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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. ttnd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 274 Freitag, den 24. November 1882. Versteigerung. Nächsten Dienstag, den 28. l. Mts., Vorm. 1« Uhr gelangen im Hotel zum goldnen Löwen hierselbst dahin zu bringende 80 Flaschen Weißwein, sowie eine Kiste mit Stearinkerzen gegen Baarzahlung zur öffentlichen Versteigerung. Waldenburg, am 22. November 1882. Der Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts. Arnold. *Waldenburg, 23. November 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Das preußische Abgeordnetenhaus begann in seiner Sitzung vom 22. d. mit der Etatbe- rathung. Zunächst sprach Abg. Rickert sein Be dauern aus über den Gegensatz der Finanzpolitik Bitter's zu der des jetzigen Finanzministers, der die Finanzlage zu günstig geschildert habe. Wenn die Finanzlage keine Gewißheit gebe, daß man das Deficit beseitigen könnte, dürfe man keine neuen dauernden Steuererlasse einführen. Redner beleuch tete hierauf kurz die Wirthschaft des früheren Mi nisters Camphausen, welche er gegen die conserva- tiven Angriffe rechtfertigt und behauptete, daß man bei der Größe des gegenwärtigen Etats die Mög lichkeit nüchterner Schätzung desselben völlig verloren habe. Ein Staat, der solche Summen in industriel len Besitz stecke, sei von der Conjunctur abhängig, weder der Finanzminister, noch die Volksvertretung hätten eine rationelle Einwirkung auf die Finanzlage. Die Liberalen würden jedoch mit den Conservativen sich auf den Boden der Thatsachen stellen und ver suchen, den gefährdeten Etat in der Einnahme und Ausgabe sicher zu stellen. Redner warnte vor zu großen Hoffnungen aus die Erträge des Staats bahnbetriebes und dankt übrigens dem Eisenbahn minister für die schnelle Ausführung des Prinzips des Antrags Büchtemann auf Etatisirung der Unter beamten. Sodann fuhr der Abgeordnete Rickert fort: Was den Cultusetat betreffe, so sei zu be dauern, daß einzelne sehr dringende Forderungen für die Elementarlehrer noch nicht berücksichtigt seien. Gegen die Erhöhung der Holzpreise, wie sie der Holzzoll bewirken muß, sei im Interesse der Erhal tung des Waldes zu protestiren. Das Deficit werde hoffentlich um ein Bedeutendes vermindert werden können. So tauge dasselbe aber bestehe, könne von neuen Steuererlassen nicht gesprochen werden. Red ner vermißte ferner den Nachweis, wie das Deficit schließlich beseitigt werden soll. Der Hinweis auf die Ueberschüsse aus dem Reich sei nur verständlich und möglich, wenn im Hintergründe große Reichs monopole ständen, daher scheine es, als ob das Tabaksmonopol zeitweilig zurückgestellt sei, um es wieder hervorzuholen, wenn die Einzelstaaten ge zwungen sind, weitgehende Zuschüsse aus den Reichs mitteln zu fordern. Das Gesetz über die Aufhebung der untersten Klassensteuerstufen sei ein Einbruch in das directe Steuersystem und scheine der Anfang zur Beseitigung des ganzen Systems zu sein, wozu die Mehrheit der Volksvertretung sich nicht verstehen könnte. Abg. v. Tiedemann erklärte, der Etat lasse die fortschreitende Besserung der Finanzverhältnisse erkennen. Mit dem Steuerlaßgesetz sei er einver standen, wenn gleichzeitig eine gerechtere Normirung der einzelnen Steuerstusen Hand in Hand gehe. Die Mittel seien am besten der Besteuerung des Schankgewerbes und des Tabaks zu entnehmen. Abg. Schorlemer erklärte, die finanzielle Selbständigkeit des Reichs als Grundlage seines Bestandes