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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.10.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111002028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911100202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911100202
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-02
-
Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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Be^uqS-PreiS für Leipjia »md ittorort« durch mcker« Trager und Spediteur« 2mal täaltch in» i>au» gebracht SU Pf. monatt., r.7b Mk. vierietiädrl, Bet unfern AUtalen u. An nahmestellen abaeholt 7» Pt. monatt, LS ««. oterteljährl. Lurch die Pust: tnnerhalb Deutfchlanv» und der deutschen Kolonien oiertrljährl. r.dv Vit., monatl. I.Ai MI. au»ichl. PoitbrsteUaeld. Ferner in Belgien, Dänemark, den Donauftaaten, Italien, Luiembura. Niederlande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, Ruhland, Schweden, Schweij u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch die Eeschältsstell« de» Blatte» erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt erscheint 2mal täglich. Sonn« u. Feiertag» nur morgen». Abonnements-Annahmr: I»hanni»gass« 8, bei unseren Trogern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Einzelverkausspret» 10 Pf. Abend-Ausgabe ripMtrTaMM k 14 892 l«°cht-nschluh) Ttl.-Anschl.^ 14 693 l 14 894 Handelszeitnng. Amtsblatt des Nates rind des L'olizeiamtcs der Ltadt Leipzig. Anzeigen PrelS Nlr Inserat« au» Leipzig und Umgebung di« lspaltige Petitzeile 25 Pt, di« Reklame zeil« t Mk.' von auswärt» ZV Pf., Reklamen WB Mk.' Inserat« von Behörden im amt lichen Teil die Petitteile SS Pf Deschäslsanzetgen mit Plahvorschrtfte» im Preise erhöht, Rabatt nach Tarif. Beilagegebühr Tefaint- auflag« L Mk. p. Tausend erkl. Postgebühr. Teilbeilag« lwyer. Festertetltr Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da, Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: I,ban»i,g»ss« 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Ezpeditionen des In- und Auslandes. Druck und Verl», »o» Fischer L kürst«, Inhaber: Paul kürfteu. Sledatti», und Seschästsstell«: Iohannisgasse 8. -aupt-Filiale Dresden: Eeestrage -t, 1 (Telephon 4621). Nr. 273 Moniag, äen 2. Dkiodec isii. los. Ishrgsny. Eine Seeschlacht ftn Aegäischen Werre. 3m Kegsilchen Meere soll zwischen der türkischen und der italienischen Flotte ein großes Seegefecht stattgefunden haben, über dessen Verlauf und Ausgang allerdings die widersprechend- st.'n Meldungen eingelaufen sind. Auch hier messen sich die Italiener wieder große Erfolge, in ganz beson ders enthusiastischen Depeschen sogar die Vernichtung der türkischen Flotte, bei. Dem stehen Depeschen des Inhalts gegenüber, daß die türkische Flotte nicht nur unversehrt in die Daroanellen eingelaufen sei, son dern daß sie auch den Italienern empfindliche Ver luste beigebracht habe. Die amtlichen türkischen De peschen laßen nicht erkennen, ob zwischen beiden Flotten tatsächlich ein Zusammenstoß stattgefunden hat. Sie begnügen sich mit der Feststellung, daß die türkische Flotte wohlbehalten in den Dardanellen angekommen sei. Was sich diesem Nachrichten-Wirrwarr nach als unumstößliche Tatsache herausftellt, läßt sich im Augenblick noch nicht entscheiden. Wir verzeichnen vorläufig folgend: Drahtmeldungen: Rom, 2. Oktober. (Eig. Drahtmcld.) Private Meldungen besagen, daß die türkischen Kriegs schiffe auf dem Wege von Beirut nach Konstanti nopel von drei italienischen Divisionen ringe- schlossen worden wären und erhebliche Schä den erlitten hätten. In Paris wird ange nommen, daß