Volltext Seite (XML)
4«. Jah^ck»,. Erscheint jeden Wochentag NaHmitt.*/^NHr fLr dm SLLK'EL'L^L"K Donnerstag, den 2«. Januar. ! Iw «cur »erden btt Bormittag 11 lchr augmom- FKFULU mm und bet^t dn^Pi^r für ^pattme Zeile ^OOO rBqerJii^ und Tageblatt, o Amtsblatt für die WWichM mü> Müschea Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Nachbestellungen auf die Monate Februar und März werde« zum Preise vo« 1 M. 50 Pfg. von alle« kaiserliche« Posta«stalte«, sowie vo« de« be kannte« Ausgabestelle« ««d der unterzeichnete« Expedition angenomme«. Expedition des Freiberger Anzeiger. Der russische Frieden. Nachdem die neue Wehrvorlage in der mit der Vor- berathung derselben betrauten Kommission des Reichstages das freundlichste Entgegenkommen gefunden, ist nun dem Bundesrach ein Gesetzentwurf über die Aufnahme einer Anleihe zu militärischen Zwecken mit dem Bemerken zuge gangen, daß derselbe zunächst geheim zu halten sei. Die offizösen „Berliner Politischen Nachrichten" lüften aberden Schleier des Geheimnisses durch die nicht gerade sehr er freuliche Erklärung, daß auch der zuletzt genannte Betrag von 230 Millionen der Wirklichkeit noch nicht ganz ent spreche. Die Phantasie hat also völlig freien Spielraum, sich die Summe, die neuerdings für die Verstärkung der deutschen Wehrkraft beansprucht wird, auf 300 Millionen Mark zu ergänzen. Wenn gleichzeitig zur Beruhigung der Gemüther mitgetheilt wird, daß mit Bewilligung dieser Summe die Forderungen für Heereszwccke auf Jahre hinaus abgeschlossen würden, gebraucht man damit ein Mittel, das zu oft benutzt worden ist, als daß es noch irgend eine Wirkung erzielen könnte. Nachgerade ist man allgemein davon überzeugt, daß bei dem jetzigen Zustand des bewaff neten Friedens die europäischen Militärmächte immer weiter versuchen werden, sich auf dem Gebiete der Kriegsbereit schaft und der rastlosen Vermehrung ihrer Wehrkraft einan der zu überbieten, bis die Steuerkraft und der Geldmarkt völlig erschöpft sind oder die neuen Repetirgewehre von selbst losgehen. Thatsächlich hat die bisherige Vermehrung der deutschen Wehrkraft, die am 1. April v. I eintrat, nicht die erhoffte Wirkung gehabt, die Feinde des deutschen Reiches einzuschüchtern und zu friedlicherem Verhalten zu veranlassen. Jene Gegner haben erst recht fortgerüstet und werden sich durch jedes neue vom deutschen Volke dem be waffneten Frieden gebrachte Riesenopfer nur ihrerseits zu abermaligen ungeheuren militärischen Anstrengungen ange regt fühlen. Keine Militärmacht will sich überflügeln lassen und so ist eine Grenze hierbei sehr schwer zu finden. Bei einem Kriegsrathe, der kürzlich in Warschau unter dem Vorsitze des Generalgouverneurs Gurko stattfand, ollen die russischen Generäle mit den ihnen zu Gebote tehenden Wehrkräften einen Angriffskrieg gegen Deutsch- and für unausführbar erklärt und mehrere Anträge gestellt ,abcn, welche mit neuen großen Geldforderungen verbunden waren. Da auch das militärische Fachblatt „Invalide" erklärt hat, es könne davon gar nicht die Rede sein, mit den zur Zeit in Polen stehenden Heereskräften einen Stoß gegen Deutschland zu führen, erscheint die Mitthellung über das Ergebniß des in Warschau abgehaltenen russischen Kriegsrathes durchaus glaubhaft. An eine Verminderung der russischen Truppenmassen in Polen ist für jetzt nicht zu denken, wenn auch der Zar in seinem Schreiben an den Fürsten Dolgorukow jeden Gedanken an Krieg zurückwies und auch sonst seinen Wunsch, den Frieden zu