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Nummer 291 — 24. Jahrgang Vmal wöch. Bezugspreis: fiir Dezbr. 3.— einschl. Bcstesigelv. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 39L, Stellengesuche SU .Z. Die Petitreklamezeile. 89 Milli. Nieter breit. 1 «K Ossertengebühren für Selbstabholer SO .Z. bei Ueberscndung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. tll L. Sonntags-Nr. IS L. Geschäftlicher Teil: IolesFohmann.Dresden. StickMe Sonnabend, 19. Dezember 1925 Im Halle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenausträgen u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. v. Fern- ruf iibermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ve» antwortung. Unverlangt eingesanüte u. ui. NUckporta nicht versehene Manuskripte wert», nicht aufbewahrt. Sprechstunde d. Redaktion 8 bis 6 Uhr nachmiilags. Hauptschriftleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden. KU. MHI»I Prager 8tr. 34 »sinkivliul» Slrümiili Dolfsmmng Winks!!l. ZS SegeMn iki fle>mi»!!nk Sz>liii«ii!li»rlsi!: K>crlttlM vel «»zons InIsN» » Attsensslolt« wklchäsl.fttlle, Tru» und Berta,I Taronm- Vnchdrnlk»r>'tGmbH.,Dr«Sd»n.»l.lS, Holb«I»str^s,e40. geriiru! 8NW. P»sU«eckIo»Io Dresden 147«? Bniirronla: Uassenae S: gkriasche, Dresden. Für chrisNtche PoUIik und Kultur Redaktion der Sächsische» Bolkszeitiing Dresden-ÄUst. I», Holbcinslrasic 4L. gemrm Ü27LL und WM. Ein neues Südofieurvpa Bon unserem Belgrader Korrespondenten zelr. Belgrad, L7. Dezember. Der Balkan befindet sich in stets wachsender Gärung und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Entwicklungsprozeß im Südosten Europas trotz der Neugestaltung der Verhältnisse durch den Ausgang des Weltkrieges nicht abgeschlossen ist. Durch den Zusam menbruch der habsburgtschen und zaristtsch- russi scheu Militärmächte ist der Balkan nur frei ge worden von den Einflüssen jenes verderblichen Krafte- spiels zwischen den beiden Großmächten, die den Balkan nur als eine Domäne für ihre imperialisti schen Wünsche betrachteten. Erst nach dem Aus scheiden Rußlands und Oesterre ch-Ungarns ist es möglich geworden, daß sich die bodenständigen Kräfte und Ideen frei entwickeln, erst jetzt kann dem Balkan durch einen langsamen Prozeß, der mlt den Rückständen einer vergangenen Geschichtsperiode aufräumt, eine ganz neue Gestaltung gegeben werden, die der Sehnsucht und den Bedürfnissen der überwiegenden Mehrheit der Bnlkan- völker entspricht. Es soll nicht abgeleugnet werden, daß cs heute nicht nur iu ganz Europa, sondern auch in den Balkanstaaten und vor allein in Jugoslawien selbst, noch sehr viele Men schen gibt, welche noch nicht daran glauben, daß die Heuer im Sommer vollzogene serbisch-kroatische Ver ständigung als dauernder Faktor in Betracht kommen könne. Aber nur als solcher kann die Verbindung Paschitsch-Naditsch auch auf außenpolitischem Gebiete die großen Aufgaben lösen, die sie sich gestellt hat. Aber vor läufig genügt es, darauf hinzuweisen. daß das Regime, das seit einigen Monaten die Geschicke Jugoslawiens lenkt, sich mit großen und ernsten Plänen trägt, welche eine Neuord n u n g der Dinge ans der ganzen Bal kan h a l b i n s e l zum Ziele haben. Die Verständigungs politik ist mit dem Friedensschluß zwischen den drei gro ßen südslawischen Stämmen, den Serben, Kroaten und Slowenen, noch nicht zu Ende. Die neue Richtung will nun auch noch eine Verständigung mit den Bulgaren undMazedoniern anreihen und im Südosten Euro pas einen gewaltigen, alle südslawischen Völ ker umspannenden Staat schaffen. Die Träger dieser Idee sind dabei auch von der Ueberzeugnng beseelt, daß sie auch die nichtslawischen Völker des Balkans in ihren Bann ziehen werden, wobei sie vorerst hauptsächlich Griechenland im Auge haben. Ein neuer Balkan bund von ausgesprochen bäuerlicher Struktur soll den Balkanvölkern einen dauernden Frieden sichern, in dem er sie endgültig der