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Dresdner Journal : 13.02.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190202138
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19020213
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19020213
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-02
- Tag 1902-02-13
-
Monat
1902-02
-
Jahr
1902
- Titel
- Dresdner Journal : 13.02.1902
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ve,a«»»ret«: Beim Bezüge durch di« G«sch-ft»ft«ik t,»,r^r» Pr-»E »,dv M teinschl M L DO^lDR^FUlU 2.HI I ^lII III I «-,»» »u-u»«» I» « ^«onnlal HcrauSgegeben von der Königl. Expedition de- Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheine«: Werktag« nachm v Uhr. Wird Zurücksendung der für die Schrift!eituag bestimmte«, «der vo« vieler nicht rin- arsorderten VeittLge bean sprucht, io ist da« Popgeld beiz »fügen. ««kü«»t,»,»,edüvre»t Dir Zeile kleiner Hchnft der 7 mal aefpaltenen Untündi« qv ,,.,s seile oder deren Stau« do Pf Bei la bellen- and Ziffernsatz k Ps Aufschlag für dir Zeile Unterm Re- daktion-strich (Eingesandt) die Lextztile mittler Schrift oder deren Raum KO Pf Gebühren - Ermäßigung del öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bi« mittags »S Uhr für du nach» Mittag« erfcheinende Nummer V 3«. Donnerstaff, den i3. Februar nachmittaffs. 1!>02 AichtawINchkr TcU. Der Reichskanzler Graf Bülow und der bundesstaatliche Charakter des Reichs. Dar brutsche Volk ohne Unterschied der Stämme erwartet von dem Reichskanzler eine kräftige und wirkungsvolle Wahrnehmung der deutsch-nationalen Interessen nach innen und nach außen. Daß Graf Bülow hierzu bereit und im stände ist, hat er wiedtiholt bewiesen, zulktzt noch bei Behandlung der polnischen Sprachenfrage im Preußischen Ab- geordnetenhause. Ader ebenso ist es bemerkenswert und für das Vertrauen in den Bestand und die Sicherheit de- schwer errungenen Reiches freudig und dankbar zu begrüßen, daß Graf Bülow keine Gelegenheit vorübergehen läßt, ohne die verfassungs mäßigen Rechte der Bundesstaaten mit Nachdruck zu betonen und vor jeder Antastung zu schützen. So erklärte er bei Besprechung der polnischen Inter pellation im Reichstage: „LS handelt sich um die innere Angelegenheit eine« Vundc-staate-. Dar BerhLltniS der preußinhen Uctter- thanen polnischer Zunge zur preußischen Staaitregierung ist eine rein preußische Angelegenheit Wenn riese Angelegen heit im preußischen Landtage zur Sprache gebracht werden sollte, so werde ich dort an zuständiger Stelle Rede und Ant wort stehen. An einer Erörterung jener Vorgänge in diesem hohen Hause vermag ich mich jedoch nicht zu beteiligen, und ich muß eS ablehnen, die von dem Hrn. Antragsteller zur Sprache gebrachten Einzelheiten meinerseits zu diskutieren, und daraus verzichten, sie hier richtigzustellca. Al« Reichskanzler habe ich einerseits die Pflicht, alle »effaffungSmäßigen Rechte de» Reich- und seiner Organe nach außen wie nach innen in ihrem vollen Umfange zu wahren. Ich habe aber ebenso sehr die Ausgabe, da- Eingreifen von Institutionen de« Reichs in die durch die Verfassung den Lmzelftaaten vorbehaltene Zuständigkeit zu verhindern. Ich würde genau denselben Standpunkt einnehmen, wenn e« sich statt um eine preußische etwa um eine bayrische, württem- bergische oder anhattische LandeSangrlegrnheit