Las türkische Geschwader bis aus wei teres vor Konstantinopel bleiben werde. Vom wei- teren Verlaufe der Ereignisse will dos neue türkische Ministerium die fernere Verwendung der Flotte ab hängig machen. Es verlautet, daß der türkische Pan zer „Messudieh" zur Ueberwachung des Archipels be stimmt ist. Rom, 2. Oktober. (Eig. Drahrmeld.) Es ver lautet, daß ein italienisches Geschwader «in tür kisches, aus drei Schlachtschiffen und mehreren Torpedobooten bestehendes Ee- schwader nahe am Eingang der Dardanellen antras. Es fand eine Seeschlacht statt. Die türkischen Schlachtschiffe wurden in den Grund gebohrt und die türkischen Torpedoboote wurden beschädigt. Turin, 2. Oktoher. (Eig. Drahtmeld.) Hier sind gestern in später Abendstunde Telegramme ein getroffen, die von dem Untergang der tür kischen Flotte in einem Seegefecht im Aegiiischen Meer zu melden wissen. Einzelheiten fehlen, doch heißt es, daß die Türken verzweifelten Widerstand geleistet hätten. Belgrad, 2. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Hier ist das Gerücht verbreitet, daß die türkische Flotte in einer schweren Seeschlacht zwischen Beirut und den Dardanellen im Aegäischen Meer nach heftigem Widerstand völlig zerstört worden ist. Man befürchtet hier schwere revolutionär: Komplikationen in Konstantinopel, da die jungtürkische Herrschaft alles Ansehen im Volke verloren haben soll. Ans Konstantinopel treffen Nachrichten ein, die die Vernichtung der tür kischen Flotte bestätigen. (Bei der ausgesprochen türken'eindlichen Stim mung in Belgrad ist vorstehende Meldung nur init großer Vorsicht aufzunehmen. D. Ned.) Konstantinopel, 2. Oktober. Das türkische Linienschiff „H a i r e d d i n Barbarossa" über mittelt durch drahtlose Telegraphie folgendes: Als die türkische Flotte Beirut verließ, nm nach den Dardanellen zu dampfen, bemerkte sic, daß sie von einigen italienischen Kreuzern verfolgt wurde. Plötz lich eröffneten die Italiener das Feuer, das die Türken erwiderten. Zwei italienische Kreuzer, darunter der Kreuzer „E Manuele", sanken; ein dritter erlitt ein schweres Leck, konnte aber nach dem Hasen Bathi aus Samos flüchten. In türkischen Dienste» stehen englische Offiziere; sie waren auch auf de» türkischen Schissen und wußten nichts von der Kriegserklärung. Hier herrscht große Begeisterung über die Ruhmestat, die hauptsächlich die beiden Linienschiffe „Haired-in Barbarossa" und „Torgut Reis" (früher „Kurfürst Friedrich Wilhelm" und „Weißenburg") vollbracht haben. Paris, 2. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Die „Agence Havas" veröffentlicht folgendes, von gestrrn nachmittag 2 Uhr ZV Min. datiertes Telegramm aus Konstantinopel: Das ottomanifche Ge schwader, das von Beirut' nach Konstantinopel unterwegs war, hat die Dardanellen erreicht und ist dort vor Anker gegangen. Konstantinopel, 2. Oktober. (Eig. Draht meldung.) Das K r i e q s m i n i st e r i « m hat auf Anfrage mitgeteilt, daß alle Nachrichten über die Blockade der türkischen Flotte in einem der Häsen des Aegäischen Meeres unzutreffend sind und daß das Geschwader unversehrt in den Darda nellen liegt. Bombardement von Smyrna? Paris, 2. