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Nr. 298 - Dienstag, den 25. Dezember 1917 Zweites Blatt M Das Lied der Und was ein Es kann Laßt ihr Laßt ihr Kraft,' das Lied der Wonnelieder! eine ohn' das andre nicht besteh'n, eine — wird die Kraft euch flieh'n, andre — zieht von euch der Frieden, Gott Dir, Deutscher, hat beschicken, das das das Erwirb's aufs neue, um es zu besitzen. Es sind zwei Säulen, die dich stützen: Die Liebe — deine inn're Bande," Die äuß're Kraft — sie gilt dem Vaterlande; Wer kennt das Lied vom deutschen Felsenwall: Es braust ein Ruf wie Donnerhall! ? Das Lud vom deutschen Heim, vom Kindertraum: O Tannenbaum, o Tannenbaum? Singts noch einmal und singt es immer wieder Mit ihren Sockeln auf das Jammertal gestellt, Wölbt über sie sich eine neue Welt. Die alte Sonne bringt den neuen Tag, Dieselben Sterne zeugen von der Nacht. Es leitet dich derselbe Stern am Firmament Hin an die Krippe, wo die Kerze brennt — Niwts ist verändert in dem großen Werden, Nur du als Mensch im Geist sollst anders werden. Noch einmal prüfe dich in alter Zeit, Dann aber : Herzen auf und Tore weit, Nach so viel Kreuz durch euer Weltverlangen Noch einmal den entthronten König zu empfangen, Den „Friedefürst", wie einst erfüllet ward Die Schrift, so heute auch, der Zeit ihr alle harrt. Paul Gallrei», im FelLc. Weihnachtsgmtz an die Heimat Waffenruhe. Den Verhandlungen über den allgemein n Wassensttüjiand m Brest LuowSk sind delannu ch in vn,ch.edmin Frontabschnitten des Ostens Em^el veiHandlungen von Division zu Dio sion roraus. gegangen, die zumeist schon vor der zehnlLgigrn Waffenruhe zur Einstellung der FeincseUgk-tten sühnen. Wie es bet diesen Besprechungen zuging, wird in nachstehendem Feldpostbrief recht anschaulich geschildert. Die Red. Unser Stab lag in dem kleinen Jagd« fchlößchen R. in der Nähe dec Stadt X., um- sere Dwisicn seit mehreren Wochen in den itü zugewiesenen Stellungen. Die Russen Hallett sich vor dem Vordringen unserer Truppen im mer weiter zurückgezogen, bis sie von unsern Drahthindernissen über W Kilometer entfern waren. Für unsere sunge Mannschaft,> die hie an der Ostfront zum ersten Mal an die leich tere Form des Krieges gewohnt werden sollte gab es eine schöne und interessante Zeit. Hieß es doch, den Schützengraben zu verlassen, wei in unbekanntes Land vorzustoßen und de Gegner anZusuchen. Urwälder »rußten passiert mancher Fluß durchwatet werden. Die grcßctt Moore, in denen der Elch noch schlürft und! in denen an wenigen Stellen nur das graue isländische .Moos gangbare Stellen verrät, bo ten Hindernisse, derben Ueberwindung imme wieder Neuanforderungen an die Erfindunas* kraft unserer Leute stellten. Wo immer sie auf die Russen trafen, zeigte es sich, ein wie guter Soldat unser Gegner in dem ihm zusagender Waldgelände geblieben war. Jede Terrainfalt wurde mit dem geschulten Auge des Jägers ausgenützt. Tag für Tag kam es zu Mänke- leieir, die unseren Leuten Freude machten, weil sie ihnen Gelegenheiten boten, sich auszüzeich nen. Eines Tages dürchschwirrle wieder! einmal «mes jeder unkontrollierbaren Gerüchte, von denen niemand das Woher weiß und die keiner Nachprüfung standzuhalten vermögen, an denett aber trotzdem immer ein Fünkchen von Wahr heit ist, die Gräben. Es hieß, der Ruffe^ir- de Frieden machen, sobald der erste Schnee fiele. Wir waren ziemlich ungläubig, bis au den Leutnant ?) . der als Student in Peters bürg gelebt hatte und behauptete, ein große Kenner der russischen Volksseele zu sein. Wi nannten ihn aus diesem Grunde auch immer Iwan Trotz unseres Spottes sollte er dies mal Recht behalten. In den letzten Tagen schien es. als hatte der russische Unternehmungsgeist starb na^ge lassen und sei schließlich völlig erschlafft. Von