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Nr 114 Montag, den 4. März 1918 Der Friede mit Rußland unterzeichnet Berlin, S. März. (Amtlich.) Der Friede mit Ruß land ist heute 5 Ahr nachmittags unterzeichnet worden. Der deutsche Heeresbericht Amtlich. Großes Hauptquartier, 3. März. Westlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Südwestlich von Lomdardzyde naymen wir eine An zahl Belgier gefangen. Brandenburgische Sturmtrupps brach ten von einem Vorstoß bei Neuve-Lhapelle 66 Portu giesen, darunter drei Ojfizere, gefangen zurück. Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Französische Kompanien griffen am Abend nach mehr stündiger Feucrvorbereitnng unsere Stellung bei Lorbeny an; sie wurden im Gegenstoß zurückceworsen. In der Champagne lebte die Gefechtstätigke.t in den Kampf abschnitten vom 1. 3. zeitweilig aus. Oestlicher Kriegsschauplatz Front des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern. Die nach Ablauf des Wafscnstillstandsvertrages ein geleiteten Operationen haben zu großen Erfolgen geführt. Die Truppen des Generalobersten Grafen Kirchbach Haden Livland und Estland zur Unterstützung der bedrängten Versöhner im SiegeSzug durcheilt, begleitet durch Teile der über den zugefrorencnMoon-Sund vo> gehenden Vefatztntgen der baltischen Inseln und durch estnische Regimenter. Reval und Dorpat wurden genommen. Unsere Truppe« stehen vor Narva. Die Armeen des Generalobersten von Kirchbach und des Gene aiseldmarschcllS von Eichhorn Haden in unaufhaltsamem Vordringen über Dünaburg und Minsk nach hartem Kamps Pleskau sowie Polozk und Borissow genom men. In BobruiSk wurde die Bereinigung mit polnischen Divisionen erzielt. Teile der Heeresgruppe Linsingen haben in Ueberein- slimmung mit der ukrainischen Regierung den Eisenbahnweg von Luninisk über Rjetschiza am Dnjepr bis Gomel nach mehrfachem Kampf geöffnet. Andere Divisionen unter Führung des Generals von Knoerzer haben, feindlichen Wider stand brechend, die auf Kiew führenden Bahnen und Bahn linie Kiew-Shmcrinka vom Feinde gesäubert. Am 1. März wurde Kiew im Verein mit Ukrainern genommen; deutsche und österreichisch-ungarische Truppen sind in Shme- rinka eingerückt. Die dem Feinde abgenommene Beute ist auch nicht an nähernd zahlenmäßig festzustellen. Soweit Meldungen vor liegen, sind in unserem Besitz: An Gefangenen: 6800 Offiziere und 57000 Mann. An Bente: 2400 Geschütze, über 5000 Maschinen gewehre, viele tausend Fahrzeuge, darunter über 500 Kraft wagen und elf Panzerautos, über zwei Millionen Schuh Artilleriemunlion und und 128 000 Gewehre, 800 Lokomo tiven und 8000 Eisenbahnwagen. Hinzu kommt die Beute von Reval mit 13 Offizieren, 500 Mann, 220 Geschützen, 22 Flugzeugen und viel rollen dem Material. Heeresgruppe Mackensen. Der Waffenstillstand mit Rumänien ist gefier« ge kündigt worden. Daraus hat sich die rumänische Regierung bereit erklärt, in neue Verhandlungen über einen weiteren Waffenstillstand auf Grund der von den Mittelmächten ge stellten Bedingungen einzutreten. An diese Waffenstillstands- Verhandlungen sollen sich FriedenSoerhandlungen auschliehen. Bon den anderen Kriegsschauplätzen nichts Neues. Der Erste Generalqoarttermelster. Ludendorff. (W.T.B.) Der Dormarsch in Grotzrutzland eingestellt Berlin, 3. März. (Drahtbericht.) Das Wolffsch« Bureau meldet amtlich: Infolge der Unterzeichnung des Friedeasoertragrs mit Rußland sind die militärische« Bewegungen in Grohrußland eingestellt. Von Len anderen Kriegsschauplätzen nichts Reuest Oefterr.