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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188307228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830722
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830722
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-07
- Tag 1883-07-22
-
Monat
1883-07
-
Jahr
1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1883
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Erscheint täglich früh 6-/, Uhr. Kedaction und Lrprdition Iohaunesgassc 33. Sprechsliindrn -rr NrdacNoa: Bormiltag« 10—13 Uhr. Nachmittags 5—K Uhr. b»r tte Ritck,-»e «Mßksaatikr «acht Sch d» >tld»ctl«» o-chl rerdl»tl»>, «„»ahme »er fSr »te «S«ftf»I,e»de Nummer Bestimmte» Inserate an W»che»ta,e» »i« L ll»r Nachmittags, au San»-«»» Festtage» früh »t«'/,» Uhr. 3n den^lliaUn fnr Ins.-^nnahmr: vtt« Stemm, UaivrrsitLtSstrabe 31, Laut» tißsche, Kalharinenslraß« IS, p. «ur »t» '/,L vtzr tWMr.TagMaü Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage I8,LV0. Abliulemeiitsprris Viertels. 4'/, Mk. incl. Dringerlohn 5 Mk.. durch die Po,l bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer SO Ps. Belegeremvlor 10 P>. Sebühren lür Extrabeilagen ahne Posibeivrdcrnng 3V Mk. «nt Posldeiürdcruug 48 Mk. Inserate Kgesvciltene Pekitzeile 20 Pf. Größere Schritten laut uaierem Prets- verzeichuiß. Tabellarischer Sa; nach hölerem Tarif. 203. Amtlicher Theil. vrklinnlmaih«»-. Wir bringen hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß vom 23. dieses Monat» ab bl» auf Weiteres aus den Straßen dcS südwestlichen Bebauungsplanes Erde und Bauschutt nickt mehr angesahrcn werden darf. Leipzig, den 20. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Ur. Georgi. Wlttjch, Ass. Vtkannlmaihlmg. Die ,« der nntrrhaii» de« AuhthurmS auSznsiih- renven Regultrung de« Kukburger LvasserS erforder- licken Srdarbritrn und Materiallieferungen sollen an einen Unternehmer in Aeeord vergeben werben. Tie Bedingungen unv BianketS liegen in unserer Tief- bau-Penvallung, Ralhhau», II. Etage, Zimmer Nr. i4, au» unv können von lort entnommen werben, woselbst auch die Offerte» versiegelt und mit der Aufschrift: „Regutirung deS Kuhburger WafferS" versehen bis zum 4t. August «er. RackmitragS S Uhr rinzureichen sind. Leipzig, am 20. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Du. Georgi. Cerulti. Vrkanntmachung. Dem Apotheker Herrn Albrechl Sigismund Schmidt ist von der königlichen KreiShauptmannschaft Eoncession zur Errichtung einer Apotheke am Sübplatz Nr. 1 hier ertheill loorben, welche unter dem Namen „Sonnru-Apotheke" Sonntag, den 22. dieses Monat- eröffnet wird. Leipzig, am 21. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. I)r Georgi.Lohse. Vrkanntmachung. Die Herstellung einer mit Bruchstemknack befestigten Fahr straße in der verlüngertcn Gustav-Adolph-Straße soll an eine, Unternehmer in Aeeord verdungen werken. Die Bedingungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, RathbanS, Zimmer Nr. 14 au» und können daselbst cingeschen resp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Macadamisirung der Gustav «Adolph-Strafte" versehen ebendaselbst und zwar bis zum 28. Juli 1883, Nach mittag- 5 Uhr einzureichen. Leipzig, am 18. Juli 1383. DeS RathS der Stadt Leipzig Straftrnbaudeputatiou. Gesucht der Zinngießer Johann Karl Bauer, geboren am 17. Januar P838 in Großwcrther bei Nordhausen, welcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhalten ist. Leipzig, den 17. