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ISi». Jahrgang «r. 48. DieuStag den I. März 1910, abends. Politische Nachrichten litik, welche er in seiner Rede in der Albert-Hall dargelegt habe, zurückweiche. Er und seine Partei würden gegen die Resolution bezüglich der Verteilung der Sitzungen stim men, wenn er nicht die Zustimmung erhalte, daß Asquith, wenn die Lords die Resolution ablehnen sollten, zum König gehe und um Garantien bitte und, falls die Garan tien verweigert werden sollten, zurücktreten würde. Austen Chamberlain (Unionist) beklagte, das; die Regierung die Budgetberatung zurückstelle und dadurch die finanziellen und wirklichen Interessen des Landes schädige. Die Opposition werde sich der Abstimmung ent halten. Schatzkanzler Lloyd George legte Verwahrung dagegen ein, dah die Regierung ihre Haltung geändert habe. „Wenn wir uns nicht in der Lage befinden sollten, sicher zu stellen, dah unsere Vorschläge nicht nur vom Unter haus angenommen, sondern auch zum Gesetz erhoben wer den können, so würden wir nicht im Amte bleiben." Lloyd George hob noch hervor, er glaube, das; Asquith es voll kommen klar gemacht habe, das; das Budget nicht angenom men werden könne, ehe die Vetoresolutionen erledigt seien. Nach weiterer Diskussion wurde die Resolution Asquith bezüglich der Sitzungen des Hauses ein - stimmig angenommen. Man glaubt allgemein, das; die Gefahr einer Krisis für wenigstens einige Wochen abgewendet worden ist. Und damit ist schon sehr viel gewonnen. Die Haltung des Premierministers hat die irische Partei davon abgehalten, ins Lager der Opposition abzuschwenken, was sie bereits angedroht hatte. Diese entscheidende Parla mentssitzung, die dem taktischen Geschicke Asquith' alle Ehre macht, hat noch gestern nacht die irischen Nationalisten zur Annahme folgender Resolution bewogen: „In Anbetracht der Erklärungen des Schatzkanzlers Lloyd George wird die Partei davon absehen, für oder gegen die Regierung Stel lung zu nehmen." Damit ist vorläufig der Fortbestand des liberalen Mi nisteriums gesichert. Deutsches Reich. Krisengerüchte. Die heute zur Ausgabe gelangte be kannte konservative Halbmonatsschrift „Das Vater land" bringt unter dieser Ueberschrift einen sehr bemer kenswerten Leitartikel. Der Artikel knüpft an an Mittei lungen liberaler Zeitungen über angeblich bevorstehende schwere Konflikte zwischen Kammer und Re gierung. Man macht in diesen Artikeln dem Herrn Mini st er des Innern den Vorwurf, dah ein eigen artiger Gegensatz seiner Reden innerhalb und auherhalb des Landtages zu verzeichnen sei. Dieser Zwiespalt sei nur dadurch zu erklären, dah der Minister auherhalb des Parlaments seine eigene Weltanschauung zum Ausdruck bringe, während er gewissermahen bei seinen Reden im Parlament unterdcmDruckedesGesamtmini- st e r i u m s stehe. Mit mehr oder minder Offenheit wird der Herr Finanzminister als der schwarze Mann hingemalt, der gewissermahen den Minister des Innern zu seiner Stellungnahme im Parlament zwinge. Der Verfasser dieses Artikels scheint denn doch die Persön lichkeit des Grafen Vitzthum sehr zu unter- schätzen. Minister Graf Vitzthum ist kein Mann, der sich eine Meinung aufzwingen lüht, sondern der lediglich seiner eigenen Ueberzeugunq Ausdruck gibt. Was Graf Vitzthum im Parlament gesprochen, ist, darauf kann sich der betreffende Artitelschreiber verlassen, tatsächlich auch seine eigene Meinung und Ueberzeugunq' Nun wird zwar „vertraulich" zugeraunt, das; ein Negierungskommissar ein zelnen Herren der nationalliberalen Partei erzählt habe, er sei selbst ganz erstaunt gewesen über die Aeuherungen des Grafen Vitzthum, die dieser in der Debatte über die Reform der Ersten Kammer getan habe. Das „Vaterland" glaubt aber recht zu handeln, wenn es solche Aeuherungen einfach in das Gebiet der Fabel verweist, denn es ist