Einmengung fremder Interessen entzieht. Ob diese Pläne utopisch sind? Ob sich die nicht serbischen Völker dauernd eine Hegemonie Belgrads wer den gefallen lassen? Oder will Naditsch gerade die ser bische Heaemonie dadurch breche», daß er die Zahl der nichtserbischen Völker vermehrt und dadurch ein stabiles Gleichgewicht schafft, das nach demokratischen Prinzipien die freie Entwicklung aller Beteiligten sickert. Jeden falls stehen heute die nationoldenkendcn Bulgaren die sen Plänen entgegen. Aber so. wie es Tatsache ist, daß das Regime Zankow allen seinen Anstrengungen znm Trotz kein Revirement mehr vollziehen kann und binnen kurzer Frist gezwungen sein wird, einer Linksorientie rung der bulgarische» Politik platzzumachen, so nnter- liegt es auck keinem Zweifel, daß der großbuigarische Traum endgültig ausgetrüumt ist. Der Kampf der Ma zedonierkomitees und der Oligarchie der Intellektuellen um Zankow und Volkoff gegen die Bauern- bewegung ist bei allen Blutopfern, die er heischt, in einem reinen Bauernland einfach nicht zu gewinnen. Die Demokraten Malinom und Ljaptschew haben erst kürz lich dringend eine Schwenkung nach links anqeraten, und die bulgarischen Sozialdemokraten haben Zankow end gültig zen Kampf angesagt. Es gibt aber auch noch ein anderes Lager in Bulgarien, das in Europa immer als das des Bolschewismus verschrien wird, das Lager der Bauernbündler unter Todorow und Atanasow. Ihnen winkt die Fahne des Sieges an dem Tage, an dem die Zankow und Russeff, die Mazedoniergeneräle und natio nalistischen Großbnlgaren zurücktrete» müssen Sie aber haben im Geiste Stambuljtskis bereits die Einheitsfront mit den serbischen und kroatischen Bauern hergestellt. Auch auf dem Balkan wird die soziale Notwendigkeit die nationalen Gegensätze überwinden. Es bleibt nur die Frage offen, wie sich die G r o ß - mächt e. denen die Gestaltung des Balkans immer eine Herzensfrage war, zu dieser Konzentrationspolitik der Balkanvölker stellen werden. Das faschistische Italien ist natürlich allen diesen Plänen svinnefeind. Es fühlt sich selbst als Balkansiaat und will keine Balkanmacht unter südslawischer Führung aufkommen lassen. Darum hat es überallhin Fäden gesponnen, die cs im entschei denden Augenblick ziehen will: in Albanien, in Bulga rien. in Rumänien und in Griechenland. Gegenwärtig bemüht es sich mit auffallender Rührigkeit um das Zu standekommen eines ari e ck i sck - r u m ä n i sch e n Me Luslsahrl-Konfereirz Die Pariser Verhandlungen Die deutschen Bcrtreter in Parts ei» getroffen. Erste Widerstände Paris. 18. Dezember. Die deutschen Flugsachverständigen, die heute im Quai d'Orsay die Verhandlungen mit den alliierten Sachverständigen über die Revision der deutschen Luftfahrt wieder aufuehmen. sind gestern in Paris eingetroffen. Gegenstand der Verhand lungen sind die neuen Bestimmungen, die Deutschland auf Grund des Versailler Vertrages durch die Note der Botschafterkonserenz vom 14. April 1922 auferlegt wurden. Die Pariser Presse glaubt, daß die ersten drei Vorschriften keine Aenderuug erfahren werden, da sie die Kampf- und Jagdflugzeuge betreffen. Die Bestimmungen 4 bis 7 beziehen sich auf die Transportflugzeuge, sie können geändert werden. Die beiden Bestimmungen 8 und 9 befassen sich mit der Kontrolle des deutsche» Luftverkehrs. Tie alliierten Sachverständigen sind überoingekommen, wie der „Matin" meldet, daft das interalliierte Garantiekomitee die Kontrolle gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages an den Völkerbund abaibt. Der Vizepräsident der Kammer und Berichterstatter des Kriegsbudgets. Bouilloux Lasont wies aus Anlaß der Wiederaufnahme der deutsch-französischen Luftfahrtsverhand- luugeu an leitender Stelle in« Oeuvre auf angebliche Wider sprüche in der Haltung der deutschen Negierung hi». Als die Londoner Konferenz am 8. Juni 1925 im Einvernehmen mit dem Garantiekomitee gewisse Erleichterungen in