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. <Armen-Amt.) Ludwig-Wois. Hchn Pekanntmachuug. In unserer Verwahrung befindet sich eine Geldsumme von 183 Mark (bestehend in einer Himdertmark-Note der Sächsischen Bank, zwei Doppclkronc», einer Krone, einem Zweimarkstück und einem Markstück), welche von einer hiesigen Einwohnerin mit dem Bemerken ander abgeliesert worden ist, sie Hab« diese« Geld, in Papier eingeichlagea, am 21. März l. I. Nachmittag« in der vierten Stunde «ul hiesiger Petersstraße, nah« dem Markt, aus dem Pflaster liegend, gesunden. Wir fordern hiermit den oder die znr Empfangnahme diese« Geld«« Berechtigte» auf, sich ungesäumt bet ooserer Lrimiualabtheilung zu melde». Leipzig, am 10. Juli 1883. Da« Palizei-Amt »er Stadt Leipzig. Vretschnetder. vr. N. Nttlamen unkrr drm lledactioitsstrich die SpaUzeile üO Ps. Juserate sind siel« an d.e Vl.i>editian zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praevumoranäc» »der durch Post- nachnabme. Sonntag den 22. Juli 1883. 77. Jahrgang. Nichtamtlicher Theil. Die Frage der Lonntagsfeier. Durch die Entscheidung de» Berliner Kammergericht», welche«, wir die niederen Instanzen, die Sonntag-Verordnung deS Oberpräsiventcn der Provinz Sachsen nicht für recktS- giltig erklärt hat, ist die DiScussion über die GonntaaSsei« wieder in den Vordergrund getreten. Trotz de< Urtheil» de« KaminergerichtS hat der Oderpräsident die Verordnung nicht aufgehoben und c» ist die Entscheidung de» ReichSgnichtS zur definitiven juristischen Klärung der Frage in den einzelne» Fällen angerufen worben. ES scheint un- also nickt unangemessen, die Frage der Sonntag«feicr in Bezug aus ihre rechtliche Begründung einer Erörterung zu unterziehen. WaS zunächst die Feier der staatlichen Behörden und Anstalten betrifft, so wird diese theil» durch Gesetze, theil« durch Verordnungen geregelt. Für Deutschland kommen in erster Reihe die Bestimmungen der Reichsjustizgesetze, inS- basondere auch der Civil» und Strafprcceß-Ordnung, in Betracht. Wa» die Feier der Privatpersonen betrifft, so wird diese theil» durch Gesetze und landesherrliche Verordnungen, theil- turch ergänzende Polizeistrasvcrordnuugen, sowohl der Ecntral- al» der Provinzialbebördcn, geregelt. Für da- Königreich Sachsen ist da» Gesetz über die Sonn-, Fest- und Buß tage vom 10. September 1870 und die Ausführung«. Verordnung von demselben Tage maßgebend. In Preußen war bereit» durch die Verordnung vom 28 December 1808 den Regierungen die Besugniß rum Erlaß allgemeiner Verbote mit Strafbestimmungen vei- aelegt worben, die jedoch der böhcren Genehmigung bedurften und keine stärkere Strafe als in den Geietzen verhängen dursten. Die RegieruugSinstruction vom Jabre 1817 formulirt diese Besugniß der Regierungen in f«lgeudcr Weise: Allgemeine Verbote und Strafbestimmungen dürfen die Regierungen nicht ohne höhere Genehmigung erlösten, e» fei denn, baß da» Verbot an sich schon durch ei» Gesetz seststeyt, in letzterem aber die Strafe nicht ausdrücklich bestimmt ist. In diesem Falle kann sie innerhalb der Grenzen de» Allgemeinen LaudrechlS die Strafe (k»0 Thaler oder 6 Wochen Gesänaniß) bestimmen und bekannt machen. Zur Beseiligung von Zweifeln, welche