handelte Wie da- Reich da- Recht hat, von den BundeSgüedern die loyale Ersüllung der den Bundesstaaten gegenüber dem iieiche obliegenden Verpflichtungen zu sordern — die e« auch bi-her niemals vergeben- gefordert hat —, so haben umgekehrt die Bundesstaaten Anspruch auf unbedingte Achtung der ihnen oersassungSmäßig zustehenden Befugnisse. Liese Befugnis,e darf ich nicht beeinträchtigen lassen, und ich muß gegen jeden versuch, an dem bundesstaatlichen Charakter de- Reich- und an den Rechten der BundeSsürsten zu rütteln, entschiedene Verwahrung einlegen " In demselben Geiste sind Graf Bülows Aus führungen über daS Verhältnis des Bundesrats zum Reichstage gehalten. Auf die erhobene Beschwerde, daß die verbündeten Regierungen sich bei der Be ratung gewisser Initiativanträge nicht vertreten ließen, erwiderte er am 22. Januar d. IS.: „Gegenüber diesen Aurführungen muß ich für dir ver bündeten Regierungen daS Recht wahren, nach eignem Er messen zu entscheiden, ob und in welcher Weise sie sich bei der Beratung solcher Initiativanträge hier im ReichScage ver treten lassen wollen. DaS ist rin Grundsatz, der schon von dem Fürsten Bi-marck, dem Schöpfer der Reich-Verfassung, ausgestellt und immer festgedalten worden ist. — Als Reichs- kaiuler kann ich die Rechte der verbündeten Regierungen, auch in dieser Hinsicht, nicht beschränken lasten." Das Verlangen, daß der BundeSrat für Ab lehnung von Initiativanträgen deS Reichstag- Gründe angebe, bekämpfte er am selben Tage mit den Worten: „Demgegenüber m-chte ich doch daraus Hinweisen, daß da« für die verbündeten Regierungen nicht immer möglich ist; denn ihre Vertreter im BundeSrate stimmen ab auf Grund der Instruktionen, die sie von ihren Regierungen erhalten, sie stimmen ab psr major», und sie sind nicht immer in die Lage gesetzt, sich darüber zu äußern, weshalb sie ihre Stimmen pro oder eontru »inen Antrag abgeben Gewiß, m. H., die Vertreter der verbündeten Regierungen im Bunde-rot können nicht genötigt werden, auSzusprechen, wethalb ihr« Regierung gegen oder für einen Antrag stimmt. DaS liegt im Wesen d«S Reicher, da« ein Bund ist zwischen den Fürsten und Städten, die zusammen da- Deutsche Reich gcbildrt haben Da- liegt auch im Wesen de- Bunde-raiS, der nicht «ine parlamentarische Versammlung ist, fonvern eine Versammlung, in der die Vertreter der emzrlnrn Staaten vereinigt sind. Ich wenigsten-, al-Reichskanzler, habe gar nicht die Möglich keit, diese Herre» zu zwingen, mir die Gründe anzugeben, au- denen ihre Regierung diesem oder jenem Anträge au- diesrm hohen Hause geneigt od-r nicht geneigt ist. Endlich hat auch in Stellvertretung deS Reichs kanzlers Staatssekretär Graf v. Posadowtky am 28. Januar d. IS. bei der Interpellation über den Jesuitenorden den im BundeSrate velkörperten, föderativen Charakter deS Reichs dem Reichstage gegenüber nochmals ausdrücklich hervorgehoben und betont, daß der BundeSrat kein Parlament noch ein Oberhaus ist, sondern eben eine Vertretung der im Reiche verbundenen Souveräne und souveränen Staaten mit allen hieraus fließenden Rechten. Man sieht, eS ist System und Folgerichtigkeit in dieser Auffassung, die dem Wesen deS Bundesstaat» voll Rechnung trägt. Sicher wird die- dazu bei tragen, auch bei unserm sächsischen Volke die Treue zum Reiche und die ReichSfreundlichkeit zu erhalten und zu