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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.08.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080804021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908080402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908080402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-04
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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Bezu-S-Prei- iür Lewz>g unv Porirte durch unsere Träger und SveLiteur» m» Haus gebrach«: Ausgabe t «nur morgens) »lerttljthrUch 3 M., m,na:lich I M.; Ausgabe l> (morgens und abend») diene«. iLhrlich «.SO M., monatlich I.SO M. Lurch bt« chvit ,u be,leben: st mal täglich) innerhalb LeulschlandS und der deutlche» «olonien oierieliLhrlich b,2S M.. monatlich I,7S M. auSschl. Post, beftellgeld, ür Oesterreich v L tiv d, Ungarn 8 L vierieijäbrlich. ferner >n Bel» a>en, Dänemarl, den Lonauftaaten. Italien, Luxemvurg, Niederiaild«, dlorwegen, Nub- land. Schweden, schwer» und Spanien. In allen übriaen Staaten »nr direkt durch dl« llxped. d. Hl. «rhtlllich. Abonnement-Annahme: Augustu-platz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Dw einzeln, illummer lostet Ist Pfg. «edaktton und Lxvrdtttonr Johannitgasse 8. Lelevdon Nr. «4602. Nr. 14S93. Nr. 14KS4. Abend-Ausgabe 8. MpMerTagMü Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Vottzeiamtes der Stadt Leipzig. Nr. 2IL Dienstag 4. August 1908. Anzeigen Preis sstr Inserat« au» «leip»>g und Umgebung dl« Sgespalten« Petitzeile 2L Pi., stnan,iell» Anzeigen 60 P,., Reklamen l M.; von autwärli M Ps., Reklamen 1.20 Ni.; vomAu»lanb5t-Ps., ftnan,. An;eigen7SPl. Reklamen I.LO M. Inserate ». Bchbrden >> amtlichen Teil «0 Pi. Beilagegebüdr b M. p. Tausend ex kl. PoH- gebühr. Geschästianzeigcn an beborziigle: Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Turi Festcrieiitc Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da» ürscheine» an beirimmten lagen und Plätzen wird leine Garantie übernommen Anzeigen-Annahme: AugustuSplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de» I» und Antlande». Haupt-Filiale Berlin: Earl Duncker, Herzogl. Bavr. Hojbuch- Handlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI, Rr. 4003). Haupt-Filiale Lretzdrn: Eeestratze 4,1 (Telephon 4621). 102. Iabrgansi. Das wichtigste. * Graf Zeppelin hat heute früh 6 Uhr 45 Minuten, wie aus Friedrichshafen gemeldet wird, eine neue Probefahrt angetreten. sS. Ber.) —— * Dem Vernehmen nach ist die Kaiserin-Witwe von Ruß land ernst erkrankt. Alle anläßlich des Namenstages in Aussicht genommenen Feierlichkeiten sind abgesagt worden. * Die türkische Kammer soll am 14. November zusammen treten. sS. Ausl.) * Die italienischen und österreichischem Delegierten zum 17. Inter nationalen Friedenskongreß in London haben ein K o m i t e e zur Her beiführung herzlicher Beziehungen zwischen Italien und Oesterreich gebildet. Sächsische Industrie nnd Dr. Tille. In einem Vortrag, den Herr Dr. Alexander Tille vor kurzem bei den Eisen- und Stahlindustriellen gehalten hat, ist auch das zuerst von Herrn Kommerzienrat Menck empfohlene Projekt einer deutschen Arbeitgcberpartei wieder erörtert worden. In seinen einleitenden Be trachtungen spricht Herr Tr. Tille, ehe er das unglückselige Projekt einer eigenen Arbeitgeberpartei erörtert, von der politischen Vertretung der deutschen Industrie an sich und sagt, diese Bewegung innerhalb der In dustrie nach einer stärkeren politischen Vertretung zeige eine Einmütig keit, wie sie in industriellen Kreisen kaum je vorgekommen sei. Nur eine gewisse Gruppe Industrieller im Königreich Sachsen halte sich davon zurück. Diese Bemerkung des Herrn Dr. Tille, die sicherlich auf den Ver band Sächsischer Industrieller gemünzt ist, zeigt von einer bodenlosen