werde zu sehr betont. Der Bestand des Reiches müsse im Bewußt sein des Volkes und in der gerechten Regierung begründet sein. Was die Steuererlasse betreffe, so seien dabei jedenfalls die politischen Rechte der jetzt zu Befreienden zu wahren. Der Holzzoll sei durch aus geeignet, die Forstkultur zu heben; die Lage des Grundbesitzes müsse immer auf's Neue der Regierung nahe gelegt werden, damit endlich die Kalamität der Grundbesitzer aufhöre. Redner wünscht die Aufhe bung des Sperrgesetzes und die größtmögliche Spar samkeit auf allen Gebieten der Staatsverwaltung. Der Erlaß der vier untersten Steuerstufen sei ihm sympathisch, weniger aber seien dies die neuen Steuern, welche als Ersatz vorgeschlagen werden. Da sei viel eher nöthig, eine Börsensteuer zu verlangen. Ferner fordert Redner endlich die Beseitigung der Mai gesetze. Abg. v. Minnigerode meint, das Deficit habe schon unter Minister Camphausen sich im Etat be funden, allerdings verschleiert, wie sich Abg. Rickert als Berichterstatter in seinem damaligen Bericht ausgesprochen. Was die Mittel zur Unterstützung der Schulen anlange, so könne er damit nur zu frieden sein, nur sei zu wünschen, daß der Neigung nicht Folge gegeben werde, jede Dorfschule zu einer Universität machen zu wollen. Die bisherige Finanz- wirthschaft im Staate könne nicht durchgeführt wer den ohne fortdauernde erhebliche Zuschüsse aus den Reichsmitteln. Abg. v. Minnigerode erklärte weiter, bezüglich der Finanzsteuer behalte seine Partei sich ihr Urtheil bis zu näherer Prüfung vor. Den da mit verfolgten Zweck billige sie vollkommen, die procentuale Börsensteuer sei stets ein idealer Wunsch seiner Partei gewesen. Schon in der nächsten Woche werde dem Reichstage ein sich nach dieser Richtung bewegender Antrag von den Conservativen zugehen. Abg. v. Benda ist gegen die Steuererlasse, solange ein Deficit vorhanden, und behält sich eine Er klärung über die Aufhebung der vier Steuerstufen bis zur Einbringung des Gesetzes vor. Er will eine Aenderung des bewährten Steuersystems nur, soweit sie durchaus nothwendig sei. Der Finanz minister erklärt, das H'aus habe im Vorjahre dem Steuererlaß zugestimmt, der Regierung sei dadurch materiell an die Steuererlasse gebunden. Das Prinzip des Gesetzes sei gutgeheißen. Die Kölnische Zeitung schreibt über den Besuch des Herrn von Giers in Berlin und Varzin: Rußland will offenbar nicht nur seine guten Bezie hungen zu Deutschland und Oesterreich befestigen, sondern dies auch kundgeben. Die seit einiger Zeit bemerkbare Annäherung zwischen den deutschen Mächten und England mag auf den Wunsch mit eingewirkt haben. Von Streitfragen zwischen hier und Petersburg hat man hier in der letzter» Zeit äußerlich wenig vernommen. Das Treiben der Panslavisten in Montenegro und Ostrumelien, worüber sich die Pforte und Oesterreich beschweren, mag hier jedoch zuweilen verstimmt haben, und man weiß, daß die russische Regierung selbst davon zu leiden hat. Fragt es sich, ob sie mitunter demselben nachdrücklicher entgegenwirken könnte, so ist fie dazu, soweit es sich um die ruchlosen Hetzereien gegen die Deutschen in den russischen Ostseeprovinzen handelt, seit einiger Zeit selbst in hiesigen regierungsfreund lichen und hochconservativen Zeitungen oft genug eindringlich ermahnt worden. Der Versuch des Herrn von Giers wurde wohl nicht durch das alles veranlaßt. Aber die Hoffnung, daß eine Besserung jene Zustände, dis ja auch dem eigenen Interesse Rußlands entspricht, zu den thatsächlichen