stärken Die Zoütarisreform und die La»dwirtschast. In Berlin wird gegenwärtig die sogenannte „Große landwirtschaftliche Woche" abgehalten, zu der zahlreiche Landwirte au» allen Teilen Deutsch lands zusammenströmen. Bon allen Jntereffenver- bänden und Fachvereinigungen, die um diese Zeit ununterbrochen tagen, sind die hervorragendsten der Bund der Landwirte als die zahlreichste und die Vereinigung der Steuer- und WirlschaftSreformer als die einflußreichste Organisation. Beide haben ihre Generalversammlungen abgehalten, und in den Verhand lungen beider bildete dieSlellungnahme zu der Zolltarif vorlage den Mittelpunkt. Man hatte besonders in parlamentarischen Kreisen diesen Verhandlungen mit begreiflicher Spannung entgegengesehen, da ohne Zweifel ein großer Teil der Reichstagsmehrheit erst den Verlauf und daS Ergebnis der „Landwirtschafts woche" abwartrn wollte, ehe er sich dazu entschloß, eine endgiltige Stellurg zu dem Zolliarifrntwurf einzunehmen. Für diese noch schwankenden Ab geordneten ist jetzt die Bahn zu diesem Entschlusse frei, und eS ist zu erwarten, daß sie nunmehr aus ihrer Zurückhaltung heraustreten und an der Herbei führung einer Verständigung mitwirken werden. Diese Verständigung wäre allerdings erleichtert worden, wenn die Beschlüsse sowohl de- Bundes der Landwirte als auch der Steuer- und Wirischasts- reformer minder schroff ausgefallen wären, als es der Fall ist, und wenn man in jenen General versammlungen auch in formaler Hinsicht den Schwierigkeiten, die der Zolltarifreform im Wege stehen, entsprechend Rechnung getragen hätte. Wir erkennen einen gewissen Umschwung der Agrar bewegung insofern bereitwillig an, als der bis jetzt in deren Presfe festgehaltene Grundsatz „Alles oder nicht-" ausdrücklich ausgegeben worben ist, und als man auf den übertriebenen Zollforderungen nicht mehr besteht; jedoch müssen wir ebenso unumwunden unser Bedauern darüber aussprechen, daß die beiden Hauptversammlungen nicht entschlossen einen Schritt weiter gegangen sind und sich auf den Boden des Entwurfs der verbündeten Regierungen gestellt haben Mindestens hätte hier wie dort vermieden werden sollen, in den auf die Wirkung nach außen berechneten Absolutionen die Tarifvorlage als unannehmbar zu bezeichnen, nachdem der Reichs kanzler erst vor wenigen Tagen die darin festgesetzten Zollsätze als die Grenze, bl- zu der die Zölle für landwiltschaftliche Erzeugnisse erhöht werden können, hingestellt hatte. Würben die agrarfreundlichen Parteien im Reichstage diese Resolutionen mit ihrem „unannehmbar* wörtlich auffassen, so wäre in der That das Schicksal der Tarifvoilage besiegelt, und einen solchen Ausgang würde niemand bitterer zu beklagen haben, als die Landwirte, in deren Namen sich die erwähnten Versammlungen vernehmen ließen. Wir wollen jedoch hoffen, daß die in Rede stehenden Resolutionen d»e ihnen thatsächlich inne wohnende irreführende Wirkung nicht auSüben werden, und daß man das „unannehmbar" mehr alS eine den immer noch extremen Neigungen huldigenden Flügel der Agraibewegung angehende Redensart be trachten wird. Man möge nicht vergessen, daß namentlich der Bund der Landwirte ein ausschließlich agrarische Interessen vertretender Verband ist, der e» für seine Aufgabe hält, möglichst hohe Forderungen zu stellen, und sich im Ablassen von diesen als sehr zähe und