Oberflächlichkeit und Unkenntnis der Dinge. Ehe noch die Herren Bueck und Dr. Tille den Gedanken einer stärkeren politischen Vertretung der deutschen Industrie in die Menge der deutschen Arbeitgeberschaft ge worfen hatten, hatte der Verband Sächsischer Industrieller auf diesem Gebiete bereits praktische Arbeit geleistet. Das Charakteristische an der Entwicklung des Verbandes Sächsischer Industrieller ist gerade sein Ein greifen in die politische Betätigung gewesen, das ihm im Anfang nament- lich von konservativer Seite sehr verdacht worden ist. Die Entwicklung des Verbandes hat aber bewiesen, daß er sich auf dem rechten Wege be funden hat, denn das von ihm erstrebte Ziel einer stärkeren Vertretung der Industrie in den gesetzgebenden Körperschaften des Königreiches Sachsen kann für die Zweite Ständekammer als erreicht angesehen werden. Soviel uns bekannt ist, gehören von den 82 Abgeordneten der Zweiten Ständckammer nicht weniger als 27 dem Verband Sächsischer Industrieller an, und bekannt ist, daß die nationalliberale Fraktion des sächsischen Landtages überhaupt in ihrer Mehrzahl aus Industriellen und Kaufleuten besteht. Im Königreich Sachsen ist es daher gelungen, dasjenige zu erreichen, was Herr Dr. Tille und die Kreise des Zentral oerbandes Deutscher Industrieller überhaupt erst in ihren Anfängen anstreben. Wenn es den Herren gelungen sein wird, einmal im preu ßischen Landtag der hauptsächlich von ihnen vertretenen preußischen In dustrie denjenigen Einfluß zu verschaffen, den die sächs/sche Industrie dank der Tätigkeit des Verbandes Sächsischer Industrieller bereits be sitzt, so werden sie sich des Erreichten herzlich freuen können. Wir wünschen ihnen auf diesem Wege recht viel Glück, können ihnen aber auch schon im voraus prophezeien, daß sic dieses Ziel nur erreichen werden, wenn sie sich von Bueckschcr Einseitigkeit frei halten und ebenso wie die maßgebenden Kreise des Verbandes Sächsischer Industrieller verstehen werden, die Interessen der Industrie mit denen der Allgemeinheit und namentlich auch mit denen der der Industrie nahestehenden abhängigen Gruppen in Einklang z» bringen. Vor allen Dingen aber wäre ihnen zu wünschen, wenn sie sich über tatsächliche Vorgänge erst recht unter richteten und nicht derartige, den Tatsachen ins Gesicht schlagende Be hauptungen ansstellten, wie sie sich in den oben skizzierten Einleitungs worten des Herrn Dr. Tille finden. Tie „gewisse Gruppe" von In dustriellen iin Königreich Sachsen umfaßt im übrigen zwei Drittel der sächsischen Industrie überhaupt. Inr Strafprozeszreforin wird uns von parlamentarischer Seite geschrieben: Die Grundzüge einer neuen Strafprozeßordnung und «in Zusam menhänge dann« einer Aendcrung des GerichtsvcrfassungZgefetzcs sind letzthin bckanntgegeben worden. Die vollständigen Entwürfe sollen nächstens veröffenilicht werden, und es steht zu erwarten, daß sie im kominenden Winter an den Reichstag gelangen. Tie jetzt geltende Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 ist das unvollkvmmcnssc der großen Reichsjustizgesctze, unvollkommen nament lich deswegen, weil bei ihm politische Gesichtspunkte die sorgfältige juristisch-technische Arbeit beeinflußt haben. Aus Laien- und aus ^uristenkrei'en wurden schon bald nach dem Erlaß des Gesetzes lebhafte Abänderungswünjchc laut. Diese Wünsche betrafen vor allem zweierlei: die Teilnahme von Laien an der Rechtsprechung der Strafkammern und die Einführung der Berufung gegen die Urteile der Strafkammern. Beiden Wünschen werden die neuen Gesetze entgegcnkommen. Die Berufungsgerichte werden allerdings nur aus rechtsgelehrten Richtern bestehen. Es ist zu hoffen, daß diese letzte Bestimmung nicht zu unüderwindtichen Schwierigkeiten innerhalb des Parlaments führen möge. Was im übrigen über das kommende Recht bekanntgewvrdcn ist, wird weitgehender