtbum Bayern belehnt; also auch die Wittelsbachcr reichen nicht an die Wettiner heran. Diese würden in der Herrschaft über dieselbe» Lande nur noch von den Wellen übertroffen werden; aber das trotzige Welfengcschlecht hat seit 1866 in Hannover, seit 1884 in Braunschwcig aufgehört zu regieren. Nur die Askanier dürfen sich einer noch älteren Herrschaft br- rühmen all die Wettiner. WeShalb aber das Herzogthum Anhalt das 800jährige Jubelfest deS ehrwürdigen aSkanischen HauseS sang- und klanglos vorüber gehen ließ, ist nicht bekannt geworden. Abgesehen von dieser aSkanischen Ausnahme ist also daS Hans Wettin das jenige Fürstrngeschlecht Europas, das auf den ältesten Besitz, aus die längste Herrschaft über dasselbe Gebiet zurückblicken darf. Acht Jahrhunderte 1 ES siebt also eine Tauer im Wechsel, ein Bleibendes unter allen Veränderungen! ES ist noch nicht zu lange her, daß man daS Jahr 1089 all dasjenige der Besitzergreifung der Mark Meißen durch daS Haus Wettin bezeichnet«!. Jahrelang nannte man Konrad den Großen (regierte von 1123—1156) den Stamm- Herrn der Wettiner. Hebt doch auch der bekannte Fries auf der Augnstusstraße die Reihe der Wettiner mit diesem Konrad an l Neuere Forschungen in den ältesten historischen Schrift-Denkmälern haben jedoch den Beweis geführt, daß Heinrich I. von Eilenburg, der 1089 vom Kaiser Heinrich I. mit der Mark Meißen belehnt wurde, demselben Hause der Wettiner angehörte, daS in Konrad dem Großen 1127 vom Kaiser Lothar zu erblichen Herren der Mark« grasschast Meißen erklärt wurde. Wir feiern also in geschichtlicher Berechtigung daS Jahr 1089 all daS deS Beginns der dauernden Herrschaft der Wettiner über die Mark Meißen. Die näheren Um stände dieser Verleihung sind in einer Reihe von Gelegenheits- und Festschriften ausführlich erzählt; wir selbst haben davon im No vember v. I. all zuerst der Gedanke einer Wettiner-Jubelfeier an Boden gewann, eine Darstellung gegeben. Hier sei in gedrängter Kürze nur Folgendes bemerkt: Als Kaiser Heinrich I.. der Städteerbauer, die feste Burg der sorbischen Wenden Jahna bei Lommatzsch erobert hatte, legte er 828 auf einem bewaldeten Berg, an dessen Fuß das Flüßchen Meißa der Elbe zusträmte, die Bnrg Mißni an all Bollwerk gegen die Sorben-Wenden und ihre böhmischen und polnischen Stammcs- vcrwandten. Deutsche Ritter und Bauern kamen in'» Land und erwarben dem deutschen Stamme wieder zurück, was in den Zeiten der Völkerwanderung die den vorgedrungenen Germanen nach- rückenden Slaven in Besitz genommen hatten. Von dem zum Markgrasentbum erhobenen Meißen, von anderen festen Platzen, Burgen und Städten auS, mit Hilfe der 966 gegründeten BiSthümer Merseburg, Zeitz und Meißen und des ErzbiSthumS Magdeburg, wurde unter steten Kämpfen gegen die Slaven die Wiedergermamsirnng ursprünglich deutscher Lande durchgesührt. D!e Mark Meißen stand anfangs unter verschiedenen Herrscherhäusern. Von 1068 bis 1088 war Ekkbcrt von Braunschweig, ein mächtiger Fürst, zugleich mit der Mark Meißen belehnt. Ekkbert hatte dem Kaiser Heinrich IV. mehrmall aus'ö Schmachvollste die Treue gebrochen. Der Kaiser war in seinen Kämpfen mit dem hcrrschsüchtigen Papst Gregor VII. und in den Zerwürfnissen mit den meuternden Welfen wiederholt in die ärgste Bedrängniß gcrathen. Die Tcmüthigimg des deutschen Kaisers Heinrich IV. im Hose zu Canossa wird immer eines der ergreifendsten Stücke vaterländischer Geschichte sein. Ekkbcrt, der Meißner Vasall des Kaisers, empörte sich in dieser tiefsten Noth seines Lchnherrn gegen ihn, bekriegte ihn mid lohnte die ihm mehrfach zu Theil gewordene Gnade durch neue Treulosigkeiten Im Trotze seiner Erfolge weigerte sich Ekkbert. aus dem Reichstage zu Quedlinburg zu erscheine», um sich zu rechtfertigen. Er wurde infolgedessen von dem entrüsteten Reichstage als Reichsfeind er klärt; zugleich wurde arrsgesprochen, daß er die Mar! Meißen und andere Lehen und Güter verwirkt habe. Gleichwohl sprach der Kaiser nicht die Acht über ihn aus. Zum Tank für diese Scho nung überfiel der aufrührerische Ekkbcrt am 24. Dczbr. 