unnachgiebig erweist. Eine entscheidende Stimme in der Gesetzgebung aber gebührt ihm keines wegs; er wird sich immer dem naturgemäß auS- glnchenden Walten der parlamentarischen Parteien unterwerfen müssen und schließlich auch unterwerfen. Auf diesen Umstand hat in der Bundesversamm lung ein konservativer Parlamentsführer, Graf Lim burg Stirum, eindringlich hirgewtesen. Er hat ein etwaiges Scheitern der Zollvorlage al» ein Unglück bezeichnet und fehr dringend zu einer Verständigung zwischen den Mrhrheitsparteien und den verbün deten Regierungen geraten. Zugleich hat er dem Reichskanzler em warmes VertraucnSvotum erteilt. Dieser Vorgang, der in der Bundesversammlung mit Zustimmung begleitet wurde, kennzeichnet den Standpunkt der Landwirte zur Tarifvorlage jeden falls besser als die Resolution mit ihrem „un annehmbar"; die Opposition, die auf Grund dieser ^.folmion bereits die Erwartung aussprach, daß die „Agrarier" nunmehr bei der Bekämpfung deS Ent wurfs auf ihre Seite treten würden, dürfte sich sehr bald und sehr entschieden enttäuscht sehen. Ueber das Verhältnis der Parlamentarier zu dcr Agrarbewegung hat sich in der Versammlung der Steuer- und WirtschastSreformer ein anderer konservativer Führer, Graf Mirbach-Sorquitten, unter lebhaftem Beifall in höchst beachtenswerter Weise ausgesprochen. Von einem imperativen Mandat, so bemerkte er, könne für einen gewissen- hasten Abgeordneten angesichts der Pflicht der Er reichung deS Möglichen gar keine Rede fein. Nach eigenem Gewissen, aus der freien Ueberzeugung her aus werden die Vertreter der Landwirtschaft im Reichstage an die Lösung der schwierigen Aufgabe mit vollun Herzen, festen Nerven und klarem Blicke herantreten. Wir hoffen, daß man auf allen Seiten die Richtigkeit dieses Ausspruches anerkennen wird; denn nur von diesem Gesichts punkte ausgehend werden die Mitglieder der Reichskägsmehrheit zu einem Ausgleiche unter einander und mit den verbündeten Regierungen ge langen. Nagelt sich jemand auf bestimmte Forder ungen oder Resolutionen fest, so ist er sür die praktische Mitwirkung bei der Entscheidung verloren. Jeder Verlust einer tariffreundlichen Stimme aber muß vermieden werden; denn eS wäre in der That ein Unglück für die Landwirtschaft — aber auch für die übrigen Produktivgewerbe, wenn die Zolltarif- Vorlage an der Unmöglichkeit, zu einer Verständigung zu gelangen, scheuern sollte. Zur Geschichte des spanisch-amerikanische» Krieges. Die „Nordd. Alla. Zrg." hat die Tbatsache fest- gestellt, daß am 14. April 1»98 die Vertreter sämt licher europäischen Großmächte in Washington nach Verabredung gleichzeitig und gleichartig an ihre Regierungen berichtet haben, von feiten deS eng lischen Botschafters Lord Pauncesote sei eine Kolleklivnote an die Regierung der Vereinigten Staaten über die Unrechtmäßigkeit der damaligen Intervention in Cuba vorgeschlagen worden. Diese Thatsache wurde den Behauptungen englischer und amerikanischer Blätter gegenübergestellt, wonach England den Vereinigten Staaten dadurch einen wertvollen Dienst geleistet haben sollte, daß eS eine von anderen Mächten, z. B. auch von Deutschland angeblich beabsichtigte Einmischung verhinderte. Im Interesse der historischen Wahrheit mußte eine solche Vertauschung der Rollen zurückgewiesen werden. Seltsam muß eS daher gegenüber einer historischen