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Ottendorfer Zeitung. Di« „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annuhmt »»n Inserat«« di, »«Mittag i» Uhr. Inserate werden mit ,o Pf. für die Spaltzeilr berechnet. Tabellarischer Latz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 14. Mittwoch, den 3. Februar 1904. 3. Jahrgang. Oerttlches und Sächsisches. Gttendorf-Bkrilla, 2. Februar 1804. — Heute haben wir den Tag der Lichtmessen, der den Strich unter die allerkürzesten Tage bedeutet. Lichtmessen können die Herren bei Tage essen l sagt ein alter Reim, und wenn das auch nur für gewisse Erwerbsverhältnisse und unter gewissen Vorbedingungen paßt, die Tage wachsen nun doch wirklich, die Beleuch tungskosten werden geringer. Wenigstens für die Familie, denn bei den Besitzern von Ball sälen bringt die erste Februar-Hälfte, bis zur Fastnacht, ein erhöhtes Wachstum. — Bauernregeln für den Monat Februar. Die weiße Gans (der Schnee) im Februar, brütet Segen fürs ganze Jahr. Scheint zu Lichtmeß (L.) die Sonne heiß, gibl's noch sehr viel Schnee und Eis. Lichtmesscn hell, schindet dem Bauer das Fell. Lichlmessen dunkel, macht den Bauer zum Junker. Lichtmeß im Klee, Ostern im Schnee. St. Dorethee (6.) drin n den meisten Schnee. Wenns friert auf Pelu Stuhlfeier (22.), friert's noch vierzehnmal h.uer. Petri Stuhlfeier kalt, die Kälte noch länger an halt. Mattheis (25.) bricht'S Eis; ftnd't er keinS, macht er eins. Wenn im Hornung die Mücken schwärmen, muß man im März die Ohren wärmen. Gibt'« in der Fastnacht viel Stern', so legen auch die Hühner gern. Wenn im Februar die Mücken geigen, müssen sie im Märzen schweigen. Klar Februar, gut Roggen jahr. Wenn es Lichtmeß stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit; ist es aber klar und hell, kommt der Lenz wohl nicht so schnell. Fmn's im Februar nicht ein, wird's ein schlechtes Kornjahr sein. Wenn im Februar spielen die Mücken, gibt's im Schafstall große Lücken. Vnl Nebel lm Februar, viel Kälte das ganze Jahr. Wum im Hornung die Mücke» spielen, wird der März den Winter fühlen Tanzen wir den FastnacklSreigen, mag der Winter mit Tränen weichen. Singt die Lerche jetzt schon hell, gehl's dem Landmann an das Fell. Wenn der Hornung warm uns macht, frierl'ö im Mai noch gern bei Nacht. Liegt im Hornung die Katz im Fm'n, muß sie sicher im März wieder herein. Schmilzt mit Februar die Sonn' die Butter, so gibt das Jahr dann späies Futter. — Ohne Vollmond sollte nach einer jüngst durch die Presse gehenden Notiz der jetzige Februar sein. Das stimmt aber nicht, denn am 1. Februar nachmittags trat Vollmond ein. Daß in einem Monat zweimal Vollmond resp. Neumond eintritt, kommt in jedem Jahre vor, da der Mond, um von einem Vollmond resp. Neumond zum andern zu gelangen, die Zeit von nicht ganz 30 Tagen braucht. Dresden. Spurlos verschwunden ist seit einigen Wochen der Fabrikant Nikolaus Adam Hartmann, Inhaber des „Radebeuler Asbest- werkeS". Es ist nunmehr gegen ihn die Er öffnung des Konkurses beantragt worden. Leu den. In dem hier neu erschlossenen Fabrikviertel werden demnächst zwei neue Fabrik- etablifsements erstehen und zwar wird die Firma F. .Burgmann, Slopfbücyfenpackungsfadnk in Laubegast, eine Asbestfabrik an der Kanerallee erbauen und die Firma Hoffmann L HauswaU, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Maschinen fabrik in Dresden-Plauen, ihren Betriev hier her an bie Lockwitzer Straße verlegen. Die in jeder Beziehung vorteilhafte Lage und Beschaffen- hett des erschloßenen Areals dürfte sür weitere Jndustriekreise das regste Interesse Haden, weil durch die von der Gemeinde betriebene und nunmehr von der Aufsichtsbehörde genehmigte AsEU'tnlegung verschiedener Flurteile die ' geboten ist, daß unter den denkbar günstigsten Bedingungen ganze Baublöcke oder jede