Zustimmung gewiß sein: Tie Schwurgerichre wer den beibchaltcn. Das Strafbefehlsverfahren wird ausgedehnt, ein be schleunigter Prozeß in größerem Umfange zuaclassen werden. Tas «st erfreulich. Ter Strafbefehl ist geeignet, das Verfahren schnell zum Ab- fchlussc zu bringen, dem Angeklagten die Peinlichkeit der öffentlichen Hauptverhandlung und erhebliche Kosten zu ersparen, die Gerichte wesentlich zu entlasten. Weiter wird in Erfüllung liberaler Forde rungen die Untersuchungshaft eingeschränkt, der Zeugniszwang gegen- über der Presse in der Hauptsache beseitigt, die Verteidigung im Vor verfahren verstärkt, den Schöffen und Geschworenen eine Entschädigung gewährt werden. Zu billigen ist die geplante Einschränkung des sog. Legalitätsprinzips, d. h. der Verpflichtung der Staatsanwaltfchaft, jede zu ihrer Kenntnis gelangte Straftat zu verfolgen. Mit besonderer Genugtuung wird man den Versuch begrüßen, der Eigenart der von Jugendlichen begangenen Delikte gerecht zn werden, diese Delikte sämt lich den Amts- bzw. Schöffengerichten zuzuweiscn und besonders ge eignete Richter für sie zu bestellen. Noch in der vergangenen Reichs tagssession ist namentlich die nationallibcrale Partei durch den Ab geordneten Äasscrmann dafür eingetreten, daß dem Jugendstrafrechte erhöhte Aufmerksamkeit zuteil werde. Ohne den kommenden eingehenden Beratungen vorgreifen zu wollen, mögen schon jetzt einige kritische Bemerkungen zu der geplanten Reform am Platze sein: Die Organisation der Strafgerichte wird sehr kompliziert werden: der Amtsrichter ohne Zuziehung von Schöffen für Ucber- tretungen: der Amtsrichter mit zwei Schöffen für kleinere Vergehen: die Strafkammer, bestehend aus zwei Richtern und drei Schöffen, für schwerere Vergehen: die Schwurgerichte für Verbrechen: das Reichs- gericht in der Zusammensetzung von zwei Senaten für Hoch- und Lan desverrat: das Landgericht in der Besetzung von drei Richtern als Be rufungsgericht gegen die Urteile des Amtsrichters und der kleinen Schöffengerichte: ein Strafsenat von fünf Richtern als Bcrufungs- gericht gegen die Urteile der Strafkammern Igrößeren Schössen- gerichte): ein Senat des Oberlandesgerichts, bestehend aus 5 Räten, als Revisionsgericht gegen die Berusungsurtcilc der Trci-Richier- Kämmern: ein Senat des Reichsgerichts als Revisionsgericht gegen die Berufungsurteilc der Fiinf-Richter-Kammern und der Schwur gerichte. Tas macht nicht weniger als neun verschiedene Strasgerlchie. Tie Organisation der über die schwereren Vergehen urteilenden Gerichte, des eigentlichen Zentrums der Strafrcchtspslege, befriedigt nicht recht, wobei die große Schwierigkeit der Sache nicht verkannt wer den soll. Sind die beiden gelehrten Richter der ersten Instanz oder eine Rechtsfrage verschiedener Meinung, so kann diese Rechtsfrage durch die drei Schöffen kaum befriedigend gelöst werden.* Tie Unzu- träglichkciten, die die geplante Besetzung der Gerichte mit zwei ge lehrten Richtern für den inneren Dienst der Gerichte mit sich bringt, leuchten zudem ohne weiteres ein. Nicht recht verständlich ist es, waruin der Bcrusungssenat je nach örtlichen Verhältnissen an ein Land- oder Obcrlandcsgericht angeschlossen werden soll. Der Senat ist nicht als Senat des Oberlandcsaerichts gedacht, sondern soll jedenfalls aus Landgerichtsräten bestehen. Es ist also wünschenswert, daß das auch äußerlich dadurch zum Ausdrucke kommt, daß er ausnahmslos an die Landgerichte anaeschlossen wird. Tie Vorschläge der Regierung unter lassen es mit Recht, die Oberlandesgcrichte als solche zu Bcrufungs- gerichten zu machen. Tic Ausdehnung der Obcrlandesgerichtsbczirke steht dem entgegen. , Ernster Erwägung wird es bedürfen, wie die geplanten Aende- rnngen ohne allzu große Vermehrung des Richterpersonals durchzu führen sind. Zeppelins neue Probefahrt. Aus Friedrichshafen wird