1088 den Kaiser bei Merseburg, der mit Noth der Gefangenschaft und dem Tode entrann, aber die Kivninsignieu zurücklasscn mußte. Nach Negensburg geflüchtet, bestätigte nunmehr am 1. Febr. 1089 der Kaiser den Spruch des Oucdlmburger Fürstcngerichts. Wahr scheinlich gleichzeitig belehnte der Kaiser den Grasen Heinrich von Eilenburg mit der erledigten Mark Meißen. Die eigentliche Be- lchnungsurkundc existirt nicht mehr; sic ist im Sturm der Zeiten verweht worden. Deshalb weiß auch Niemand den genauen Tag der Belehnung; die Tage des 16.—19. Juni sind aus freiem Er messen all Festtage ausersehen worden. Das Jahr 1089 aber selbst steht unzweifelhaft fest. Berichten doch die ehrwürdigen AnnalcS Sancti Disibodi vom Jahre 1089 von dieser Belehnung als von einer Belohnung der Treue gegen den Kaiser. Auch behandelt eine kaiserliche Urkunde vom Jahre 1090 die Verwaltung dcr Mark Meißen durch den Eilcnburger Heinrich all eine vorhandene Thatsachr. Ter Kaiser begnügte sich mit der einfachen Belehnung; Heinrich I. von Eilenburg mußte sich unter schweren Kümpfen die ihm zu- gesprochcne Mark erstreiten. Cr überwand zuerst den treulosen Ekkbert, dcr. geächtet und flüchtig, im nächsten Jahre von den aus- geiandten Häschern des Kaisers ln einer Mühle bei Eisenbüttel erschlagen wurde. Auch gegen den mächtigen Grasen Wiprecht v. Groitzsch, der cbensalls Ansprüche auf Meißen erhob, mußte Heinrich sein Lehen verthcidigen. All er 1103 starb, verwaltete seine Wittwe zunächst die Mark für ihren unmündigen Sohn, der ebenfalls mit der Mark belehnt wurde. All auch dieser, Heinrich II., 20 Jahre alt, 1123 starb, wurde sein Vetter Kanrad vom Kaiser Lothar mit dcr Mark Meißen belehnt, der sich von seiner Stammburg den Beinamen »von Wettin" zulegte. Damit endigen diese Besitzstreitigkeiten, wenigstens eine Zeit lang. WoS die Wettiner für Kämpfe zu bestehen batten, nm ihren Besitz zn wahren, das lese man in der amtlichen Festschrift nach. Ist jener Heinrich I. von Eilenburg der erste Meißner Markgras aus dem Hause Wettin. so ist er doch nicht der Stamnwatcr dieses Ge schlechtes. Dasselbe wird schon um'S Jahr 1000 all ein mächtiges genannt; eS hatte im Schwabengau und in der Ostmark Besitz ungen. Der älteste Vorfahr unseres jetzige» Königs ist Dietrich l., der 982 starb. Wir feiern heute nicht daS 900jährige Bestehen des HauseS Wettin. sondern seine 800jährige, geschichtlich beglaubigte und allen Wechsel der Geschichte überdauernde Herrschaft über die selben Lande. Es ist die jüngere, albertinische Linie der Wettiner, welcher dieses Jubelfest gilt. Die ältere cmcstinische Linie, ge- thrilt in die thüringischen Hrrzogthümcr. aber feiert mit ihr das Ehren- und Freudenfest des gcsammten WettinerhanseS Die Belehnung dcr Wettiner mit der Mark Meißen erfolgte vor 8 Jahrhunderten wegen der Treue, mit der sie zu Kaiser und Reich standen. Jetzt trägt Krone und Zepter des Sachscn- landes ein Fürst, welcher in selbstloser, opferfreudiger Hingabe an Kaiser und Reich seinem Lanzen Volke hell voranleuchtet. Ist cs nöthig, der geschichtlichen Entwickelung zu gedenken, die unter Sachsenland seit jener Besitzergreifung der Mark Meißen bis zur Gegenwart durchgemacht hat ? Fürsten und Volk dcr Sachsen haben in diese» acht Jahrhunderten in Lest» mrd Freud neu zu eüumder gestanden. Unser Land hat viele glückliche Zeiten