beliebig große Baufläche abgegeben werden kann. 500 Dollar Belohnung sind ausgesetzt für Ermittlung des Sekretärs der Elgin Na- tional-Uhren Comp. in Chicago, Wm. George Prall. Der Genannte wird seit Ende Novem ber vorigen Jahres aus Chicago vermißt. Er lst 60 "Jahre alt, hat blaue Augen, grau meliertes Haar, große Glatze, verstutzten Kinn- und Schnurrbart, Narbe am rechten Backen, ist kräftiger Statur und 5 Fuß 6 Zoll groß. Königstein. Gestern nachmittag ist im sogenannten Ritschgrund ein weiblicher Leichnam, der eine Schußwunde zeigte, von einem Forst beamten aufgefunden worden. In der Nähe des Leichnams wurden kleine Papierstücke auf. gefunden, die zum Teil verbrannt waren. Eine Schußwaffe fand man bet der Leiche nicht. Es liegt Mord vor. Die Zusammensetzung der gefundenen Papierstücke ergab, daß die Tote eine in Reichenberg in Böhmen geborene und in Dresden wohnhafte verheiratete Frau ist. Der Leichnam wurde von der zuständigen Ge richtsbehörde aufgehoben. Nach dem Mörder, der bei der Flucht seine Papiere verloren hat, wird eifrig gefahndet. Man vermutet, daß er m Dresden wohnt. Grimma. Auf dem Haltepunkte Nimbschen sind heute vormittag gegen 10 Uhr beim Ran gieren des vormittags 8 Uhr 10 Minuten von Wurzen nach Großbothen verkehrenden Güter zuges zwei leere Wagen entgleist, wodurch das Hauptgleiö etwa eine Stunde lang gesperrt war. Infolgedessen mußten die Reisenden des vor mittags kurz nach ^/,11 von Wurzen her in Nimbschen fälligen Personenzuges daselbst um steigen ; sie fanden mit einem Güterzuge Weiter beförderung. Glücklicherweise ist niemand verletzt. Waldheim- Für die Abgebrannten in Aalesund sandte die größte Zigarrenfabrik am hiesigen Platze, die der Firma C. A. Döring L Ku, heute 10 000 Stück Zigarren ab. Leipzig. Im Prozesse wegen des Gerüst- einsturzeS am Schönefelder Wasserturm, der üb rigens am vorigen Sonnabend nicht beendet wurde, wurde der Zeuge Maurer Forbach un ter dein Verdachte der Anstiftung zum Mein eide verhaftet. Forbach soll versucht haben ei nige Verletzte im Hospital zu günstigen Aus sagen über die Beschaffenheit des Gerüstes zu veranlaßen. — Ein Herr Tischendörfer aus Berlin war auf dem Krankenkassenkongrcsse hier- selbst für das Recht der Ärzte eingetreten, als Gewerkschaftler zu gelten, wenn sie sich koalie ren. Der Mann hat — schrecklich aber wahr —, ehe er seine Rede vom Stapel ließ, auf der Gallerie des Saales mit einem Führer der hiesigen Ärzte, Herrn Dr. med. Hermann ge sprochen. Dafür wird er nun in allen Ton arten verdächtigt. Hohenstein-Ernstthal. Heute früh hat im benachbarten Gersdorf der 22jährige PosthilfS- arbeiter Scharschmidt aus Chemnitz seine Braut, das 18jährige Dienstmädchen Martha Leisching, und dann sich selbst erschoßen. Ob Schar schmidt im Einverständnis mit der Ermordeten gehandelt hat, ist nicht bekannt. — Der Mord, der im vergangenen Sommer auf dem Fichtelberge verübt wurde, ist noch im mer ungesühnt. Zwei in Verdacht kommende Leute befinden sich noch in Untersuchungshaft, während eine dritte Person vor längerer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt worden ist. Be- wnoers gegen den einen der beiden noch im Gesängms befindlichen Männer sollen die Be weisgründe sich derart verdichtet haben, daß an dessen Freispruch nicht geglaubt wird, auch wenn er ein Geständnis nicht ablegt. Ein Chemiker soll neuerdings auch die im Körper des Ermor- oeten aufgefundene Kugel auf ihre einzelnen Bestandteile untersucht habe». Kugelgießer und Blei von alten Fensterumrahmungen sind im Besitze des einen Verdächtigen gefunden worden. Crimmitschau. Dem Jndustrieverein zu Werdau ging folgendes Telegramm zu: Bre men, 28. Januar. In einer heute abgehaltenen Sitzung der hiesigen Mitglieder der Bremer Baumwollbörse wurde beschloßen, trotz der Be endigung des Crimmitschauer