unter sächsischen Beamten noch nicht üblich, dah derartige, die Re gierung geradezu diskreditierende Aeuherungen getan wer den. — Der Artikel der konservativen Zeitschrift beschäftigt sich im Anschlusse hieran mit den Ursachen des Aergers des Liberalismus. Die gesamte Linke hatte Anträge wegen Reform der Ersten Kammer gestellt, die von der Regierung zur Zeit abgelehnt worden sind. Nun soll die Regierung, die damit angeblich die linken Parteien auf das „schwerste beleidigt" hat, dafür bühen. Man erzählt sich, dah in den nationalliberalen Kreisen ernst lich erwogen worden jein soll, die Etatforderungen für die Gesandtschaften abzulehnen und die Mittel für den not wendigen Umbau oes Hoftheaters zu verweigern. Auch die Forderungen für die Ordenskanzlei sollten abgelehnt werden. Das „Vaterland" kann von seinem konservativen Standpunkte aus nur raten, dah die Herren die Probe auf das Exempel einmal versuchen möchten. Sie würden da mit auch nicht das geringste erreichen. Eine Partei, die auf Durchführung des Körgesetzes, Erhöhung des Fonds für die gewerblichen Genossenschaften und Wiedereinfüh rung des Abrufens der Züge auf allen Bahnstationen. Dazu kommen nationalliberale Anträge wegen Reform der inneren Verwaltung und Vermehrung der Wahlkreise für die Wahlen zum Landeskulturrat, sozialdemokratische Anträge auf Aufhebung der indirekten Landessteuern, Ein führung des allgemeinen, direkten Wahlrechts und frei sinnige Anträge, die ebenfalls Einführung des Reichstags wahlrechts. Neuregelung des Beamtenrechts und alljähr liche Berufung des Landtags wünschen. Aus dieser Blü- tcnlese von Bcratungsstoff, die noch nach verschiedenen Richtungen hin ergänzt werden könnte, ist ohne weiteres zu ersehen, dah noch ein gewaltiger Arbeitsstoff zu be wältigen ist, ehe die Abgeordneten dem Wallotbau am Schlossplatz den Rücken kehren können, selbst wenn die „K r i s e n l u f t", die jetzt bedenklich weht, wieder abflaut. Sicher aber ist, dah die Erledigung der meisten Vorlagen einzig unter parteipolitischen Gesichtspunkten den Ge schäften des Landtages und des ganzen Landes wenig för derlich ist, dagegen die persönliche Zänkerei stark in den Vordergrund gedrängt hat. R. U. Ein entscheidender Dag. Die Unsicherheit der politischen Lage in England und die Möglichkeit einer Krisis hatten gestern schon bei der Eröffnung der U n t e r h a u s - S i tz u n g ein dicht ge fülltes Haus geschaffen, obwohl vorerst lediglich formale Fragen zur Entscheidung standen. Premierminister Asquith brachte den Antrag ein, alle Sitzungen bis zum 24. März ausschließlich den Regierungsgeschäften vorzube halten, und zwar sollen sie vollständig dem Budget und an deren finanziellen Angelegenheiten gewidmet sein, da das Finanzjahr am 31. März zu Ende geht. Vier Tage würden dem Marinebudget gewidmet werden. Das Haus würde sich sodann vom 24. bis 29. Mürz vertagen. Bei seinem Wiederzusammentritt werde die Regierung Vorschläge über die Beziehungen zwischen beiden Kammern machen. Diese Vorschläge würden zunächst in Form von Resolutionen eingebracht werden, in denen ganz allgemein die Notwendigkeit ausgesprochen sein werde, die Lords von den Finanzangelegen- heiten auszuschli essen, und in denen ferner das Unterhaus zu der Erklärung aufgefordert werden solle, dah das Vetorecht des Oberhauses mit Bezug auf die Ge setzgebung so eingeschränkt werde» müsse, bah die Vorherrschaft des Wittens des Unterhauses innerhalb der Lebensdauer eines und desselben Parlamentes als gesichert erscheine. Asquith schloh, es werde klar gelegt werden, dah diese Verfassungsänderungen kein Präjudiz für die end gültige Lösung der Frage bildeten. Er fasse für eines der nächsten Jahre die Schaffung eines Oberhauses auf demo kratischer Grundlage ins Auge. Wenn die Resolutionen zur Annahme gelangt seien, werde ein Gesetzentwurf vor