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Hier geht das lnsher noch unbestätigte Gerücht, daß die türkische Flotte bei Mytilene von einer italienischen Flotte blockiert wird. Ita lienische Kriegsschiffe sollen ein heftiges Bombardement auf Smyrna eröffnet Haden. Vor MMrM ist die Lage immer noch nich'i geklärt. Tic Nachteile einer äußerst scharf — von beiden am Kriege beteilig ten Möchten — ausgeübten Depefchcnzensur machen sich gerade hierbei sehr unengenehm bemerkbar. Während Meldungen von italienischer und von Italien freundlicher Seite bestreiten, daß bisher über haupt ein Landungsversuch in Tripolis unternommen worden ist. kommen von türlijchcr Seite immer wieder Nachrichten, die von einem deutlichen Miß erfolg der Laudungsaktion sprechen. Besonders wird die Meldung aufrechterhalten, daß zwei Schaluppen mit italienischen Landungstruppen von den Türken in Grund geschossen worden sind. Diese Nachricht ist von italienischer Seite aufsälligsrwcise bisher auch noch nicht dementiert worden, während das Ge rücht von der Strandung eines italienischen Panzers vor Tripolis bereits seine Widerlegung gefunden hat. Wir verzeichnen über Tripolis folgenoe Depeschen: Paris, 2. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) lieber Marseille wird gemeldet, daß entgegen allen anders lautenden Meldungen die italienische Flotte vor Tripolis erst einige Tage liegen wird, ehe die Ausschiffung von Truppen begurnr. Dro Kanonade, die die icalienischen Schlacht schiffe auf die Stadt Tripolis eröffnete, hat nur wenigs Minuten gedauert. Es scheint, daß man es hierbei mehr auf eine moralische Wir kung, als auf einen militärischen Erfolg abgesehen hat. Der italienische Konsul teilte der Flotte mir, daß sich alle lürlischen Truppen, mit Ausnahme weniger schwacher Abteilungen, in das Innere des Landes zurückgezogen Hütten. Konstantinopel, 2. Oktober. (Eig. Draht: eld.) Kricgsmiuister Mahmud Schefket Pascha hat von dem Kommandanten der türkischen Truppen in Tripolis die Nachricht erhalten, daß die Italiener am Sonnabend nachmittag einen Landungsvsrsuch unternommen haben, der fedoch von Sen Türken ver eitelt worden ist. Die beiden er st en Boote, dir ii Sicht kan 'n, wurden in Leu Grund ge bohrt, so daß di* Italiener von weiteren Landungs versuchen Abstand genommen Heden. Paris, 2. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Dem türkischen Militär-Attache in Paris, Ali Fethi Bei, ist es nach einer Meldung des „Figaro" ge lungen, in Tripolis zu landen. Er hat sofort das Oberkommando über sie dort befindliche Garnison übernommen. In einem an die türkische Negierung gesandten Telegramm bestätigt er, daß zwei italienische Schlepper von den Türken in den Grund geschossen wurden, wobei die Italic ncrlövMan» verloren haben sollen. vor preöLlkr. Es gewinnt immer mehr an Wahrscheinlichkeit, daß der Angriff der italienischen Flotte auf türkische Torpedoboote vor dem Hafen von Prevesa auf eine etwas voreilige Entschließung des Herzogs der Abruzzen zurückzuführcn sei. Wie aus Nom ge meldet wird, herrscht dort allenthalben Erstaunen über das Verhalten des Herzogs, der allem Anscheine nach der Psorte berechtigten Grund zu der Beschul digung, daß der Kampf vor dem Ablauf der in dem verhängnisvollen Ultimatum festgesetzten Frist stattgesunden Hütte, gegeben hat. Es ist mit Sicher heit zu erwarten, daß die Handlungsweise des Her zogs zu Weiterungen führen wird. Nach dem „L.-A." hatten di: zwei türkischen Torpedozerstörer, die an der albanischen Küste in Grund geschossen wurden, keine Ahnung von der Kriegserklä rung: sie fuhren der italienischen Flotte entgegen und sandten ihr den F la g g e n g r u ß, der mit beinahe hundert Schüssen beantwor tet wurde. — Ueber den Kampf liegt noch folgende Depesche vor: London, 2. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Di« „Daily Mail" meldet aus Athen: Das türkische Torpedoboot, das in der Nähe von Prevesa auf der Flucht vor den italienischen Kriegsschiffen auf den Strand gelaufen war, ist vollständig verloren. Der Kapitän wurde getötet und acht Mann ertranken. Wie bereits gemeldet, sollen die Italiener, ent gegen ihrer Versicherung, den Statusquo auf dem Balkan ausrechterhaltcn zu wollen, bei Prevesa Trupn?n oelaudet haben. Dies wird jetzt allerdings von der „Agcncia Stefan!" dementiert. Dieses offi- ziöse Depeschenburcau erklärt: Nom, 2. Oktober. (Eig. Drahtmcld.) Das Ge» rächt von einer Landung bei Prevesa ist absolut fals ch. Die Unrichtigkeit der Meldung ergibt sich aus dem Zirkular, das der Minister des Acußern Marquis di San Giuliano am 26. September an die italieni schen Gesandtschaften und Konsulate in den Balkan ländern gerichtet hat. Folglich seien alle Mel dungen von einer italienischen Lausung inDuroza, die etwa noch in Umlauf gesetzt werden könnten, ebenso falsch. Dagegen bleibe Prevesa die Basis für oie Offensive bei den Operationen türkischer Torpedoboote gegen den Küstenhandc! Italiens. In direktem Widerspruch zu diesem Dementi steht dir folgende Meldung des „B. T." aus Konstanti nopel: Am Sonnragmittag um 2> Z Uhr wurde Prevesa nach schwerem Bombardement eingenommen. Viele Gebäude sind zerstört, darunter das Mu- tesstrrifat. Eine größere Anzahl der Ein wohner ist getötet. 1696 Italiener besetzten die Stadt. Türlischerseits sind zehn Bataillone gegen sie abgegangcn. Der Kamps hat bereits begonnen. Zum Kommandanten des Feld» zugs in Albanien wurde der aus dem Ak- banicrausstand bekannte Dschaoid Pascha er nannt. Don türkischer Seite wird noch gemeldet: Konstantinopel, 2. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Nervus rerum. Satirischer Zeitroman von Edward Stilgebauer. -Nachdruck verboten.) Sie waren seitwärts gebogen, ohne daß der Refe rendar, der fürchtete, der Leutnant könne am Ende an seinem Verständnis für Pferde irre werden, noch einen weiteren Einwand gewagt hätte, und schritten nun der Rennbahn zu. In wenigen Minuten hatte der übrige Teil der Gesellschaft den Park der Restauration erreicht. In der auf Baumstämmen ruhenden gedeckten Halle, deren Hintergrund sinnig und dem Charakter des Ortes entsprechend mit alten durchschoßenen Schützen scheiben aus dem achtzehnten und vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts geziert war, hatte der immer elegant gekleidete und wegen seiner vor nehmen Manieren bei der besten Gesellschaft sehr be liebte Wirt den langen Kaffectisch auf Tante Char lottens telephonische Bestellung hin Herrichten laßen. Der Ehrenplatz in der Mitte der langen, weiß gedeckten und einladenden Tafel, auf der drei Nadan- und zwei große in Stücke geschnittene Butterkuchen neben Kipfeln und Kümmelwecken prangten, war durch ein von den Herren galanterweise bestelltes Bukett aus Maiblumen und Rosen ausgezeichnet. Hier mußte Tante Charlotte, di? Mutter des Ganzen, welche die junge Schar für diesen Nachmittag unter ihre Fittiche genommen hatte, sich hinsetzen. „Nein, wie reizend, entzückend" rief sie mit ihrer immer zu lauten und kreischenden Stimme, als sie das Bukett erblickte, und indem sie es an die Nase führt«, fügte sie hinzu: „Der Duft, es geht doch nichts über den Frühling und die Jugend, Kinder. . . ." Sie war wieder glücklich, zum zweiten Male. Es dauerte «ine geraume Zeit, bis alles Platz ge funden hatte. Schon kamen die Kellner mit den dampfenden Kannen aus Christofle, aus denen sich der braune, duftende Trank in di« Tassen ergoß, und noch immer war der größere Teil der jungen Damen damit beschäftigt, die wegen der iu erwartenden Atendkühle aus Vorsicht mitgebrachten Mäntelchen und Umhänge auf einer Reihe von Stühlen in einer Ecke der Halle aufzutürmen. Frieda Schäfer wartete geduldig, bis sie mit den Jäckchen ihrer Schutzbefohlenen endlich an die Reihe