in einzelnen LandeS- tveilcn über die Befugnisse der Negierungen, durch polizeiliche Bestimmungen die Luxere Heiligballung der Sonn- und Fcit- lage zu bewahren, und deren Befolgung durch Etrasverbote zu sickern, entstanden waren. Kal bann eine CabmetSordre vom 7. Februar 1837 den Regierungen die Besugniß inner halb der Grenzen der RegierungSinstruction auödrüctUch bei- gelcgt. ES ist aber nickt richtig, wie vielfach geschieht, die CabinetSordre vom Jahre 1837 noch als die Grundlage kr» jetzigen Polizeisirasverorbiiungln'chl« in Bezug aus die Soiinkagsseier zu betrachte». Vielmehr ist dafür gegenwärtig einzig und allein da» Gesetz über die Polizeiverwaltung vom ll. Marz 1550 maßgebend, mit denjenigen Modifikationen, welche durch die Pcovinzialverordnung vom 29. Juni 1875 und daS vor Kurzem erlassene Gesetz über die Organisation der Allgemeinen LandcSverwalluug berbeigcsührt worden sind Voran» folgt nun insbesondere, daß der Erlaß solcher Ver ordnungen aus die Bczirkoregierungen nicht mehr beschränkt ist, denen diese Besugniß sogar in den sogenannten KreiS- ordiiungS-Provlnze», zu welche» die Provinz Sachsen zählt, bereit» gänzlich genommen ist. ES liegt aber auch kein Grund vor, diese Besugniß, wie sie den Oberprästdenten nnzwcisel- hast zustcht, den Kreis- und OrlSpolizeibchörden an sich ab- zusprechen. Außerdem darf auch bei der Frage, ob eine solche Verordnung sich in ihren gesetzlichen Grenzen gehalten hat, lediglich da» Gesetz vom Jahre 1850 zu Grunde gelegt, nicht aber auS dem Wortlaut der CabinetSordre von 1837 argu- mcntirt werden. Der Inhalt dieser Verordnungen in den verschiedenen LandeSlheilen stimmt »n Ganzen überein. Die gegenwärtig für den ganzen Umsang der Provinz Sachsen gittige Polizeiverorknung, belr. die äußere Heilig- haltung der Sonn- und Festtage, die vom Obervrästdenten mit Zustimmung de» ProvinzialratbS unterm 20. März 1879 erlassen worden ist, verbietet zunächst sowohl die öffentlichen und vssenllich bemerkbaren gewerblichen Arbeiten, al» auch alle geräuschvollen verartigen Arbeiten innerhalb der Häulrr und Belriebsstätten. also in-besonoer« die Feld» nnv Forst arbeiten, da« Treiben von Vieh, mit Ausnahme de» Weide- vieh», da» Auf» und Abladen von Fracklsuhrwerken, ins besondere auf den öffentlichen Straßen, den Betrieb derjenigen Handwerksarbeiten, welche mit besonderem Geräusch verbunden sind, also Klempner, Schmiede, Schlosser, Arbeiten von Bau. auSsührungen aller Art, die Fortsetzung de» Betriebe», ferner geräuschvolle Reparaturarbeiten in den Fabriken, endlich außer gewöhnlich geräuschvollen Straßenverkehr (Rollwagen. Wagen mit leeren Fässern, mit Eisenstangen); indessen sind die Orts polizeibehörden ermächtigt, in gewissen Fällen zu diSpensiren, während in Nothsällen eine solche Dispensation nicht einmal nolkwendig isi. Außerdem unterliegt der öffentliche Handels verkehr gewissen Beschränkungen, die sich theilS auf den ganzen Tag. theil« nur auf die Zeit de» Gottesdienste» beziehen. Daran schließen sich Verbote liber die Auszahlung de« Lohn- an Tagearbeiter und Handwerker, über Versammlungen, über Concerte. über Jagden. Hinsichtlich der Strafbestimmungen besieht insofern ein Dualismus, al» sich dieselben theil» nach den für die Ver letzung von Polizeistrafverordnungcn bestehenden Vorschriften. theilS nach anderen