gelegt werden, der die betreffenden Teile der Resolutionen in Kraft setze. Um Zeit und Arbeit zu sparen und die Hauptfrage sobald als möglich zur Entscheidung zu bringen, würden die vom Unterhause angenommenen Resolutionen dem Ober hause vorgelegt werden. (Beifall bei den Ministeriellen.) Ob das Oberhaus den Resolutionen dann zustimme oder nicht, die Regierung sehe die Einführung von Bestimmun gen, die das Unterhaus von dem Veto des Oberhauses be freien, nicht nur als erste wesentlichste Voraussetzung für die gesetzgeberische Würde und eine nutzbringende Wirk samkeit des Unterhauses an, sondern auch als ihre eigene höchste Pflicht. (Beifall bei den Ministeriellen.) Im Verfolge dieser Aufgabe werde die Regierung alle Mass regeln ergreifen, die nach der Verfassung zulässig seien, und für ihre erfolgreiche Durchführung setze sie ihre Existenz ein. (Beifall; Ruf auf den Bänken der Unionisten: „Wo bleibt das Budget?) Der unionistische Parteiführer Balfour erklärte, das abgeänderte Programm der Regierung beweise einen absoluten Mangel an folgerichtiger Staatskunft. In jedem Satz desselben trete eine dominierende Erwägung hervor, nämlich wie das Kabinet zusammengehalten werden könne, wie die von allen Seiten drohenden Stürme abgewendet werden könnten. Er glaubt nicht, dass dies Staatskunst sei, aber er leugne nicht, dass es eine geschickte parlamen tarische Leitung sei und wahrscheinlich geeignet, alle Grup pen der Koalition zufrieden zu stellen. Aber wie sehr auch die Erklärung von Asquith geeignet erscheine, eine Aera des Friedens für die Regierung zu sichern, sei wenig geeig net, im Lande den Eindruck von der Staatskunst der Re gierung zu verstärken. (Beifall der Opposition.) Der nationalistische Führer der Irländer, Red mond, sagte, seine Absicht sei es nicht, einen Streit mit den Liberalen vom Zaune zu brechen, sondern Asquith zu verhindern, dass er von der kühnen, staatsmännischen Po Die Tätigkeit des Sächsischen Landtages. Als der 33. ordentliche Landtag des Königreichs Sach ten im November vorigen Jahres seine Tätigkeit begann, da glaubte man allgemein an eine kurze Session und schnelle Erledigung der Geschäfte, da äusser der Abände rung des Berggesetzes und den Anträgen zu einer Reform der Ersten Kammer bedeutsame Vorlagen nicht auf dem Arbeitsplan standen. Von diesen beiden Gegenständen be findet sich aber heute noch das Berggesetz in der Deputa tion der Ersten Kammer, und niemand weiss, ob seine Ver abschiedung in beiden Kammern in dieser Session über haupt möglich ist. Die Reform der Ersten Kammer dürfte aber schon allein an dem Widerstande dieser Kammer scheitern, selbst wenn die Regierung ihr mehr Wohlwollen entgegen brächte, als es zur Zeit geschieht. Die übrigen Arbeiten des Landtages liegen aber noch so arg zurück, dass heute kein Mensch mehr an eine kurze Session denkt, son dern günstigenfalls den Schluss zu Pfingsten erwartet. Einzig der Rechenschaftsbericht ist in beiden Kammern zum grössten Teil erledigt, aber vom Etat steht noch die grössere Hälfte aus, und darunter Kapitel, die lange und erregte Debatten bringen dürften. Ganz besonders hapert es noch mit der Aufarbeitung der Gesetzesvorlagen. Von beiden Kammern verabschiedet ist nur der Entwurf zum neuen Finanzgesetz, das Dekret über die Wahlen der Ausschussmitglieder für die Brand oersicherungskammer und die Staatsschuldenverwaltung, Dekret Nr. 8, welches den Personal- und Besoldungsetät der Landesbrandversicherungsanstalt betrifft, und das De kret Nr. 15, welches die Einwirkung der Armenunter stützung auf öffentliche Rechte behandelt. Auch das De kret Nr. 13, die Gehalts- und Pensionsverhültnisse der Nadelarbeitslehrerinnen betreffend, ist aus der Eesetz- gebungsdcputation der Ersten Kammer hcrausgekommen, aber da die Zweite Kammer die Pensionen dieser Lehrer innen auf die