den Lust- sahrtbestimmungen beschlossen habe, sei diese Entscheidung in Deutschland wider Erwarten ohne Genugtuung ausgenommen worden. Diese Haltung erkläre sich einzig und allein dadurch, daß durch die neuen Bestimmungen des Artikel 9 die Zahl der Piloten und Flugschüler de» Bedürfnissen der Zivilluftfahrt angepaßt worden sei. Bouilloux Lafont behauchet dann, daß die Zahl der deutsche» Flieger in keinem Verhältnis zu der vorhandenen Flugfahrtlinien stände. Deutschland versuche die unmöglichsten Einwände, um einer Kontrolle des Garantie- Komitees zu entgehen Er spricht sich daun gegen eine ver frühte Auflösung der interalliierte» Kcmlrollkommissio» aus und warnt, das; der Völkerbund die Kontrolle bereits jetzt iu die Hände nehme. Deutschland habe aus dem Gebiete des Lust- fahrtwesens noch nicht gezeigt, daß es von dem Geist vog Locarno durchdrungen sei. Die Koloniaffrage Die Frage der Wiedergewinnung von kolonialem be sitz wird neuerdings wieder stärker behandelt und zwar als Auswirkung der Erörterungen, die auch über diese Frage im Zusammenhang mit den Locarno-Abmachungen gepflogen worden sind. Im Lause der nächsten Woche wird, wie wir erfahren, deutscherseits eine besondere diplomatische Aktion in Gang gebracht mit dem Ziel, diese Angelegen heit unter neuen Gesichtspunkte» zu erörtern und sie einer Lösung entgegenzusührcn. Au sich besieht aus der Gegenseite durchaus die Neigung, Deutschland wenigstens einen Teil des Kolonialbesitzes wieder zurückzugeben, ichou aus den Grunde, weil sich die zwischenzeitliche Verwaltung als ungeeignet, aber auch als unrentabel erwiesen hat und weil sich immer mehr herausstellt, daß die deutschen Verwciltnttgsinethoden den besonderen Verhältnissen der Kolnien besser angesiaßt waren. Für die Form der Wieder gabe wird in manchen Kreisen der Rückkauf, teilweise aber auch der Austausch gegenüber anderen Besikobjekten emp« fohle». Moskau und Angora Eine Erklärung T sch i t sch c r l n s. London, 18. Dezember. Dem Pariser Berichterstatter der „Daily News" er klärte T j ch i t sch er l II, er sehe mit größter Besorgnis ans die Bkniiiingsverschiedenheiteii in der Mossnlfrage, die sehr verhängnisvolle Folgen haben könnte. Es muß eine Lösung der Mossnlprvbleme gefunden werden, die die vitalen Interessen dev Türke» befriedigt. Die Be ziehungen Moskaus zu Amerika sind gewiß sehr enge und sreundschastliche. Aber der einzige Vertrag, der zwischen beiden Staaten besteht, ist der vom Jahre 1921. Es bestehen insbesondere keine besonderen militärischen machnngen. Die verlängerte Krise Die Auffassung -es Zenlrums Die Zeutrumsfraktion des Reichstages trat die Gesannlage, wie sie sich jetzt nach dem Scheitern -er Bemühungen der großen Koalition darstellt, zum Gegenstand einer eingehenden Aus sprache gemacht, über welche folgender pa r te i o s f i zi ö sc r Bericht hcrausgegebe» wird: Die Zenirumsfraktion des Reicl>slages hat sich mit der durch die Beschlüsse der Sozialdemokraten zuweit gejchasseueu politischen Lage eingehend beschästigl. Sie hält einmiiti-i an ihrre bisherigen Auffassung fest, daß unter den augenblick lichen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen die große Koalition den Erfordernissen der Gegenwart entspricht und sie wird dieses Ziel auch weiterhin mit aller Entschiedenheit verfolgen. Der Vorsitzende der gesamten Zeulrumsoartei. Reichs kanzler a, D. Marx, wird auf Wunsch der Reiclsstagsfrak- tion den Parlcivorstond sowie die Frakiiousvorstäuds des Reichs- und Landtages vor dem Wiedrrzusammentriit des Reichstages zu einer Besprechung über dis zu unternehmenden Schritte einberufeu. Die hier m,gekündigte Besprechung wird Anfang Januar, snöielteus am ll. Januar, slaitsiudeu. Am 12. Januar wird der Reichstag zu seüien Arbeiten wieder zusamiucutreieu. Wie wir weiter hören, ist eine Entscheidung des Reichspräsidcnlen. nie überhaupt eine Amideruug in der Situation der jetzige» Regie