unserer Stellung zu den Russen hinüber führte eine jener herrlicher Kunststraßen, di« der Dö bevitzer Heerstraße vergleichbar, von einer Ti tanenhand durch den Urwaldsumpf und die steppe gerissen zu sein scheinen. Hie^ nun, an einem künstlichen Hindernis, erschien eines Nachmittags ein russischer Soldat mit einer weißen Flagge und überreichte einen Zettel, der die Mitteilung enthielt: Die Mitglieder des Arbeiter- und Soldatenrates der Jen jibi- rvchen Division bitten, mit der gegenüberlie-! gonden Division in Verhandlungen eintreten zu dürfen. Es wurden die Befehle des A. O. K. ein- geholt, und der Parlamentär, der am nächsten Morgen wieder erschienen war, verständigt. We nige Stunden später befand sich das kleine halb zerschossene Schlößchen in feierlicher! Erwartung der kommenden Dinge. Der einzige Saal war in Stand gesetzt worden. Der lange Tisch bünkte vor Sauberkeit. Der große Kachelofen strömte behagliche Wärme aus, Tee und Zi garetten standen bereit. Zwei stattliche Leute waren in Planken Stahlhelmen auf Posten aus gezogen. Ani Hindernis trafen die Parla mentäre genau zur festgesetzten Zeilli in zwei Wagen ein, stiegen aus, wurden vom Dolmet-. scherofsizier empfangen und zu Fuß nach dem Schlößchen geleitet. Es waren sechs Mann Drei Unteroffiziere, zwei gewöhnliche Soldaten und em General, der aber anscheinend nicht viel zu reden hatte. Auffal- lend ivar das Aussebeü der Leute. Wir muß ten, daß die Bekle sdungsjzusuhrj der Russen nicht ganz klappte. Trotzdem sahen die Unter- h ndler, mit denen wir es zu tun hatten, wie aus dem Ei gepellt aus. Stattliche, große Gestalten, von rein kaukasischem Aussehen, dis sich frei und selbstbewußt benahmen. Vor! dem Jagdschloß wurden sie vom Stabe begrüßt und nach dem Saal geführt, wo die Unterhandlun gen stattfinden sollten. Der General war noch nicht anwesend. Sie nahmen an der einen Längsseite des Tisches Platz und unterhilten sich leise miteinander, wobei allerdings an den General fast nie das Wort gerichtet wurde jAls wir ihnen Tee und Zigaretten anboten lehnten sie höflich ab. Sie bedauerten, von uns vorläufig keine Erfrischungen/ annehmen zu können, da wir noch Feinde seien. Schließlich erschien der General. Wieder grüßten sie höflich, aber äußerst selbstbewußt, und setzten sich, woraus die Unterhand lungen begannen. Unser Dolmetscherokifizier- eröffnete sie indem er an die russischen Un terhändler die Frage stellt^, welcher Wunsch sie zu uns führte Für die Russen sprach ein Unteroffizier, wie sich später hcrausftellte, ein sehr bekannter Moskauer .Rechtsan« w a l t. Nun mischten sich auch di!e anderen in die Unterhandlungen ein. Sie erwiderten, ihre Division sei entschlossen, die Feindseligkei ten einzustellen und auch bei den Nachbardivi sionen, soweit diese nicht der gleichen Ansicht seien, dahin zu wirken. Es handele sich um rein militärische Fvgen : die Flieger- und Ar- t'lleriet.iligbit, Festsetzung vrn Punkten mr denen Verkehr stattfinden dürfe und ähnliches. Einige mal waren selbst die deutschen Generalstäbler verblüfft über die ungemein genaue Kenntnis, die der einfache russische Mann, der da an der Tafel saß, über die einschlägigen militärischen und völkerrechtlichen Fragen bewies. Die Leu te mußten sich für ihre Aufgabe ungemein sorg fällig vorbereitet haben. Wirkliche Schwierigkeiten gab es nicht, da beide Teile von dem ehrlichen und aufrichti gen Wunsche beseelt waren, zu einer Einigung zu kommen. So dauerte es denn gar nicht lange, und die Unterschriften konnten unter das Protokoll gesetzt werden. Dann stan den die russischen Unterhändler auf. reichten den Deutschen die Hände, und der eine, der' früher die Erfrischungen abgelehnt hatte, meinte: „Und jetzt, meine Herren, werden