gemeldet: Die Beschädigungen, die das Zeppelinsche Luftschiff am 15. Juli erlitten hat, sind nun wieder vollständig ausgebkssert. Gestern wurde mit der Füllung der ein zelnen Ballons begonnen. Militätische Hilfe ist jetzt nicht mehr notwendig. Ob aber das Luftschiff zunächst nur einen Probrslug unter nimmt, oder ob der Graf sofort zur Fernfahrt übergeht, läßt sich bei der strengen Verschwiegenheit des Zeppelinlchen Bureaus nicht Voraussagen. Bei ber raschen Entschlossenheit des Grafen Zeppelin, von der schon manches Beispiel bekannt ist, erscheint eS nicht ausgeschlossen, daß er sofort zur Fernfahrt übergeht. Das Wetter ist idealschön und dieNächle fiudhell: beides sind die Vorbedingungen für das Gelingen der von aller Welt mit lebhafter Spannung erwarteten Fernfahrt. Außer dem Grafen, den leitenden Ingenieuren und den Monteuren wird das Luftschiff niemand begleiten. Auch wird eine Zwischenlandung nicht unternommen werden. Das seither gestattete Herumfabren um die Ballonhalle mit Booten und Motorfahrzeugen ist von der Behörde streng untersagt worden. lieber den neuen Ausstieg, der mittlerweile erfolgt ist, liegen bis jetzt folgende Depeschen vor: Graf Zcppeliu ist heute früh 6 Uhr 4ö Mi», aufgesticgen. Wenn die zunächst vorgesehene Probefahrt gut verlaust, tritt er sofort die vieruudzwanzigslündige Fahrt nach Mainz an. Das Luftschiff schlug zunächst die Richtung nach Konstanz ein, das um 7 Uhr passiert wurde. E«n weiteres Telegramm aus Konstanz meldet: Gras Zchpelin Feuilleton. Die Welt ist für Tyrannen. Doltaire. * Lin neuer Buch über Michelangelo. Von Dr. Rosa Schapire. Viel mehr, als wir uns Lessen bewußt sind, ist unsere Wertung der Kunst der Vergangenheit abhängig von den zurzeit herrschenden Kunst- «dealen. Unwillkürlich suchen wir mit rückschauendem Auge nach einer Bestätigung dessen, was das Wollen unserer Zeit ausmacht, und wenn verwandte Seelenkräfte wieder am Werke sind, wird auch der Zugang erleichtert zu Erzeugnissen, von denen uns Jahrhunderte trennen. — Die Signatur der blldenden Kunst des ausgehenden 19. und des begin nenden 20. Jahrhunderts ist das ungehemmte Sichausleben der Persön- lichkeit. Nicht auf die verschiedenen „Ismen" kommt cs an, die sich, weil Modekrankheit, mit einer oft erschreckenden Rapidität ablösen, sondern darauf, daß nach einem Geschlecht der Akademiker eine Gene ration erstanden ist, deren oberstes Gesetz nicht mehr Regelzwang ist, sondern Ehrlichkeit. Neben dem Verlangen des unmittelbaren Wieder gebens der Impression Las bewußte Streben nach Stil, wie auch sclbst- verständlicherweise das Freisein von der Schnürbrust der Akademiker oder dem „Rezept" nicht identisch ist mit Willkür — innere Gesetzmäßig- leit liegt stets großer Kunst zugrunde. Ist nun das galante 18. Jahrhundert mit seinem Streben nach Grazie Zierlichkeit und Eleganz an den prometheischen Gebilden eines Michelangelo mit äußerem Respekt und innerem Grauen vorbei- gegangen, so ist jetzt wieder der Boden bereitet für das Verständnis lenes Größten unter den Großen. Die Michelangelo-Jorschung hat in den letzten Jahrzehnten ungeahnte Dimensionen angenommen, und cs handelt sich dabei nicht nur um das Zusammentragen neuer historischer Bausteine, sondern um das Verlangen, das Bild des Menschen und Künstlers aus seinen Werken lebendig erstehen zu lassen. Die deutsche Literatur besitzt bereiis ein Standarbwork über Michelangelo. Es ist Karl Justis Buch „Michelangelo", das die tiefste Einsicht gibt in das Werden der Deckenmalerei der Sixtinischen Kapelle, in „die Tragödie" des Julius-Grabes, und in mustergültiger Weise des Künstlers „bild nerische Gepflogenheiten" untersucht. Dieses Werk, das nur einen Teil von Michelangelos reichem Leben und Schaffen umspannt, ist die Frucht gelehrtester Studien, reifster Einsicht in das Wesen der Kunst; es zu schreiben, war Notwendigkeit für den Verfasser, und sein Studium wird zum Erlebnis kür den Leser. — Henry Thode geht in seinem groß angelegten Werke „Michelangelo und das Ende der Renaissance" — der dritte Band steht noch aus — andere Wege und sucht den Künstler aus den Ideen seiner Zeit zu begreifen. Als dritter, last not loast, ge sellt sich Justi und Thode Karl Frey.