rung bis zum Wtedrrzusamnientritt de-; Reichstages nicht zu erwarte». Aus Berliner Abgeordnetenkreiseii wird »ms noch ge schrieben: Das Verhalten der Sozia!demokrnien sindet im Zentrum die s ch ä r fite Verurteil u n g. Die Sozialdemokraten sind zuletzt mit Bedingungen hervargeireten. die auch vom Zentrums standpunkte aus unter allen Umstand:» als unerfüllbar bc- — — — ri Bündnisses, das die ganze bisherige Konzeption der Bolkanpolitik stören müßte. Aber auch Frankreich will den Balkan nicht aus seinem alten Abhängigkeits- Verhältnis gegenüber dem westlichen Europa heräuslas- sen und ist bestrebt, sich den Weg nach Konstantinopel über Prag und Belgrad freizukalte». Heber Angora langt die Hand Moskaus bis nach dem Balkan, um die sen in die asiatische Sphäre einzureiheii. Nur Eng land, das in seiner Stellring gegenüber Somietnißland in Europa vor alle» Dingen Frieden braucht und in je dem Balkankonflüit die Gefahr sieht, daß der Südosten Europas dem Balschewismus verfällt, steht den Balkan plänen des serbisch kroatischen Blocks wohlwollend gegenüber. trachtet werden. Das Zentrum kann und wird nur laichen Maßnahmen und Ansprüche» seine Zustimmung gebe», die mit dem Staatsinteresse und mit dem Interesse der Wohlfahrt des gesamten Volkes vereinbar sind. Wenn auch im jetzigen Augenblick das letzte Wort über d > egroße Koalition nach nicht gesprochen ist. und wenn auch da-, Zentrum seine Bemühungen um das Zuslande- konnne» der großen Koalition jetzt noch »ich! endgültig auszibt, so muß doch andererseits »ach einem Ausweg aus dieser Krisis gesucht werden. Gerade jetzt bedürfe» wir einer handlungs- lähigen starken Negierung. Das Zentrum könnte in einem B c a m t e » k a b i n c t t. das freilich an sieh schon wenig, viel leicht gar keine Anssicht ans ein Zustandekommen hat, keine Möglichkeit sehe», aber auch nicht in einer M i n de r h c i t er reg icriing. Aber man kann ja nicht wissen, in welche Situationen wir in den nächsten drei Wochen kommen und welche politische Lage wir beim Mcdcrznsammeniritt des Reichstages vorsinde». Bis dahin werden wir den Sozmidemokralen nut allem Nachdruck ihre vollständig versehlle Haltung klarniachen und ihnen erklären müssen, daß wir nicht gewillt sind, dieser Taktik Zu folgen. Es ist auf die Dauer unerträglich, daß die Sozial demokraten im Reiche das Zentrum fortgesetzt in Zwangsiogen bringen, während in Preußen das Zentrum die Soualdemokra- tcn aus Zwangslagen, in die sie von anderer Seite hinein- inanöveriert wurden, heraushante. DenSoziaidemokraien muß no.chdrücklichst z» Eemüte geführt werden, daß ein solches lediglich »ach ihre» Parteiinieresscn diktiertes und im Grunde verantwortungsloses Verhalten, wie sie es im Reichstage an den Tag gelegt habe». Folgern ngcu nach sich ziehen müßte. Es ist auch ein ganz merkwürdiger Zustand, daß führende Per sönlichkeiten in Preuße», wie Severing und selbst NHii'ster- präsidenl Braun in Wort und Schrift sür die Große Kollitm» cintreten. währen- die sozialdemokratischen Führer im Reichs tag genau das Gegenteil ln». Es wird Seiche der zuständigen Parleiinstainen sei», zu diese» Dingen mit aller Deuü-ehlieit Stellung zu nehmen. Auch in Deutschland sollte man die neue Entwick lung auf dem Balkan nickt übersehen. Das deutsche Volk hält noch immer die Erinnerung an die gemeinsamen Schickssalstaae mit der Türkei und Bulgarien während des großen Krieges lebendig. Aber über alle Sentimen talität hinweg sollte es nicht vergessen, daß sowohl die T ü r k e ii. als auch die Bulgare n seither längst ihre e i g enen Wcge gegangen si n d. Die türkische Wiedergeburt, die sich fernab von Europa vollzieht, ist längst aus dem Rahmen der Balkanpolitik entschwunden und die Fäden, die einige wenige bulgarische Intellek tuelle. »och in die alte Zeit hinüberspinnen, können für die deutsche Nation nicht maßgebend sein Sie darf des» kolb nicht au dem m-os'",' > > -