-ungar. Heeresbericht Wien, 3. März. Amtlich wird verlautbart: An der Piave mehrere Feuerüberfälle. Im Gebirge ver hindern starke Schneefälle seU gestern mittag sed« Gefechtstilllgkeit. In Po dollen hoben österreichisch-ungarisch« Vortrupp«« 3 merinka nach kurzem Kampf beseht. Bei der Einnahme von Gorodok ergäben sich «in sibirisches Korps- «nd ein Infanterie- Divistcns-Kommando. Der Waffenstillstand mit Rumänien ward« gestern gekündigt. Die rumänische Regierung erklärte sich daraufhin zu neue» Waffen- stillstandsverhondlungen mit anschließenden FriedenSoerhandlungen auf Grund der von den Mittelmächten gestellten Bedingungen bereit. Der Chef des Generalstabes. Der Kaiser an Graf Hertling Berlin, 3. März. (DrcrhtberichL.) Der Kaiser hat ans Anlaß des Friedensschluss»; mit Rußland an den Reichskanzler Grasen Herkltng filgerrdeS Telegramm gerichtet: Großes Hauptquartier, 3. März. Das deulsch« Schwert hak, geführt von großen Heerführern, den Frieden mit Rußland gebracht. In tiefer Dankbarkeit gegen Gott, der mit uns gewesen ist, erfüllt m ch stolze Frende über die Toten meiner Armee, über die zähe Ausdauer meines Bockes. Daß deutsches Blut und deutsche Kultur Hal gereitet werden können, ist mir eine besondere Befrled.gung. Empfang n auch Sie für Ihr« treue starke Mitwirkung meine« warmen Dank. Wilhelm I. 8. * Berlin, 3. März. sDrahtberlcht.) Auf Befehl des Kaiser« hat der Kultusminister angeordnet, daß wegen des Friedensschlüsse« mit Rußland der Unterricht in allen Schulen der Monarchie morgen, Montag, oder, wo die Durchführung wegen der Kürze der Zeil nicht möglich ist, DienSlag au «fällt. Die rumänische Drage O Berlin, 3. März. (Drahtbericht unserer Ber liner Schrlftleitung.) Bereits der Sonntag hat auch über Rumänien eine erfreuliche Kunde gebracht. In den letzten Lagen war man ganz allgemein der Ansicht, die Verhandlungen mit Ru- mLniev waren auf einen töten Strang geraten «nd ihr Adbrach stehe vor der Tür. Selbst am gestrigem Abend noch stieß man in Kreisen, die man mit gutem Grunde für unterrichtet halten durfte, auf diese Meinung. Nun ist über Nacht offenbar ein Wandel eingetreten. Was hier im einzelnen gewirkt hak, ob wir ent- gsgengekommen sind, ob die Rumänen nachgegeben haben, läßt sich aus der halbamtlichen Meldung nicht erkennen; in den nächsten Tagen werden wir vermutlich darüber mehr und Näheres hören. Mit Rumänien liegen die Dinge ja anders al-S mit Nordrußlanü, anders selbst, als mit der Ukraine. Das Deutsche Reich gehört nicht zu den Nachbarn Rumäniens, irgendwelche territorialen Ansprüche hak es nicht und gedenkt es auch sicher nicht anzumelden. Für uns kämen lediglich wirtschaftliche Forderungen in Be tracht, und über die ließe sich auf der Grundlage des «äo ut äes" wohl unschwer eine Uebereinkunft erzielen. Anders steht es mit unseren Verbündeten. Bulgarien verlangt bekanntlich die Do- brudscha, und auch die habsburgische Monarchie, insonderheit Ungarn, wünscht durch gewisse «reale Garantien' für die Zukunft sichergeskellk zu werden. Kompliziert werden alle diese Fragen durch das Problem Konstantza. Konstantza aber liegt in der Dobrudscha. Ganz einfach also werden sich also auch die weiteren Verhandlungen kaum gestalten, auch wenn, wie es in der offi ziösen Mitteilung heißt, die Rumänen sich nun «auf den Boden der Verhandlungsgrundlagen des Dreibundes" gestellt haben. Daß wir alle Forderungen unseres tapferen und treuen bulgarischen Behändsten, soweit wir uns dazu in dem Abkommen von 1915 verpflichteten, wirksam zu unterstützen haben, versteht sich von selbst. Wie«, 3. März. (E i g. Drahtbertcht.) Die Schwierigkeiten bH den rumänische« Verhandlungen sind hauptsächlich durch folgende Umstände veranlaßt: Die Frage der Zugehörigkeit de« Hafen« von Coastaaza, auf de« Bulgarien Anspruch erhebt, die von Ungarn verlaaglen strategische« Grenzslcheruage» und die deutscherseits projektierte langfristige Verpflichtung Rumänien« za Abgaben au« der Pelroleomlndastrie. Au« Sofia