kam, indessen Olga und Meta sich schon längst gesetzt hatten. Olga war selig. Der junge Maler Leuchs hatte ihr zu verstehen gegeben, daß er wußte, wem zu Ehren sie die blaue Bluse angelegt hatte. Schon auf dem ganzen Wege von der Haltestelle bis zum Restaurant war Leuchs nicht non ihrer Seite gewichen, und nun hatte sie auch noch . . . natürlich durch Zufall . . . am Kaffeetische den Platz an seiner Seite erobert. Nun konnte sie sich weiter mit ihm über sein neues Bild unterhalten, das er eben auf der Staffelei hatte und das diesmal eine Hammelherde im Regen zur Darstellung bringen sollte. Er war ja zu lieb und ihr Intereß'e an seiner Kunst war unerschöpflich. Und wie genial er aussah. Schwarz wallten seine langen Locken unter dem breitgerändertcn, hell grauen Schlapphut hervor. Wie em Schmetterling, genau wie bei seinem Lehrer Mühlmann, flog der Künstlerschlips um sein bartloses Kinn. Er redete fortwährend, gestikulierte mit den Händen in der Luft und gönnte sich keine Ruhe, weder um seinen Kaffee zu trinken, noch um in den Kuchen zu beißen. Den Dialekt aus seinem Heimatdorfe hatte sich Kon rad Leuchs trotz aller Anstrengungen nicht abge- wöhnen können, ebensowenig wie die Ausdruckswelse der Umgebung, in der er doch schließlich groß gewor- den war. Er hatte die Malerschule besucht, war in der letzten Zeit in München und in Paris gewesen, aber der Hirtenjunge aus dem letzten Hüttchen des Torfes war er trotz allem geblieben. In der Form, in der er sie vortrug, machten sich seine Ausführungen, die voll rührender Unbeholfen- heit und heiligen Ernstes waren, unendlich komisch. Allein, seitdem Konrad Leuchs in die Mode gekom men. seitdem sogar der Kommerzienrat Salomon von Fink eines seiner Bilder für 87b Mark erstanden hatte, machten alle Mißgriffe und Fehler den jungen Künstler nur doppelt interessant. „Hawwe Se mol so en Hammel beobacht, Fräu lein?", sagte er eben zu Olga, die das ernsthafteste Gesicht von der Welt zu seinen Erklärungen machte. Und als Olga verneinend den Kopf schüttelte, fuhr er fort: „Deß muhmer ewe aesehe Hawwe, wann mer des mole will. Morjens, ey die «onn uffgeht. peif jch meim Roland, so haaßt mein großer Hunn. Hawwe Se maan Roland schond emol gesehe, Fräu lein, des is der Ihne e Biest, der nimmts mit drei Männer uff, e bissig Oos. Schwupp dich, hat er aans am Krage, un dem knacke dann die Knoche." Unwillkürlich fuhr Olga entsetzt zurück. Der Maler hatte mit den Händen das Vorgehen seines Roland demonstriert und hätte sie beim Kragen ge nommen, wenn sie nicht vorsichtig ausgewichen wäre. Unbekümmert fuhr Leuchs fort. „Da peif ich also meim Roland und dann gehts uff die Aecker zu dene Hammel, wisse Se, was en Schnorrer is, Fräulein?" Olga schüttclre wieder den Kopf. „So aau Schäfer mit sam Schäferhunn, der die Nacht im Karre schläft, des io schond an halwer Schnorrer . . . Aber en ganzer Schnorrer, der läßt sich vom Schäfer e Sticlche Brot schen-e uffem Acker. Des schmcckr in der Luft, des Bau urschwarzbrot, Fräulein, besser als da der Buddcrluche . . . Friher, eh mer Bilder gezoge hawwe, hauuv ich mehr als amal des Friehstick mit some halwe Schnorrer gedellt . . ." Voll Mitleid sah ihn Olga an. Und er sprach weiter: „Ta peif ich also meim Noland, steck mein Re volver in die Dasch . . ." Olga fuhr zurück. „Ja", sagte er, „aan Schnorrer hat immer aan bei sich, odder wenigstens e Messer, un dann gehts zu dene Hämmel. Da kennte Se Studien mache, wann Sc sehe däte, wie ich mit maane Wasserstiwwcle iwwer die Slccker stampf . . . Mit dein Roland hinner dene Hämmel her, newe dem alde Schäfer, un wie die Sonn dann kimmt un man Roland dem