tandeS- resp. reich-gesetzlichen Normen bestimmen. Insbesondere hat da- Reichsstrasgesepbuch Geld strafen bi« 60 oder Hast bi« t4 Tagen Demjenigen angedroht, der den gegen die Störung der Feier der Sonn- und Festtage erlassenen Anordnungen zuwiberdandelt. Der Schutz deS Reicbrstrafgesetzbuch» bezieht sich mithin nur aus solche Anordnungen, welche eine Störung der Sonntag», sei« verbieten, die jedenfalls weiter greift, als eine Störung de» Gottesdienste«, wie es denn auch für die Bestrafung blo» daraus ankommt, daß solchen Anordnungen zuwider gehandelt ist, während e» qleichgiltig ist, ob eine Störung wirklich statt gesunden hat. Tiefer Duali«mu« ist nun aber für Preuße» wenigstens insofern beseitigt, al» da» OrganisationSgesey len Oberpräsidenten, welche in den letzten Jahren solche Ver ordnungen vorzugsweise erlassen haben, ein Strasmaximum itlickeS Schauspiel, Uder welche» man beliebig seine Mei- g, seinen Beifall oder sein Mißvergnügen äußern kann, sei einem großen Theil der Zuschauer sicht die Ucberzeugung on vornherein fest, daß die Angeklagten schuldig sind, e» oird deshalb jede ZeuaenauSsaqe. welche den Angeklagten vorzugsweise von KO gleichfalls beigelegt bat. Wie man sieht, ist gesetzlich zur Genüge für die Heilig- Haltung de» Sonntag» in Preußen gesorgt, und dem Ober präsidenten sowie den Polizeibehörden und innerhalb de» gesetzlichen Rahmen» zureichende Befugnisse gewährt. Die Rechtspflege in Ungarn. ES ist ein widerwärtige» ab« zugleich interessante» und lehrreiches Schauspiel, welche» der Nyiregyhazaer Proceß vor der Welt entrollt; wir «Hallen dadurch einen tiefen Einblick in da- gesammte Getriebe der öffentlichen Einrichtungen eine» großen Lande», dessen Bevölkerung den Anspruch erhebt, eine Stellung innerhalb der Eulturvölkcr einzunebmcn. Wir sind zwar durch die Verhandlungen im ungarischen Reichstag an starke Dinge gewöhnt, e» sind da Austritte vcraekommen, welche in eine solche Versammlung entschieden nickt gehören und man wird schwerlich in andern Volksvertretnngen Seitcnstücke dazu finden. Freilich hatte da» italienische Parlament seinen Cocapiell«. die Franzosen haben ihren Cassagnac und die Engländer ihren Bradlaugh, «der die Ausschreitungen aller dieser Volksvertreter reichen an die einer ganzen Reihe ungarischer Abgeordnet« noch lange nicht heran. Wir erinnerm nur an die skandalöse Affaire, in welcher ein Abgeordneter grundlos al» Dieb und Räuber verdächtigt wurde und der Anstifter diese- Ska» dal» nachher einräumen mußte, daß er sich geirrt habe. Da» parlamentarische Leben streift die öffentlichen Einrich tungen eine« Lande» nur, man erkennt nur ihre Oberfläche, aber eine öffentliche GerichtSverbandlung. bei welcher Leben. Freiheit und Ehre einer größeren Zahl von Angeklagten in Frage stehen, gewährt einen tieferen Einblick in die bestehenden Verhältnisse. Dabei zeigt e< sich, auf welcher sittlichen Stufe Dolk, Richter und Angeklagte stehen, welche Anschauungen über die edelsten Güter d« Menschheit in diesem Kreise herrschen, wa» man für Reckt und Unrecht, wa» man für erlaubt und für unmöglich hält. Schon di» Art und Weise, in welch« die Zubvr« die Gerichtsverhandlung aussassen, muß geradezu empörend ge nannt werden; die Personen, welche sich im Znschauerranm befinden, betrachten die Gerichtsverhandlung etwa wie ein öffentliche» »ung, sein Bei einem großen