gesehen. Zeiten glänzenden Aufschwungs, hoher geistiger und materieller Entwicke lung, Zeilen, in denen eS thalsächlich der führende Staat war. Es hat auch nicht wenige Zeiten voller Unheil und Verluste durch- gkinacht; Jahrelang, Jahrzehnte lang war es dcr Schauplatz verhee render Kriege; ihm blieb das schwere Schicksal einer Thcilnng nicht erspart. Ans allen Heimiuchungcn hat eS sich erholt. Tank der Tüchtigkeit, Arbeitsamkeit und Strebsamkeit des Volkes. Tenn un ermüdliche Strebsamkeit, das ist eine der hervorragendsten Eigen schaften unseres Volkes; ihr verdankt es die hohe Kultur, die das Land in einen blühenden Garten umgewandelt, seine Städte zu Sitzen höchster Bildung erhoben hat. Wie Fürst und Volk gemein sam sich an günstigeren Schicksallwendungen erfreut, so Haber, sie auch di« Ungunst der Geschicke gemeinsam getragen, einander ver trauend, sich an und mit einander ansrichtend und mit ungebeugtem Muthe vorwärts strebend. Land und Fürstenhaus sind so auf's Innigste mit einander verwachsen. Nichts vermag sie zu trennen, komme waS da wolle. Mit herzlichem Danke hat das Volk die Segnungen vergolten, die im Laufe dieser 8 Jahrhunderte von einer Anzahl trefflicher Fürsten über das Land ausgestrvmt sind. Von welchen Gefühlen das Sachscnvolk gegen sein au^eslamnites Fürstenhaus beseelt ist, davon sollen wir in den nächsten Tagen be glückte Zeugen werden. Das Wort, geschrieben und gedruckt, ist viel zu schwach, »m in Wettbewerb mit dem Ausdrucke freudigen Stolzes und huldigender Dankbarkeit zu treten, dcr heute und in den näch sten Tagen sich im ganzen Laude und namentlich in dessen Haupt stadt knndgiebt: in den Kirchen wie auf den Straßen, in künstle rischen wie in geschichtlichen Darbietungen, in Vorführung ergreifen der Erinnerungen aus großer, glänzender Vergangenheit, wie in dcr Darstellung dcr schaffenden Kräfte des geistigen und gewerblichen LebcnS der Gegenwart. Nähr-, Lehr- und Wehrstand werden sich ln edler Gestaltung, in künstlerischer Veranschaulichung, m verheiß ungsvoller Eintracht vor dem Königshaus? zeigen. Seil Monaten hat sich unser Volk auf diese Tage gerüstet. Saure Wochen dcr Vor bereitung liegen hinter un§, nun wollen wir ein frohes Fest feiern! Es wird nicht so vorübcrrauschen wie die prunkvollen Feste früherer Jahrhunderte. Die Vaterlandsliebe und KönigStreue der Bürger Sachsens erschöpfte sich nicht in großen Ausweichungen zu FesteS- glanz und Prunk: sic bcthätigte sich in unzähligen Zuwendungen zu milden und gemeinnützigen Stiftungen der verschiedensten Art, die, mit dem theuren Namen Wettin verknüpft, auch den spätesten Geschlechtern Kunde bringen sollen von der jetzigen 800jährigen Wettiner Jubelfeier. Sticht die geringste Förderung des Festgcdankens war es, daß die Huldigung deS Sachsenvolkes gerade ein Wettiner, cnigcgen- zrmehmcn berufen ist, der bei seinem Volke ein- so unbegrenzte Vereh rung genießt, wie unser guter König Albert. So etwa mag Eberhard, dcr mit dem Barte, Württembergs geliebter Herr, der Liebling seiner Schwaben gewesen sein, wie es unser Albert bei seinen Sachsen ist. Was von jenem Schwaben Kaiser Maximilian bezeugte: „Er war ein Fürst, bieder und klug, wie Keiner im Reich, oft hat mir sein Rath genützt" — das gilt «uch voll und ganz von unserem geliebten Könige Albert. Dann» begehen wir auch mit ganz besonderer Freude das Jubelfest seines HauseS, mit frohgcinn- thcm Ausblick auf die Zukunft. WaS auch die Zukunft bringen möge, Freudiges oder Triibes, sie wird Sachsens Fürst und Volk einig und tlcilverbnnde», muihig und gotkvertrauend finden. Darum Heil unserem Könige Albert! Heil unserer Königin Carola I Heil dem gcsammten Königshause! Heil dem Hause Wettin! L. L.