wird gemeldet: Von informierter Seile verlautet, daß La« Dobradscha-Problem in einer für Bulgarien vollkommen befriedigenden Weise gelöst werben wird. Alle Dundesgeaoffen n chme« de» Standpunkt ein» die ganz« Dobrudscha sei Bulgarien zuzoteUe«. Budapest, 3. März. (Elg. Drahtberich k.) Au« Sofia wird gemeldet: Die dem Ministerpräsidenten naheflehenden Blätter er klären, daß die Verhandlungen in Bukarest uur vo« kurzer Dauer sei« werden, da man sicht grflatlen werde, daß die Rumänen da« Spiel Trohkl« wiederholten. Alle Bulgaren erwarte», daß di« Grenze Bulgarien« läng« der Dona» gesichert werde. Runciman für den DerstSndiqungssrieben Frankfurt a. M^ 3. Marz. (Eigener Drahkbericht.) Einer Haager Depesche der «Frkf. Zlg * zufolge meldet der «Rleooe Rolterdamschr Courant": Der frühere englische Minister Runciman erklärt« einem Vertreter de« «Manchester Guardian', er unterschreib« durchau«, was Balfaur über Belgie« gesagt hab«, aber er sei keineswegs der Meinung, daß zunächst erst ein« bedeutend« Ueberein- stlmamng erzielt werde« müsse, eh« man an «inen Gedankenau«ta»sch zwischen de» Kriegführende« denken könne. Ein« solch« Ileberela- stimmullg kö«n« nnr durch eiuea Gedankenau«taosch erzielt werden, «icht durch Rede« und Autwortreden. Ei» solcher Geda,ke«ao«la»sch köa»e «ü hlich wirke», ob er »u» a»f «t»er Konferenz »der in anderer Weis« erfolgt«. K«i» Maa» vo» Verstand bild« sich «in, daß ma» de» Deutsche» die FriedeaSbediugunge» vor- schreib«» Köm,«. Dies« Bedingungen müßte» «ine Frag« der Be ratung«» u»d UnierhanLckngen fei», die früher oder später erfolge» müßle». Lord Sreuch In Dudkin Frankfurt a. M* S. März. (Etgen « r Drahtb « richt.) Die «Franks. Ztg.' meldet ans dem Haag: Wie Reuter aus London mel-et, istLordFrcnch, der Oberbefehlshaber der Trlrppen im Innern Englands, mit seinem Generalstad inDublin eingetroffen. Der Friedensschluß L. L. Der Sonderfricde mit Rußland ist unterzeichnet, und das deutsche Volk sagt sich, wenn man von der nicht kleinen Sensation des ersten Augenblicks absieht, ziemlich verstandes mäßig, ohne jeden lieberschwang, daß es damit eine beträchtliche Entlastung für den weiteren Kampf gewonnen hat. ES fühlt die ruhige Festigkeit verstärkt, mit der es dem noch recht ansehnlichen Rest der Kümpfe enkgegensieht. Wenngleich wir für den Fall, daß der Krieg noch ein Jahr oder darüber dauern sollte, durch diesen Friedensschluß es kaum leichter haben würden, als wir es vor einem oder zwei Jahren hakten, ehe Amerika in den Krieg elngetreken war, so kann man auch umgekehrt sagen, daß der Gewinn, den der Hinzutrikt von Amerika der Entente brachte, durch das Ausscheiden Rußlands wieder wetkgemacht ist — ganz im Großen gesehen natürlich, denn bis ins einzelne das nach zuweisen, dürfte eine unsichere Rechnung sein. Jubel ist in unserem Volke bei dieser immerhin doch welt geschichtlichen Gelegenheit kaum wahrnehmbar. Es gehört zur Härte dieses Krieges, zu seinem aufreibenden, ermüdenden Wesen — dem denn auch nicht mit großen Worten und auf die Dauer nicht einmal mit großen Gefühlen, sondern allein mit Zähigkeit und stiller Ausdauer begegnet werden kann — daß selbst so mäch tige Einschnitte des Geschehens nur mit gedämpfter Seele aus genommen werden können. Alles Rauschende, alles Begeisterte (im vollen Sinne des Wortes), gehört der Vergangenheit, der Anfangszeit des Krieges an; und wenn man geglaubt hatte, daß wenigstens am Ende noch einmal etwas jener Stimmung ähn liches wiederkommen würde, so ist auch das nunmehr zweifelhaft geworden. Es geht damit wie mit Erfolgen, die der einzelne in feinem Leben allzu spät erreicht: hätten sie sich früher eingestellt, so hätten sie große und befeuernde Freude in das Leben ge bracht, nach dem langen Warten ober