Theil der Zuschauer steht von vornherein fest, daß die Angeklagten wird deshalb jede Zeugenaussage, welche den Angeklagten günstig ist, mit Zeichen de« Mißfallen» ausgenommen, andererseits wird den Belastungszeugen Beifall gespendet. Unter den Zuhörern befindet sich der Untersuchungsrichter und der ReichSabgeordnete Onody, deren Anwesenheit wesent lich dazu beiträgt, da» Publicum in sein« Haltung zu be stärken. Der Vorsitzende de- Gericht« hat nicht den Mulb und die Energie, gegen diese anderwärts unmöglichen Ungebörigkeilen cinzufcbreiten, höchsten» ermannt er sich aus wiederholte Anregung der Vertheikiger zu einer mit schüchterner Stimme auSgebrücktcn Ermahnung, die Zuhörer möchten s-ch dock etwa» ruhiger verhallen während z. B. jeder deulschc Richter in seiner Stelle den Zuschanerraum schon am ersten Tage würde haben von den Ruhestörern räumen lassen. Dag durch solche- Gewährenlassen die Achtung vor dem Gericht nicht gewinnen kann, ist ganz natürlich und deshalb nehmen auch die Zeugen keinen Anstand, so auSzusagen, wie ie eS den von ihnen verfolgten Zwecken entsprechend erachten. Einer von den Vertbeidigern, EölvöS, hält taber auch mit seiner Ueberzengung nicht zurück, daß eine förmliche ZeugcnvordereitungSgcseUschast am T>rle existirt, welche die Zeugen zu dieser oder jener Aussage abrichlct. Bestätigung erhält diese Auffassung de» VertheibigerS dadurch, dag ein und dieselben Zeugen zu verschiedenen Zeilen ganz ver- ckiedcne Aussagen machen, die Leute haben eben gar keine Rbnunq von den Pflichten eine« Zeugen, von der Höhe der Verantwortung, die sie auf sich laden. Dabei ist eS ganz unzweifelhaft, daß zwischen den >m Zuschanerraum befindlichen Personen und den Zeugen Beziehungen bestehen, welche mit allen Mitteln während der Gerichtsverhandlung aufrecht erhalte» werden. Läng« al» einen Monat hat dies« Unfug gedauert, bi- der Gerichtshof es endlich an der Zeit hielt, mit Ernst dagegen einzulchrelten. Der Abgeordnete Onody mußte den ihin »nsympatbochen Staatsanwalt «ft zum Zwei kamps herauSgesordert haben, der Meineid zweier Zeugen mußte «st klar erwiesen sein, bi- der Präsident sich bereit «klärte, di« nölhigen gerichtlichen Schritte gegen die dreisten Rechtsverletzer zu thun. Eine große Anzahl Zeugen konnten nicht vereidigt werden, weil schon vor Ableistung de« Eide« feft- fiand, daß ver Eid, welchen die Zeugen zu schwören bereit waren, falsch sei. Der Vorwurf daß ein Tbeil der Zeugen bestochen sei, wurde vielfach erhoben, bewiesen ist seine Berechtigung bisher zwar nicht, ad« doch sehr wahrscheinlich gemacht. Dagegen unterliegt e» nickt dem geringsten Zweifel, daß die Polizeiorgane im Einvcrständniß mit dem Untersuchungs richter Angeklagte und Zeugen in der rasfinirlrstcn Weise mißhandelt haben, um sie zum Geftändniß zu bringen oder um sie vielmehr zu zwingen, daS auSzusagen, waS ihnen in den Mund gelegt wird. Man glaubt sich geradezu in die schlimmsten Zeilen de» Mittelalter» zurückversetzt, wenn man hört, wa» die armen Opfer dieser Justiz zu erdulden hatte». Einem alten Mann hat man die Bastonnade gegeben und zwei Ruthen auf seinen Fußsohlen zerschlagen, einem ankeren sind Danmlchrauben angelegt worden und dann die Glieder ausgrrenkt, um ihn zum Sprechen zu bringen. Und diese Executionen werden so eingerichtet, daß immer im entschei denden Moment