aane Hammel ins Baa beißt. Da hat Ihne neulich der Dr. Geiger in dere Zeidung geschriwwe iwwer met Frihlingsbildche „Rastender Bauer". Awwer von so eine Bild, da hawwe die Fedderfuchscr kaa Ahnung . . der waaße Gaul wär verzeichcnd, bat der geschriwwe. Wann ich so was lese. Weil der noch kaan als Banerngaul geseh Hot. Ich hab was Gäul in die Schwamm geridde, ich waaß derr, wie dene Gäul ihre Baa ousiche dhun, akkerad wie uff mam Bild un nct annerscht." Mit glühenden Wangen und ungeteiltem In teresse verfolgte Olga diese drolligen Ausführungen des Malers, so daß sie für ihre übrige Umgebung weder Ohr noch Auge hatte und nicht einmal be merkte, daß ihrer Schwester Meta die Tränen in die Augen stiegen. Es war auch zu abscheulich mit der blauen Bluse, mußte Meta in einem fort denken. Sicher war die häßliche Bluse daran schuld, daß Bodo von Eckstädt heute so komisch gewesen war. Die Bluse stand ihr auch zu schlecht. Schon in der Waldbahn hatte sie sich wieder wütend geärgert. Sie hatte Jenny Lind- Heimers boshafte Bemerkung über das Meisterstück der alten Leichter wohl gehört. Sicher nur aus diesem Grunde hatte der Leutnant während der ganzen Fahrt draußen auf dem Verdeck gesessen oder auf der Plattform gestanden, aus diesem Grunde hatte er auch noch unter den „hohen Buchen" seine Unterhaltung mit dem Referendar forigebM, weil sie in der blauen Bluse so häßlich war. Md nun war er gar, da es an den Kaffectisch geMiitzen war, zusammen mit den: Referenda! verfchmun»««. Absichtlich palte sie sich ein wenig breit gemacht für den Fall, daß er noch wiederküme. Er wUWe stcher wiedcrrommen, er mußte doch, schon aus L«-. staudsgefühl und aus Höflichleit gegen TaiUe Eyur- lütte, die ihn ringelnden. Also für den Fall, daß er dann keinen Platz mehr an dem Tische fände, würde sie rücken. Einen Triumph aber feierte sie doch, so ganz im geheimen, in: stillen, im tiefsten Winkel ihres Heizens. Mit Jenny Lindheimcr hatte der Leutnant auch kein einziges Wort gewechselt. Auch sie saß dort gelangweilt auf ihrem Stuhle, trotz ihres eleganten, mit echten Spitzen besetzten Kleides aus hellgelber Seide. Und sie kannte sich ärgern, so gut wie sie. So flogen die Gedanken der beiden „Freundinnen" hinüber und herüber, von einem Kopfe zu dem anderen, denn auch Jenny Lindheimcr empfand ein Gefühl der Genugtuung darüber, daß Meta mit der blauen Bluse genau so wenig Furore gemacht hatte wie sie mit dem spitzenbesetzten, hellgelben Seiden kleid. Sie hielt Nana auf dem Schoße und lieh das Hündchen an einem in Milch getunkten Stückchen Zucker lecken, indessen ihre Augen nach dem Eingänge des Parkes schweiften und unablässig bemüht waren, zwischen den dunkeln Stämmen der grünenden Bäume eine leuchtende Husarcnunform zu entdecken. Mit Frieda Schäfer halte Tante Charlotte «kn Einsehen gehabt. Sie hatte der natürlich in ikfvM Diensteifer für Frau Katinkas Tochter viel ZL^WEt Gekommenen ein Plätzchen neben sich eingeramni, und das junge Mädchen saß nun ernst und würdevoll neben der sehr viel älteren Dame, denn auch sie hatte man ja nur zum Schutze der ihr anvertrauten Jugend mitgenommen. Aber reizend genug sah sie trotzdem aus. Ein facher angezogen als all die anderen und gerade cm» diesem Grunde distinguierter. Eine schneeweiße frisch« Vügelbluse ließ sie aus den zahlreichen bunten Klei dungsstücken der anderen hcroorleuchten, so daß man unwillkürlich an einen blühenden Baum denken mußte, der in einem Garten steht und weiter glänzt und leuchtet als die Blumen, weil er Heller und höher als diese ist. (Fortletzmig in der Morgenausgabe.)
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