und den vielen Enttäuschun gen rufen sie nur eine von Skepsis nicht freie Befriedigung her vor. Die stille Freud«, die wir jehk über den russischen Abschluß empfinden, beruhigt und wärmt immer noch, aber daneben geht doch das Bedauern her, daß so viel von der Stärkung und Er hebung, die dieses Ereignis in einem früheren Zeitpunkt hätte bringen können, verloren ist. Die widerwärtigen Erfahrungen, die wir in Brest-Likowsk mit den Bevollmächtigten des von der Mehrzahl der Deutschen doch geachteten und in seiner Art hochgeschätzten russischen Volkes machen mußten, die Schatten, die jene Leute von nur zweifelhaft russischem oder unzweifelhaft nichtrussischem Geblüt auf das Bild des großen Ostvolkes ivarfen, haben unsere seit dem Abschluß des Waffenstillstandes vorurteilslos und teilweise sogar lebhaft gestiegenen Empfindungen diesem Nachbar gegenüber herab gestimmt. Und auf der anderen Seite wird es nicht anders stehen. Nach dem erneuten und weiteren Vormarsch nach Rußland hin ein, der durch die bolschewistische Verhandlungäart nötig gewor den war und der den jetzigen Abschluß herbeigcsührt hat, ist die Stimmung nun auf beiden Seiten anders als sie etwa zu Be ginn des Waffenstillstandes war. Damals gab es wirklich ein« Völkerverbrüderung in der neutralen Zone zwischen den Draht verhauen, wo tägliche Zusammenkünfte stattfanden mit Aus tauschgeschäften, Unterhaltung, gemeinsamer Musik und Tänzen, — jetzt bleiben allenfalls die Austauschgeschäfte übrig, sonst aber ist man, wenigstens vor der Hand, wortkarger und zugeknöpfter gegeneinander, voneinander enttäuscht. Mit der «Freundschaft", die im ersten Paragraphen des Friedensvertrages vereinbart sein dürfte, wird es vorläufig leider gute Weile haben. Hier ist nun ein Friede, der wenigstens der Form nach kein Verstänüigungsfriede ist, der sogar Derhandlungssriede bloß in beschränktem Umfange genannt werden kann; eS ist ein Diktier friede, ein aufgezwungener Friede, der von der Gegenseite mehr hingenommen als angenommen, mehr ertragen als gewollt ist. Lin kurz befristetes Ultimatum, das während fortdauernder krie gerischer Unternehmungen gestellt wurde, und das sich nicht etwa nur auf den Wiederbeginn der Verhandlungen, sondern auch auf ihre Beendigung, auf die Unterzeichnung des Friedensvertrages und sogar auf seinen Inhalt richtete, also die denkbar schärfste diplomatische Waffe zugleich mit der militärischen angewandt, da bei die Forderungen in einer Sprache gehalten, die mehr mili tärischen als diplomatischen Charakter trug — das alles sah nach einem ziemlich einseitig «deutschen' Frieden aus- Daß ein so abgeschloffener Friede nötig, aber auch möglich war, lag an den Bolschewiki. Nach anderen Himmelsrichtungen wird ein der artiges Vorgehen nicht möglich sein, selbst wenn sich etwas Aehn- liches jetzt in Rumänien wiederholen sollte. Man wird warnen müssen vor der etwa sich bildenden Meinung, daß nun auch die anderen Friedensschlüsse in dieser Form zustande kommen würden. Noch sind in den Westländern die Spuren einer das ganze Staats gefüge aoflösenden Bolschewistenherrschaft nicht zu entdecken. Das alles betrifft nun aber lediglich die For m des deutschen Vorgehens, das den endlichen Abschluß herbeigeführt hat. Der Inhalt deS Vertrages, der ja wohl mit dem neulich veröffent lichten deutschen Ultimatum überelnstimmen wird (Einzelheiten sind noch nicht bekannt), entspricht jener Art des Vorgehens eigentlich wenig. Wenn also rechtsstehende Blätter vor Tagen triumphieren- schrieben: was sich tetzff in Rußland begebe, bilde eine nicht üble Kritik an der Politik der ReichStagsmehrhett, dis kläglich Schiffbruch erlitten habe, so ist daS gegenüber dem sach lichen Teile des Frie-jgrsschluffe- völljg fglsch. Deutschland Hai