Untersuchungsrichter und Polizeicommissar verschwinden, damit die Panduren um so ungestörter idre» Amte- wallen können. E« beruht da« allem An'chein nach aus einer allgemein befolgten Praxis, mit solcher Sicherheit greisen die einzelnen Factoren in einander ein. Bei anderen Zeugen wird da» Einsckütlen großer Quantitäten Wasser oder auch Bitterwasser angewendet oder sie werden genalhigt, vor den Pferden der Panduren herzulausen, und wenn sie müde geworden find, gelegentlich durch Peitschenhiebe auf- gemuntert Ohrseigen und Rippenstöße sind die ganz ge wöhnlichen kleinern Mittel, welche zuvor versucht werden. Da» Schlimmste an allen diesen Praktiken ist, daß sie unter den Augen und im Einverständniß mit Gerickttbeamten vollzogen werden. Die Rolle, welche der Untersuchung-rickler Bary und der GerichtSschreib« Petczely dabei gespielt haben, ist durch die Gerichtsverhandlung selbst erwiesen worden, aber die Bermutbung erscheint gerechtfertigt, daß auch die Richter, welche da« Collegium bilden, ganz genau wissen, wie die Aussagen der Angeklagten und Zeugen rrrreßt zu werden pflegen und daß sie daran gar keinen Anstoß nehmen, weil da» eben dem Herkommen entspricht und gar nickt and«» sein kann. Die Polizeicommissärr und Panduren glauben durchaus nicht« Unrechte« zu thun, wenn sie Angeklagte nnd Zeugen foltern und mißhandeln, sie halten dafür, daß diese Verrichtungen zu ibrer Amtspflicht gehören und daß sie entlasten werden, wenn sic sich weigern würden. ES ist im Laus de- ProcesieS mehrfach zur Sprache gekommen, daß die Verwaltungsbehörden sich ebne Weitere» in die Rcch-ßpflege einmiscben und Befugnisse ausliben, welche drm R:chl« zukoinmen. Auch da» findet der Richter ganz in d« Ordnung und fühlt sich außer Stande, dagegen etwa» ^u tbun. ES steht zu erwarten, daß jetzt, nachdem alle diese unbegreiflichen Mißbräuche offenkundig geworden sind, Presse. PolkSverlretnng und Regierung in Ungarn zusammenwirken werden, um idre Abstellung berbei- znführen. Wenn da» Ergebniß de» Nvireqvhaza« Processe» die gründliche Reform der ungarischen RechiSpslege nnd Ver waltung ist. dann bat er seine fehr gute Seite. Aber ob da» wirklich geschehen wird, darf nach den heutigen Er fahrungen doch noch al« sehr unsicher bezeichnet werden. Leipzig, 2L. Juli 1883. * Gras Dallestrem veröffentlicht einen Theil der Acten üb« den PurisicationSproceß der „Schlesischen VolkS- Zeitung". Da» Interesse der Sache «streckt sich über den sveciellen Fass hinan», und e» scheint nicht überflüssig. Einige« au» dem bezüglichen Schreiben de» ComilöS an den nnnmebr beseitigten Revacteur hervorzuhrben. Besonder» wird dem selben der folgende — allerdings sehr offenherzige — Satz verübelt, welchen die „Schics. Volks-Zeitung" sm Beginn diese» Jahre* an den Briefwechsel zwischen dem Kaiser und dem Papste knüpfte: „Die Ccncessionen der Curie werten nicht» vergeben, wa* der Kirche zu ihrer Lebensbedingung unbedingt nöthia ist, und sic werden klein sein, aber von un* al« möglichst groß erklärt werden müssen. Unsere Les« werden jetzt bei un* manchmal zwischen den Zeilen lesen müssen". E» mag gewiß recht unbequem sein, wenn die Redactirn di« ibr von der Parteidi-ciplin anfgezwunqene Taktik so deutlich kennzeichnet und sich in ihr« politischen GcwlssenSbedrängniß eine salvatio »uimac- Loch wenigsten* „zwischen den Zcilen" zu sichern