Staatskasse übernommen wissen will und die Erste Kammer im Bunde mit der Regierung die Pen sionen den Gemeinden überträgt, muss das Vereinigungs verfahren zwischen beiden Kammern einsetzen, dessen Er gebnis ganz zweifelhaft ist. Von sonstigen Dekreten befin den sich noch in den Deputationen der Zweiten Kammer die Äbänderungsgesetze über die Schuldotationcn, über die Pensionsverhältnisse der Geistlichen, die Pfandleiher, die Brandversicherunysanstalt und der Bericht über die Kgl. Sammlungen, während von den Deputationen der Ersten Kammer noch unerledigt sind die Dekrete über Ausgaben beim Domänensonds und der Gesetzentwurf über die Re form des höheren Mädchenschulwesens. Ein ganz besonderes Zeichen des „n euen Win - d e s", der im jetzigen Landtage weht, sind die vielen An träge und Interpellationen oer verschiedenen Parteien. Besonders die linke Seite der Zweiten Kammer, zu wel cher auch die Nationalliberalen ihrem ganzen Vorgehen nach gerechnet werden können, hat das Herzensbedürfnis gefühlt, die vor den Wahlen gemachten Versprechungen wenigstens durch Stellung von Anträgen zu dokumentie ren. Wenn diese Anträge auch praktisch auf grossen Wider stand stossen, so bilden sie wenigstens ein brauchbares Ma terial für die Wählerversammlungen. Man kann mit ihnen beweisen, dass man das Beste gewollt hat. Von diesen Anträgen und Interpellationen sind die An fragen über die Schiffahrtsabgaben und die Fleischteue rung durch Regierungserklärungen erledigt, die Vorstösse gegen die Erste Kammer setzen sich in der Deputation wei ter fort, und die Anträge zum Berggesetz können natürlich erst dann zur Beratung gestellt werden, wenn die Erste Kammer mit diesem Gesetz an das Plenum tritt. Daneben find aber noch völlig unerledigt die konservativen Anträge Das Wichtigste vom Tage. * Die gestrige entscheidendeSitzung des e n g- tischen Unterhauses verlief günstig für das liberale Kabinett, so dass dessen Fortbestand vor läufig gesichert ist. Asquiths Erklärung, dah das Budget nicht vor Erledigung der Veto-Resolutionen beraten wer den dürfe, bestimmte die Ire n, nicht zur Opposition ab- zuschwenkcn. * Im englischen Kohlen di strikt Cardiff droht 200 000 Bergarbeitern Arbeitslosig keit, weil keine Einigung zwischen Bergwerksbesitzern und Grubenarbeitern zustande kommt. * Infolge der Intervention des deutschen Botschafters in Konstantinopel hat der Oberstaatsanwalt die Kassa tion des Urteils des Gerichtshofes in Serres gegen den Deutschen R o s p e r t, welches auf mehrjährige Ge fängnisstrafe lautet, beantragt. - Zn Petersburg ist eine Pockenepidemie ausgebrochen, die seit Januar bereits über 400 Opfer ge fordert hat. * Ein Lawinensturz verschüttete die Ortschaft Mace bei Wallace (Idaho). Bisher sind von über 100 Verschütteten 12 Leichen geborgen. * Ein R i e s e n b r ä n d richtete auf der Werft der Clyde Steamship Company in Boston einen Schaden von über 3 Millionen Dollars an. * Wetteraussicht für Mittwoch: Heiter, nachts kälter, trocken. ' Ausführliches siehe an anderer Stelle. Erscheinungsweise t Täglich abends mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Gchriftleituug und Geschäftsstelle: Bausen, Innere Lanenftraß« 4. Fernsprecher: Nr. 51. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bauße». Bezugspreis: Monatlich 1 Mark. Einzelpreis: 10 Pfennige. Anzeigenpreis: Die bgespallene Peiiizrtle oder deren Raum 15 Pfennige, in geeigneten Fällen Ermäßigung. Schwieriger Saß entsprechend teurer. Reklamen: Die 3gespaltene PeNlzeile 50 Pfennige. eo JauhMr Nachrichten. Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bautzen als Kousistorialbehörde der Oberlaufitz. Amtsblatt der AmtShauPtmannschasten Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, ingleichen der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- nnd Gewerbekammer z« Zittau.