AnüstandeS Ihnen von feiten der Bremer Baumwollbörse 15 000 Mark zur Verteilung an die Crimmitschauer Arbeitgeber nach ihrem Ermeßen zur Verfügung zu stellen. Philipp Heineken, erster Vizevor steher der Bremer Baumwollbörse. — In einer Versammlung in Leipzig-Plagwitz, die von den Leipziger Textilarbeitern nach einem Vortrage des Vorsitzenden des Zentralagitationskomitees der sächsischen Textilarbeiter, Albin Reichelt aus Chemnitz, der Beschluß gefaßt, zu gunsten der noch nicht wieder eingestellten Arbeiter in Crim mitschau von jedem Arbeiter einen wöchentlichen Extrabeitrag von 30 Pfg-, von jeder Arbeiterin einen solchen von 25 Pfg. zu erheben. — Am Freitag abend wurde durch ein Flug blatt der Arbeiterschaft mitgeteilt, daß der Vor stand der hiesigen Filiale des deutschen Textil arbeiter-Verbandes einstimmig beschloßen habe, die Filiale Crimmitschau aufzulösen. Die Mit glieder der Textilarbeiter-Organisation seien nunmehr Einzelmitglieder des deutschen Textil arbeiter-Verbandes mit dem Sitz in Berlin. Die Maßregel ist veranlaßt durch die Bemüh ungen der Arbeitgeber, die Arbeiter zum Aus tritt aus der Organisation zu veranlaßen. In folge der Auflösung der Filiale Crimmitschau bekommen die hiesigen Behörden kein Mitglieder verzeichnis mehr in die Hand, in welches, wie im Flugblatt angedeulet wird, den Arbeitgebern Einblick gewährt werden könnte. Annaberg. Schwer verletzt wurde in Cranzahl ein Arbeiter aus Sehma. An einem leeren Karbidfaß stehend, wollte derselbe sich eine Tabakspfeife anbrennen, als die in dem Faß zurückgebliebenen Gase sich plötzlich entzün deten und die emporgeschlagenen Flammen dem Ärmsten das Gesicht arg verbrannten. Hoffent lich hat derselbe nicht dauernden Schaden an seinem Augenlicht genommen. Unterlosa. Tödlich verunglückt ist hier der 44 Jahre alte Dienstknecht Gerbet, welcher von seinem mit Trabern beladenen Wagen, der ins Rutschen geraten war, zu Boden geschleudert und überfahren wurde. Der Tod Gerbets trat sofort ein. Falkenstein. Aus der Crimmitschauer Gegend sind in den letzten Tagen hier Familien und einzelne Arbeiter eingetroffen, die in den Fabriken oder in Stickereien unterzukommen su chen. Wegen schlechter Geschäftslage fällt es jedoch den Suchenden schwer Arbeit in denselben zu erhalten. Nus der Woche. Der Ausstand der Hereros und die Entsen dung von Truppen zur Dämpfung des Äuf- standes sind schon an und für sich wenig ge eignet, die Deutschen in eine Hurra-Stimmung zu versetzen. Daß der Aufstand mit allen er denklichen Mitteln niedergeworfen werden muß und werden wird, ist selbstverständlich. Ebenso wird man allseitig auf schwere Opfer an Men schenleben, Gesundheit und Geld gefaßt sein. Ist schon die Politik im allgemeinen ein Gebiet, auf das die Santimentalität und persönliche Nei gung oder Abneigung keinen Einfluß haben sollten, so ist das noch weniger bei der Kolonial politik der Fall. Man braucht das Aufttreten eines Leist, Wehlau, Arenberg nicht zu entschul digen, um der Meinung zu sein, daß sich den unziviltsierten Völkern gegenüber nur ein stram mes Auftreten den notwendigen Respekt ver schafft. Nun kommt aber ein Redakteur Seiner aus Graz, der längere Zeit in Südafrika ge lebt hat, und erzählt uns in einem Artikel der „Franks. Ztg." Näheres über die Ursachen des Herero-Aufstandes. Und es scheint fast, als ob sich seine Darstellung auf Tatsachen stützt; denn irgendwelche Gründe muß daß Rebellieren doch haben, und daß der Aufstand für die Lei tung der Kolonie eine völlige Überraschung war, ist ein sicherer Beweis dafür, daß die Schuld nicht bei dieser Leitung lag. Seiner erzählt uns ausführlich, wie deutsche Händler die He reros systematisch zum leichtsinnigen Schulden machen veranlaßten und später die Schulden mit unnachsichtlicher Strenge beitrieben, wodurch da» arme Volk zur Verzweiflung