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Adorker Wochenblatt. Mittheilnnften über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Neunter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: I Tbalcr, bei Beziehung des Blattes durch Dotengelegenhelti 20 Neugroschen. 29. Erscheint gebe Mittwoche. 17. ^ull 1844. Eine irländische Repenlvcrsannnlung. (Als Lückenbüßer') abgedruckt aus Kohl's Reite durch Irland.) Es war nur eine der gewöhnlichen Nepcalcr-Ver- sammlungen, die O'Connell fleißig zusammenberuft, um immer das Feuer der Agitation unter der Bevöl kerung glimmend zu erhalten. Die Versammlung sand in einem Saale der sogcnaunten „Ooru-Lx- clranKv" (Kornbörsc) in Dublin statt. Obgleich ich mich zu rechter Stunde cinstellte, so sand ich den Saal doch schon gedrängt und zum Er sticken voll. Es waren, wie mir cs nach dem Aeu- ßercn schien, säst lauter solche Kerry-wen und County- Clare- und County-Kildare men, wie ich sie in ihrer cigenthümlich componirlen Lumpentracht im Innern des Landes gesehen halte. Ich sah zu meiner großen Verwunderung nur sehr wenig ganze Röcke und nicht viel solche Leute, welche wir ordentliche und gute Bürger nennen würden. Sie standen und saßen alle auf amphithcatralisch «n den Wänden des Saales aufgerichteten Bänken. In der Mitte stand ein Tisch, an dem einige Schrei ber und „koportvrs" (Zeilungsberichlerstaller) saßen. Eine Tribüne, welche über alle Köpfe hervorragte, war auch mit Weibern, Knaben, Mädchen und an derem Volke angefullt. Die ganze Versammlung bot einen solchen Anblick bar, wie er aus dem Continente, in Frankreich, Deutsch land einem nur dann zu Theil wird, wenn dort von einem politischen Orkane selbst die untersten trüben Schichten des Wassers aufgeregt werden. Ja selbst dann, in Revoluüonszciren, sucht man kaum etwas ') Der im vorigen Blatte begonnene Aufsatz: „Ucbcr die Stellung der Geistlichen zu iyrcn Gemeinden", konnte diesmal »uMig nicht fortgesetzt, soll aber in der nächsten Nummer be- «chet «erden. Aehnliches unter uns. An dem Ende des Tisches war ein hoher Stuhl für den Chairman (den Präsidenten) der Versammlung ausgestellt, und daneben einer für O'Connell. Uebcr dem Stuhle des Chairman schweb te eine grüne Fahne, auf der mit goldenen Buchsta ben die Worte: „livpval! kopoal! kvpcal!" gestickt waren. An den Wänden des Saales waren, wie dicß gewöhnlich in England bei solchen Gelegenheiten der Fall zu sein pflegt, mancherlei Sprüche ange bracht, wie z. B. folgende: „Das Volk, welches sich nicht selbst Gesetze zu geben verlangt, verlangt Sklaverei und verdient Sklaverei!" „Der Mann, welcher ein Verbrechen begeht, ver mehrt die Stärke des Feindes." „Uvperrl is Lriu'8 riokt rrnck Oock's ckeereo/* (Repeal ist Erin's Recht und Gottes Rathschluß.) Wir hörten endlich Geschrei und „Otrsors" (Hur- rahs) auf den Straßen und das Rollen eines Wa gens. Es war der Lord-Mayor. Er trat bald da rauf herein und der Chairman, dessen Namen ich ver gessen habe, mit ihm. Ich muß die Wahrheit sagen, ich denke, ich war ganz ohne Vorurtheil gegen O'Con nell, aber er kam mir in seinem Lord-Mayor-Costüm etwas komisch vor. Es schien mir, als wollte ihm dieser prächtige, rothe, mit Pelz verbrämte Rock und diese lange, doppelte, goldene Ehrcnkette nicht so ganz passen. Wenigstens sah ich in London einen Lord-Mayor, dem dieser ganze Prunk viel besser klei dete. Dieß ist kein Tadel für O'Connell; denn eS giebl nun einmal viele große Geister, die für Unifor men nicht gemacht sind. — Er war auch etwas be- näßt dabei, und selbst in seiner Perrücke hiengen eini ge Wafserlropfen; denn er hatte so eben auf den öf fentlichen Platzen Dublins die Wasscrpumpen der Stadl inspicirt und , robiren lassen. — Die Cheers, mit denen er ausgenommen ward, waren außerordent-