*) *) Michelagntolo Buonarroti. Sein Leben und seine Werke. Dar- pesteM von Karl Fred, Professor der neueren Kunstgeschichte an der UniverfitSt Berlin. Bd. I. Michelagniolos Jugendjahre. Berlin, Verlag von Karl Lurttus, 1807. Von Frey war ein Werk über Michelangelo zu erwarten, und es ist zu wünschen, daß jenem ersten Bande über die Jugendjahre die weiteren recht bald folgen mögen. Das Erforschen dieses Gewaltigsten unter den Cinquecentisten ist Frev zur Lebensaufgabe geworden; danken wir ihm doch neben Einzelstudien über Michelangelo eine mustergültige Neuausgabe der Dichtungen des Meisters, Ueber- traaungen ausgewählter Briefe von ihm und an ihn und die wunder volle Publikation seiner Handzeichnungen, die seit etwa einem Jahre im Erscheinen begriffen ist. Freys Biographie baut sich auf dieser impo- nierenden, selbständig verarbeiteten Dokumentekenntnis auf und mit kundiger Hand weiß er sein Material zu sichten; Exkurse zu den ein zelnen Kapiteln, die für den Forscher eine Fülle des Wissenswerten und zum Teil ganz Neuen enthalten, sind der leichten Orientierung wegen in einen Scparatband *l „Quellen und Forschungen" zusammengefatzt. Endzweck ist dem Verfasser jedoch nicht Tetailforschung, wesentlicher ist es ihm, die einfachen großen Linien herauszuardciten, die trotz der An häufung von Einzeltatsachen nicht eben klarer geworden sind- „Darum erwächst für den, der Michelagniolos Leben und Wirken zu schildern unternimmt, die Aufgabe, bei aller Liebe zum Besonderen und In timen und trotz dem Anreiz, diesem nachzugchen. aus der Fülle und dem zufälligen Nebeneinander der Elemente, die Äcsamtcrscheinung und Bedeutung des Meisters hcrauszuheben, und sollte es selbst auf Kosten der Vollständigkeit und sogenannten Exaktheit geschehen, die ja doch nur relativ sein können." — Tas Buch zerfällt in 11 Abschnitte, eine Besprechung des Eros im South Kensington-Museum in London bildet den Schluß: aus äußeren Gründen auf den Umfang des Buches wird erst der folgende Band das zwölfte Kapitel über den David enthalten, das letzte von Michelangelos Jugendwerken. Wir verfolgen Michelangelos Entwicklung nach dem schönen Goethe- schen Wort: „Natur- und Kunstwerke lernt man nicht kennen, wenn sie fertig sind: man muß sie im Entstehen aufhaschcn, um sie einigermatzen zu begreifen" von jenem Augenblicke an, wo der Knabe, über dessen erste Anfänge wir nur unzulängliche Kunde haben, als 13jähriger 1488 «n Do menico Ghirlandajos Maleratelier eintritt. Eine gelehrte wissenschaft liche Bildung, wie sie Leonardo da Vinci besessen, ist Michelangelo nicht zuteil geworden, doch war sein Bildungsniveau weit höher als das des Gros der damaligen Künstlerschaft, und der unablässig Strebende hatte noch im Alter von 70 Jahren die Abficht, Latein zu lernen. Sein Freund Donato Giannotti hat uns folgenden Ausspruch des Künstlers überliefert: „Ich habe stets an der Unterhaltung und dem Umgang mit gelehrte» Personen Gefallen gefunden, und wenn Ihr Euch recht be sinnt, so hat es in Florenz keinen Humanisten gegeben der nicht mein Freund wäre. Daher ist mir, wie Ihr seht, mancherlei deiaebracht wor den, was mir jetzt zustatten kommt, wenn ich.Dante, Petrarka und all die Schriftsteller lese, die in unserem toskanischen Idiome geschrieben haben." Ter Eintritt bei Ghirlandajo entsprach den Intentionen des VaterS Lndovico Buonarroti nicht. Floß auch kein kaiserliches Blut in Michel angelos Adern, wie er selbst angenommen hat, und war er auch «nit den Grafen Canossa nicht verwandt, so gehörte seine Familie doch der *) Michclagniolo Buonarroti. Quellen und Forschungen zu seiner Geschichte und Kunst, dargcstellt von Karl Freh. Bd. I. Berlin, Verlag von Karl EurtiuS, 1807. Florentiner Bürgerschaft, an die sich aus kleinen Bankiers usw. rekru tierte und dem Handwerker gegenüber, und als solcher wurde im 15. Jahrhundert auch der Maler geachtet, eine vornehme Ucberlegenhcit empfand. Gab doch Michelangelos Vaters der zur Zeit der Gevurt des Knaben PodestL sGouverneurj in Caprese, einem kleinen Bergncst in der Nähe von Florenz gewesen war, Lorenzo il Magnifico auf die Frage nach seinem Beruf die borniert-hochmütige Antwort: „Ich bade nie in meinem Leben ein Gewerbe betrieben, sondern mich stets mit dein geringen Einkommen aus den paar Besitzungen begnügt, die mir von meinen Vorfahren hinterlassen worden sind; und mein Bemühen geht einzig darauf aus, diese nicht nur zu behaupten, jondern soviel ich vermag zu vermehren." Trotz der kontraktlich stipulierten dreijährigen Lehrzeit war Michel, angelo nur ein Jahr bei Ghirlandajo; Frey sucht den etwas tendenziös gefärbten Bericht über jene Periode, den uns Condivi übermittelt — Condivis ftark von Michelangelo beeinflußte Schrift lieft sich oft wie eine Autobiographie des Meisters — von manch fremden Zügen zu befreien. — Ter Hang zur Plastik wird im Knaben immer stärker, und wir begegnen ihm im Jahre 1189 als Lehrling im Casino Mcdicco, das unter Bertvldos Leitung „als erstes Museum wie als früheste Kunst akademie Europas" erscheint. Damit ist der Grund zu Michelangelos Beziehungen zu den Mediceern gelegi, die bis an sein Lebensende mit den Mitgliedern dieser weitverzweigten Familie gereicht haben. — An einschneidenden äußeren Ereignissen in Michelangelos Leben folgen 1494 die für seine künstlerische Entwicklung so bedeutsame Flucht nach Bologna und zwei Jahre darauf sein erster Einzug in die Ewige Stadt. Lebendig wird in Freys Schilderung die Zeit, in der Michel angelo gelebt hat, die Stadt Florenz, die Polizian im Jahre 1490 ge nannt hat Ine schönste unter den Städten Italiens, geadelt durch Reichtum, Siegcsruhm, durch Künste und Monumente, sowie «in Ge nüsse von Ueberfluk, Gesundheit und Frieden", und die Menschen, zu denen er in Beziehung getreten ist: Lorenzo il Magnifico, der weit sichtige Mäzen, und sein Nachfolger Piero il Ficro, der erste der Mc- biccer, der den Bürger und Kaufmann abgestrcift und ganz als Fürst aufgetreten ist, der Humanist Polizian, der liebenswürdige Hausgenosse Lorenzos, Bcrtoldo di Giovanni, der Leiter der Gärten von San Marco und Verehrer der Antike. Und jene Gärten selbst, wo den jungen Florentinern eine künstlerische Ausbildung zu teil wird: Zeich nen gilt nach Donatellos Grundsatz als oberste Kunst auch für den Plastiker, und die Skulpturen der mcdiceiichcn Sammlung mögen die Vorlagen für die kunstbcslissenen Jünger gewesen sein. Hier hat Michelangelo Gelegenheit, aus erster Hand die Antike kennen zu lernen und ,,sie ist und bleibt das wesentliche Element in feiner Bildungs geschichte, wie in seiner Produktion", von entschiedenerem Einfluß auf ihn als die Kunst seiner unmittelbaren Vorgänger: Tonatello, Andrea del Verrocchim Jacopo della Ouercia. Beleuchtet wird ferner und auf das richtige Maß zurückgesührt Savonarolas Einfluß auf Michelangelo; der Künstler bat seine Predigten sicherlich in Florenz gehört, war je doch kein direkter Anhänger des Reformators wie Botticelli, Lorenzo die Credi. die Robbias und viele andere Künstler in Florenz. Tie Ein- Wirkung dieser starken Persönlichkeit auf Michelangelos Innenleben ist gewiß nicht zu unterschätzen, aber ein Einfluß aus seine Kunst nach ,rorm und Inhalt hält einer ernsthaften kritifchcn Untersuchung nicht stand.
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