Thatsache berühren, daß in der vm gestrigen Sitzung de- englischen Unterhauses der liberale Abgeordnete Norman noch die Frage füllen konnte, ob Groß britannien in Wahlheit durch seine Botschafter jemals eine derartige Note vorgeschlagen habe, und ob dieser Schritt infolge der Weigerung Deutsch lands, sich dem anzuschließen, aufgegeben worden sei. Die Fassung der Frage selbst mochte nun wohl dem Unier- staatSsekretär Crandorne die den wirklichen That- bestand umgebende Antwort gestatten, die englische Regierung habe keine derartige Note vorgeschlagen. Handelt eS sich doch klar und deutlich um den eng lischen Botschafter Lord Pauncesote, dessen Verhalten allen Botschaftern "der Mächte in Washington un zweifelhaft sein mußte. Die Erklärungen deS Unter- staatssekretärS Crandorne haben denn auch bereit» in einem, gestern von un» unter Drahtnachrichten mitgeteilten Telegramm des „Reuterschen Bureau»" eine Erläuterung erhalten, die im Hinblick auf den historischen Thatbestand keines weiteren Zusätze» be darf. DaS bezügliche auS Washington stammende Telegramm lautet: Man hat hier allgemein da- Gefühl, daß die Dhätigkrit de- englischen Botschafter- Pauncesote im Sinne einer Inter vention vor AuSbruch de- spanisch amerikanischen Kriege- im allgemeinen mißverstanden worden ist E- ist bekannt, daß der österreichisch-ungarische Botschafter Hengelwüller in seinen Bemühungen zu Gunsten Spanien- unermüdlich war Tie Bereinigten Staaten haben niemals auch nur den geringsten Unwillen in dieser Beziehung gehegt. Diese Bechätigung der Bande des Blute- zwischen den regierenden Hümern Oester reich- und Spanien- hat diele« Verhalten zur Genüge ent schuldigt Im Verlause dieser Bemühungen hatte sich Hrngel- müller, nachdem er am 7 April 1898 die Vertreter der Machte und den Präsidenten McKinley besucht hatte, in dem Bestreben, den Krieg zu verhindern, an Paunc.sote al- den Doyen de« diplo matischen Corp-gewandt und sich bemüht ihnzuüberreken.zuver suchen, welche Maßnahmen etwa noch im Sinne einer wirk sameren Vorstellung bei den Vereinigten Slaaien getroffen werden könnten, um den Krieg als unerwünscht hinzustellen. Pauncesote war der Ueberzeugung, daß lein solcher Vorschlag etwas ausrichten würde, gab aber so wert nach, daß er HengelmüllcrS Vorschlag den anderen Vertrete!n der Mächte unterbreitete. DaS Ergebnis gab der Ansicht Pauncesote- von den Aussichten des Schritte- recht, und wahrscheinlich waren e- die Nachfragen, die er in bezug aus den Gegen stand hielt, aber nicht etwa ein von ihm selbst stammender Vorschlag, was die Berichte veranlaßte, die die Botschafter Luuss und Wissenschaft. Komgl. Opernhaus. — Am 12 d. Mt».: Große» Konzert zum Besten de» Unterstützung»fond» für die Witwen und Waffen der Königl musikalischen Kapelle. Hrn Siegfried Wagner an der einstigen Wirkung»- stättr seine» berühmten Vater» al« Dirigent auftreten zu sehen, dürfte besonder» für diejenigen Konzertbesucher von Interesse gewesen sein, denen e» nicht vergönnt «ar, den genialen Schöpfer de» „Nibelungenringe»" und de» „Parsioal" von Person kennen zu lernen. Wird doch der Sohn in Gestalt, Figur und Gesicht»- bildung al» da» überraschende Ebenbild dk« Vater» be- zeichnet Wie weit sich diese Aehnlichkeit auch auf die Führung de« Taktstock« erstreckt, entzieht sich unserer Kenntnir Nach den Berichten von