wir Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie uns Tee und Zigaretten anbieten. Denn jetzt! — und dabei streckte er uns die Hand hin — sind wir nicht Feinde meh r." Sie französische Hetze in Rußland. Eine Kundgebung des Sovjets. Wiener Blätter veröffentlichen folgendes Telegramm: Zarskcje Selo, 18. Dezember 1 Uhr 16 Min. nachm. An ajle und ins Ausland, an den Pariser Radiotelegraphen und Herrn Clemenceau. Der Pariser Radiotelegraph läßt täglich Wellen verleumderischer Nachrichten über das russische politische Leben und seine führenden Männern ausströmen. Irgendein^ russisches Jn- formationsbureau in Paris, das aus eigenen russischen Reptilen niederster Ordnung besteht, bringt täglich die allerphantastischstens Nachrich ten über den von den Bolschewiki in -Rußland verübten Schrecken, wobei über die Genossen Lenin und Trotzki nicht anders als von Agenten der deutschen "Regie run.g gesprochen wird.« Der Radiotelegraph der französischen Republik stellt sich demnach der Hintertreppen-Literatur zur Verfügung. Die verleumderische Arbeit des Nadio- telegraphen des Herrn Clemenceau wird vi- re't in russischer Sprache gebracht, anscheinend deswegen, um den unmittelbaren Weg zum Herzen des russischen Volkes zu finden. Man darf nicht daran zweifeln, daß, wenn die rus sischen Radiostationen in den Händen Milju- kows, Kornilows und Kaledins und der ande ren Freunde des Herrn Clemenceau' wären, die .elethastö Literatur des französischen Negierungs- Radiotelegraphen eine große moralische! Besrie- digung erwecken würde. Aber jetzt befinden sich die Radiostationen in den Händen der Solda ten und Arbeiter, also von ehrlichen Leuten. Sie haben nur kühle Verachtung für die frechen Aufrufe, die Diktatur einer Bande vcn Verrätern, Verbrechern und Betrügern von sich abzuschätteln. Solche Aufrufe schleudert der Radiotelcgraph der Herren Poincare und Clemenceau, des jetzigen Oberhauptes der fran zösischen Regierun,, der auf diesen Posten durch den Willen der verbündeten Bourgeoisie gestellt wurde, täglich herüber. Man kann um so leichter an die Künstlichkeit der mächtigen re volutionären Partei glauben, da Herr Cle menceau in seiner Vergangenheit in s k h n- dalvsem Zusa m menhang mit der Panama-Affäre stand. Die aufge klärter Arbeiter, Soldaten und Bauern beobach ten aus nächster Nähe die Arbeit des Rates der Volkskommissare und sind mit dem persön lichen Leben der alten Revolutionäre, dio zum Bestand dieses Rates gehören, zu gut bekannt, als da"; Verleumdungen von Zeitungsheloten irgendeinen Eindruck auf sie machen könnten. Das einzige Gefühl, das die Arbeit des Herrn Clemenceau in ihnen Hervorrufen könnte, wäre ein Gefühl der tiefsten Verachtung für den Klüngel der konfus geworde nen Panamiste», die vorläufig ncch die Möglichkeit haben, namens des sich verbluten de», verarmten französischen Vjolkes zu sprechen. Französische Unruhe über den Waffenstillstand. Die französische Presse beruhigt sich über den Abschluß des W a f f e n st i l lst a n de s nicht. Sie ergeht sich einerseits in scharfen Ausfällen gegen die MaZmalisien und betrach tet anderseits die Folgen des Waffenstillstandes von einigen besonderen Punkten. Die erwar tete Rückwirkung aus die Westfront gibt der Presse Anlaß, an Frankreichs Energie zu ap- pelieren. Man müsse jetzt durchhalten, b i s die Amerikaner kommen. Hin Durch- bruch der Westfront sei nicht zu befürchten, da- gegen würden wohl die Amerikaner einen Durchbruch ihrerseits bewerstelligenf könnens -- Wer lackit da? Ein Entente-Anschlag gegen die Bolschewiki. Tie „Köln Ztg." meldet von der französi- chen Grenze, dcm der „Matin" folgendes ent- füllt: Der neugeschafsene M i l i t ä r r a t! , er V e r b a n d s m ä ch k e in Marseille be rate seit mehreren Tagen schon die nötigen