sucht, und eS ist wohl be- greiflich, daß die Herren entrüstet auSrnsen: „Kann man die politische Heuchelei, welche die CenirnmSparlei immer gebrandniarkt und al» unmoralische Handlungsweise zurück- gcwicscn hat, auf stärkere Weise al» leitendes Princip dies« selben Partei proclamiren?" — wiemokl wir doch wissen möchten, ob die schlesische» Herren Auguren bei diesem Latze sich daS Lachen haben verbeißen können. Bemerkciiciverlber ab« scheint uns da» Folgende: „Die Art unk Weife, so beißt e» in dem Schreiben, wie die Polin! der Cenlrnm'parlei gesübrl werden soll, wird von Len Abgeordneten dieser Partei >m Reich«- und Landtage bestiinmt: diese allein haben d^zu da» Mandat de» katholischen Volkes; die Rcdaclion einer Zeilnng, und sei eS ein noch so angesehene» Blatt, hat diese» Mandat nicht. Es ist nur Ausgabe der Redaction, sich mit der Parteileitung in Fühlung zn erhalten, um t-ic Partei» zwecke immer richtig fördern zu können." Diese Belehrung ist offenbar der Kern und der ganze Zweck der gegenwärtigen Veröffentlichung dcS Schriftstücks. E« scheint irgend etwa» in der Lust zu liegen, waS e» der Centralleitung der Partei wünschen-werlh erscheinen läßt, die Zügel einmal straff an zuziehen und sich der wobldiSciplinirlen klerikalen Presse in Deutschland für alle Fälle zu versichern. Wiewohl man sich bemüht, die in der schlesischen CeulruinSparlei her- vorgcliciiencn Differenzen durch persönliche Vorschicbung de» früheren RedaclcurS der „Schlesischen Volks-Zeitung" — der sich übrige»- in seiner Verwahrung gegen da» Schreiben deS CvmilöS auf .drei hochangesehene katholische Männer" beruft — ru vertuschen, so wenig vermag man doch üb« den größeren Umfang dieser Differenzen zn täuschen. In BreSlau haben die Hintermänner der Berlin« „Germania" daS Feld behauptet, nnd da» Regiment deS Herrn Windthorst ist be festigt, aber eS fehlt nickt an Anzeichen, daß auch anderwärts die Meinungen nicht so ganz einig sind. Der zwischen der „Germania" und dem „Journal de Ncme" ent brannte Streit, die Angriffe deS römischen Blatte» gegen daS Centrum und Windthorst, aus der anderen Seile die Parteinahme dcS „Moniteur de Rome" für dir deutsche CentrumSleitung — La» Alle- im Verein mit den be harrlichen Meldungen ronservativ« Corresvondenten üb« verschiedene Strömungen fclbst in den maßgebenden vati kanischen Kreisen läßt eS nicht unmöglich erscheinen, daß man rin Bebnrsniß fühlt, der gestimmten nltramontane» Press« energisch in Erinnerung zu bringen, daß sie nicht» weiter zu tbun bat, al» dem Befehle Windthorst'» zu gehorch«, ohne jede ressi-ratio, und wäre eS auch nur „zwischen dm Zeilen". Denn auch dort soll nur Herr Windthorst regieren, der jetzt mehr wie je Werth darauf legt, eine blind gehorchende Armee hinter sich zu babcn. * Wie auS Triest gemeldet wird, hat die dortige Polizei Kenntniß von abermaligen irredcntistischen Umtrieben erhalten, welche e» durch Sendlinge von außen her auf Ruhestörungen in Triest abgeselw» haben. I» Folge dessen ist die Frcmkcnpolizci in Triest, Görz, sowie im ganzen Küsteiilanke neuerdings verschärft worden, wa» zumal für solche Reisende gilt, welche au» Italien kommen. Mit diesen Maßnahmen steht auch die bereit» gemeldete Verhaftung de» Berliner Corrcspondentcn dcS römische» Blatte» »Opitaiio bracaüs.'i", Bcncdetto Cirmeni, in Verbindung, der sich aus