erhalten, wiederholt nachdrücklich zum Ausdruck brachte. An den kriegerischen Ernst der militärischen Vorkehrungen in Polen kann man deshalb nicht glauben, weil die dortige Truppen anhäufung zwar für das Spiel zu viel, für den Ernstfall aber doch zu unbedeutend wäre. Die russischen Divisionen in der Nähe der deutschen und der österreichischen Grenze sind weit minder störend, als die unklare und unsichere Politik Rußlands, die kein rechtes Vertrauen selbst zu den freund lichsten Friedensversicherungen aufkommen läßt und Deutsch land immer neue Lasten zur Vermeidung unliebsamer Ueberraschungen aufnöthigt. Rußland hat an die Spitze der für seine auswärtige Politik maßgebenden Grundsätze das Prinzip der freien Hand gestellt. Die Truppen anhäufungen in Polen entsprechen diesem Grundsatz in sofern, als sie der russischen Regierung die Möglichkeit ge währen, unbeirrt durch die Haltung seiner fest geeinigten Nachbarn, seinen Vsrtheil in Europa, in Asien, am Balkan und auf dem Wege nach Konstantinopel wahrzunehmen, > sobald die politischen Ereignisse eine Handhabe dazu geben. Damit haben Deutschland, Oesterreich und Italien um so sorgfältiger zu rechnen, da eine Friedensstörung von Frank reich her einmal den Stein unerwartet in's Rollen bringen kann. Wie die Dinge jetzt stehen, müssen wir uns in den Zustand des bewaffneten Friedens hineingewöhnen, der nach menschlicher Voraussicht noch mehrere Jahre in Mittel europa andauern wird. Die abwartende, lauernde Haltung Rußlands zeigt sich besonders bei dem absichtlichen Vermeiden jeder klaren Aus lassung über eine Lösung der bulgarischen Frage, mit der sich nur die russischen Blätter, nicht aber die Staats männer beschäftigen. Die halboffiziöse alte Wiener „Presse" beantwortet die Behauptung des „Nord", daß Oesterreich eine Lösung jener Frage erschwere, wie folgt: „Da schon seit drei Monaten nicht der mindeste diplomatische Verkehr über die bulgarische Frage zwischen Wien und Petersburg stattgefunden hat, kann auch nicht von böswilligen „Hinder nisfen" die Rede sein, welche Oesterreich-Ungarn angeblich in dieser Frage aufgerichtet haben soll." Trotzdem fahren die russischen Blätter fort, zu versichern, daß Oesterreich- Ungam nur dann einer russenfreundlichen Lösung der bul garischen Frage zustimmen wolle, wenn Rußland dafür in eine neue Verletzung des Berliner Vertrages durch die Annexion von Bosnien und der Herzegowina willigt. Die „ N. Fr. Pr." bemerkt dazu: „Was Rußland will, weiß Niemand; dafür aber phantasirt man dort von dem, was angeblich Andere wollen, flott darauf los, um dem eigenen Verhalten, das ganz Europa schwer beunmhigt, ein Mäntelchen umzuhängen." Die „Köln. Ztg." zieht aus diesem Verhalten den Schluß, daß es den russischen Staatsmännern lediglich um eine diplomatische Täuschung und um militärischen Zeitgewinn zu thun sei, und daß es sich für Rußland weniger um das irregeleitete Bulgarien, als darum handelt, durch Entzweiung der mitteleuropäischen Verbündeten eine angenehmere Ge- sammtlage zu schaffen. An Helfershelfern fehlt es dabei Rußland nicht. Die „Nordd. Allg. Ztg." entlarvt als einen solchen den Wiener Korrespondenten der „Times", der dem Grafen Andrassy fälschlich die Absicht zuschrieb, den Minister Kalnoky zu stürzen und ein künftiges Bündniß Oesterreichs mit Rußland und Frankreich für sehr möglich erklärte. Von russischer Seite hat man auch nicht ohne Grund dem in Petersburg so hochgefeierten Lord Churchill eine wichtige Mission zugeschrieben und außerdem