Folgen der Bewegung gehören dürfte, wirb nicht unberech tigt erscheinen. Wer in eine der zahlreichen Schankstätten geht, wie sie für den Arbeiter namentlich in norddeutschen Städten als Destillationen nur zu häufig anzu treffen find und sich einen Schnaps geben läßt, erhält in einem Gläschen für 5 Pf., deren 20—30 und mehr auf den Liter gehen, einen verdünnten, durch Beimischungen versetzten und leidlich schmack haft gemachten Alkohol, welcher als Kartoffelbrannt wein, oder auch unter wohlklingenderer Bezeichnung um 20—25 Pf. pro Liter aus der Fabrik bezogen wird. Für einen zweifelhaften Genuß hat danach der Arbeiter in den Schankstätten und durch die Schankstätten das Fünffache und oft das Sechsfache des Welches zu zahlen, nämlich 1 Mark bis 1,50 Mark statt 20—25 Pf. pro Liter Schnaps. In Deutschland macht die Branntweinsteuer etwa 20 Pf. pro Liter Alkohol — 2'/s Liter Schnaps, also 8 Pf. pro Liter Schnaps aus, d. i. etwa ein Drittel des Fabrikationswerthes desselben, jedoch nur ein Fünfzehntel durchschnittlich seines Verkaufspreises. Erscheint hiernach die bestehende Steuer für das Spiritusfabrikat verhältnißmäßig und ausreichend, so muß sie gegenüber dem Verkaufspreise des Schnapses als eine gänzlich unzugängliche bezeichnet werden und im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse der Land- wirthschaft bei dem Betriebe der Brennerei liegt nichts näher, als die Reform bezw. die Erhöhung der Branntweinbesteuerung da zu suchen, wo sie ein mal bequem getragen werden, zugleich aber auch den Branntweinconsum selbst wirksam einschränken kann. Will die liberale Partei, wie sie vorgiebt, das letz tere, so muß sie angesichts der Praxis des Lebens sich sagen, daß eine Verdoppelung, selbst eine Ver dreifachung der Spiritussteuer auf den Kleinconsum fast ohne Wirkung bleiben würde, da es bei demselben wenig ausmacht, ob ein Liter Schnaps 7 oder 14 oder 21 Pfennige Steuer zahlt, wofür er doch 1—1^/2 Mark vereinnahmt, ganz abgesehen davon, daß durch weitere Verschlechterung der Qualität die Steuer erhöhung leicht ausgeglichen werden könnte. Nicht der Spiritus, sondern der Schnaps ist zu nie drig besteuert und das ist von Uebel. Das Organ des Centrums, die „Germania", hat in ihrer Sonntagsnummer einen Artikel gegen vr. Martin Luther gebracht. Nicht nur des Refor mators Leben war nach der „Germania" lasterhaft, „selbst Luthers Gebet bestand in Flüchen" (so heißt es wörtlich). Und während die „Nordd. Allg. Ztg." in diesefi Tagen einen Leitartikel brachte, welcher vr. Luther als einen Vorläufer für die Wirth- schaftspolitik des Fürsten Bismarck darstellte, schreibt jetzt die „Germania", daß Luther in seinem refor matorischen Auftreten sich nicht nur als ein Re volutionär gegen die von Gott gesetzte Staats obrigkeit documentirt hat, sondern auch als ein Revolutionär gegen die Ehe, also gegen die Grund lage des christlichen Familienlebens. Kurz, aller Schmutz, welcher in vier Jahrhunderten von Geg nern Lulher's gegen diesen geworfen worden ist, wird neuerdings vom Hauptorgan der Katholiken Deutschlands wieder aufgeführt. Das ist wahrlich nicht dazu angethan, den confessionellen Frieden zu befördern und die evangelischen Parteimänner der Parlamente zu einem Zusammengehen mit den Centrumsleulen zu gewinnen. Die Protestanten haben Ursache, auf der Hut zu sein. Frankreich. Ein an den Depulirten von Vaucluse, Gaillard, gerichteter, von Sofala datirter Brief Soleillet's meldet, er habe von der Tajurrabet (an der Ostküste von