Augenzeugen dürft« jedoch der frühere Königl Sächsische Hofkapellmeister seine» Amte» am Dirigentenpulte feuriger, temperament voller und impulsiver gewaltet haben. Hr. Siegfried Wagner, der sich beim Dirigieren früher de» linken Arme» bedient haben soll, leitete da» Orchester fest, ruhig, bestimmt und ohne auffallende Leußrrlichkeiten. Da» Zeitmaß der Ouvertüre zum „Flirgenden Holländer" »urde — namentlich in der k äar-Episode de« Durch- führung«satze« — so auffallend ruhig genommen, wie »an e« schwerlich im Opernhause schon gehört haben dürfte Mit Hinblick auf den leidenschaftlichen Charakter de« geistvollen Tonfiück« wird man der traditionellen hiesigen Temponahme jedoch den Vorzug geben müssen. Krisch und flott, gelegentlich auch rhythmisch fest ein greifend wurden ein „KirmeStanz" und di« (au« den »disharmonische« Konzerten in Dretde» schon bekannt«) Ouvertüre zu „Herzog Wildfang" vorgetragen, eine Komposition, in der sich verschiedene Stilartrn von Lortzing und Marschner bi» Richard Wagner und Humperdink die Hand reichen In der ohne Zweifel gefchicUen, klangvollen Instrumentation sind die Blechbläser wohl etwa« zu au»gi«big bedacht. Hr. Eiegsried Wagner konnte e» sich nicht versagen, der Ouvertüre ein au»sühr- liche» Programm beizugeben, au« dem man zugleich den dichterischen Hauptinhalt der Oper erfährt. Bedenklich erschienen zahlreiche Strophen („Die Sonne sank, wie jetzt sie finkt — Von weitem un« die Mauer winkt") eine« Baryton-Bruchstück«, da« von Hrn. Kammersänger Perron hervorragend schön gesungen wurde. Die in „Waldweben-Stimmung" getauchte Orchestereinkleidung dieser Schilderung von „Reinhard» junger Liebe" wirkte sehr ansprechend — Al» Solist de« Abend« war Hr. Prof Cesar Thomson au« Brüssel berufen worden, der sich in dem D-woU-Violinkonzert von Vieuxtemp«, in einem Adagio von Bruch und in einer unerhört schwierigen Phantasie von Paganini auf« neue al« ein wahrhaft berufener Künstler, al« ein Meister seine« Instrument« bewährte, der in musikalischer und technischer Hinsicht vollkommen über seiner Aufgabe steht. Den Höhepunkt seiner genußbringcnden Vorträge bildete die poesieerfüllte Wiedergabe de» „Rsligioso" au« dem ge nannten, leider um einen Satz — um da« Scherzo — gekürzten Violinkonzert Die Orchesterbegleituna wurde von Hrn Kutzschbach dirigiert, während sich Hr. E v Schuch die Leitung der R Schuwavnschen v-moll Symphonie vorbehalten hatte, die von der Königl. Kapelle mit ersichtlicher Luft und Liebe, mit Tempera ment und herrlichem Wohlklang vorgeführt wurde. Im letzten Satze erschien vielleicht nur der Vertreter der Pauke etwa« zu „schlagfertig" Da« Hau» war er freulicherweise nahezu «»»verkauft. U. S. Emil Richters Kunstsalon. Schon zum zweiten Male in diesem Winter bietet un» der Richtersche Kunstsalon auf der Prager Straß« Gelegenheit, «ine Anzahl neuere Arbeiten Worptweber Maler kennen zu lernen. Während gegen Ende des November vorigen Jahre« Heinrich Vogeler, Otto Moddersohn und Fritz Overbeck kollektiv auitgestellt hatten, haben sich diesmal Fritz Mackensen und Han« am Ende vereinigt, um den Dresdner Kunstfreunden zu zeigen, daß sie nicht still stehen geblieben, sondern an ihrer weiteren Durchbildung fleißig gewesen sind. Sie unterscheiden sich da durch sehr zu ihren Gunsten von ihren ebengenannten Kollegen, und wir stehen