das Gerücht in Umlauf gebracht, daß der Minister Flourens eine Allianz zwischen Rußland, Frankreich und England an strebe. Die russische Politik, die fortwährend im Trüben zu fischen versucht, will freilich keinen Krieg, sie verursacht aber den bewaffneten Frieden, den Europa auf die Dauer nicht zu ertragen vermag. Tagesschau. Freiberg, den 25. Januar. Heute begeht das deutsche Kronprinzenpaar in San Remo ein schönes Familienfest, denn es sind heute dreißig Jahre verflossen seit dem Tage, an dem Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen und die Prinzessin Viktoria von Groß britannien den Bund fürs Leben schloffen. In ganz Deutsch land und weit über die Grenzen hinaus nimmt man an diesem Familienfest innigen Antheil. Daß in der deutschen Reichs hauptstadt die Gedanken sich besonder- bewegt nach dem Süden wenden, das findet seine äußerliche Bestätigung in der Adresse mit mehreren hunderttausend Unterschriften, welche dem geliebten Kronprinzen an diesem Ehrentage überreicht werden wird. Bei der Ausstellung dieser Adresse in Berlin war der Besuch zeitweise so zahlreich, daß das Konnte Vor kehrungen treffen mußte, um jedem Einzelnen die Besichtigung zu ermöglichen. Prinz Georg und Graf RadolinSky besuchten ebenfalls die Ausstellung und sprachen wiederholt dem Konnte und dem ausführenden Künstler ihre vollste Anerkennungaus. Während der Ausstellung sind noch mehrere tausend Unter schriften vollzogen worden, welche noch nachttäglich dem Prachtbande beigefügt wurden. Tiefgerührt und erfreut hat in Berlin eine wohlbezeugte Aeußerung deS deutschen Kron prinzen, daß er in den zahllosen Beweisen von Liebe und An hänglichkeit, die ihm von allen Seiten werden, nahezu eine Entschädigung für die ihm durch seine Leiden auferlegte Prü fung finde. Die eröffnete Aussicht, den Kaisersohn im Früh jahr wieder in Berlin begrüßen zu dürfen, hat selbstverständ lich die höchste Befriedigung erregt. Der Kronprinz trug dem Fürstbischof Kopp auf, überall fein gutes Aussehen zu be zeugen. Heute wird der Hochzeitstag der kronprinzlichen Herrschaften in San Remo von den Deutschen Mittags durch ein Festmahl, Abends unter Feuerwerk gegenüber der Billa Zirio auf dem Meere gefeiert. Deu Mittelpunkt des Feuer werks bildet der bei San Remo stationirte italienische Aviso- Dampfer in elektrischer Beleuchtung, umgeben von 12 Booten. — In einem dem Kronprinzen zum Neujahrsfeste zu- gegangenen Glückwunsch-Telegramm des Großmeister» der italienischen Freimaurer lautete der Schlußsatz: „Empfangen Sie den Ausdruck der Gefühle der italienischen Freimaurerei, welche im Verein mit der Familie der Freimaurerder ganzen Welt, insbesondere mit den mächtigen deutschen Logen, deren Protektor Ew. Kaiserliche Hoheit ist, an der Erhaltung de» Frieden» unter allen Völkern mitwirkt, dem einzigen Mittel, um den Triumph deS menschlichen Ideals zu erreichen." Der deutsche Kronprinz ließ dem Großmeister der italienischen Logen durch deren Vertreter bei der Großen LandeSlog« in Berlin, Professor Schottmüller, nachstehende Antwort zugrhen: „Seine K. und K. Hoheit der Kronprinz des deutschen Reiche» *' und von Preußen hat geruht mich zu beauftragen, Ihr en seinen herzlichen Dank für die ihm zum neuen Jahre im Namen de» Großorientes von Italien und sämmtlichen italienischen Logen telegraphisch nach San Remo übermittelten Glückwünsche zu gehen zu lassen, Glückwünsche, welche in klarer Weise auf den Triumph des menschlichen Ideal-Hinweisen. Ich beehre mich