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Voigtländischer Anzeiger. Sechs nnd fünfzigster Jahrgang. Redigirt von Advocat S. Böieprecht. Truck und Verlag von C. Wieprechts seel. Wittwe in Plauen. Jährlicher Abonnementspreis für dieses Blatt 25 Ncugroschen. — Die Jnsertionsgebühren werden mit 1 Neugroschen für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß des Raumes. — Sonnabend. M «1 2. August 1825. Welthandel. Durch eine unterm 8. Juli in Preußen erlassene Ka- binetsordre wird das bestehende Verbot der Einräumung von evangelischen Kirchen zum Gebrauch für den neukatho lischen Gottesdienst dahin modisizirt, daß an den Orten, wo schon vor Erlaß jenes Verbots den Neukatholiken evan gelische Kirchen geöffnet worden sind, oder wo in Zukunft kein zum Gottesdienst zu benützendes Lokal vorhanden sein sollte, den Deutschkatholiken der einstweilige Mitgebrauch der evangelischen Kirchen zuqelassen wird. Ein katholischer Geistlicher in der Nähe von Ulm ist deshalb, weil er auf der Kanzel gegen den Protestantismus Schmähreden ausgestoßen hat, zu zwei Jahren Festungs- sirafe verurtheilt worden. Die Frau eines Gastwirths in Glatz saß mit ihren fünf Kindern in dem Wagen, während die Pferde durch gingen und dem dasigen Fluß, der Neisse, zueilten. In großer Geistesgegenwart ergriff sie ein Kind nach dem an dern und warf sie so, daß sie keinen Schaden nahmen, sämmtlich aus dem Wagen und sprang sodann selbst heraus. Kaum war dies geschehen, so stürzte das Fuhrwerk in dke Fluthen, worin die Frau ohne jene Geistesgegenwart mit ihren Kindern ihren Tod gefunden haben würde. Ungeheueres Aussehen erregt der an dem Rathsherrn Leu in Luzern begangene Mord. Leu, welcher hauptsäch lich die Berufung d-r Jesuiten veranlaßt hatte und deren eifrigster Vertheikiger war, wurde Nachts im Bette er schossen aufgefunden, ohne daß bis jetzt ermittelt ist, ob er selbst Hand an sich gelegt oder ob ein Anderer jene That verübt hat. Letzteres glauben die Jesuiten mit ihrem An hänge und bieten daher Alles auf, um plausibel zu machen, daß dieser Mord von ihren Feinden ausgehe, gegen welche sie zur Rache mahnen. Die Seiten Dänemarks projectirte Verschmelzung der Herzogtümer Holstein und Lauenburg hat in der würtem- bergischen Kammer der Abgeordneten den Antrag hervorge- rusen: die Kammer möge gegen die Staatsregierung die Erwartung aussprechen, daß dieselbe, wofern unmittelbar oder mittelbar das Necbtsverhältniß jener Herzogthümer als Bestandteile des deutschen Bundes wirklich gefährdet sein würde, zu Wahrung des Recktszustandes derselben die ge eigneten Maßregeln im Vereine mit den übrigen deutschen Bundesregierungen ergreifen werde. Dieser Antrag ist ein stimmig angenommen worden. 1 Die Verfasserin, oder der Verfasser des Aussatzes im letzten Stücke gegenwärtigen Blattes, überschrieben: „Die „Verwaltungs- und Gerichtsbehörden im freundschaftlichen „Verein" beweist durch diese Ueberschrist nicht allein,' son dern auch durch den Inhalt seines Aussatzes, daß sie, oder er fern, sehr fern vom Gebiete der Rechtswissenschaft lebt. Die Vorspiegelung, als ob die Gerichtsbehörde gegen die Verwaltungsbehörde bei der erzählten Gelegenheit feind selig aufgetreten sei, beruht in völliger Unwahrheit und auf Jrrthum. Das Stadtgericht ist in jeder bei ihm anhängigen Civil- rechtssache die Person, welche die Anträge der Partheien empfängt, der Gegenparthei bekannt macht, die Acten in der gesetzlich vorgeschriebenen Form führt, und Entscheidun gen giebt, mit diesen letzteren aber, im Falle interlocutorische Puncte darin nicht enthalten, seine Wirksamkeit beschließt und beschließen muß, wenn nicht einer der Streittheile auf Vollziehung der Entscheidungsbestimmungen dringt, d. h. mittelst Execution ihm, als siegendem Theile, zu seinem Rechte zu verhelfen nachsucht. Jedes Proceßgericht muß einem solchen Gesuche bei 100 Mfl. Genüge leisten, tritt aber nun und nimmermehr dadurch in die Qualität einer Parthei.