gebracht wurde. Trifft dies zu, dann ist es nicht mehr wie recht und billig, als daß die Händler für das ange richtete große Unheil voll verantwortlich gemacht werden. Wer Schaden macht, muß Schaden beßern. Die unglücklichen Farmer, die teilweise das Leben, fast alle aber ihren durch schwere Arbeit mühsam erworbenen Besitz verloren ha ben, — die Truppen, die ihr« gesunden Knochen opfern müßen, sie alle sollten entschädigt werden durch jene Geschäftsleute, die durch ihre unsau beren Praktiken das Naturvolk der Hereros zum Verzweiflungskamgf getrieben haben. Auf ei ner ganz andern Seite steht natürlich die Not wendigkeit, den Aufstand schnell und energisch niederzuwerfen. An dieser traurigen Notwen digkeit können selbstverständlich die Ursachen der Rebellion nichts ändern. — In der ostasiatischen Angelegenheit ist immer und immer noch nicht die Enscheidung gefallen, aber die KriegSstimmung ist hüben und drüben so stark abgeflaut, daß kaum noch etwas „Ernstliches" zustande kommen wird. In Tibet kommen die Engländer auch nicht vorwärts und sie werden, da eS ihnen an Transporttieren fehlt, schließlich froh sein, wenn man dort Spaß versteht, sie als Gäste behan delt und zu einer glücklichen Heimkehr behilflich ist Am Balkan ist der Stand der ewig gleiche. Kaum hat sich Mazedonen ein bißchen beruhigt, so fangt Bulgarien wieder an. Es beklagt sich über türkische Rüstungen und fürchtet scheinbar, vom Sultan mit Krieg überzogen zu werden. Natürlich ist das blos Verstellung und soll die eigenen Rüstungen maskieren. Marokko ist bankrott und die Staatsgläubiger haben schlaf lose Nächte. Spanien, Frankreich und England sollen schon über die Zukunft des großen Staa tes i n reinen sein, wie man au» Paris meldet. Der Name Deutschland ist dabei wohl aus Bos heit weggelassen worden, während man früher in Pariser Meldungen so liebenswürdig war, uns eine Kohlenstation in der Nähe von Ceuta zuzusprechen. — Im deutschen Vaterlande selbst steht die parlamentarische Saison in voller Maienpracht. Reichstag, preußischer und bay rischer Landtag machen sich gegenseitig in Sen sationen Konkurrenz und München schwelgt förm lich in Begeisterung für die bayrische Kammer, die sich schon seil reichlich acht Tagen mit der Beschlagnahme des übermütig-dreisten, „Simpli- zissimus" abquält, die sogar eine Kammerprä sidentschaftskrise herbeigeführt hat. Neben ihr aber läuft eine Strömung die da» „nationale" Schwein — wie die Demokraten es nennen — in ein „partikularistisches" umwandeln will. Erschien da vor wenigen Tagen in den bay rischen Blättern ein Inserat, das von den Schweinemetzger- und Viehhändler-Vereinigun gen gemeinsam unterzeichnet war und das um Entschuldigung bat, wenn ab und zu Schweine fleisch „fischig" schmeckt; solches Fleisch stamme von Lieferanten in Norddeutschland, wo die Schweine teilweise mit Fischen gemästet würden I Das wohlschmeckende Schwein gedeiht danach nur südlich der Mainlinie, die man seit 1870 beseitigt glaubte. Aber die Sache muß noch irgend einen andern Haken haben. Es ist näm lich der ganz ungewöhnliche Fall eingetreten, daß das bayrische Staatsministerium in einem Erlaß an den den Münchener Magistrat auf das Sinken der Schweinepreise verweist, ohne daß sich der Preisrückgang auch den Konsu menten angenehm bemerkbar mache. ^Nun soll hoher Magistrat auf die Metzger einwirken, daß diese sofort die Preise für „Geselchtes", Wurst und sonstige Schweineprodukte herabsetze, sonst würde reiflich zu erwägen sein, ob nicht in an derer Weise Abhilfe geschaffen werden könne. Als solche Ausgleichsmaßregel ist die Forderung genossenschaftlicher Vereinigungen der Verzehrer oder bie Schaffung begünstigter Konkurrenzun ternehmen angeführt. Die Regierung ist um billige Fleischpreise besorgt und die Parlament« liefern den „Kaviar fürs Volk"!