u.s.w." — Der deutsche Reichstag bcrieth gestern zunächst den Gesetzeptwurs betreffend den Erlaß der Reliktenbeittäge der Reichszivil, und Müitärbeamten. Dir Abgg. v. Benda und vr. Baumbach begrüßten die Vorlage al» Konsequenz der im vorigen Jahre gefaßten Resolution und wünschten möglichst einstimmige Annahme de» Gesetze». — Aehnlich äußerten sich die Abgg. v. Bernuth und Graf Behr. — Die zweite Berathung de» Gesetzes wird im Plenum stattfinden. — Der Etat deS Rechnungshöfe» wurde ohne Debatte genehmigt. — Beim Etat der Eisenbahnvcrwaltung erwiderte auf eine An frage deS Abg. Lingens Geheimrath Kienel, daß dir Eisenbahnbramten entweder Sonntags Vormittag oder Nach mittag frei seien. Der Etat wurde darauf bewilligt. — E» folgte der Etat de» Reichs Herre». Kap. 24 Tit. 5 und 7 (pensionirte Offiziere und Feldwebel) wurden auf Anttag de- Abg. vr Haarmann der Budgrtkommission überwiesen, behufs Prüfung der mehrfach getroffenen Zenttalifirung der Bezirksmrldebureaus. Bei Kapitel 25 (Naturalverpflegung) wurde von badischen Abgeordneten eine angemessenere Ent schädigung der Qartiergeber befürwortet. — Kriegsministrr Bronsart v. Schellendorff legte dar, daß eine höhere Entschädigung, wie sie diese Anregung bezwecke, nur auf gesetz lichem Wege zu ermöglichen sei. Die Sache sei auch im BundeS- rathe bereits erwogen, stoße aber, abgesehen vom Finanzpunkte, auch auf sachliche Bedenken, da manche Landestheile die Natural verpflegung der Truppen gar nicht übernehmen könnten. Da» Kapitel wurde sodann bewilligt. — Bei dem Extraordinariu« wurde der Neubau von Magazingebäuden in Berlin bemängelt. Abg. Richter beantragte betreffs de- Baues von Militär mühlen die Zurückverweisung der Position an die Budget kommission behuf» Streichung der für die Errichtung eigener Mühlen geforderten Summen. — Generalmajor Blume be fürwortete die Position. Die Rücksicht auf ein besseres Brod für die Soldaten und auf eine genügende Menge Mehl für einen Kriegsfall nöthige zum Bau eigener Mühlen. — Abg. Graf Behr-Behrenhoff sprach sür die Position, die hierauf unter Ablehnung des Richter'schen Antrags genehmigt wurde. Bei Titel 10 wurden 110000 Mk. für den Umbau und die Erweiterung des Festsaoles des Kriegsministerium» verlangt. — Abg. Windthorst beantragte die Streichung mit Rücksicht auf die sonstigen hohen MilitärauSgaben. — Der Minister Bronsart v Schellendorff bat um Bewilli gung, da der jetzige Saal zu klein und wegen seiner niedrigen Höhe gesundheitsschädlich sei. Die Position wurde hierauf be willigt, ebenso, entgegen dem Anttage des Abg. Windthorst, Titel 11, welcher 15000 Mk. als erste Rate für den Neu bau von Kasernements für ein nach Berlin zu verlegende» Gardeinfanterieregiment verlangt. Titel 18, Herstellung einer angemeffenrn Fayade für das Dienstgebäude des General kommandos in Stettin mit 57 SOO MI., sowie 207000 Mk. für einen Kasernenbau in Stolp, wurde dem Kommilsionsantrag gemäß abgelehnt. Bet Titel 38 wurden 188000 Mk. für einen Exerzierplatz bei Schweidnitz gestrichen, im Uebrigen aber die Titel bewilligt, ebenso der Rest des Kapitels. — Im preußischen Abgeordnetenhause führte gestern der Abg. von Meyer-ArnSwalde gegen daS Gesetz über dir Erleichterungen der Schullasten an, daß das HauS damit nicht die Hinausschiebung des SchuldotationS-Grsetze» unter- tützen dürfe. Darauf erklärte der Kultusminister v. Goßler, er fühle sich durch den Gesetzentwurf in seiner verantwort lichen Stellung erleichtert und bettachte denselben nicht al»