daher nicht an, sie von dem Urteil über den Rückgang der Worpswede» Kunst, das wir in Nr. 276 de« „Journals" vom 27 November v. I«. fällen mußten, ausdrücklich auszunehmen. Fritz Mackensen, der neben Vogeler von jeher die Pflege de» Figurenbilde« in Worpswede betrieben hat, stellt sich un» diesmal hauptsächlich al» Porträtmaler vor. DaS kleine Bildni» seiner Mutter, die in ein fachem schwarzen Kleide im Zimmer sitzt und sich mit geldlichen Blumen etwa» zu schaffen macht, ist in seiner schlichten Auffassung ungemein ansprechend Dazu trägt die gewählte Beleuchtung durch ein link» oben an gebrachte« Fenster vielleicht das Meiste bei. Dagegen leidet da« mit unendlicher Sorgfalt gemalte und namentlich in den Köpfen auf da« Genaueste durch modellierte Bild de« Hrn Adolf Woermann und seiner Gemahlin, die dargestellt sind, wie sie von einer Garten terrasse im Freien bei Cuxhaven au« den Lauf eine« Dampfer» beobachten, durch den Mangel eines ruhigen Hintergründe«. Z^S lichtblaue, von der Sonne hell be schienene Meer mit seiner unendlichen Weite nimmt sich im Vergleich zu den großen Figuren des Vordergründe« kleinlich au«, und diese wieder erscheinen merkwürdig steif und gezwungen, sodaß man zu keinem richtigen Genuß vor dem Bildni« kommt, wenn man auch den Fleiß und die Treue der Arbeit bewundern muß und geneigt ist, die fabelhafte Aehnlichkeit anzuerkennen. In Mackensen» Malerei fuckt teroer noch viel Un freie»; er kann sich von der Modellwahrheit noch nicht loSmachen und verdirbt sich auf diese Weise seine besten Wirkungen DaS beweist sein großer „Sommer" noch weit deutlicher. Die Landschaft, eine Berglehne mit saftigem Grün, die Luft und die sonnige Beleuchtung sind wundervoll herausgekommen, aber die beiden nackten Jungen, von denen der eine im Wasser de» Vordergründe« herumplätschert, während der andere auf der Wiese steht und sich nach einem herabschießenden Vogel umsieht, verraten viel zu sehr, daß sie vom Maler für seine Zwecke al« Modell hingesttllt worden sind. Namentlich gilt da« von dem Jungen auf der Wiese. Man glaubt förmlich Mackensen zu hören, wie er dem Jungen zurust: „Brust rau», Kopf hoch, Augen link«!" Diese« Kommando hat den Bengel so erschreckt, daß seine ganze Haltung unnatürlich geworden und da« Bild eine bloße Studie, wenn auch wiederum eine sehr gewissenhaft«, geblieben ist. Unter den Landschaften Mackensen« ist der „Schiffer graben" mit den beiden blonden Kindern, die von der Brücke in« Wasser sehen, ein echte« Stück Worp«weder Gegend und ganz prächtig in seiner sonnigen Heiterkeit. Auch der „Frühlingstag" ist gut beobachtet und im engsten Anschluß an da» gewählte Motiv wiedergegeben und daher zum mindesten ganz echt. Dagegen bedauert man, daß die harte, wie hingemauert erscheinende Regen luft in dem im ganzen so gut angelegten „Herbstabend" die Wirkung de« Bilde« wesentlich beeinträchtigt Noch überraschender al« bei Mackensen zeigen sich die Früchte anhaltenden Fleißes b«i Han« am Ende, der sich mehr und mehr zu einem unserer tüchtigsten Stimmung«maler herausgewachsen hat und innerhalb seine« Spezialfache« eine große Mannigfaltigkeit zeigt. Er ist unter den Worp«wedcrn derjenige, der am wenigsten worpSwedische Eigenschaften besitzt und di« dortige Gegend mit ganz anderen Augen al« seine
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