dem Bahnhöfe in Triest einer polizeilichen Gepäck»- und LeibeSunlersuchnng unterwerfen mußte. Da aber nickt» Verdächtige- gesunden wurde, so mußte der Derbasl-tte wieder sreigegcben werden, worauf er Triest sofort verlassen hat. Auch rnPola und Monsalcone haben Verhaftungen statt- gesunden. über welche bisher feilen» der Behörden keine näheren Einzelheiten verlauten. — Die in Venedig er scheinenden irrcdenkistischen Blätter führen gegen Oesterreich dieser polizeilichen Maßnahmen wegen wieder eine überaus heslige Sprache. * Die rumänische Presse «eifert sich gegenwärtig für eine Aenderung de» Titel« „König von Rumänien", welcher gar keine historische Begründung habe. Ter Titel müsse viel mehr in Zukunst „König der Rumänen" lauten. Ter hock- osficiöse „Romanul" erklärt auch bereits, daß im Dersassnng«- Revisions-AuSschusse die Einführung des Titels „König der Rumänen" beantragt worden ist und auch sicherlich zum Beschlüsse «hoben werden dürfte. * Bekanntlich liebe» c» russische Blätter, von Zeit zu Zeit aus die starke Einwanderung Deutscher in die westlichen Bezirke Rußlands hinzuweisen und der russischen Bevölkerung das Bild einer immer krohenoeren germanische» Invasion Vor Augen zu führen. Für un- Dcul'che siiid diese Artikel, die allerdings meist an einer mehr oder weniger starken Uebcrtrcibuna leiden, interessanl genug, weil sie zeigen, wie da» deutsche Element in Polen und PZesi'.Is land mit jedem Jahre an Stärke zunimml nnd iu welch - Weise die Ausbreitung der deutschen Bevölkerung vor sich „ebl. Besondere Beachtung verdient ein Artikel der „Pe ereb. Djed", der, auf Grund der Angaben polnischer Blätter versaßt, sich eingehend mit der schc» Ccuoi»sation in den Dcstgebictcn Rußland» l>'ckäsligl. N-.ck der in kcr „Schlesischen Zeitung" veröffentlichten Uebcr'etznng lan'el der interessante Aussatz: „In einem Artikel der „Gazeka Rolwcza" ist nnler dem Titel „Die Colowsten im Warschauer und Wolbyiiische» Gouvernement" ei» von Herrn WessetoirSki zu- fammcngestesslcr Bericht über die Co'onitatie» j-i-.-'r Länder, während de» Zeiträume» von 1877 —1882 veröffentlicht wordcn. AuS chm crgiebt sich, daß die d-nkschea Colonisten de» Warschau« Gouvernement» an den Usern kcr Weichsel und ans Krvnländereicn de- FürstentblimS Loivitsck anges ekelt sind. Aber weitaus rer größte Tbeil hak sich aus den, Grund und Boden niedergelassen, der bi» zum IIk>» vom 19. Februar 1881 Ei-gentbum' polnisch« Großgrundbesitzer war. Da» kommt daher, weil die Domänenoerwaltung de» Warschau« Gvuve-nrmeiit« vor zwanzig Jahren, znr Zeit der Statt halterschaft de» Grafe» Berg, eine Meng: Deutsch« ans den 1863 consiScirten polnische» Gütern ansiedeltc. Und da» war ganz natürlich! Der Name und dir Nationalität de? Chef» der LandeSvenvaltung zog die Deutschen narb den Usern der polnische» We chsel. Im Gouvernement Warschau allein schon ist da« NationalitätSvcrhällniß folgende»: rein deutsche Dors- schastrn zählt man6l; mit gemischter (deutsch-polnischer) B - völkerung 5861 BloS im Jahre 1881 wnrden 5576 Dent'cke Hau»- und Grimdbesitzer! Wie groß muß da der deutsche Grnn: - besitz im Zarthum Polen >m Allgemeinen sein und welche Er oberung »n slaviscken Gebiet bedeutet die» snr da» deutsche .Vaterland", und dazu eine gar leichte nnd billige Eroberung
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